ADB:Sartorius, Ernst Wilhelm Christian

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Artikel „Sartorius, Ernst Wilhelm Christian“ von David Erdmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 382–387, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sartorius,_Ernst_Wilhelm_Christian&oldid=- (Version vom 6. Dezember 2024, 01:01 Uhr UTC)
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Sartorius: Ernst Wilhelm Christian S., Dr. theol., geb. am 10. Mai 1797 in Darmstadt. Seine Vorbildung für das akademische Studium, für welches er sich schon in frühester Jugend bestimmte, erhielt er auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt, an welchem sein Vater Prorector war. Dieser wirkte ihm die Erlaubniß aus, eine „auswärtige“ Universität zu beziehen! So bezog er, mit einer tüchtigen Gymnasialbildung ausgestattet, Ostern 1815 die Universität Göttingen, um Theologie zu studiren. Von der die ganze damalige Zeit beherrschenden rationalistisch-pelagianischen Welt- und Lebensanschauung hat er zwar als junger Student in Göttingen ein klares und deutliches Bild theils durch den die meisten theologischen Vorlesungen erfüllenden deistischen Geist, theils durch das Gepräge des kalten, nüchternen, des Salzes und Feuers der evangelischen Wahrheit entbehrenden Kirchenwesens in sich aufgenommen, was ihm für seine spätere Kampfesstellung diesem alle positive Offenbarung leugnenden Unglauben in Kirche und Theologie gegenüber von größter Wichtigkeit wurde. Aber nach seinem eigenen Zeugniß schützte ihn gegen eine tiefere Einwirkung jener Welt- und Lebensanschauung auf sein inneres religiöses Leben die ihm über allen Unglauben und Zweifel hinweghelfende persönliche Erfahrung, [383] welche er schon damals an seinem Herzen von der Kraft der evangelischen Wahrheit von der Rechtfertigung aus Gnaden durch den Glauben an Jesum Christum gemacht hatte.

Unter seinen akademischen Lehrern war es Planck, der noch den meisten Einfluß auf die Entwicklung seiner theologischen Erkenntniß und seines confessionellen Bewußtseins durch seine meisterhafte Darstellung des protestantischen Lehrbegriffes ausübte. Wie er diesem von ihm hochgeschätzten und noch im späteren Alter pietätsvoll geehrten Lehrer in seinem theologischen Studiengang viel zu verdanken hatte, so ließ er sich auch von ihm bestimmen, sich der theologisch-wissenschaftlichen Laufbahn im akademischen Lehramt zu widmen. Erst 21 Jahre alt begann er dieselbe als Repetent in Göttingen. Drei Jahre darauf, 1821, empfing er den Ruf als außerordentlicher Professor der Theologie nach Marburg, wo er schon 1823 zum Ordinarius befördert wurde.

Die erste theologische Schrift, mit welcher er an die Oeffentlichkeit trat, war: „Drei Abhandlungen über wichtige Gegenstände der exegetischen und systematischen Theologie“, die er bereits 1820 in Göttingen herausgab. Von diesen Abhandlungen hat er die erste, welche „die Entstehung der drei ersten Evangelien“ betraf, später als eine verfehlte Polemik zurückgenommen. Die zweite: „über den Zweck Jesu als Stifters eines Gottesreiches“ behandelte Person und Werk Jesu unter dem Gesichtspunkt des in ihm erschienenen Gottesreiches. Die dritte hatte zum Gegenstand „die Lehre von der Gnade und vom Glauben“.

Wichtiger als diese Arbeiten ist nach seinem eigenen Urtheil die im Jahre 1821 herausgegebene Schrift: „Die lutherische Lehre vom Unvermögen des freien Willens zur höheren Sittlichkeit, in Briefen“, nebst einem Anhang gegen Schleiermacher’s Abhandlung „über die Lehre von der Erwählung“. Nach seiner eigenen Aussage hat er mit dieser Schrift den Grund zu allen seinen späteren theologischen Arbeiten gelegt. Und in der That läßt sie den Ausgangspunkt und Grundton seiner ganzen Glaubensrichtung und Lebensarbeit auf dem Gebiet der wissenschaftlichen streng kirchlichen Theologie und auf dem Gebiet des ein scharfes Bekenntnißgepräge tragenden praktisch-kirchlichen Lebens deutlich erkennen. Er zeigt hier, wie er auf dem Grunde der biblischen, und zwar paulinischen, und dann von Luther wieder ans Licht gebrachten Lehre von der das Heil des Menschen allein bedingenden freien Gnade Gottes in Christo mit seinem Glauben eine feste Stellung gefunden habe, und wie das Einzelleben und sittliche Gemeinschaftsleben allein auf diesem Grunde zu einer dem heiligen und gnädigen Willen Gottes entsprechenden Erneuerung, Entfaltung und Gestaltung gelangen könne. Es ist nicht zu verkennen, welche tiefen Eindrücke das Studium der Lehre Augustin’s von der Gnade auf ihn gemacht, aber auch wie er sich von den principiell alle ethische Selbstbestimmung für die Annahme der dargebotenen Gnade Gottes aushebenden prädestinatianischen Einseitigkeiten dieser Lehre frei gehalten hatte. Der natürliche Mensch ist mit seinem durch die Macht der Sünde gebundenen Willen in sich selbst untüchtig zu allem wahrhaft Guten. Die Tüchtigkeit zu der wahren Sittlichkeit, die in der freien Uebereinstimmung des menschlichen Willens mit dem göttlichen Willen besteht, erwächst nur aus dem Boden der freien Gnade Gottes. Nur im Stande der Gnade, in den der Mensch allein durch den Glauben an Jesum Christum gelangt, ist die Möglichkeit und Wirklichkeit der in der Gebundenheit des menschlichen Willens an den göttlichen Willen bestehenden wahren sittlichen Freiheit gegeben. Denn die freie Gnade Gottes, die in Jesu Christo geoffenbart ist und im Glauben an ihn angeeignet wird, hat in die sündige Welt hinein ewige Ordnungen und Heilsveranstaltungen gesetzt, durch die der heilige Geist auf die [384] Herzen der Einzelnen wirkt und die Erneuerung des sittlichen Individuums bewirkt, welches sich dieser Heils- und Gnadenordnung und der in ihr waltenden gnadenreichen Liebe Gottes hingibt. So wird der Einzelne der beseligenden und heiligenden Wirkungen der göttlichen Gnade unter dem Walten des heiligen Geistes durch Anschluß an die ewigen Ordnungen und Heilsveranstaltungen Gottes theilhaftig. Aber nicht bloß das Einzelleben, sondern auch das sittliche Gemeinschaftsleben soll sich auf diesem ewigen Grunde der freien Gnade Gottes auferbauen. Das staatliche und das kirchliche Gemeinschaftsleben soll auf jenen ewigen göttlichen Grundlagen, die in der Offenbarung der Gnade Gottes in Christo für alles Menschen- und Weltleben gegeben sind, als auf einem gemeinsamen Fundamente ruhen. Unter diesem Gesichtspunkte sollen sich Staat und Kirche als in unzertrennlicher Einheit verbunden ansehen. Die Ausführung dieser Gedanken hat S. in der noch in Marburg 1822 herausgegebenen Schrift: „Ueber die Lehre der Protestanten von der heiligen Würde der weltlichen Obrigkeit“ gegeben. Gleichfalls noch in Marburg verfaßte er seine Schrift: „Die Religion außerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft nach den Grundsätzen des wahren Protestantismus und gegen die eines falschen Rationalismus“. Schon der Titel mit seiner Bezugnahme in den ersten Worten auf die hier ins Auge gefaßte Schrift Kant’s zeigt den Gegensatz gegen die Kantische Theorie an. Es wird dargethan, wie das Christenthum als die absolute Religion und das gesammte religiös sittliche Leben des Christenmenschen nicht auf die menschliche Vernunft, sondern auf die Offenbarung der freien Gnade Gottes in Christo gegründet sei.

In seinen handschriftlich hinterlassenen „Meditationen“ aus den Jahren 1823–49 hat sich S. über seine bisherige Entwicklung ganz ausführlich ausgesprochen. „Im Jahre 1817, heißt es darin, fing ich zuerst an, die Offenbarung als einen Beweis der moralischen Eigenschaften Gottes, insonderheit der göttlichen Liebe, zu betrachten, worüber die Philosophie, die nur einen Urgrund der Dinge lehrt, keine Erkenntniß und Gewißheit geben konnte. Im J. 1818 disputirte ich darüber öffentlich und beschäftigte mich mit Apologetik. Im J. 1819 faßte ich zuerst den Gegensatz des Reiches Gottes und der Offenbarung gegen das Reich der Welt und seine Lehren, jedoch auf eine sehr äußerliche Weise, auf. Im Winter 1819–20 lernte ich zuerst aus dem Brief an die Römer und dann aus Melanchthon’s locis die Lehre von der Gnade und vom Glauben kennen. Im Sommer 1820 begann ich die Lehre von der Sünde und der Heilsordnung zu verstehen und befestigte mich darin im J. 1821. Im J. 1822 fing mir die Lehre von der Genugthuung und von der Gottheit Christi an klar zu werden. Das Christenthum trat mehr in das ganze Leben und seine Leiden und Freuden ein.“ – Weiteres Zeugniß über die Fortschritte der folgenden Jahre in christlicher Erkenntniß geben die folgenden Meditationen. Die Ergebnisse dieser weiteren Entwicklung stellen sich in seinem ferneren Lebensgang und Wirken dar. S. folgte im J. 1824 einem Ruf an die Dorpater Universität, wo er zum Doctor der Theologie creirt wurde. Hier mußte er es nach seiner bisherigen Entwicklung, in der er sich mit seinem Glauben immer fester auf den ewigen Grund des Wortes Gottes gestellt und nicht umsonst darnach gerungen hatte, die einzelnen christlichen Heilswahrheiten auf jenem Grunde in ihrem Zusammenhang mit seiner Erkenntniß und seiner Herzenserfahrung sich zu eigen zu machen, als seine Hauptaufgabe betrachten, dem Rationalismus gegenüber seine Zuhörer in die Erkenntniß der geoffenbarten Heilswahrheit einzuführen. So half er in seiner elfjährigen erfolgreichen akademischen Thätigkeit, die für den Aufbau der evangelischen Kirche Rußlands von grundlegender Bedeutung wurde, zahlreiche Diener der Kirche heranbilden, die als treue [385] Zeugen des Evangeliums auf dem Grunde des Wortes Gottes und des kirchlichen Bekenntnisses ihres Amtes warteten.

Was seine schriftstellerische Thätigkeit neben der akademischen Lehrwirksamkeit betrifft, so setzte er in Dorpat seine schon in Marburg begonnenen „Beiträge zur evangelischen Rechtgläubigkeit“ 1825 und 1826 fort. In ihnen bekämpfte er hauptsächlich den damals von Röhr und Bretschneider vertretenen Rationalismus. Er griff hier in der bereits oben bezeichneten Weise die ralionalistisch-pelagianische Lehre an der Wurzel an und wies insbesondere die innere Verwandtschaft zwischen dem Rationalismus und Romanismus schlagend nach. Auf dem Wege der persönlichen Erfahrung von der Rechtfertigung aus Gnaden durch den Glauben lebte er sich immer tiefer in das Wesen der lutherischen Reformation und Kirche ein. Von dem unerschütterlichen Standpunkt aus, den er in der paulinisch-lutherischen Lehre von der rechtfertigenden Gnade genommen, konnte er dann auch die bezüglichen Aussprüche der großen Lehrer der alten Kirche unter Ausscheidung der ihnen anhaftenden unevangelischen Elemente sich zu eigen machen. Besonders vollzog sich in seinen Gedanken im mündlichen und schriftlichen Ausdruck dieser Assimilationsproceß mit zahlreichen geistreichen Aussprüchen Augustin’s, der als ein ihm Geistesverwandter eine besondere Anziehungskraft für ihn hatte. Neben jener polemisch-apologetischen Thätigkeit in Lehre und Schrift dem Rationalismus gegenüber ließ es S. nicht an lebendiger positiver Bezeugung der evangelischen Wahrheit fehlen. In einer akademischen Festrede, welche er am dreihundertjährigen Jubiläum der Augsburgischen Confession zu halten hatte, trat er mit hoher Freudigkeit und Begeisterung für die in dem Augsburger Bekenntniß bezeugte evangelische Wahrheit ein. Seine „Beiträge zur Apologie der Augsburgischen Confession gegen alte und neue Gegner“, die im J. 1853 zum zweiten Mal herausgegeben wurden, entstanden aus jener Festrede „über die Herrlichkeit der Augsburgischen Confession“. Aus populären Vorlesungen ging seine im J. 1831 erschienene Schrift: „Die Lehre von Christi Person und Werk“ hervor, die in 7 Auflagen erschien und in verschiedene Sprachen, z. B. auch ins Holländische übersetzt worden ist. Sie wurde die Veranlassung zu seiner Abberufung aus dem Dorpater Wirkungskreis in ein kirchliches Amt der preußischen Landeskirche, in welchem sich ihm ein ganz neues, weit ausgedehntes Arbeitsfeld mit ungewohnten, bisher ihm fern gebliebenen Aufgaben eröffnete. Die lebendige, anschauliche Darstellung der christlichen Lehre in jenem Buch hatte die Aufmerksamkeit des damaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm auf ihn gelenkt. Die Generalsuperintendentur der Provinz Preußen war erledigt. S. wurde auf Veranlassung des Kronprinzen dem König Friedrich Wilhelm III. für dieselbe in Vorschlag gebracht. Der Minister von Altenstein erhob dagegen mancherlei Bedenken. Das gab dem König Veranlassung, sich über die Persönlichkeit, Wirksamkeit und theologisch-kirchliche Richtung des S. persönlich genaue Auskunft zu verschaffen. Das Ergebniß war für den König der Art, daß er trotz der Einwendungen seines Ministers den Professor S. zum Generalsuperintendenten der Provinz Preußen berief und ihm zugleich das Amt des ersten Hofpredigers an der Schloßkirche zu Königsberg übertrug. S. trat am 5. November 1835 sein neues Amt an und hielt seine Antrittspredigt über Matth. 20, 25–28.

In diesem ungemein umfangreichen und arbeitsvollen Beruf kam es ihm hauptsächlich auf die Belebung und Durchdringung der Geistlichen und Gemeinden mit den Kräften des Geistes von oben und auf die persönliche geistliche Einwirkung auf die inneren Verhältnisse und Zustände des kirchlichen Lebens an. Nach dieser Seite hin konnten auch seine Gaben wirksamer und erfolgreicher zur Geltung und [386] Verwerthung kommen, als auf dem seiner Neigung und seinem Geschick ferner liegenden Gebiet der kirchlichen Geschäftsführung und der Verwaltung äußerer kirchlicher Angelegenheiten. Der in dieser Hinsicht sich demüthig bescheidende Mann wollte in seinem hohen kirchlichen Amt nichts anderes, als in allen Treuen der Kirche und den seiner Aufsicht und Leitung unterstellten Geistlichen und Gemeinden nach dem Vorbilde des Herrn und der Apostel mit den ihm verliehenen reichen geistlichen Gaben in dem durch diese selbst bezeichneten Umfange dienen. Wenn er in seinem Amt oder sonst in Wort und Schrift mit aller Entschiedenheit und Schärfe die Lehre der lutherischen Kirche geltend machte, so geschah das doch immer so, daß sein Verhalten und sein Wort von dem Geist persönlicher Milde und liebevoller Hingebung an die Vertreter anderer Standpunkte, oder Schwachen und Irrenden gegenüber von suchender und auf den rechten Weg führender Hirtenliebe Zeugniß gab. Aber mitten in der Vielgeschäftigkeit seines Kirchenamtes fühlte er sich durch persönliche Neigung, durch vielseitigen Verkehr mit nahen und fernen Freunden und insbesondere durch die kirchlichen und theologischen Zeitbewegungen immer wieder zurückgezogen zu einem nach Innen gewendeten Leben im Sinnen und Meditiren über wichtige Fragen des kirchlichen und politischen Lebens im Sinne der kirchlich-christlichen Lehre. Die Ergebnisse dieser Reflexionen und Meditationen hat er in einer langen Reihe von Artikeln in der Hengstenbergischen Evangelischen Kirchenzeitung veröffentlicht, die oft ein scharf polemisches Gepräge haben. Zu solchen Artikeln gehören z. B. die werthvollen polemischen Abhandlungen, welche er schon in den Jahren 1834–36 zur Wahrung der evangelischen Gnadenlehre gegen Möhler’s Symbolik veröffentlichte. So kehrte er in mehreren Aufsätzen unter der Ueberschrift „Lesefrüchte“ von neuem seine schärfsten Waffen gegen den vulgären Rationalismus von Röhr und Bretschneider. Nicht minder scharf und schneidig bekämpfte er die antichristliche Bewegung der Lichtfreunde und sogenannten freien Gemeinden und schrieb 1845 seine Schrift „Ueber die Nothwendigkeit und Verbindlichkeit des kirchlichen Bekenntnisses“.

In die Zeit seiner kirchenamtlichen Wirksamkeit fällt auch die Entstehung und Vollendung des Hauptwerkes seiner litterarischen Thätigkeit, seines umfangreichsten, bekanntesten und auch bedeutendsten Werkes: „Die Lehre von der heiligen Liebe, oder Grundzüge einer evangelisch-kirchlichen Moraltheologie“, 1840–56. Nach dem Vorgange von Nitzsch’s System der christlichen Lehre, welches die Einheit von Dogmatik und Ethik darstellen will, hat sich S. die Aufgabe gestellt, die Glaubens- und Sittenlehre in ihrer inneren Zusammengehörigkeit und innigen Verbindung zur Darstellung zu bringen. Zu diesem Zweck wird der gesammte dogmatische und ethische Lehrstoff in einer ebenso warmen und innigen wie lichtvollen und sinnigen Weise behandelt, daß nicht bloß der Theolog von Fach, sondern jeder gebildete christliche Laie dadurch angezogen und in die Tiefen der evangelischen Wahrheit hineingezogen wird. Die erste Abtheilung handelt von der ursprünglichen Liebe und ihrem Gegensatz, die zweite von der versöhnenden Liebe, die dritte von der erneuernden und heiligenden Liebe. Aus dem Wesen Gottes als Liebe sucht er die innergöttlichen, immanent-trinitarischen Verhältnisse des Vaters, Sohnes und Geistes zu entfalten. Aus dem Princip der Liebe leitet er die Einheit des religiös-sittlichen Lebens und die Mannichfaltigkeit seiner Erscheinungen in jener Einheit her. In der Schrift „Ueber den alt- und neutestamentlichen Cultus, insbesondere über Sabbath, Priesterthum, Sacrament und Opfer“, 1852, gibt er im Anschluß an jenes Hauptwerk die weitere Ausführung einiger ihm besonders wichtiger Punkte. – Im J. 1855 erschienen seine „Meditationen über die Offenbarung der Herrlichkeit Gottes in seiner Kirche und besonders über die Gegenwart des verklärten Leibes und Blutes [387] Christi im h. Abendmahl“. In dieser Schrift spiegeln sich wieder die kirchlichen Kämpfe, welche durch die Zeitbewegungen hervorgerufen wurden, namentlich die Streitfragen auf dem confessionellen Gebiet über das Verhältniß von Union und Confession. – Mit dem Gegenstand und Inhalt der letzten litterarischen Arbeit seines Lebens, bei der nahe am Schluß ihm die Feder aus der Hand sank, kehrte er zu den Anfängen seiner schriftstellerischen Thätigkeit zurück. Bis wenige Tage vor seinem Tode beschäftigte ihn die umfassende Streitschrift gegen die römische Kirche: „Soli Deo gloria“, vergleichende Würdigung evangelisch-lutherischer und römisch-katholischer Lehre nach dem Augsburgischen und Tridentinischen Bekenntniß mit besonderer Hinsicht auf Möhler’s Symbolik, von seinem einzigen Sohn, dem Pastor Ernst S., zu Ende geführt und herausgegeben im J. 1860. Am Morgen des zweiten Pfingstfeiertages 1859 entschlief er nach schweren, durch eine unheilbare Nierenkrankheit verursachten Leiden. „Euch, die ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit“, dies waren die letzten Worte, die im Todeskampf von seinen Lippen gehört wurden.

Vgl. Hengstenberg’s Evangelische Kirchenzeitung, 1859, Nr. 73. – Neue Evang. Kirchenzeitung von Meßmer, 1859, Nr. 30. – Evangelisches Gemeindeblatt von Oberconsistorialrath Dr. Weiß in Königsberg, Nr. 27. – Die Vorreden zu der Lehre von der heiligen Liebe und zu der Schrift: Soli Deo gloria.