ADB:Richelot, Friedrich Julius

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Artikel „Richelot, Friedrich Julius“ von Moritz Cantor in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 432–433, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Richelot,_Friedrich_Julius&oldid=- (Version vom 6. Dezember 2024, 02:47 Uhr UTC)
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Richelot: Friedrich Julius R., Mathematiker, geboren am 6. Novbr. 1808 zu Königsberg i. Pr., † ebendaselbst am 1. April 1875. Die Familie stammt, wie der Name verräth, aus Frankreich. Der Großvater (oder Urgroßvater) Richelot’s wanderte als französischer Sprachlehrer in Königsberg ein und gründete sich dort eine geachtete Familie. Richelot’s Vater war Justizrath. Er selbst widmete sich von Anfang an der Mathematik. Auf dem altstädtischen Gymnasium seiner Vaterstadt vorgebildet bezog er, noch nicht 17 Jahre alt, im Herbst 1825 die Universität seiner Vaterstadt. Bessel und K. G. J. Jacobi wurden seine Lehrer. Unter ihrer Leitung promovirte er 1831, ließ er sich gleich darnach als Privatdocent nieder. Neben ihnen lehrte er mit solchem Erfolge, daß er schon im Herbst 1832, bevor er kaum irgend etwas außer seiner Doctordissertation im Druck veröffentlicht hatte, zum außerordentlichen Professor ernannt wurde. Seine Ernennung zum ordentlichen Professor erfolgte 1844. Die erwähnte Doctordissertation beschäftigt sich mit dem regelmäßigen Vielecke von 28+1=257 Ecken und gehört dadurch in die von Gauß geschaffene Kreistheilungslehre. Seine wichtigsten späteren Arbeiten, durch welche er die Ernennungen zum außerordentlichen und zum ordentlichen Professor beantwortete, sind der Lehre von den Abel’schen Transcendenten gewidmet. Ueberhaupt bilden diese und die elliptischen Transcendenten unmittelbar oder mittelbar den wesentlichen Gegenstand von Richelot’s ziemlich zahlreichen Abhandlungen in Crelle’s Journal. Ohne eine bahnbrechende Bedeutung zu haben, sind sie alle fleißige saubere Arbeiten. Der Schwerpunkt von Richelot’s Thätigkeit ist seine Wirksamkeit als Lehrer gewesen, zumal die Leitung des mathematischen Seminars, in welchem er sich Schüler heranbildete, welche selbst wieder zu den hervorragenden [433] Lehrern des Faches zu zählen sind. Ein Clebsch, ein Aronhold – um nur schon Verstorbene zu nennen – sind aus diesem Seminare hervorgegangen, dem sie freilich schon als Schüler Jacobi’s beitraten. R. war seinen Schülern Lehrer und Freund. Auf gemeinschaftlichen Spaziergängen liebte er es, seine geistvollen Anregungen zu verbreiten, aber auch ernste und genaue Vorprüfungen der Candidaten zum Staatsexamen vorzunehmen, so daß die eigentliche Prüfung vor der Prüfungscommission, der er lange Jahre angehörte, zeitweilig auch vorstand, fast nur noch Form war, die keinen Zugelassenen zu schrecken brauchte. Auch in Richelot’s gastlichem Hause verkehrten Schüler und Collegen als gern gesehene und gern sich einstellende Gäste. Von Berufungen noch auswärts nennen wir eine solche nach Heidelberg, welche er wenige Jahre vor seinem Tode ablehnte, so groß die Versuchung war, dort neben seinem Schwiegersohn Gustav Robert Kirchhoff wirken zu können. Geheimrath R. erlag einem sich langsam ausbildenden Herzleiden. Seine Leichenrede durfte unter Beistimmung der zahlreichen Begleitung des Wortes der Schrift sich bedienen: Wie haben wir alle ihn so lieb gehabt.

Vgl. einen Nekrolog von Sz. (Professor Saalschütz in Königsberg) in den Wissenschaftlichen Monatsblättern, herausgegeben von Dr. Oskar Schade, III. Jahrgang (1875), Nr. 4, S. 63–64. – Poggendorff, Biogr.-litter. Handwörterb. zur Gesch. d. exact. Wissensch. II, 631–632.