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Artikel „Rengger“ von Otto Hunziker in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 215–220, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rengger&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 05:15 Uhr UTC)
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Rengger: a) Abraham R. v. Brugg, C. Aargau 1732–1794; er machte seine theologischen Studien an der Akademie zu Bern, ward 1755 Lehrer in Brugg, 1763 Pfarrer in Gebenstorf (Dorf im Gebiet der damaligen Grafschaft Baden), von wo aus er Pestalozzi’s Ansiedlung im Birrfeld (Neuhof) vermittelte, 1773 Pfarrhelfer in Bern, starb als dritter Pfarrer am Münster daselbst, 27. Januar 1794: ein Mann von ungewöhnlicher Weitherzigkeit, Bildung und Popularität, welcher mit den hervorragendsten seiner Landsleute Iselin, Zimmermann, Balthasar, Lavater, Pestalozzi) und vielen auswärtigen Gelehrten (Campe, Pfeffel, Nicolai) in Freundschaft und Verkehr stand. – Nekrolog in den Verhandlungen der helvet. Gesellschaft 1794 (von Pf. Stapfer).

b) Albrecht R., 1764–1835, der jüngste der drei Söhne des Pfarrers Abraham R., geb. in Gebenstorf am 8. Juli 1764. Als die Familie nach Bern übersiedelte, stieg Albrecht R. mit Auszeichnung in den Bernischen Schulen zur Akademie empor, um sich dem Studium der Theologie zu widmen, ward dann Hofmeister in der Familie des Landvogts Fellenberg in Wildenstein, als welcher er großen Einfluß auf die Entwicklung seines Zöglings, des nachmaligen Stifters von Hofwyl, gewann; es kam zwischen diesem und seinem Mentor schon in Wildenstein zu einem freundschaftlichen Verhältniß, welches erst der Tod löste. Fellenberg selbst bezeugt, wie R. schon in Wildenstein sich mit genauer Beobachtung der ihn umgebenden Natur beschäftigte; bald ging dieser denn auch, mit Einwilligung seines von ihm zärtlich geliebten Vaters, zum Studium der Medicin über, weil er in diesem Berufe mehr für das Wohl der Menschen zu wirken hoffte. 1785–88 finden wir R. auf der von den Bernern seit Haller mit Vorliebe besuchten Universität Göttingen, wo er unter Blumenbach, Gmelin, Lichtenberg u. a. seine Studien machte, als Doctor promovirte und mit einer Reihe dort studirender Schweizer, wie Escher (von der Linth), P. Usteri, Gruber, Lüthard, sich enge und bleibend befreundete. Reisen nach Wien und Italien vollendeten seine Bildung. 1789 ließ er sich als praktischer Arzt in Bern nieder. Als solcher erfreute er sich bald einer großen Beliebtheit; mit Vorliebe pflegte er die Armenpraxis, ward einer der Stifter und thätigsten Mitglieder der dortigen Armenverpflegungsanstalt, deren ersten Verwaltungsbericht er 1796 herausgab; daneben beschäftigten ihn wissenschaftliche Studien und Projecte zu periodischen fachmännischen Publicationen in Gemeinschaft mit seinem Freunde P. Usteri; im Winter 1797/98 wollte er pathologische Vorlesungen halten, als die politischen Verhältnisse dazwischen traten.

Schon früh hatte R. auch in weiteren Kreisen für das Volkswohl zu wirken gestrebt. Der Versammlung der helvetischen Gesellschaft zu Olten 1786 lag eine anonyme Arbeit „Vorschlag eines Nationalkalenders“ vor, die von derselben des Drucks im Anschluß an ihre Verhandlungen gewürdigt ward; der unbekannte Verfasser war R. Von 1790 an wurde dieser eifriger Theilnehmer an der Oltener Zusammenkunft, der er 1793 seine erste politische Schrift „über die Verketzerungssucht in unseren Tagen“ vorlegte. Der Briefwechsel mit seinen Freunden Escher und Usteri zeigt auch ihn mit Begeisterung für die Ideen der französischen Revolution erfüllt, aber gelegentlich die Ausschreitungen bei ihrer praktischen Verwirklichung lebhaft bedauernd. Gleich Fellenberg ahnte er schon frühe die [216] Gefahren, die seiner Heimath von der Entwicklung der Dinge im Nachbarlande drohten und suchte zu warnen; seit dem Staatsstreich vom 18. Fructidor (4. September 1797) sah er die Rettung des Vaterlandes nur noch in einer der Einmischung von Außen zuvorkommenden durchgreifenden politischen Reorganisation. In der Zeit des Uebergangs wurde er von seiner Heimathgemeinde Brugg als einer der 52 Ausgeschossenen gewählt, die mit dem stadtbernischen großen Rath zusammen als Vertreter der bisherigen Unterthanen eine Versöhnung der Gegensätze anbahnen sollten; aber eine Mission zu dem französischen Geschäftsträger Mengaud in Basel, die er mit zwei andern Vertrauensmännern der bernischen Regierung unternahm, hielt ihn während des entscheidenden Februar 1798, von Bern ferne, ohne der sinkenden Sache zu nützen, und am 5. März fiel Bern in die Hände der Franzosen. In der neuen Ordnung der Dinge ward R. zum Präsidenten des obersten Gerichtshofes in Helvetien, dann aber schon am 2. Juni 1798 zum Minister des Innern der helvetischen Republik gewählt.

Die Verwaltung dieses Ministeriums, das er mit nur achtmonatlicher Unterbrechung bis gegen den Schluß der helvetischen Periode (1803) bekleidete, war die Stellung, die Rengger’s Scharfblick, Mäßigung, Arbeitskraft und Organisationstalent im hellsten Lichte zeigte und ihm die größten Ansprüche an die Dankbarkeit seines Vaterlandes bleibend gesichert hat. Er gewann sich die volle Achtung aller Parteien; die ihm amtlich am nächsten stehenden und competentesten Zeitgenossen verkünden sein Lob in neidlosester Weise; unter ihnen vor allem Laharpe und Zschokke. Ersterer, als Mitglied des Directoriums Renggers’s Vorgesetzter, hebt (in seiner notice nécrologique) besonders die rastlose und nie entmuthigte Arbeit des Minister inmitten der sich aufthürmenden Schwierigkeiten, die Klarheit und Bündigkeit all seiner Berichte an das Directorium hervor; Zschokke, der als Regierungscommissär in Waldstätten, später in Tessin und in Basel, sowie durch seine sonstigen Beziehungen zu den damaligen Regierungsmännern ungewöhnlich tief zu sehen Gelegenheit hatte, schreibt: „Aber auch den Namen jenes Mannes muß ich in der Reihe dieser Edeln nennen, dessen Talente und Tugenden selbst diejenigen bewundern mußten, die seine Partei haßten. Albrecht R. entwickelte in dem ganzen Laufe seines Geschäftslebens jene außerordentlichen Eigenschaften als Staatsmann mit einer Kraft und Größe, die ihn, wäre seine Bahn von längerer Dauer gewesen, nebenbuhlerisch in den Rang der vorzüglichsten Geschäftsmänner gestellt haben würde. Mit nie ermüdendem Fleiße paarte sich in ihm schneller Ueberblick des ganzen Chaos vor ihm ruhender Arbeiten und unbeschreibliche Gewandtheit in ihrer Behandlung. Während er nie das weitläufige Ganze und dessen innere Uebereinstimmung aus dem geübten sichern Blick verlor, hatte er den Muth, in die geringfügigsten Einzelheiten tausendfach verschiedener Geschäfte herabzusteigen, ohne sich in denselben zu verirren. Mit oft allzuharter Unbiegsamkeit verfolgte er seine Ideen, und viel zu ungeschmeidig für einen Staatsmann konnte er seine Verachtung und seinen Haß gegen diejenigen nie verbergen, die ihm gefehlt zu haben schienen. Streng gegen sich selbst in seinen Forderungen war er es gegen alle Anderen. Zwar wirft man ihm oft vor, daß er nicht die einem Geschäftsmann nöthige Menschenkenntniß besessen habe, und doch kann Niemand leugnen, daß die Bureaux seines bedeutenden Ministeriums jederzeit ausgezeichnete talentvolle Männer an ihrer Spitze hatten, wie einen Abel Merian von Basel oder einen Kasthofer von Bern. Rengger’s Genie konnte vielleicht von Keinem richtiger beurtheilt werden, als von den ersten Magistraten in den verschiedenen Kantonen. Diese sahen was er wirkte und wie. Ohne ihn wäre heute die Schweiz vielleicht um die Hälfte elender und ärmer als sie ist.“

R. gehörte zu denjenigen Staatsmännern jener Zeit, die neben möglichster [217] Wahrung der Unabhängigkeit eine starke Centralgewalt haben wollten. Als daher am 28. October 1801 die Förderalisten durch einen Staatsstreich siegten, trat R. von seiner Stelle zurück. Die neuen Machthaber verfuhren aber so einseitig, daß der französische Gesandte im Januar 1802 die Wahl von sechs der einflußreichsten Einheitsfreunde zur Seite der bisherigen fünf Mitglieder der Regierung (Vollziehungsrath) durchsetzte, um ein ausschließliches Parteiregiment zu verhindern. Unter diesen sechs Männer war auch R., der nun gleichzeitig für 1802 zum zweiten Landammann (neben Reding) erhoben wurde. Nachdem jedoch die neue Verfassung vom 19. Mai, die den Wünschen der Einheitsfreunde besser entsprach, durchgesetzt worden war, nahm R. seine Entlassung, willigte jedoch schon zehn Tage später (12. Juli) ein, das Secretariat des Innern wieder zu übernehmen. An der Consulta, die unter dem ersten Consul in Paris die Mediationsverfassung berieth, nahm er, obschon zum Mitglied derselben gewählt, nicht theil, da der plötzliche Tod seines als Pfarrer von Zimmerwald am 16. October 1802 gestorbenen Bruders Samuel und die Sorge um die drei von demselben hinterlassenen Waisen ihn in der Schweiz zurückhielt. Nach Inkrafttreten der Mediation Mitglied des aargauischen großen Rathes, ward er die Seele der Siebnercommission, die die Organisation dieses neuen Freistaates durchberieth und festsetzte. Allein der kleinlichen Verhältnisse, die ihn hier umgaben, bald müde, siedelte er schon Ende 1803 nach der Waadt über, erwarb dort das kantonale Bürgerrecht und in mehrfachen amtlichen Stellungen wie in seiner ärztlichen Praxis in Lausanne von Behörden und Volk hochanerkannte Verdienste. Da nach dem Sturze Napoleon’s sich in Bern Gelüsten zeigten, die der Republik entrissenen Landschaften Aargau und Waadt auf die eine oder andere Weise zurückzugewinnen, nahm R. im Auftrag der aargauischen Regierung eine Mission ins Lager der Verbündeten zu Chaumont an, um die Situation zu sondiren (März 1814), konnte aber bald die beruhigendsten Versicherungen heimbringen. Im September 1814 reiste er dann als Gesandter für die Interessen des Aargau an den Wiener Congreß, gleichzeitig damit betraut, auch diejenigen anderer Kantone – St. Gallen, Thurgau, Tessin – zu vertreten und gemeinschaftlich mit Laharpe für Waadt zu handeln. Der achtmonatliche Aufenthalt in Wien war mit vollständigem Erfolge gekrönt. R. hatte den Muth, im kritischen Moment dem Congreß zu erklären: der Aargau könne blos durch die Gewalt der Waffen, durch ein dort stehendes reguläres Armeecorps gezwungen werden, seiner Unabhängigkeit auch nur theilweise zu entsagen oder anderweitige Concessionen zu machen, wodurch die Selbständigkeit und das Eigenthum des Landes und seiner Bürger irgendwie gekränkt werde. R. und Laharpe war es zu verdanken, daß die neuen Kantone in völlig gleiches Recht mit den alten gesetzt wurden; um so ehrender ist für den Erstern das Wort, das ein hervorragendes Mitglied der Versammlung über ihn ausgesprochen haben soll (Castlereagh): unter allen Schweizern, die ihm vorgekommen, habe er keinen einzigen Staatsmann außer R. gesehen; die andern Alle haben nur für ihre Kantone gesprochen, dieser Einzige habe auch das Allgemeine im Auge gehabt. Nach seiner Rückkehr gab R. Wohnsitz, Praxis und Aemter in der Waadt auf, siedelte nach Aarau über und ward am 8. Juni 1815 zum Mitglied des kleinen Rathes (der Regierung) seines Heimathskantons gewählt; mehrere Gesetze, so namentlich das aargauische Schulgesetz von 1816, sind aus Entwürfen Rengger’s hervorgegangen. Aber noch vor Ablauf seiner achtjährigen Amtsdauer, im December 1820, schied er aus der Regierung; Kränklichkeit und Verstimmung hatten diesen seinen Freunden gänzlich unerwarteten Entschluß in ihm gereift; „ich habe mich in der That vom Menschenreich in das Steinreich geflüchtet“, schrieb er an Usteri am 3. September 1821, „nicht, daß ich hier das Heil der Welt suchte oder für [218] die großen Interessen unserer Tage weniger empfänglich wäre wie ehemals, allein für die Beförderung von diesen vermag ich nichts und erreiche dagegen durch meine geognostischen Wanderungen den doppelten Zweck, etwas für meine Gesundheit sehr Wohlthätiges zu thun und zugleich die Natur in der Natur zu studiren.“

So trat R., ehe er sein 57. Lebensjahr zurückgelegt, definitiv ins Privatleben zurück; mit solcher Abneigung wieder in die Oeffentlichkeit zurückzukehren erfüllt, daß er zwei Jahre später sogar die Ehrenstelle als Präsident der Versammlung der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft nicht nur ausschlug, sondern sich sogar von Aarau, während die Gesellschaft dort tagte, entfernt hielt. Um so eifriger wandte er sich seinen mineralogischen und geognostischen Studien zu. Vielfache Wanderungen sollten ihn dazu befähigen, eine erschöpfende „Beschreibung des aargauischen Juragebirges“ zu schaffen, von welcher bei seinem Tod der erste Theil druckfertig dalag; die posthume Herausgabe scheiterte neben anderm an der Thatsache, daß R. ein Anhänger der neptunistischen Theorie gewesen, die inzwischen außer Curs gerathen. Doch schätzten Männer wie Leopold v. Buch und Elie de Beaumont seine Leistungen hoch und ein Fachmann, der Rengger’s Arbeiten genau durchgesehen, urtheilte geradezu, es sei vielleicht kein Land so treu und vollkommen geognostisch erforscht worden, wie der Aargau durch R. Zugleich hatte seine wissenschaftliche Forscherthätigkeit solche Stärkung seiner Gesundheit zu Folge, daß R. noch als Sechziger oft 14 Stunden im Tage auf den Füßen war, ohne sich für länger als eine Viertelstunde niederzusetzen und ohne sich Abends wesentlich ermüdet zu fühlen. Eine große Freude und gewissermaßen ein Ersatz für die Lücken, die eben damals der Tod in dem Kreise seiner Jugendfreunde gerissen (Escher v. d. Linth, Lüthard), war es für den alternden Mann, daß im März 1826 sein Neffe, Dr. Joh. R. Rengger, aus Paraguay zurückkehrte und nun in Aarau in der Nähe seines väterlichen Freundes Wohnung nahm, „der seine Opfer und seine Bekümmernisse um den Sohn seines Herzens endlich durch ein längeres ungestörtes Beisammensein vergolten sah. Von da an widmete der Oheim einen Theil seiner Zeit seinem Neffen und dessen litterarischen Arbeiten, für deren sorgfältige und correcte Herausgabe er äußerst bemüht war. Die wissenschaftliche Ausbeute, welche der jüngere R. mit sich brachte, gab dem Dasein des Oheim einen neuen Reiz.“ Um so schmerzlicher war für diesen der Tod seines Neffen, 1832; durch diesen Verlust wurde der alte Mann physisch und geistig tief erschüttert. Von einem Schlaganfall, der ihn zu Anfang des Sommers 1834 traf, erholte er sich zwar scheinbar wieder fast völlig; es war ihm noch vergönnt, dem geliebten Neffen in der Herausgabe der „Reise nach Paraguay“ ein Denkmal zu setzen. Wehmüthig genug leitet er das Buch als „die Trümmer eines Schiffbruchs“ ein; drei Monate nachher sank auch der Herausgeber in Folge eines zweiten Schlaganfalls, der ihn am 23. December 1835 traf, todt nieder.

R. war ein Mann reicher Begabung und makelloser Sitten. Der Geist der Ordnung, der dem Biographen seines Vaters als dessen hervorstechendste Eigenthümlichkeit erschienen, war in hohem Maaße auf den Sohn übergegangen; selbst in den Wunderlichkeiten des Junggesellenlebens seiner spätern Tage, wie in der eigenthümlichen Eintheilung seiner Zeit, nach der er „nichts von den gewöhnlichen Lebensverrichtungen, Essen, Schlafen u. s. w. zu derselben Zeit that, wie andere,“ war er durchaus regelmäßig. Wie er in jungen Jahren in fast schwärmerischer Verehrung an seinem Vater hing, so war andererseits die Sorge für die Kinder seines verstorbenen Bruders, die ihm 1802 zufiel, für ihn wol das entscheidende Hinderniß, sich einen eigenen Herd zu gründen; einen Ersatz fand er dafür in der Familie seiner Nichte, in welcher er während der letzten zwanzig Jahre in Aarau lebte. In merkwürdiger Uebereinstimmung haben von [219] seinen Jugendjahren an seine Freunde die geistige Ueberlegenheit Rengger’s, sein klares und scharfes Urtheil, verbunden mit Wärme und Wahrheit des Gefühls neidlos anerkannt. Seine Bildung war vielseitig und harmonisch; noch im Alter hat er die Abende theilsweise mit Lectüre, ja sogar mit Uebersetzung der Classiker zugebracht. Der Klarheit seines Wesens entsprach die Klarheit seines Stils. „Kein Schweizer“, urtheilte der ehemalige College Rengger’s, der Minister Stapfer, selbst ein Mann feinsten Sprachgefühls und ungewöhnlicher Sprachgewandtheit, „hat meines Erachtens die deutsche Sprache so fehlerfrei und zierlich geschrieben; dabei behält sein ächtclassischer Stil seine eigenthümliche Farbe und trägt ein besonderes Gepräge von Besonnenheit und Simplicität, von Würde und Grazie, er ist edel und gehalten, ohne Spannung und Gesuchtheit.“ Namentlich in der Conception officieller Actenstücke, Gesetzentwürfe u. s. w. trat die Präcision des Ausdrucks wohlthuend hervor. In seinem Wirken zeigte er sich begeistert für menschliche und bürgerliche Freiheit; „er suchte jene in harmonischer Ausbildung von Geist und Herz, die bürgerliche einzig in der Herrschaft des Rechts, der Ordnung, in der Gleichstellung, aber Unterwerfung Aller vor dem Gesetz. Ohne Schwanken in seinen Ansichten über Staatswohl war er jedem gewalthsamen, unbesonnenen, leidenschaftlichen Treiben der Parteien von Herzen gram und entgegen. In Folge dieser Ansicht der Dinge und der Erinnerungen an seine eigene patriotische Laufbahn konnte er sich mit den politischen Vorgängen zu Anfang der dreißiger Jahre nicht mehr recht befreunden und neigte sich wol zu schroff dem Grundsatze zu: Alles für das Volk, aber nichts durch das Volk, sodaß er mehrfach, obwol mit Unrecht, als der stabilen oder retrograden Partei zugethan angesehen wurde.“ Seiner Individualität hatte am meisten das Wirken in einer der Einzelpersönlichkeit vollen Spielraum gebenden Stellung, wie das Ministerium des Innern eine solche gewesen, entsprochen: „Er erkannte, wie viel seinem Volke noch fehlte und bedaß mit Selbstbewußtsein die richtigen Eigenschaften, ihm zu helfen; Geist und Kenntnisse, verbunden mit Reinheit und Adel der Gesinnung. Ja im Collegium paßte er schon darum weniger, weil er da selten Collegen von ähnlicher Schärfe des Urtheils und vielseitiger gründlicher Bildung antreffen mochte und die langsamen ungewandten Mitarbeiter seine Ungeduld reizten.“

F. C. Laharpe, Notice nécrologique d’Albert Rengger (in den Verhandlungen der schweizerischen gemeinnützigen Gesellschaft 1836). – Kleinere Lebensabrisse in der Gallerie berühmter Schweizer der Neuzeit von Hartmann und Hasler und (von Pfr. E. Zschokke) in Hunziker, Geschichte der schweiz. Volksschule, Bd. II, S. 67. Die Hauptquelle ist F. Wydler, „Leben und Briefwechsel von A. Rengger“, zwei Bände, Zürich 1847; der Verfasser, der Gatte von Rengger’s Nichte in Aarau, bei der R. 1815–35 wohnte, hat nur allzubescheiden auf eine zusammenhängende Biographie verzichtet; von bleibendem Werth sind die statt dessen eingefügten Correspondenzauszüge; dem Buch ist auch ein Verzeichniß sämmtlicher gedruckten Schriften und der vorhandenen Manuscriptarbeiten Rengger’s beigefügt. Wir heben aus demselben hervor: a) Wissenschaftliche Schriften. 1792: „Ueber die Nahrungsart ganz junger Kinder“ und „Ueber die zweckmäßigste Form und Bearbeitung eines medicinischen Volksbuches“ in Rahn’s gemeinnütziger Wochenschrift physischen und medicinischen Inhalts, S. 256 und 779. – 1824: „Beiträge zur Geognosie, besonders zu derjenigen der Schweiz.“ Stuttgart, Cotta. Erster Theil (der zweite Theil blieb, obwol im Manuscript vollendet, infolge Zusammentreffens hindernder Umstände ungedruckt). – 1829: „Ueber den Umfang der Juraformation, ihre Verbreitung in den Alpen und ihr Verhältniß zum Tertiärgebirge, als Einleitung einer Beschreibung des aargauischen Juragebirges.“ [220] Zürich. – 1831: „Ueber die Alpenpässe und Alpenstraßen“ (in Leonhard’s mineralogischem Taschenbuch). – 1835: „Reise nach Paraguay in den Jahren 1818–26 von Dr. Joh. R. Rengger, aus des Verfassers handschriftlichem Nachlaß herausgegeben von A. Rengger.“ Aarau, Sauerländer. b) Historische, politische u. s. w. Schriften. Eine Anzahl derselben ist von Prof. Kortüm 1838 herausgegeben worden: „Dr. Albr. Renggers kleine meist ungedruckte Schriften“ (Bern, Jenni): a. Historische Denkwürdigkeiten. (Ueber die Ursachen und Wirkungen der französischen Revolution, Betrachtungen über die helvetische Revolution u. s. f.) b. Aufsätze gemeinnützigen Inhalts (Ueber die politische Verketzerungssucht in unseren Tagen u. s. f.) c. Staatswissenschaftliche Aufsätze (Bericht über den Zustand des Distrikts Stans 1799 u. a.). In diese Sammlung haben nicht Aufnahme gefunden der im biographischen Zusammenhang erwähnte „Vorschlag eines Nationalkalenders“ 1786, sowie der „Bericht über die Armenerziehungsanstalt in Hofwyl, im Namen der zur Beaufsichtigung derselben niedergesetzten Commission.“ Tübingen 1815 (auch ins Französische und Englische übersetzt). Schließlich erwähnen wir noch die von R. 1830 (Aarau, Sauerländer) herausgegebenen „Briefe von J. G. Zimmermann“.