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Artikel „Schütz, Friedrich Karl Julius“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 117–120, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sch%C3%BCtz,_Karl_Julius&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 13:17 Uhr UTC)
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Schütz: Friedrich Karl Julius S. (Sohn von Christ. Gottfr. S.), geboren am 31. Mai 1779 (nicht 1780) zu Jena, wuchs, über Durchschnitt begabt, in den vielseitigen Anregungen des Elternhauses frühreif heran und fand bereits damals Gelegenheit, durch rege Theilnahme an einer Privatbühne dem inneren Zuge zum Theater unmittelbar zu genügen. Nach sorgfältiger Vorbildung durch den Vater genoß er den höheren Unterricht auf dem trefflichen Gymnasium zu Gotha, wo u. a. Chr. Fr. W. Jacobs (s. A. D. B. XIII, 600) seinen für Geschichte und Schönwissenschaft empfänglichen Sinn nährte. Er entschloß sich infolge dessen für das Studium der Geschichte und betrieb es neben dem der Aesthetik auf Wunsch der Familie zunächst zu Jena, wo der Vater Professor war, dann, unfest und unstet, auf den Universitäten Erlangen und Göttingen, und zwar mit solchem Eifer, daß er sich schon Ende 1800 an der heimathlichen Hochschule (mit einer „Dissertatio de vera historiae catholicae idea ejusque conscribendae praeceptis et experimentis“, Jena 1801) habilitiren konnte. Hier trat er in enge Beziehung zu der von seinem Vater herausgegebenen „Allgemeinen Litteraturzeitung“ und folgte, als diese 1804 nach Halle verlegt wurde, ebendorthin einem Rufe als außerordentlicher Professor der Philosophie. Hier war er, wie schon in Jena, journalistisch, besonders kritisch äußerst geschäftig. 1806, nach dem Tode der heiß geliebten ersten Gattin, die er 1800 heimgeführt hatte, siedelte er, durch manche Widrigkeiten mit veranlaßt, nach Berlin über, theils um den Gesichtskreis zu erweitern, theils um seine Zukunft aussichtsreicher zu gestalten. Hier trat er der um sieben Jahre älteren Henriette geb. Schüler, die er vielleicht schon in Halle kennen gelernt hatte, näher und führte sie, die bereits zweimal geschiedene und eben Wittwe eines Stettiner Militärarztes Händel (Hendel) aus Halle gewordene, 1811 heim. Aber die Ehe mit dieser schönen und durch und durch koketten, dabei freilich geistreichen, aber auch innerlich unglücklichen Frau scheint eine Uebertölpelung ihrerseits gewesen zu sein und gestaltete sich für beide Theile nicht befriedigend. Nachdem sie auf deutschem Boden Ruhm und reiche klingende Ehre geerntet hatte, folgte ihr S. bis 1818 auf den auf seinen Antrieb unternommenen erfolggekrönten Kunstreisen im Auslande (Paris, Amsterdam, Kopenhagen, Stockholm, Rußland), betrat dabei auf ihr Drängen auch selbst die Bühne. Dann trennte er sich, bitter enttäuscht, von ihr in Halle, hielt daselbst wieder für kurze Zeit Vorlesungen, bis er vor ihr weichend nach Hamburg ging. 1820 nahm sie in Leipzig vom Theater Abschied, lebte aber dann noch in Halle, angeblich als Wirthschafterin des Schwiegervaters; 1824 schieden sie sich völlig, doch erst 1827 gerichtlich. S. heirathete nochmals, brachte einige Zeit in Leipzig zu und nahm von neuem seine Vorlesungen in Halle auf, mußte sie aber abbrechen, weil sein Mangel an Würde und Nachdruck Ausschreitungen der Studenten hervorrief. Körperlich und seelisch längst ein gebrochener Mann, starb er in kümmerlichen Verhältnissen am 5. September 1844 in Leipzig (nicht in Halle). – S. war allerdings kein [118] Mann von starkem ursprünglichen Geist, jedoch mannichfach beanlagt und gelangte zeitig zu einem ziemlich umfassenden Wissen. Aber dieses selbstschöpferisch und fruchtbringend zu verwerthen lernte er nie, sondern trat, überwiegend Compilator und Recensent, als Gelehrter für die breite Oeffentlichkeit ganz in die Fußstapfen seines Vaters, dessen Art ihm maßgebend eingeimpft war. Ein Sklave in der Gewalt von allerlei mißlichen Umständen, schwamm er, haltlos und ohne eigenen Willen, mit den Strömungen der Zeit. Keine seiner Schriften und Skizzen trägt eine tiefere Bedeutung. Ob die gegen seine Ehrenhaftigkeit geschleuderten Vorwürfe einen echten Kern enthalten, ist, wenn auch kaum zweifelhaft, doch für die Nachwelt nicht zu ermessen; insbesondere gilt das von dem vielfach unaufgeklärten Zwiste mit seiner Gattin. Ueberaus eitel sowie ohne irgend welchen geistig-sittlichen Boden zeigte er sich stets und stand neben seinem mehrseitig verdienten Vater damit entschieden im Schatten. Doch kommt ihm für seine Zeit die Geltung eines im ganzen aufgeklärten, neuerer Lebensanschauung geneigten Gelehrten zu, der zudem eine gewandte schriftstellerische Feder führte. Freilich bewies er immer ebenso wenig historischen Blick wie ein tieferes Verständniß für Poesie und Kunst (z. B. bezüglich Goethe’s). Schon bei Lebzeiten war der einst vielgenannte und von kurzsichtigen Bewunderern sogar Gefeierte völlig verschollen.

Seine zahlreichen Veröffentlichungen sind: die Habilitationsschrift (s. o.) Jena 1801; „Friedrich Wilhelm der Große, Kurfürst von Brandenburg“: Woltmann’s Zeitschrift für Geschichte und Politik, Bd. 2 ff. Berlin 1801 ff.; „Geschichte der Republik Frankreich im Grundriß für akademische Vorlesungen“ 1802; 2. Aufl. (u.d.T.: Chronologische Darstellung der französischen Revolutionsgeschichte) 1808; „Shakespeare’s Hamlet für das deutsche Theater bearbeitet“, 1806, Titelauflage 1819; „Epigrammatische Anthologie“, 1806 f. 3 Bde.; Text zu den Kupfern von J. Jak. Roux, Ansichten der Gegenden um Jena, 1808. Zeitschrift „Teutonia“, 1. Heft (Januar) 1808; „Die katholische Freischule zu Halberstadt“: Zeitung für die elegante Welt 1809; „Handbuch zur Geschichte Napoleons I. und seines Zeitalters, 1810; „Blumenlese aus dem Stammbuche der deutschen mimischen Künstlerin Frau Henr. Händel-Schütz geb. Schüler“, 1815; „Vincenzo Galeotti, königl. dänischer Balletmeister zu Kopenhagen“: Zeitg. f. d. eleg. Welt, 1815; „Sperlings Theaterpredigt. Eine Parodie der Capuzinerpredigt in Schiller’s Wallenstein“: ebd. Nr. 191 f.; „Ueber die Posse ‚Unser Verkehr‘ (von K. B. A. Sessa, 1814, jüdisch-deutsch) und ihren Verfasser“: ebd. Nr. 218 f.; „Auch ein Wort über den gegenwärtigen Verfall unserer tragischen Bühne“: ebd. 1816; „Henriette Händel-Schütz geschetst benevens eenige Byzonderheden het Leven van deze Kunstenares betreffende“, 1816; „Die Inseln Norderney und Helgoland, ein Fragment aus meinem Reisejournal“: Ztg. f. d. eleg. Welt 1817; „Benedicte Naubert“: ebd. Nr. 36; „Die Pariser Rutschberge“: ebd.; „Ueber den gegenwärtigen Zustand der französischen Journalistik, nebst einer Uebersicht der in Paris jetzt erscheinenden Zeitungen, Journale u. s. w.“: Hallische Literaturzeitung 1817, 293 f.; „Entwurf einer Darstellung der Geschichte der französischen Revolution, und der Entwicklung der gegenwärtigen Zeit aus ihren Folgen“, 1820; „Leben und Charakter der Elisabeth Charlotte, Herzogin von Orleans, nebst einem Auszuge des Denkwürdigsten aus ihren Briefen; ein Beytrag zur Charakteristik des französischen Hofs unter Ludwig XIV“. 1820; „Biographie des deutschen Schauspielers Schüler, Vaters der Händel-Schüler“, 1820; „Zur Erinnerung an Friederike Bethmann“: Zeitung für die elegante Welt, 1822; „Goethe und Pustkuchen oder über die beiden Wanderjahre Wilhelm Meisters und ihre Verfasser. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Poesie und Poetik“, 1822; „Biographie von Karoline [119] Luise Brachmann“, vor deren Auserlesenen Werken, 1824 (neue Ausgabe 1834); „Goethes Philosophie. Eine vollständige systematisch geordnete Zusammenstellung seiner Ideen. Herausgegeben und mit einer Charakteristik seines philosophischen Geistes begleitet“, 1825–27, 7 Bde.; „Antwort an Herrn J. A. Libbertz zu Hamburg, auf die in seiner Dissertation für seine neue Kessel-Theorie in Betreff der Russischen Dampf-Bäder, an mich gerichteten Fragen“, 1827, 2 Bde. (von Fr. K. J. S.?); „Kritik der neuesten Cotta’schen Ausgabe von Goethe’s Werken, nebst einem Plane zu einer vollständigen und kritisch geordneten Ausgabe derselben. Eine Beilage zu dem Werke Goethe’s Philosophie u. s. w.“, 1828; „Die Stimme Friedrichs des Großen im 19. Jahrhundert, eine vollständige und systematisch geordnete Zusammenstellung seiner Ideen über Politik, Staats- und Kriegskunst, Religion, Moral, Geschichte, Literatur, über sich selbst und seine Zeit. Aus seinen sämmtlichen Werken, wie sonstigen schriftlichen und auch denkwürdigsten mündlichen Aeußerungen, herausgegeben und mit einer Charakteristik seines philosophischen Geistes begleitet“, 1828; „Taschen-Bibliothek der neuesten und unterhaltendsten Erzählungen, Novellen, Sagen und Mährchen“, 1828, 4 Bde.; „Müllner’s Leben, Charakter und Geist, dargestellt“. 1830 (vgl. Deinhardstein in den Wiener Jahrh. d. Lit. 49, 107–137); „Anthologie der geistreichsten und witzigsten Gedanken Müllner’s über Literatur, Kunst und Leben, aus seinen sämmtlichen poetischen und kritischen Schriften“, 1830; „Leben, Charakter und Kunst des Ritters Nicolo Paganini. Eine Skizze“, 1830; „Englisch-französischer Rasirspiegel für Deutschlands Universitäten, beleuchtet“, 1830; „Ueber den Begriff des Rechts. Mit besonderer Beziehung auf die Henrici’sche Schrift darüber“, 1831; „Janus. Leipzig, wie es war und ist. Ein Scherz-, Toiletten- und Sonntagsblatt für Theater, Literatur, Geselligkeit und Lokalität. Herausgegeben von H. Meynert und K. Fr. Jul. Schütz“. Jahrg. 1831, 104 Nrn.; „Charaktergemälde von Dresden, grau in grau; für Alle, welche die Elbresidenz bewohnen oder kennen zu lernen wünschen, aufgestellt von Janus“, 1833; „Christian Gottfried Schütz. Darstellung seines Lebens, Charakters und Verdienstes, nebst einer Auswahl aus seinem litterarischen Briefwechsel mit den berühmtesten Gelehrten und Dichtern seiner Zeit“. 1. und 2. Band (den Briefwechsel enthaltend) 1834 f.; „Deutsches Nationalblatt, herausgegeben von Schütz“, 1. Jahrgang, October bis December 1837 (13 Nrn.), 2. Jahrgang 1838 (52 Nrn.). Mit Abbildungen und Modeblättern. Berlin; „Zacharias Werners Biographie und Charakteristik, nebst Original-Mittheilung aus dessen handschriftlichen Tagebüchern herausgegeben“, 1841, 2 Bde.

Eine Reihe von Daten aus Schütz’s Leben wird schwankend angegeben, ebenso mehrere Titel der Schriften. Letztere sind hier zum ersten Male sämmtlich (bis auf die nicht zu ermittelnde Biographie der Staël) und genau aufgeführt. Ein Versuch einer Bibliographie fand sich bis jetzt bloß in dem Artikel über S., den die 4. Aufl. von Pierer’s Universal-Lexikon Bd. 15 (1862) S. 482b enthält. Auf einige entlegene Beiträge zu Zeitschriften machte die Anmerkung der Redaction zum Nachruf im „Neuen Nekrolog der Deutschen“ XXII, 1, S. 642 aufmerksam; dieser Nachruf (S. 689–643) bildet die Grundlage aller späteren Lebensabrisse, liefert auch ein drastisches Gemälde von Schütz’s verkommenem Aeußern in den letzten Jahren und weist auf den reichhaltigen ungedruckten Briefwechsel („den er mit den ersten Geistern seiner Zeit geführt hat“) hin, der aus dem Besitze eines Leipziger Antiquars in alle Winde zerstreut zu werden drohe. Ueber das Schicksal dieser Correspondenz war nichts zu erfahren. Diesen ganzen Bericht eines Augenzeugen benutzte selbständig Goedeke, Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung1 III, 691 f. Vgl. noch T. Z. über Henr. Händel-Schütz im Allgem. Theater-Lexikon von Blum, Herloßsohn und Marggraff [120] III (1840), 213–215 und J. Kürschner’s Artikel über dieselbe A. D. B. XI, 744–736, auch Schindel, Die deutschen Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts II, 302–305 xmd III, 237.[1]

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 120. Z. 3 v. o.: Ueber W. Grimm’s Beziehungen zu Henriette Hendel-Schütz vgl. R. Steig’s Mittheilungen in d. Zeitschr. f. d. Philologie 29, S. 202–205. [Bd. 45, S. 672]