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Artikel „Oertl, Hieronymus“ von Ernst Mummenhoff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 445–446, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Oertl,_Hieronymus&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 18:12 Uhr UTC)
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Oertl: Hieronymus Oe. (Ortelius), Sohn des Syndicus Franz Oe. zu Augsburg, geboren daselbst am 24. December 1524, kam schon in seinem fünfzehnten Jahre an den kaiserlichen Hof und bekleidete späterhin die Stelle eines kaiserlichen Hofprocurators und Notars. Oe. war ein eifriger Verfechter der freien Ausübung der Augsburger Confession in österreichischen Landen. Schon bald nach dem Regierungsantritt Kaiser Rudolfs II. i. J. 1577 war den evangelischen Ständen in Oesterreich die freie Religionsübung untersagt worden und der kaiserliche Statthalter, Erzherzog Ernst, hatte durch ein allgemeines decretum reformationis vom Jahre 1578 den Städten und Märkten die Einstellung des evangelischen Gottesdienstes und die Rückkehr in den Schoß der katholischen Kirche unter Androhung harter Strafe auferlegt. An der durch diese Maßregeln hervorgerufenen Bewegung der Protestanten, welche die fernere Zulassung der Augsburger Confession bezweckte, war Oe. als einer der Urheber und Verfasser der an den Erzherzog Ernst gerichteten Bittschriften betheiligt. Auf kaiserlichen Befehl wurde ihm 1580 zugleich mit Ortolf Eysenhamer und Casp. Huetaffer der Proceß gemacht. Alle drei wurden zum Tode verurtheilt, dann aber zu ewiger Verbannung begnadigt. Oe. ließ sich zu Nürnberg nieder, woselbst er am 14. Mai 1614 starb.

Oe. ist der Verfasser einer seinerzeit viel gelesenen und sehr geschätzten ungarischen Kriegschronik. Sie führte den Titel: „Chronologia oder Historische beschreibung aller Kriegsemporungen vnd belägerungen auch Scharmützeln vnd Schlachten, so in Ober vnd Vnder Vngern auch Sibenbürgen mit dem Türcken von Ao 1395 biß auff gegenwertige Zeitt gedenkhwürdig geschehen etc.“ Sie behandelte anfangs nur die Zeit bis zum Jahre 1592 in einem „kurzen Tractat“, der „mit sondern fleiß auß vielen glaubwirdigen Authoribus und Historienschreibern“ zusammengetragen war. 1602 erschienen 2 Ausgaben in 3 Theilen bis zu diesem Jahre reichend, für die Jahre 1602 und 1603 kamen 1603 und 1604 besondere Continuationen hinzu, der vierte Theil bis 1607 kam 1613 heraus, zugleich damit noch ein Anhang die Geschichte Kaiser Mathias’ von seiner[WS 1] Erhebung zum ungarischen König i. J. 1608 bis zu seiner Kaiserwahl und Krönung i. J. 1612 umfassend. Die letzte vermehrte und fortgesetzte Ausgabe veranstaltete 1665 Martin Meyer zu Nürnberg.

Die Anregung zur Abfassung der Ungarischen Kriegschronik ging von Oertl’s Schwager, dem bekannten Nürnberger Kupferstecher und Herausgeber des nach ihm benannten Wappenbuchs Joh. Sibmacher aus, von dem auch die beigegebenen Porträts und die Abbildungen der Festungen und Schlachten herrühren. S. hat selbst zunächst Material gesammelt. Im Vorwort zur Ausgabe von 1602 bemerkt er, daß er sich beflissen, das, was ihm „von ansehnlichen wahrhafften Leuthen hohes Standes, auch Privatpersonen“, insbesondere aber von Augenzeugen mitgetheilt worden, von Jahr zu Jahr in eine Ordnung zu bringen. Oe. sagt dann selbst, daß ihm Sibmacher zu dem Werk „vrsach vnd anleitung“ gegeben. Die eigentliche Bearbeitung aber ruhte auch zunächst schon [446] in Oertl’s Hand, wie dies aus einer weiteren Bemerkung desselben zu schließen sein dürfte. Nach Oertl’s eigener Darstellung beruht seine Chronik auf den Aufzeichnungen von Augenzeugen und auf „anderer namhafter Personen glaubwürdigen Schriften und Zeugnissen“. Aus diesen „etwas weitläufigen“ tagebuchartigen Aufzeichnungen hat er indeß, wie er sich ausdrückt, nur das Vornehmste und sozusagen den Kern genommen. Man könnte darnach ein auf tagebuchartige authentische Mittheilungen gestütztes Werk und etwas „Anderes als eine trockene Chronik und kunstlose Compilation von Thatsachen“ erwarten. Es ist indeß mit Recht hervorgehoben worden, daß er sich vornehmlich an „die glaubhaften Zeugnisse und Schriften“ und nicht allzuviel an die Tagebücher jener „fürnemen Personen“ gehalten zu haben scheine. Jene glaubhaften Schriften aber sind nichts anderes, als die über den Türkenkrieg verbreiteten gedruckten Zeitungen und zwar die halbjährigen sowohl als auch die Einzelzeitungen. Hinsichtlich der Frage, was Oe. unter den gedachten Tagebüchern verstanden, hat Stauffer mit seiner Vermuthung, daß Oe., dem gebornen Augsburger, die schriftlichen Berichte, welche sich die großen Handelshäuser zusenden ließen, zur Benutzung überlassen worden, und daß man hierbei in erster Linie an die Fugger’schen Relationen zu denken habe, wol das Rechte getroffen. Was den historischen Werth der Oertl’schen Chronik angeht, so gibt sie zwar neben Istvánffys Geschichte des ungarischen Reiches die eingehendste Schilderung der Türkenkämpfe, hat aber trotzdem den in den Zeitungen angehäuften Stoff weder völlig erschöpft, noch auch stets „treu und unverdorben“ wiedergegeben. Flüchtigkeiten, Willkürlichkeiten und Mißverständnisse begegnen nicht selten. So vermag er die halbjährigen und Einzelzeitungen, ebensowenig wie die übrigen Chronisten des Türkenkrieges zur Zeit Rudolfs II., zu ersetzen und es hat von ihm zu gelten, was Stauffer über diese überhaupt sagt: Sie „werden in demselben Maße zurückzutreten haben, als die Zeitungen, die gedruckten und die handschriftlichen, aus den Winkeln der Archive und Bibliotheken hervorgesucht und ans Tageslicht gezogen werden.“ Oe. ist noch als Verfasser einer Reihe von Erbauungsschriften zu nennen, die sich eines nicht unbedeutenden Leserkreises erfreut zu haben scheinen. So das „schön nutzlich Tractetlein, darinnen Erstlichen Gründlicher bericht von den Heiligen Gottes Engeln, Ihrem Vrsprung, Ampt vnd verrichtungen gegen Gott vnnd dem Mennschen … Nachmals schöne Trostreiche Gebet vnd Dankhsagunge zu Gott für Allerley Geistliche vnd Leibliche Wohlthaten etc. ….“ Nürnberg 1609. „Schöne Bildnus in Kupfer gestochen der erleuchteten berümbtisten Weiber altes und neues Testaments, mit iren Historien.“ Nürnberg 1610. „Vita Christi d. i. das Leben vnschuldige Leiden, Heilige Blutvergiessen vnd Heilwirdiger Tode Jesu Christi vnnsers Erlösers vnd Seeligmachers. Mit andechtigen Gebeten vnd in Kupffer gestochenen Figuren gezieret.“ … Nürnberg 1611. Ferner findet sich noch angeführt eine „Historie von Erschaffung der Welt“. Was die Schreibung des deutschen Namens angeht, so sei bemerkt, daß im Privileg Kaiser Mathias’ vom Jahre 1613 – in der Ausgabe von 1615 vorgedruckt – Oertl und auf seinem und seiner Frau Ursula, einer geborenen Pulmännin († 1624), Grabstein auf dem Johanniskirchhof zu Nürnberg Örttl und Örttlin steht, nicht Orttl und Ortlin, wie in Dr. Joh. Martin Trechsel, Verneuertes Gedächtnis des Nürnbergischen Johanniskirchhofs S. 162 unrichtig abgedruckt ist.

Will und Nopitsch, Nürnbergisches Gelehrtenlexikon. – Bernhard Raupach, Evangelisches Oesterreich. 1. Bd. Hamburg 1732. – Franz Christ. Khevenhillers Annales Ferdinandei 1. Bd. Leipzig 1721. – Albrecht Stauffer, Hermann Christoph Graf von Rusworm, kaiserlicher Feldmarschall in den Türkenkämpfen unter Rudolf II. München 1884, S 211 ff.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: einer