ADB:Rußworm, Hermann Christof Graf von

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Artikel „Rußworm, Hermann Christof Graf von“ von Adolf Schinzl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 16–19, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ru%C3%9Fworm,_Hermann_Christof_Graf_von&oldid=- (Version vom 8. Dezember 2024, 22:21 Uhr UTC)
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Rußworm: Hermann Christof Graf v. R. (auch Rusworm, Rußwurm, Roßwurm), kaiserlicher Feldmarschall und geheimer Rath, kam als Sohn des kurfürstlich sächsischen Lehnsmannes Heinrich R. des Jüngeren und dessen Ehefrau Dorothea, geborene v. Buchenau, wahrscheinlich im August 1565 zu Frauenbreitungen in Sachsen-Meiningen zur Welt und wurde am 29. November 1605 zu Prag gegen den Willen des Kaisers Rudolf II. enthauptet. Rusworm’s erste kriegerische Thätigkeit fällt in das Jahr 1585. In diesem betheiligte er sich im Dienste des Grafen v. Moers muthig an dem nächtlichen Ueberfalle der Stadt Neuß, gab aber auch bereits aus Ursache mancher im Orte begangenen Ungehörigkeiten Anlaß zu Klagen. Im J. 1586 befand er sich als Lieutenant in der Leibwache des Marschalls Bassompierre, deren Commando er 1588 übernahm. In dieser Stellung zog er unter dem Herzog von Lothringen nach dem Elsaß und soll dort den Lieutenant Petoncourt im Jähzorn getödtet haben. Auch an den wüsten Ausschreitungen des liguistischen Kriegsvolkes hat R., welcher zu jener Zeit vom Protestantismus zum Katholicismus übergetreten [17] war, derartigen Antheil genommen haben, daß ihn Freiherr Adolf v. Schwarzenberg, der Oberbefehlshaber der kölnischen Truppen hinrichten lassen wollte. R. entkam aber Mitte 1590 durch die Flucht, worauf er sich zur Schlichtung des Nachlasses seines Vaters nach Sachsen begab. Unmittelbar nach Beendigung dieser Angelegenheit trat R. als Rittmeister in das Regiment des Hans Reichard v. Schönberg und wurde vermuthlich bei dem Streifzuge gegen den Herzog von Jülich gefangen genommen, aber auf Fürsprache des Herzogs von Parma bald wieder entlassen. Nun fand er bei dem Obersten Kurz Verwendung, und nachdem er neuerlich rühmliche Beweise seiner kriegerischen Erfahrung und seiner militärischen Befähigung gegeben hatte, erhielt er vom Kaiser den Auftrag, mit dem Range eines Oberstlieutenants und dem Titel eines Obersten für den Markgrafen Karl von Burgau ein Regiment zu werben. Mit diesem rückte R. nach Innsbruck und dann zum Kampfe gegen die Türken nach Ungarn, wo es besonders seinem Ansehen zuzuschreiben, daß die ihm untergeordneten, nur zur Feldschlacht gedungenen Abtheilungen sich zur Verstärkung der Besatzung im bedrohten Comorn bewegen ließen. Unter seinem Commando fochten dieselben weiterhin 1595 mit voller Bravour bei Gran und R. hat den wesentlichsten Antheil an der Einnahme der Graner „Wasserstadt“ genommen, bei welcher Gelegenheit er auch verwundet wurde. Sein hervorragend verdienstvolles Wirken fand um jene Zeit mehrfache Anerkennungen: Herzog Maximilian von Baiern ernannte ihn zum Kämmerer und Obersten bei Belassung in seiner damaligen Dienstsphäre; der Kaiser verlieh ihm eine schwere „guldene Ketten“; im kaiserlichen Heere wurde er Generalfeldwachtmeister. Als solcher hat R. im August 1596 bei der Erstürmung von Hatván durch kühnes und waghalsiges Vordringen Allen vorangeleuchtet, – im October für die Schlacht bei Mezö-Keresztes gute Rathschläge gegeben. Nicht minder bemerkenswerth war sein Verhalten 1597 bei der Belagerung von Pápa bis zum 17. August, an welchem Tage er neuerlich eine schwere Verwundung erlitt; kaum genesen, glänzte er 1598 durch beispielgebende Tapferkeit gelegentlich der Eroberung der Wasserstadt zu Ofen. Da nun aber der bei den Officieren und Mannschaften außergewöhnlich beliebte R. sich bei allen diesen Unternehmungen Schwarzenberg gegenüber nicht nur geistig überlegen erwies, sondern sich auch nicht scheute, des Feldmarschalls Thätigkeit rückhaltlos zu verurtheilen, so hatte er sich dessen erbittertste Gegnerschaft zugezogen; andererseits war dadurch, daß er als Vertreter der Rechte der deutschen Obersten der vom Erzherzog Mathias geschützten italienischen Partei im Heere entgegentrat, auch des Erzherzogs Mißfallen auf R. gelenkt worden. Und so ergab sich denn bald ein Anlaß zu seiner Beschuldigung und Verhaftung. Der Proceß, dem er unterworfen wurde, gelangte jedoch für ihn zu einem befriedigenden Ende: man konnte sich nämlich nicht überzeugen, daß er etwas Strafwürdiges begangen. Sohin hatten Rusworm’s Gegner nur erreicht, denselben mehr als zwei Jahre vom Kriegsschauplatze fern gehalten zu haben, auf welchen er sich erst im Juli 1601, nunmehr aber als Generalfeldmarschall, begab und bald neues, thatkräftiges Leben in die aus Ursache der Parteizwiste stockenden Operationen zu bringen wußte. Als erstes Ziel derselben galt ihm die höchst schwierige, aber dringend nothwendige Bewältigung Stuhlweißenburgs, welche ihm auch nach allseits vorbedacht durchgeführten Maßnahmen bei festem Willen und persönlich todesverachtender Leitung im September mit dem besten Erfolge gelang. Diesen weiterhin auszunützen, blieb ihm aber durch den neu erwachten Neid seiner Gegner im Heere verwehrt, denn er wurde wohl nur auf deren Veranlassung am 7. November mit mehreren Regimentern zur Verstärkung der Belagerungstruppen von Kanisza entsendet. Und wenngleich er nun dort infolge harter Wetterunbilden [18] mit fast 3000 Mann Verlust am 14. November anlangte und mit scharfem Blick die „Elendigkeit der Veranstaltungen“ zur Belagerung erkannte, so erklärte er sich dennoch zum Angriffe bereit. Erzherzog Ferdinand entschloß sich aber zum Rückzuge, welchen mit der Nachhut decken zu können R. „als große Ehr und Glori“ angesehen hat. Dessenungeachtet wurde ihm die unterbliebene Belagerung sowie der verlustreiche Rückmarsch zur Last gelegt und Alles gethan, den unbequemen und unliebsamen R. zu beseitigen. Nochmals aber vergeblich. Denn der Kaiser, welcher Rusworm’s bedeutende Verdienste um die christliche und die kaiserliche Sache vollstens würdigte, übergab R. nach dem Tode Mercoeur’s die oberste Befehlshaberstelle in Ungarn. Das Heil der Christenheit zu wahren, lenkte nun Rusworm’s lebhaften, thatenbereiten Sinn; allein schwerer wie der Kampf gegen die Osmanen wurde ihm 1602 die Behebung der vielen Mißstände im Heere, worunter die das Kriegführen empfindlich beeinträchtigenden Parteibestrebungen, dann die den größten Schwierigkeiten unterworfene Ergänzung des Truppenstandes. Klagend schrieb er zu jener Zeit, als ihm die Unterstützung der Festen Stuhlweißenburg und Waitzen nicht möglich geworden: „Gott straft unsere Sünden mit der Langsamkeit, welche des Krieges größtes Gift ist.“ Entschiedene Besserung brachten endlich die Monate October und November, während welcher ihm die Eroberung von Pest zu dauernder Ehre gereicht, denn mit dieser hatte er in richtiger Voraussicht einen bedeutenden Theil der türkischen Streitkräfte von Oberungarn und Siebenbürgen abgezogen. Seiner Gegner im Heere, die unter der Leitung der Marschälle Georg Basta und Johann Jacob Barbian Graf Belgiojoso standen, hatte er sich dagegen nicht erwehrt. Diese erschwerten nun im J. 1603 Rusworm’s mit wechselndem Ausgange durchgeführten Unternehmungen am Sarviczflusse, bei Pest-Ofen und bei Hatván und untergruben mit unbeugsamer Zähigkeit seine 1604 vorgeschlagenen, der kaiserlichen Zustimmung sich erfreuenden Heeresreformen, weil diese Rusworm’s Stellung neuerlich befestigt hätten. Letztere einzuschränken war aber auch des Erzherzogs Mathias Bemühen, und dessen Einfluß brachte es bald dahin, daß R. der zu keinen hervortretenden Thaten Aussicht bietende Oberbefehl von Raab für das Jahr 1605 zugedacht wurde. Inzwischen war R. schwer erkrankt und in Oberungarn jener Aufstand ausgebrochen, den das habsüchtige, bedrückende Gebahren des Marschalls Belgiojoso veranlaßt hatte, und während welchem dem Kaiser in wenigen Monaten mehr Land verloren ging, als in vielen Jahren blutig errungen wurde. Dieserhalb dachte der Kaiser wieder daran, den seit dem Monat Mai in den Grafenstand erhobenen und in der Genesung begriffenen R. mit dem Oberbefehle in Ungarn zu betrauen. Vorerst beauftragte er denselben jedoch mit der Leitung jener Commission, welche Belgiojoso’s Verhalten zu prüfen hatte. Diese Maßregel reizte den Haß von Rusworm’s Gegnern zu dessen Bekämpfung mit jedwedem Mittel; seinem ganzen Lebenslaufe wurden die Anklagen gegen ihn entnommen und R. sogar am 24. Juli auf seinem Heimwege zweifellos mit Vorbedacht in einen Streit verflochten, wobei der berüchtigte Francesco Belgiojoso, ein Bruder des Marschalls, durch einen Diener Rusworm’s getödtet worden ist. Rücksichtslos erfolgte nun Rusworm’s Gefangennahme; weder der Hinweis auf seine hohe Stellung und auf seine beim letztgenannten Anlasse erhaltenen Verwundungen vermochten seine Haft zu mildern und führte der Proceß mit Beihilfe des feilen, den Kaiser täuschenden Kammerdieners Philipp Lang, bei Nichtbeachtung der Bitten mächtiger Persönlichkeiten, zum Todesurtheile. R., der das Schaffot mit gottesfürchtiger Ergebung und heiterer Miene bestieg, wurde mit dem Beile hingerichtet, eine Stunde vor dem Eintreffen des kaiserlichen Befehls: R. solle freigegeben und beim Kaiser vorgelassen werden. Die Kunde hiervon erzürnte den Kaiser aufs höchste, denn gegen seine Absichten und [19] zu seiner wahren Betrübniß hatte er in der bedrängtesten Lage einen Feldherrn verloren, der wohl den Ausschreitungen seiner Zeit nicht zu entsagen wußte, dessen Begabung, Treue und Hingebung aber auch fernerhin dem kaiserlichen Dienste, dem Schutze der Christenheit und dem Wohle der deutschen Nation förderlich gewesen wäre.

Stauffer, Herm. Christ. Gf. v. Rusworm. München 1884. – Janko, Der k. k. Fldm. v. Rußwurm. Wien 1869. – Berthold, Herm. v. Roßwurm (in Raumer’s hist. Taschenb. 1838). – Schels, Oest. milit. Ztscht. Wien 1820. – Khevenhiller, Annales Ferdinandei. Leipzig 1721. – Ortelius, Chronika d. ungar. Kriegswesens. Nürnberg 1621.