ADB:Richel, Wendelin
Bernhard R., war in Straßburg von 1535–55 als Buchdrucker thätig. Die Ausübung der Druckkunst begann R. daselbst im J. 1535 mit Luther’s Bibelübersetzung, einem Nachdruck der ersten vollständigen Wittenberger Ausgabe, wie er selbst gelegentlich einer Klagsache gegen Hans Schott und Hans Albrecht wegen des Nachdrucks eines seiner Werke zugegeben hat. Nach Röhrich’s[WS 1] Angabe hatten ihn die Straßburger Reformatoren bewogen, auch einige Predigten Luther’s in lateinischer Ausgabe zu drucken, und R. versprach dem Freunde Luther’s Cruciger, ein ansehnliches Honorar, wenn er ihm bei der Uebersetzung der ursprünglich deutsch geschriebenen Werke Luther’s behülflich sein wollte. Die von ihm bekannt gewordenen Drucke, ungefähr 50 im ganzen, deuten auf eine ganz hervorragende Verlagsthätigkeit hin, die zudem durch die Verbindung mit den ausgezeichnetsten Männern jener Zeit an Interesse gewinnt. R. gebührt das Verdienst, Werke von Martin Bucer, Johannes Sturm, Calvin, Sleidan u. A. an die Oeffentlichkeit befördert zu haben. Dabei zeigte er sich recht vielseitig, denn er druckte nicht nur historische Werke und Schulbücher, sondern auch verschiedene Schriften gemeinnützigen Inhalts, wie z. B. ein Ackerbaubuch, ein Kräuterwerk, ein Kochbuch u. dgl. m. Seine Geschäfte muß er in großem Maßstabe betrieben haben, wie aus einer Notiz [431] hervorgeht, welche besagt, daß er das „Dictionarium Latino-germanicum et Germanico-latinum. Authore Petro Dasypodio“ in 3000 Exemplaren gedruckt haben soll. Von einem anderen seiner Verlagsartikel, dem „Joh. Sleidani de statu religionis et reipublicae Carolo V. Casesare commentaria“, 1555, welcher am 23. April d. J. in den Handel kam, hatte er 1000 Exemplare gedruckt, und am 20. Juli, also nach drei Monaten, waren die 1000 Exemplare bis auf sechzehn abgesetzt. Für das Ansehen, das R. in Straßburg genoß, scheint die Thatsache zu sprechen, daß er die elsässische Polizeiordnung 1552 gedruckt hat. Offenbar wurde die Herstellung solcher officieller Drucke damals immer einem dazu vom Rathe auserwählten Buchdrucker übertragen, und dieser sogenannte Stadtbuchdrucker in Straßburg scheint R. gewesen zu sein. Das oben schon erwähnte Wörterbuch des berühmten Gelehrten Dasypodius (s. A. D. B.[WS 2] IV, 763), dessen voller Titel lautet: „Dictionarium latino-germanicum, et vice versa germanico-latinum ex optimis Latinae linguae scriptoribus concinnatum. Nomina praeterea locorum, et amnium in Germania, tum ponderum et alia quaedam … seorsim explicata. Autore Petro Dasypodio.“ Argentorati per Wendelinum Rihelium (ein Exemplar hiervon befindet sich in der Leipziger Stadtbibliothek), erschien 1536, 1537, 1539, 1543, und 1544 *), sowie später nochmals im J. 1563. Gleich nach dem erstmaligen Erscheinen des Buches hatten Joh. Albrecht und Joh. Schott in Straßburg begonnen, einen Nachdruck vorzubereiten, wovon R. Kenntniß erhielt, weshalb er sich sofort an den Rath mit der Bitte um den Schutz seiner Rechte wandte. Nach dem Umfange der erhalten gebliebenen Begründung der Beklagten zu schließen, muß der Streit viel Umstände verursacht haben, doch ist leider nicht bekannt geworden, welches Urtheil der Rath in dieser Angelegenheit gefällt hat. Auch sonst ist über die persönlichen Verhältnisse Richel’s nichts in Erfahrung zu bringen gewesen. Die bis zu seinem Tode, der 1555 erfolgte, von ihm hergestellten Drucke sind bereits an anderer Stelle **) verzeichnet worden, und mögen deshalb hier nur noch die in dieser Zusammenstellung fehlenden Werke angeführt werden; es sind das folgende: „Der Richterlich Clagspiegel. Ein nutzbarlicher begriff, wie man setzen vnnd formieren sol nach ordnung der Rechten ein yede Clag, Antwurt, vnd außsprechenn Vrteilen. Gezogen auß Geistlichen vnd Weltlichen Rechten. Durch Doctorem Sebastianum Brant, wieder durchsichtiget vnd mit mererem fleiß von newen zum theyl gebessert“, 1538 und 1542; „Die alt vnd new Schelmen zunfft. Ein schöne Satyra, das ist, straffbüchlein viler handt laster, die allenthalben in der welt überhandt genummen. Ettwann durch Thomas Murnar u. s. w“. Dieses berühmte unter dem Namen Murner’s Schelmenzunft bekannt gewordene und von 1512–1540 mehrmals gedruckte Werk, das die Laster aller Gesellschaftsclassen stark geißelte, ist noch heute in sprachlicher Hinsicht von hohem Interesse. Ferner druckte er: „Aristotelis de arte dicendi libri III“, 1547; „An die weltliche stende, nemlich Graven, Ritterschafft, Stette, vnnd gemeine Landschafft des löblichen Cöllschen Erzbischtumbs, von sachen, so zwischen dem Durchlauchtigsten E. W. Ertzbischoffen von Cöllen, vnd dem Wirdigen Thumcapitel, Christlicher Religion halben erhoben, durch G. Westerburg“, 1545; „Von dem grossen Gottesdienst der löblichen Statt Cöllen. Eine vergleichung der statt Cöllen, mit dem heiligen Hierusalem, durch G. Westerburg“, 1545; „Calvin, Joa., Psychopannychia, qua refellitur quorundam imperitorum error, qui animas post mortem usque ad ultimum iudicium dormire putant“, 1545; „Bapsttrew [432] Hadriani IV. vnd Alexander III. gegen Keyser Friderichen Barbarossa geübt. Aus der Historia zusamen gezogen nützlich zu lesen. Mit einer Vorrhede D. Mar. Luthers“, 1545; „Spiegel der Menschlichen Blödigkeit“, 1546. Eine kleine gegen die Eitelkeit und Vermessenheit der Menschen und besonders der Fürsten eifernde Schrift. „Sturm, J., de amissa dicendi ratione et quomodo ea recuperanda sit libri II“, 1543; „Bock, Teutsche Speißkammer. Inn welcher Du findest, Was gesunden vnnd kranken menschen zur Leibs narung vnd desselben gepresten von nöten“, 1550. Auch das „Bettbüchlin, fleissig zusammenbracht durch M. Jacob Ottern Pfarhern zv Eßlingen“ ist von W. R. gedruckt worden. Erwähnung verdient noch das Druckerzeichen, dessen er sich bediente und das in vier Variationen vorkommt, die aber sämmtlich in figürlicher Umfassung eine weibliche Figur mit Flügeln, in der einen Hand ein Winkelmaß, in der andern einen Zaum mit Gebiß, darstellen. Die Figur steht auf einem kleinen Piedestal, dessen vordere Seite mit einem kleinen Wappenschild, das über aufrechtstehender Pflugschaar die Buchstaben W. R. enthält, versehen ist. Auf einzelnen Drucken finden sich darunter noch die Worte: „Rachegöttin, hier gebildet, künd durch Maß und Zaum hie frei, daß ich nimmer ohne Maßen, nimmer ohne Zügel sei“, in griechischer Sprache. Nach dem Tode W. Richel’s setzten seine beiden Söhne Josias und Theodosius die väterliche Officin noch bis 1557 fort, trennten sich dann aber und erscheinen nun jeder als selbständiger Drucker.
Richel: Wendelin R., (auch Rihel), vermuthlich ein Nachkomme des o. S. 426 erwähnten Basler Buchdruckers- Vgl. Archiv für Geschichte des deutschen Buchhandels, V, S. 27, 28, 32–38, 88–93. – Röhrich, Geschichte d. Reformation im Elsaß, II, S. 166. – Kapp, Geschichte, S. 116, 826, 848. – Klemm, Katalog, S. 152–154. – v. d. Linde, Geschichte, S. 97, 739. – Falkenstein, Geschichte, S. 170. – Schmidt, Die ältesten Buchdrucker, S. 38. – Roth-Scholtz, Thes. symb. ac embl. Nr. 484. – Nagler, Künstler-Lexikon XII, S. 378 u. s. w.
[431] *) S. Serapeum 1862, S. 256.
**) Archiv f. Geschichte d. deutschen Buchhandels V, S. 139–142.