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Artikel „Ortlepp, Ernst“ von Franz Brümmer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 447–448, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ortlepp,_Ernst&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 12:25 Uhr UTC)
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Ortlepp: Ernst O. wurde am 1. August 1800 zu Droyßig bei Zeitz geboren, wo sein Vater Pastor war, der später als Propst nach Schkölen kam und hier verstarb. Von dem Vater vorgebildet, kam der Sohn mit 12 Jahren nach Schulpforta und machte hier so überraschende Fortschritte, daß er es z. B. wagen konnte, Goethe’s „Iphigenia“ ins Griechische zu übersetzen. Im J. 1819 verließ er diese Schulanstalt mit den besten Zeugnissen und ging nach Leipzig, um Theologie zu studiren; indessen wandte er sich bald dem Studium der schönen Wissenschaften zu, das er bis 1824 fortsetzte. Dann kehrte er in das Vaterhaus nach Schkölen zurück und beschäftigte sich hier mit litterarischen Studien und poetischen Arbeiten. Seine erste Dichtung, die er veröffentlichte, war ein Drama, zugleich das einzige, das wir von ihm besitzen, „Der Cid. Ein romantisches Trauerspiel, zum Theil nach spanischen Romanzen gedichtet“ (1828). Die Ereignisse des Jahres 1830 führten ihn in das Lager der politischen Dichter, ja O. kann als einer der ersten Dichter bezeichnet werden, welche die Politik in den Kreis der poetischen Betrachtung zogen. Er war 1830 nach Leipzig zurückgegangen und veröffentlichte hier in rascher Folge seine Zeitgedichte „Allgemeines Neujahrsgedicht für die deutsche Nation“ (1831); „Osterlied für Europa“ (1831), „Pfingstlied für Europa“ (1831); „Polenlieder“ (1831); „Polens Sterbelied“ (1831). Sie bekunden ein reiches poetisches Talent, sind zum Theil von echtem Gefühl eingegeben, das der Dichter in beredter und schwunghafter Weise darzustellen weiß, zum Theil aber auch voll schwulstigen Pathos, ja hier und da voller Geschmacklosigkeit. Einmal in dieser Bahn, ließ O. nicht leicht ein historische Ereigniß vorübergehen, ohne seine Leier ertönen zu lassen. Den Polenliedern folgten „Gustav Adolf. Eine lyrische Phantasie“ (1831); „Der 30. August in Leipzig“ (1831); „Gedicht zum Reformationsfest“ (1831); „Deutschlands Erntefest“ (1832); „Frankreich, Rußland, Deutschland und Polen, oder: Stimmen der Gegenwart“ (1832); „Washington oder: Der große Jubeltag der Freiheit“ (1832); „Goethe’s Verklärung (1832); „Todtenkranz für Karl August und Goethe“ (1832); „Der Traum“ (“1832); „Landtagslieder für die deutsche Nation“ (1833); „Das Siebengestirn der Kriegshelden. Lebens- und Todtenkränze“ (1833), worin er die hervorragendsten Helden der Kriegsgeschichte in schwunghaften Versen besingt; „Die Cholera. Episch-lyrisches Gedicht“ (1833); „Lyra der Zeit. Eine Sammlung größerer politischer und zeitgenössischer Gedichte“ (1834); „Beethoven. Eine phantastische Charakteristik“ (1836); „Gedicht zum Gutenbergfeste“ (1840). Alle diese Sachen sind sehr verschieden an Werth, wie auch Ortlepp’s gesammelte „Gedichte“ (1831) und seine „Belustigungen und Reisen eines Todten, aus Zickzack’s nachgelassenen Schriften“ (1834). Wenig Werth haben ferner seine in dieser Zeit entstandenen Romane „Cölestine“ (1833) und „Die Geächteten, oder: Valerio und Isidora“ (II, 1836). Dagegen zeichnet sich „Orlando und Maria, oder das Buch der Liebe. Romantische Dichtung“ (1836) durch gute, mit Glück durchgeführte Erfindung, sowie durch treffliche Schilderung der Leidenschaften aus, und die „Hymne an Gott, und: Das Kreuz oder die Religion. Zwei religiöse Dichtungen“ (1836) entfalteten eine reiche Bilderpracht und wirken zum Theil großartig durch die Gluth der Darstellung, während die „Bilder der Nacht in lyrischem Rahmen“ (1837) Ergüsse einer wilden Phantasie sind, die sich im Grausigen gefällt. Im J. 1836 war O. angeblich „wegen mangelnder Subsistenzmittel“, in der That aber wegen mißfälliger politischer Gesinnungen aus Leipzig ausgewiesen worden. Er wandte sich nach Stuttgart, wo er längere Zeit mit Uebersetzungen (Shakespeare und Byron) und anderen litterarischen Arbeiten beschäftigt war. Hier schloß er sich auch den durch Herwegh’s Freiheitslyrik in eine neue Bahn geleiteten demokratisch-politischen Dichtern an und schrieb seine „Lieder eines politischen Tagewächters“ (1843), in denen er freilich zur alltäglichen [448] Phrase herabsank. Im J. 1854 kehrte O. in die Heimath zurück und machte hier den letzten Versuch, die vernachlässigte Theologie wieder aufzunehmen. Der gehoffte Erfolg blieb aus, und so lassen die weiteren Lebensjahre des Dichters nur eine Reihe von Tagen des Jammers, der Entbehrung und der Zerrissenheit blicken. Seine Muse ruhte zwar nicht; doch war sie zur dienenden Magd geworden, die sich selbst nicht entblödete, gereimte Einladungen zu Festlichkeiten für Dorfgastwirthe zu schreiben; sie war durch Noth und Elend zu einer Hochstaplerin herabgesunken, welche den Mitteln für die materiellen Bedürfnisse des Dichters durch Lobgedichte an begüterte Privatpersonen oder Widmungen an fürstliche Personen aufzuhelfen strebte. Während seines wechselnden Aufenthalts in Schkölen, Kamburg und Naumburg entstanden in dieser Zeit „Neue preußische Soldatenlieder“ (1855) und „Klänge aus dem Saalthale“ (1856), von denen nur die letzteren an sein ehemaliges reiches Talent erinnern und manches schöne, tiefgefühlte Lied enthalten, das seiner Sehnsucht nach der Heimath Ausdruck gibt. Dann ging es schnell mit ihm bergab. Unfähig, sich selbst ein geregeltes Fortkommen in der Welt zu ebnen, zerrissen in seinem Innern über ein verfehltes Leben, sank er schließlich zum Lohndichter, ja zum Bettler herab und am 14. Juni 1864 fand man ihn todt im Mühlgraben (Kleine Saale) bei dem Dorfe Almrich: er befand sich auf dem Wege von Naumburg zu seinem unermüdlichen Wohlthäter, Professor Keil in Schulpforta. Ob er den Tod freiwillig gesucht hat, oder ob er verunglückte, ist nicht festgestellt worden.

Jenaische Zeitung vom 21. August 1878. – Prutz, Museum, Jahrg. 1864, S. 379. – Kurz, Geschichte der deutschen Nationallitteratur, Bd. IV, S. 27.