ADB:Scheller, Immanuel Johann Gerhard

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Artikel „Scheller, Immanuel Johann Gerhard“ von Richard Hoche in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 768–770, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Scheller,_Immanuel_Johann_Gerhard&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 17:01 Uhr UTC)
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Scheller: Immanuel Johann Gerhard S., bekannter Philologe und Schulmann des 18. Jahrhunderts. Er wurde am 22. März 1735 in Ihlow, einem kursächsischen Dorfe bei dem Städtchen Dahme als der Sohn eines Predigers geboren. Der Vater, Johann Gerhard S., ein vielfach gebildeter Mann, hatte in seiner Jugend zwei Jahre (1705–7) in Stockholm als Hauslehrer gelebt und von dort aus eine einjährige (1707–8) Reise zu wissenschaftlichen Zwecken nach Lappland unternommen, deren Beschreibung er 1727 veröffentlichte. Er starb bereits 1740; die mittellose Wittwe zog mit ihren 9 Kindern, deren jüngstes dieser Sohn war, zuerst nach Dahme, dann nach Weißenfels, später nach Apolda. In diesen Orten empfing S. den ersten Schulunterricht; dankbar gedachte er namentlich der Förderung in den alten Sprachen, welche er von dem Rector Schneegaß in Apolda erfahren hat. 1757[1] zog die Mutter nach Eisenberg im Altenburgischen, wo nun S. das Lyceum besuchte, auf diesem aber „eher zurück als vorwärts ging“. 1752 kam er als Alumnus auf die Thomasschule in Leipzig und entwickelte sich hier unter Ernesti’s und Fischer’s Leitung schnell zu einem vorzüglichen Latinisten. Vom J. 1757 an studirte er auf der Leipziger Universität Theologie und Philologie; sein vorzüglichster Lehrer blieb auch jetzt Ernesti, der ihm durch Zuweisen von Unterricht und litterarischen Hilfsarbeiten auch über die Noth des Lebens wegzuhelfen sich bemühte. 1760 erschien Scheller’s erste Abhandlung „De historiae antiquae utilitate“, 1761 seine gegen Klotz gerichtete Spottschrift: „Somnium, in quo praeter caetera Genius Seculi cum Moribus eruditorum vapulat“. – Im J. 1761 folgte er einer Berufung in das Rectorat des Lyceums in Lübben in der Niederlausitz und hat dieses bescheidene [769] und arbeitsreiche Amt, mit dem u. A. auch die Verpflichtung zum Predigen verbunden war, über zehn Jahre lang geführt. In diese Zeit fällt die Schrift, welche seinen Namen zuerst allgemeiner bekannt machte: „Anleitung, die alten lateinischen Schriftsteller philologisch und kritisch zu erklären und den Cicero gehörig nachzuahmen, nebst einem Anhange von einer ähnlichen Lehrart in der griechischen und hebräischen Sprache“ 1770. Es hätte der Einführung von Klotz, der, S. den früheren Angriff nicht nachtragend, eine empfehlende Vorrede schrieb, nicht bedurft, um dem Buche eine gute Aufnahme zu sichern; man lernte durch dasselbe in S. einen „selbstdenkenden Lehrer der alten Litteratur kennen, der dem Schlendrian entsagend, die Bahn für ein gründlicheres und weniger einseitiges Studium der Alten brach und eine Menge fruchtbarer Winke und Bemerkungen über den Geist der lateinischen Sprache einstreute, die gewiß zu unserem zweckmäßigeren Studium der römischen Litteratur das Ihrige beigetragen haben (Lenz). Das Aufsehen, welches die Schrift in weiten Kreisen machte, veranlaßte das Dresdener Oberconsistorium, S. für die gerade erledigte Rectorstelle an der Kreuzschule in Dresden in Aussicht zu nehmen und ihn zunächst zu einer Probelection zu berufen; ehe aber diese Verhandlungen zum Abschlusse gediehen waren, hatte bereits der Unterrichtsminister Friedrich’s des Großen, Freiherr von Zedlitz, sich an S. gewendet und ihm 1771 die Stelle als Rector und Professor des königl. Gymnasiums in Brieg angeboten; diese Berufung nahm S. an und hat fast 32 Jahre der Brieger Schule vorgestanden. Allerdings zeigte sich bald, daß S. für ein solches Amt, welches auch praktische Gaben erforderte, wenig geeignet war; es scheint ihm an Organisationsgeschick und -Kraft in der Leitung gefehlt zu haben und auch als Lehrer that er sich nicht hervor; zu wiederholten Malen (1791 und 1792 und noch kurz vor Scheller’s Tode) wurden durchgreifende Aenderungen und Verbesserungen der Anstalt für geboten erachtet. Dagegen waren die litterarischen Erfolge seines stillen, eingezogenen Gelehrtenlebens außerordentliche. Zwar sind die seiner Zeit mit allgemeinem Beifalle aufgenommenen „Praecepta stili bene latini“, zuerst 1779, jetzt ebenso vergessen, wie die beiden verbreiteten und viel gebrauchten lateinischen Grammatiken: „Ausführliche lateinische Sprachlehre“, zuerst 1779, und „Kurzgefaßte lateinische Sprachlehre“, zuerst 1780, und die „Observationes in priscos scriptores quosdam“, 1785 – zu Cicero und Livius I–VI, vielfach gegen Ernesti gerichtet –, aber seine lexikalischen Arbeiten, welche die Grundlage zu allen späteren Arbeiten dieser Art gebildet haben, sichern ihm ein ehrenvolles Andenken für alle Zeiten. Auf das „Kleine lateinische Wörterbuch“, zuerst 1779, welches an die Stelle des bis dahin gebräuchlichen Taschenwörterbuchs von Cellarius trat, folgte 1783 in der ersten – zweibändigen – Ausgabe „Ausführliches und möglichst vollständiges Lateinisch-Deutsches Lexikon oder Wörterbuch zum Behufe der Erklärung der Alten und Uebung in der lateinischen Sprache“, ein „aus langjähriger selbständiger Lectüre der römischen Schriftsteller, verbunden mit sorgfältiger und verständiger Benutzung der besten neueren Ausleger derselben und der früheren lexikographischen Arbeiten hervorgegangenes Werk, das bei jeder neuen Bearbeitung nicht nur an Umfang, sondern auch an innerem Werthe und Brauchbarkeit zugenommen hat“ (Bursian). Die zweite Ausgabe erschien 1788 in drei Bänden, die dritte nach des Verfassers Tod, aber noch ganz von ihm hergestellt, 1804 auf fünf Bände erweitert. Das große Werk, welchem auch noch ein deutsch-lateinischer Theil beigefügt wurde, erregte weit über die Grenzen Deutschlands hinaus die allgemeine Aufmerksamkeit; von den vielfachen fremden Bearbeitungen genüge die Anführung der freien Uebersetzung in das Holländische, welche kein Geringerer als David Ruhnkenius 1799 erschienen ließ, aus der allerdings S. für die folgende Neubearbeitung [770] wenig oder gar keinen Gewinn gezogen zu haben erklärte. Ein Auszug aus dem großen Wörterbuche erschien 1792 als „Lateinisch-Deutsches Handlexikon“, ebenfalls mit einem deutsch-lateinischen Theile; die späteren Ausgaben dieses lange Zeit die deutschen Gymnasien beherrschenden vortrefflichen Buches hat nach Scheller’s Tode G. H. Lünemann besorgt. – S. starb nach kurzer Krankheit in Brieg am 5. Juli 1803.

J. F. J. Heuser. Denkmal des Herrn I. J. G. Scheller’s, mit Scheller’s Bildniß, 1803. – Nekrolog von C. G. Lenz bei Schlichtegroll, III, 151 bis 164 (1805). – Vollständiges Schriftenverzeichniß (bis 1798) bei Meusel, D. gelehrte Teutschland, 5. Ausg., VII, 95–98. – Chr. Saxi onomasticum, VIII, 204–267. – Bursian, Gesch. der klass. Philologie, S. 508 f. – Vgl. auch Ruhnken’s rühmendes Urtheil über S. in der Praefatio zu „Schelleri Lexicon Latino-Belgicum“. – Ueber die Lebensgeschichte des Vaters, J. G. S., enthält mehreres dessen „Reisebeschreibung von Lappland u. Bothnien“, 1727.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 768. Z. 12 v. u. l.: 1747. [Bd. 45, S. 671]