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Artikel „Lang, Philipp“ von Felix Stieve in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 617–618, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lang,_Philipp&oldid=- (Version vom 13. Dezember 2024, 16:05 Uhr UTC)
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Lang: Philipp L. Eltern, Geburts- und Todesjahr sind unbekannt, ebenso wann und wie er, der aus einer Prager Judenfamilie stammte, katholisch wurde. 1568 kam er als Singknabe in die Kapelle des Erzherzogs Ferdinand von Tirol. Als seine Stimme brach, erhielt er ein Stipendium zur Fortsetzung seiner Studien, trat aber bei den Söhnen des Erzherzogs in Dienst. 1579 begleitete er einen von diesen, den Kardinal Andreas, nach Rom. Ende 1582 heirathete er eine Hofdienerin der Erzherzogin Philippine (Welser), Maria Scalaber, eine Tochter des Innsbrucker Bildhauers. Einige Jahre nachher wurde er Kammerdiener des Erzherzogs Ferdinand. Die Gunst seiner Herren muß L. sich sehr bald in hohem Maße erworben haben. Schon im Januar 1580 wurde er mit dem Beinamen „von Langenfels“ durch den Kaiser in den Adelstand erhoben, 1582 beschenkte ihn Ferdinand mit einem Hause, 1592 ernannte er ihn zum Burgpfleger in Innsbruck und allerlei Unterschleife, sowie ein frecher, mit Fälschung des Siegels und der Unterschrift Ferdinands verübter Betrug, der ihn ins Gefängniß brachte, wurden ihm rasch verziehen, ohne seine Stellung zu beeinträchtigen. Wann und wie er Kammerdiener Rudolfs II. wurde, ist nicht nachzuweisen. Zuerst erscheint er 1601 als solcher. Schon im folgenden Jahre besaß er so sehr die Gunst des Kaisers, daß er als der einzige am Hofe es wagen durfte, den „allmächtigen“ Geheimsecretär Barvitius zu „offendiren“. Nachdem dann in der zweiten Hälfte des Jahres 1603 der erste Kammerdiener Rudolfs, Ritter Hieronymus Machowsky von Machau, wol nicht ohne sein Zuthun in Ungnade gefallen und ins Gefängniß gelegt worden war, trat L. an dessen Stelle und nun gewann er bei dem mehr und mehr in Schwermuth versinkenden Kaiser einen Einfluß und ein Vertrauen welche kaum noch Grenzen fanden. Rudolf konnte nicht ohne ihn sein, und was immer L. wollte, setzte er bei seinem Herrn durch, so daß der bittere Witz aufkam, über das Deutsche Reich herrsche neben dem römischen Kaiser der König der Juden. An L. mußte man sich wenden, um Audienzen zu erhalten, Briefe in des Kaisers Hand zu bringen, dessen Unterschrift und günstigen Bescheid zu erlangen. Sogar die Minister, die Erzherzoge und die Reichsfürsten konnten nicht umhin, sich seiner Vermittelung zu bedienen, und sie, wie die Fürsten des Auslandes, suchten ihn durch Geschenke und Schmeicheleien zu gewinnen. Hofdienste, Staatsämter und Kriegsbefehle wurden durch ihn erworben und verloren, Processe seiner Einwirkung entsprechend entschieden. Eine bestimmte politische Richtung hielt er nicht ein; um Geld und Gut, aber auch nur um solches, war er für Jeden zu haben. Vom Kaiser ließ er sich zahlreiche Aemter verleihen, sich mit Geschenken und Einkünften überschütten, sich aus Confiscationen und der Krone heimfallenden Verlassenschaften große Summen und allerlei Habe zuwenden und zugleich seinen beiden Söhnen, von welchen er dem älteren, Andreas, eine Frau aus dem Augsburger Patriciergeschlechte der Imhof verschaffte, Aemter und Einkünfte verleihen. Mit all dem jedoch noch nicht zufrieden, bereicherte er sich weiter durch Betrug, Unterschleif und Diebstahl auf Kosten Rudolfs, übte schamlose Erpressungen an solchen, welche der kaiserlichen Gnade bedurften und verschmähte [618] sogar Wucher nicht. Auf einem Karren hatte er all seinen Besitz nach Prag geführt: 1608 besaß er, obgleich er als Kammerdiener nur 240 fl. bezog und sehr verschwenderisch hausgehalten hatte, ein sehr großes Vermögen, die Herrschaft Oberigling in Baiern, mehrere Häuser in Prag und wahrscheinlich auch Güter in Böhmen, da der Kaiser ihn 1606 von den Ständen dort in ihre Landtafel eintragen ließ. An Geschenken allein hatte L. 203 247 fl. empfangen. Nebenbei benutzte er seinen Einfluß, um jeden, der ihm entgegentrat oder sonst seine Rachgier reizte, zu verderben. Allen Ministern Rudolfs scheint er feindselig gewesen zu sein und es mochte nicht ohne seine Einwirkung geschehen, daß einer nach dem anderen in Ungnade fiel. Im Bewußtsein seiner Macht war er ferner übermüthig und frech; sogar den Dienst beim Kaiser vernachlässigte er, wenn es ihm behagte. Was dieser ihm anvertraute, plauderte er aus. Ueberdies fröhnte er zügelloser Wollust, deren Befriedigung er mitunter durch Drohungen mit des Kaisers Ungnade erzwang. Sogar der Giftmischerei beschuldigte man ihn. Vergeblich waren indeß lange Zeit alle Versuche, ihn zu stürzen. Rudolfs Vertrauen war so blind und unerschütterlich, daß man es sich nur durch Zauberei zu erklären wußte. Erst im Juni 1607 wandte sich sein Unwille gegen L., weil dieser den Erzherzog Matthias unterstützt hatte, und bald fiel er völlig in Ungnade. Schon gegen Ende des Jahres erwartete man einen „bösen“ Ausgang für ihn. Am 1. Juni 1608, als Matthias an der Spitze der Ungarn, Oesterreicher und Mähren vor Prag stand, ließ der Kaiser ihn wirklich ins Gefängniß führen, da von den Empörern und von den Böhmen heftige Klagen über das Kammerdienerregiment geäußert worden waren. Eine eingehende Untersuchung folgte. Das Urtheil kennen wir nicht. Ende 1609 oder im Anfang des nächsten Jahres starb L. im Gefängnisse, wie die Rede ging, eines gewaltsamen Todes. Sein Vermögen wurde eingezogen. Die Wittwe erhielt später von Kaiser Matthias ein Gnadengehalt. Die Söhne blieben, der ältere als Hofdiener, der jüngere, Ferdinand, als böhmischer Appellrath, in ihren Stellungen.

Fr. Hurter, Philipp Lang, 1851. u. Briefe u. Akten z. Gesch. d. 30jähr. Kriegs V.