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Artikel „Schlögl, Friedrich“ von Anton Schlossar in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 45–47, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schl%C3%B6gl,_Friedrich&oldid=- (Version vom 15. Oktober 2024, 05:37 Uhr UTC)
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Schlögl: Friedrich Sch., Schriftsteller, wurde am 7. December 1821 in Wien als Sohn armer Eltern geboren. Sein Großvater mütterlicherseits war Arzt gewesen, sein Vater Hutmacher und durch mehr als vierzig Jahre Billeteur im alten Kärtnerthortheater. In der Skizze „Ein Paar alte Leute“ hat später Sch. den Großeltern und seinen in mehr als 50jähriger Ehe glücklich vereinten Eltern pietätvoll ein litterarisches Denkmal gesetzt. Der Vater war ein schlichter Handwerker, aber von hellem Verstande und trotz seiner bedrängten Lage von unversiegbarem köstlichen Humor. „Er erzog im Vereine mit meiner edlen Mutter uns in Gottesfurcht und frommer Sitte.“ Gleich den übrigen späteren Geschwistern machte der junge Sch. die niederen Schulen in Wien durch und die Eltern ließen ihn sogar, wenn auch mit manchen Entbehrungen auf dem Gymnasium studiren, aber nur bis zu seinem 17. Lebensjahre, dann mußte der junge Mann sich selbst sein Brot zu verdienen suchen. „Ich trat in eine Militärrechnungskanzlei, wurde zum unbesoldeten Aspiranten ernannt, übte mich in den Disciplinen des Linirens, Rubrizirens, Laterirens und Summirens tüchtig ein, avancirte schon nach einem Jahr zum – unbesoldeten Praktikanten und empfing wieder nach einem Jahre (also 1840) endlich die höheren Weihen als beeideter Fourier, der sich zwar aus Eigenem zu equipiren hatte, aber an Bezügen vom Staate einen Monatsgehalt von 14 fl. und eine Brotportion von 1 fl. C.M. genoß.“. – Trotzdem hatte Sch. schon als Knabe Gelegenheit gehabt, sich mit litterarischen Dingen zu beschäftigen, da die Schwester seines Vaters, Josephine Gottdank, als einst vielgenannte Tragödin im Theater an der Wien wirkte. Dadurch war ihm der kostenlose Besuch des Theaters leicht gemacht. Er durfte auch dem dramatischen und deklamatorischen Unterricht, welchen die erwähnte Tante vielen Zöglingen ertheilte, beiwohnen. Ueberdies besaß der Vater die Gabe guten Vortrags, er las häufig im Familienkreise Schiller’sche und Bürger’sche Balladen, die er sich abgeschrieben hatte, vor. Sch. selbst beschäftigte sich schon damals, so viel es seine geringen Mittel erlaubten, mit dem Sammeln von Büchern, die er heißhungrig und wahllos durchlas; schon seit der Knabenzeit wurden neben dem Robinson Dramen von Schiller, Klinger und Kotzebue, Goethe’s Wilhelm Meister, Ramler’s Mythologie, Fenelon’s Telemach, Raff’s Naturgeschichte und andere verschiedenartige Bücher als Lectüre förmlich verschlungen. Das Beamtenleben wurde dem Strebsamen bald auch mit kleineren litterarischen Arbeiten zumeist ohne Namensnennung Hervortretenden bei den sattsam bekannten vormärzlichen Verhältnissen bitter genug gemacht, die trostlose Monotonie seiner Thätigkeit, die Brutalität und Engherzigkeit mancher Vorgesetzten zeigten sich für Sch. immer unerträglicher. Es gestaltete sich zwar besser, als er später zur Hofkriegsbuchhaltung versetzt wurde. Trotzdem sehnte sich Sch. nach freier schriftstellerischer Thätigkeit; im J. 1870 trat der Amtsmüde mit dem bescheidenen Titel eines k. k. Rechnungsofficiales in Pension. Bald sollte Rechnungsofficial Sch. als einer der besten und populärsten Darsteller des Wiener Lebens sich hervorthun.

Schon vor 1848 hatte sich Sch., wie erwähnt, schriftstellerisch bethätigt, [46] freilich „die ersten Versuche“ entsprachen (nach seinen eigenen Worten) im lammfrommen Vormärz den genügsamen Anforderungen der zahmen belletristischen Provinz- (und wohl auch Wiener) Blätter, zumal man dabei poetische Anfänge nicht zu honoriren pflegte. Von 1857 an dagegen war Sch. ständiger Mitarbeiter des damals gegründeten Wiener Witzblattes „Figaro“; er blieb durch mehr als 20 Jahre bei diesem Blatte, welches auf Sch.’s Anregung von 1876 eine Beilage „Wiener Luft“ brachte, die in den ersten Jahren fast ausschließlich Beiträge aus Sch.’s Feder veröffentlichte. Auch mit einem anderen vielverbreiteten Wiener Journal trat Sch. in feste Verbindung, mit dem „Neuen Wiener Tagblatt“, für welches er von 1867 an zahlreiche Feuilletone, Reiseberichte usw. verfaßte. Durch die außerordentliche Verbreitung dieses Blattets fand Sch. von Anfang an einen Leserkreis von solchem Umfange „wie er selbst den verdienstvollsten Produktionen nur selten zu Theil wird.“ Seine Chiffre F. S. wurde rasch bekannt und beliebt. Im Auftrage der Zeitung kam Sch. als Reise-Berichterstatter in die Schweiz, nach Aegypten, in viele Gebirgsgegenden Oesterreichs und Deutschlands. Mit Anzengruber und durch diesen mit Rosegger trat Sch. in ein freundschaftliches Verhältniß. (Vgl. „Briefe von Ludwig Anzengruber, hrsg. von A. Bettelheim“, Stuttgart 1902, 2 Bde., sowie Roseggers Aufsatz über Sch. in seinem Buche „Gute Kameraden“, Wien 1893.) Sch. lebte in den letzten Jahren seines Lebens zurückgezogen seinen litterarischen Arbeiten und seinem Sammeleifer, den er auf Bücher und andere Dinge ausdehnte zu Wien, wo er in einem kleinen gemüthlichen Kreise von litterarischen Persönlichkeiten verkehrte. In einer bescheidenen Wohnung in der Fillgrader-Straße hat Sch. mit seiner Gattin jahrzehntelang gehaust, dort ist er, die letzten Jahre schon von manchen Leiden geplagt am 7. October 1892 gestorben. Er wurde, wie er sichs gewünscht, in Purkersdorf bei Wien begraben.

Von den Schriften Schlögl’s, die gewissermaßen die Vorläufer und Vorbilder für spätere vortreffliche Wiener Localchronisten Pötzl, Chiavacci u. A. geworden, sind die Sammlungen zu nennen: „Wiener Blut. Kleine Culturbilder aus dem Volksleben der alten Kaiserstadt an der Donau“ (1873), „Wiener Luft“ (1876) und „Wienerisches“ (1883). In diesen Büchern schildert Sch. Wiener Sitten und Unsitten, er zeichnet Porträts und Skizzen, die Straßenfiguren der Lehrbuben, Bettler, Köchinnen, die Hausmeister und Soldaten, Volksunterhaltungen der verschiedenen volksthümlichen Localitäten, Einleitung und Umrahmung meist in hochdeutscher Sprache, jedoch die Wiener Typen in meisterhaft wiedergegebener mundartlicher Rede. Die Schilderungen der Arten und Unarten, der „Leute vom Grund und von der Straße“, die Skizzen „Wie das Volk weint und lacht, denkt und spricht“, die Zeichnungen der „Stadt- und Vorstadtfiguren“, der „Charaktere und Originale“ und die zahlreichen sittengeschichtlichen Aufsätze besitzen bleibenden culturgeschichtlichen Werth. In allen diesen Schilderungen ist Sch. weit mehr als ein Localchronist des Alt- und Neu-Wiener Volkslebens, seine Arbeiten sind kleine Kunstwerke, die Heimischen und Nicht-Wienern auf das Vortrefflichste die Eigenart und den Charakter des Lebens und der volksthümlichen Gestalten der alten Kaiserstadt vor Augen stellen.

Von den übrigen Werken Schlögl’s sind noch zu nennen „Alte und neue Historien von Wiener Weinkellern, Weinstuben und vom Weine überhaupt“ (Wien 1875), „Das kuriose Buch. Eine Spende für Gleichgesinnte und für Gegner“ (Wien 1882). Beiträge zur Wiener Theatergeschichte bietet das ebenfalls an unbekannten Einzelheiten reichhaltige: „Vom Wiener Volkstheater. Erinnerungen und Aufzeichnungen“ (Teschen 1884), „Ueber Ferdinand Sauter, [47] den Dichter und Sonderling“ (Wien 1884) und die des Verfassers Sammelfreudigkeit an Büchern besonders in helles Licht stellende Publication: „Von den besten Büchern“ (Wien 1889). Der (manches Autobrographische enthaltende) Vortrag: „Aus Alt- und Neu-Wien“ (Wien 1882), das Städtebild „Wien“ (Zürich 1886). – Ein Büchlein zur Erinnerung an den ausgezeichneten Sänger „Franz Wild“, das 1860 zu Wien ohne Angabe des Verfassers erschienen ist, rührt ebenfalls von Sch. her. An dem großen ethnographischen Werke über Oesterreich-Ungarn, das weil. Kronprinz Rudolf herausgegeben hat, war Sch. Mitarbeiter; er behandelte in dem „Wien“ umfassenden Band das „Wiener Volksleben“. Auch das Sammelwerk „Die Wienerstadt in Wort und Bild“ (1893) bringt Beiträge Schlögl’s. Nach seinem Tode erschienen in der „Oesterreichischen Nationalbibliothek“ seine Reiseschilderungen unter dem Titel „Aus meinem Felleisen. Kreuz- und Querzüge eines Wiener Zeitungsschreibers“ (Wien 1894).

Die Urtheile von Männern wie Ferdinand Kürnberger, Anzengruber, Hieron. Lorm, Rosegger über Schlögl’s Wiener Sittenschilderungen sind auch in dem hier als Quelle angeführten Bande von Wurzbach’s Lexikon zum Abdruck gebracht. Eine Ausgabe unter dem Titel „Friedrich Schlögl’s Gesammelte Schriften“, welche die 3 Hauptwerke („Wienerblut, Wiener Luft, Wienerisches“) enthalten, erschien 1893 in 3 Bänden (Wien), deren erster eine hübsche biographische und litterarhistorische Einleitung von Fritz Lemmermeyer bietet. – Aus der regen Correspondenz mit Sch. besitzt P. Rosegger mehrere hundert Briefe desselben, die zum Theile durch ihre Eigenart und Derbheit einen sehr ergötzlichen Eindruck machen und die biderbe Gradheit und Offenheit des Verfassers überaus charakterisiren.

Wurzbach, Biogr. Lexikon d. Kaiserth. Oesterreich, 30. Th., 1875. – Brümmer, Lexikon d. deutschen Dichter … d. 19. Jahrh., Leipzig 1901, Bd. 3. – L. Eisenberg, Das geistige Wien. Wien 1893, S. 487. – Auf die Briefe Anzengruber’s an Schlögl und Mittheilungen über Schlögl in anderen Briefen Anzengruber’s wurde schon im Texte hingewiesen. Ebenso auf Rosegger’s: Gute Kameraden. Wien 1893. Beide Werke bieten namentlich zur Charakteristik des Menschen Sch. und seiner urwüchsigen Persönlichkeit viel Bemerkenswerthes. – Friedrich Schlögl. Erinnerungen an einen alten Wiener von Julius Newald. Wien 1895. – Ueber Schlögl’s Verkehr mit Anastasius Grün und Briefe Graf Auersperg’s an Schlögl betreffend den angeblich von seinen Verwandten verfolgten Baron Königsacker in Wien, welchen Sch. zu vertheidigen sich bemüssigt sah, handelt ein für den Charakter Sch. ebenfalls bezeichnender Aufsatz O. Tann-Bergler’s im „Neuen Wiener Journal“ 1895, Nr. 733. – G. A. Ressel „Ein Classiker der Wiener Litteratur“ in Rosegger’s „Heimgarten“ Jahrg. 16, 1892, S. 207 f.