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Artikel „Lang, Paul“ von Adalbert Horawitz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 614–617, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lang,_Paul_(Chronist)&oldid=- (Version vom 26. November 2024, 02:14 Uhr UTC)
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Lang: Paul L., Benedictiner und Chronist, wurde in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Zwickau geboren, wohin sein Vater Georg L. aus Nürnberg übersiedelt war. Wie es scheint, stammte er aus einer adelichen Familie. Sein Vater, ein sehr frommer Mann, dem Mariencultus besonders ergeben, brachte den Jüngling, nachdem dieser in Krakau studirt hatte, in Begleitung von dessen Bruder Lorenz um 1487 ins Kloster Bosau bei Zeitz, wo es aber L. so wenig gefiel, daß er mehrere Male aus demselben entwich. Endlich fand auch er sich mit den Dingen ab; namentlich des berühmten Trithemius Einfluß bewirkte es, daß er die Muße des klösterlichen Lebens zu historischen Studien benutzte. Wahrscheinlich, daß er Bibliothekar zu Bosau gewesen, sicher hat er, durch Trithemius und einen alten Domherrn Nicolaus Tylmann veranlaßt, begonnen, mehrere Chroniken zu verfassen. Schon 1515 hatte nämlich Trithemius ihm einen Empfehlungsbrief an alle Klostervorstände zum Zwecke der Benutzung der Archive und Bibliotheken gegeben, um dabei auch für sein Werk „De scriptoribus Ecclesiasticis“ Stoff sammeln zu lassen. L. reiste zuerst nach Würzburg zu seinem Gönner, kam dann nach Baiern, dann nach Straßburg, wo er durch Wimpfeling’s Vermittelung bei Heinrich, Pfalzgraf zu Rhein, eingeladen wurde und mit Sebastian Brant bekannt wurde, mit dem er auch correspondirte. 1516 war L. wieder in Halberstadt, Chemnitz, Halle, Magdeburg, Hildesheim, Merseburg, Erfurt, Georgenthal, Mansfeld. Hier erscheint er überall als Trithemius’ Collaborator, durch dessen Tod die Forschungsreisen gehemmt wurden. Sie hatten, wie L. klagt, viele Mühen und Sorgen gebracht, wie oft wurde er auf diesen beschwerlichen Wanderungen durch Räuber und Buschklepper bedroht! Auch an Beschimpfungen durch die Ordensbrüder fehlte es nicht, die täppischen Neider nannten ihn einen Landstreicher (gyrovagum et circulatorem). Heftig vertheidigt er sich in seinem „Chronicon Citizense“ (der Chronik von Zeitz), gegen diese Angriffe und beruft sich auf den Apostel Paulus, der ja auch so viel herumgekommen sei und auf so viele Andere, die er in umständlicher Weise bespricht, schließlich sogar auf Ulysses. Er bringt reiche Beispiele aus der Apostel- und Missionsgeschichte, wie aus den Kirchenvätern und Classikern – mitten in dieser Apologie bricht das „Chronicon Citizense“ ab. In behaglicher Ruhe, die, wie es scheint, durch nichts gestört ward, schrieb L. nach den Reisen in seinem Kloster an den Chroniken, die er hinterließ. Von diesen sind das „Chronicon Citizense“ und das „Chronicon Numburgense“ in [615] erster Linie zu nennen. Das erstere geht von 968–1515 und ist trotz sehr fleißiger Quellenbenutzung für die früheren Partien in diesen doch meist nur wegen der Anschauungen des Verfassers und der Art seiner Behandlung wichtig, am interessantesten sind begreiflicherweise die Partien, die er als Zeitgenosse beschrieb. Es führt den Titel: „P. L. Cygnaei (aus Zwickau) Chronicon Cit. de illius Dioeceseos gestis et aliis etiam passis, iuxta eiusdem praesulum annos et successiones digestum etc.“ Benutzt sind vor allem Widukind, Thietmar von Merseburg, Werner Rolevink, Otto von Freisingen, Lambert von Aschaffenburg u. A., ebenso neuere Gelehrte, wie Erasmus von Rotterdam, Stella, Emser, die Italiener Valla, Filelfo, Volaterranus, einige Byzantiner und viele sehr unbestimmt citirte Excerpte aus Chroniken (z. B. ex Doringorum Chron.; ex Chron. Saxoniae oder ganz vag ex chronicis). Ein besonderer Vorzug seines Buches, das übrigens sich neben der Zeitzer Geschichte mit allem möglichen befaßt, ist die wol durch Nachahmung eines Vorganges des Trithemius entstandene Uebersicht über die berühmten Männer seiner Zeit (viri doctrina excellentes), unter denen die großen Italiener, Favre von Estaples, Bovillus und natürlich der geliebte Lehrer und Gönner genannt werden, auch „Reuchling“ wird sehr achtungsvoll behandelt, nicht minder Wimpfeling und Brant (vgl. K. Schmidt, Hist. litt. de l’Alsace I. 225). Sehr instruktiv sind die merkwürdigen Aeußerungen über Luther, die auch Bayle’s Beachtung fanden. Er rühmt Luther’s Thätigkeit gegen den Ablaß, nennt ihn venerandus vir (897) und profundissimus Theologus oder auch Martinus ille Theologorum nostrae tempestatis omnium facile sapientissimus princeps … perstitit invictus. Er rühmt unter seinen Anhängern eruditissimum et eloquentissimum illum divinarum scripturarum interpretem novum Erasmum, Reuchlin, J. Stapulensis, Jod. Clichthoveus. Trotz seiner Mönchskutte geht er sehr scharf gegen die Schäden und Mißbräuche des Papstthums vor, findet es aber schließlich doch angezeigt, eine feine Distinction zwischen Römern und Römlingen zu machen, übrigens meint er, habe er das nicht aus Eigenem gesagt, sondern sei einer deutschen Schrift gefolgt, auch hätte selbst Bernhard von Clairveaux nicht weniger streng über die Gebrechen der Kirche geurtheilt. Indem er aber vorsichtshalber sein Werk dem Urtheile der letzteren unterwirft, schreibt er die Worte: „Porro quae de M. L. doctrina disserui, non sicuti discipulus illius assertiue (quod absit) sed potius admitatiue posui ut pote nullius adhuc iuratus in verba magistri“. Solche Stellen bieten einen guten Uebergang zu der ganz entgegengesetzten Behandlung, die Luther im Chronicon Numburgense erfährt, es ist dies wol später verfaßt und war entweder wirklich in Folge einer bei vielen eintretenden Abkehr von Luther oder aus Besorgniß vor der Mißgunst der Oberen geschrieben. Das Chronicon hat dieselben Vorzüge und Fehler, wie sein Vorgänger. Der Verfasser schrieb in der deutschen Vorrede an den bischöflichen Rath Johann Wallenecker über den Nutzen der Historia: Denn es wert eyn weyser Mann (der in alden Historiis und Chronicis wolerfaren ist) geacht und geschatzt, er habe also lang gelebt und sey als alt also vieler iar und alder zeytung geschicht exempel oder historien bey den freunden vnde gesten in eyner collation oder sonst wu feyn und dapfer erfurbrengen vnd zu sagen weß. Sein Streben, versichert er, sei die Wahrheit und die Anzahl seiner Quellen zeigt seinen Eifer; die mannigfachen auf alles mögliche eingehenden kleinen Excurse, die aus der sehr annalistisch gehaltenen Chronik herausführen, geben ein gutes Bild der Zeitverhältnisse. So unternimmt er z. B. einen Ausfall gegen seine Tage, in denen die Mönche nicht mehr wie in der guten alten Zeit zu den höchsten Ehren gelangten, beliebt und geachtet waren, während sie jetzt allen zum Spott gereichen und wie die Wölfe behandelt werden. Zahlreich sind die Invectiven gegen die Neologisten [616] die Lutheraner; als er von Wittenbergs Blüthe erzählte, fährt er in heftigen Sätzen gegen den pestathmenden Basilisken daselbst auf, der alles mit der hussitischen Ketzerei erfüllt habe, der selbst den Arius übertreffe. Mit der Beweglichkeit des Zornes wird ein langes Sündenregister des Schrecklichen aufgezählt. Es ist nur consequent, wenn er Eck „praestantissimus vir“ nennt, den Bauernkrieg von den „rustici Lutherani“ ausgehen läßt, die Vermählung Luther’s verhöhnt, auch die Wiedertäufer auf Luther’s Rechnung setzt und gegen Spalatinus sich ausspricht. Im allgemeinen macht diese Chronik noch mehr als die frühere den Eindruck einer Weltchronik oder doch einer allgemeinen deutschen Chronik. Da wird nicht blos, wie im Chronicon Citizense (899) von den neuen Entdeckungen erzählt, die natürlich Vespucci zugeschrieben werden (55), sondern nicht minder von Taxelt (Tezel) berichtet, der „auß der himmlischen Fundgruben so viel zusammengebracht“ und dann aus Gram gestorben sei, es wird von dem Jubel der Deutschen gesprochen, der sich über die Wahl Karls V. erhob, ebenso über Ulrich von Württemberg, über den Wormser Reichstag, Sechingen’s (Sickingen’s) Tod, Rhodus Eroberung, über Hutten, Papst Hadrian, der vergiftet worden sei, über gräßliche Thaten der Gegenreformatoren, die üblichen Ausfälle gegen die Türken. Anderes erinnert ganz an die mittelalterliche Annalistik, die erwünschten Angaben über Wein- und Getreidepreise, Kometen, Teufelsgeschichten mit dazwischen gestreuten populären Versen. Trotz mannigfacher Citate aus den Classikern, z. B. Plautus, Terenz, besonders aber Horaz, ist auch die Diction, wie u. a. die Dunkelmännerbriefe spöttisch bemerken, so gut wie die des Doctrinale, doch er liest sich coulant und ist von einem seltenen und belebenden Eifer für die durch ihn geschilderten Thatsachen erfüllt. Er selbst appellirt an das Urtheil der Nachwelt und hofft, daß das iudicium melius posteritatis sein werde. Allerdings wüßten wir ohne seine Schriften so manches aus der Localgeschichte nicht, wie denn auch seine Werke oft genug benutzt worden sind; freilich Lepsius (in seiner Geschichte der Bischöfe des Hochstifts Naumburg vor der Reformation, Naumburg 1846) meint, die Werke Lang’s entsprächen ihrem Titel nur zum kleinsten Theile, er habe übrigens meist aus den Bosauer Klosterbriefen geschöpft. Uebrigens beurtheilt ihn Lepsius viel zu streng, wenn L. auch dem Zweck des Localhistorikers nicht genügen mag, so ist eben das Quodlibet culturgeschichtliche Fragmente ganz dankenswerth. Jedenfalls ist Schöttgen’s alte (mir erst spät zugekommene) Biographie dem Historiker viel mehr gerecht geworden; jedoch gebraucht ihn auch Lepsius an vielen Orten. – In eine Fehde mit Wimpfeling gerieth L. wegen dessen Werkes De integritate, in dem der elsässische Humanist die Mönchsorden angegriffen und vor allem den Trithemius gekränkt hatte. L. schrieb wol hauptsächlich aus dem Grunde sein wahrscheinlich nicht gedrucktes „Opusculum bipartitum ad omnium claustralium laudem et defensionem“, das ihm freilich eine wenig ehrenvolle Erwähnung in den Epistolae obscurorum virorum eintrug; es wird dort z. B. von Lang’s Buche gesagt (II. 63): qui est approbatus in Capitulo sive sinodo Reinhertzbornensi ordinis sancti Benedicti a. d. 1509 et est bonum latinum, quia unus dixit quod esset ferme ita bonum sicut Doctrinale Alexandri … dicunt, quod superexcellescat stilum Ciceronis … sed procedit doctrinaliter multum contra Wimpfelingium metrice prosaice et rigmatice (cf. auch II. 65). Auch sein „Carmen de laudibus Saxoniae“, das er selbst nennt und von dem Schöttgen eine Probe aufführt (S. 105), die allerdings für seine dichterische Kraft nicht besonders spricht, ist nicht auf uns gekommen. Verschiedene andere Werke Lang’s gibt Butzbach (cf. Böcking, Ulrichi Hutteni Opera, Suppl. II. 405) an. Wann L. gestorben ist, ist ebenfalls nicht bekannt; lange nach 1536, mit welchem Jahre seine naumburgische Chronik schließt, kann er nicht mehr gelebt haben. Das [617] beste über ihn ist jedenfalls das Leben Lang’s im XI. Stücke der diplomatischen und curieusen Nachlese der Historie von Obersachsen von Christ. Schöttgen und G. Chr. Kreyßig, 1733, S. 88–126.

Vgl. ferner Grubner, Histor. Nachrichten von den Geschichtsschreibern der beiden Stiftsstädte Naumburg und Zeitz, 1753. Böcking a. a. O. K. Schmidt, Hist. litt. d’Alsace I. 50, 90, 186, 208, 224. – Das Chronicon Citizense, dessen Autograph sich in Wolfenbüttel befindet, ist abgedruckt in Pistorius, SS. Rer. Germ. I., cf. die Praefatio, das Chronicon Numburgense bei Mencken, SS. Rer. Germ. II.