ADB:Reding von Biberegg, Alois Graf

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Artikel „Reding von Biberegg, Alois Graf“ von Georg von Wyß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 523–529, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Reding_von_Biberegg,_Alois_Graf&oldid=- (Version vom 7. Dezember 2024, 02:07 Uhr UTC)
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Reding: Alois, Graf R. von Biberegg, Landammann der Schweiz, geb. am 6. März 1765, † am 5. Februar 1818, entstammte einem Geschlecht freier Leute des Landes Schwyz, das schon im 13. Jahrhundert urkundlich erscheint, im fünfzehnten Schwyz und den Eidgenossen einen höchst einflußreichen Führer gab (s. unten Ital R.), in neuerer Zeit von seinem ursprünglichen Wohnsitze den Zunamen von Biberegg führt und von jeher viele angesehene schwyzerische Magistrate und viele ausgezeichnete Officiere zählte, die im Auslande, in den französischen, spanischen, savoyischen und neapolitanischen Heeren dienten. Nicht weniger als 28 Officiere R. standen. 1698 unter den Fahnen Ludwig’s XIV. vor Charleroi. Alois R. gehörte einer besonders militärischen Linie des Geschlechtes an, deren Ahne, Oberst Rudolf, in allen Schlachten der letzten Valois focht und dessen gleichnamiger Sohn und Nachfolger das Reding’sche Stammhaus an Schmidgassen, eine Zierde des Fleckens Schwyz, erbaute. Des Letztern Nachkomme in fünfter Generation war der spanische Oberstlieutenant Theodor Anton R., Vater von vier Söhnen: Theodor, Marschall und Grande von Spanien; Nazar, Marschall in Spanien und Gouverneur der Balearen; Rudolf, Gardehauptmann König Ludwig’s XVI., am 10. August 1792 in den Tuilerien verwundet und Opfer der Pariser Septembermorde, und Alois, dem jüngsten der Brüder. Auch Alois stand 1791 als Hauptmann in Spanien im Regimente R., focht gegen die französische Republik, wurde Oberstlieutenant, 1794 in den Kämpfen um San Sebastian schwer verwundet, nahm seinen Abschied und kehrte heim, dem greisen Vater zur Pflege. Bald riefen ihn die Zeitereignisse auch hier ins Feld. Von der Landsgemeinde Schwyz zum Landeshauptmann ernannt, befehligte er im Herbst 1796 ihr Contingent in der eidgenössischen Grenzbesetzung am Rheine und im März 1798 das schwyzerische Hülfscorps, welches Bern gegen den Angriff der Franzosen unterstützen sollte, jedoch – ohne Reding’s Schuld – nicht zu wirklicher Theilnahme am Kampfe gelangte. Ein paar Monate später aber trat R. an die Spitze des ganzen Aufgebotes der Waldstätte gegen dieselben Feinde, als die demokratischen Länder in der Schweiz die Täuschung erkannten, in die sie sich hatten einwiegen lassen, daß Frankreichs Krieg nur den städtischen Aristokratien, nicht aber auch ihnen gelte. Nachdem ein Versuch, das französische Directorium zur Anerkennung ihrer Unabhängigkeit und althergebrachten Freiheit zu bewegen, von General Schauenburg und dem französischen Civilcommissär Lecarlier schimpfliche Zurückweisung erfahren hatte, verwarf die Landsgemeinde von Schwyz am 16. April einmüthig das Ansinnen der Franken, sich der von ihnen errichteten helvetischen Republik anzuschließen. Sie wurde nun zum Mittelpunkt eines Widerstandes, dem sich Nidwalden, Zug und Glarus, dem zögernd auch Uri, und nach anfänglich entgegengesetztem Entschlusse, auch Obwalden sich anschlossen. Zum Haupt des leitenden Kriegsrathes und obersten Anführer wurde einstimmig R. erkoren. Der Plan, angriffsweise zu verfahren, mußte freilich bei dem gänzlichen Mangel an Unterstützung von Seite der die Länder umgebenden Bevölkerung des schweizerischen Flachlandes und bei der Uebermacht des kriegsgeübten französischen Heeres schon nach den ersten Schritten aufgegeben werden. Rasch concentrirte sich die [524] ganze Wucht des Kampfes auf die Vertheidigung der schwyzerischen Landesgrenzen gegen Schauenburg’s Angriffe. Hier aber stritt R. in den Tagen des 2. und 3. Mai mit unerschütterlichem Muthe und der ausharrendsten Treue an der Spitze der Schwyzer und der ihnen zugezogenen Männer aus den Nachbarkantonen, warf an der Schindellegi und am Rothenthurm die Feinde siegreich zurück und erkämpfte seinem Lande die Achtung Schauenburg’s und eine Capitulation, die Schwyz gegen Anschluß an die helvetische Republik Friede, Räumung seiner Grenzen von den Franzosen, Beibehaltung der Waffen und Achtung des katholischen Glaubens und seiner kirchlichen Institutionen zusicherte. Schwyz entsagte damit freilich seiner fünfhundertjährigen vollen Unabhängigkeit; aber mit Recht konnte R. an den ihm befreundeten Zschokke schreiben: Der Todeskampf des kleinen Staates sey zwar über alle Maßen hartnäckig gewesen, aber nur reine Freiheitsliebe habe sein Volk beseelt und wenigstens die Ehre gerettet. Er hätte noch beifügen können: auch das Wiedererstehen von Schwyz gesichert. Denn das heldenmüthige Verhalten des kleinen Landes bildete ein paar Jahre später den Hauptbeweggrund für Bonaparte, bei seinem entscheidenden Eingreifen in die schweizerischen Dinge die kantonale Selbständigkeit jeder der drei Waldstätte in seinem Verfassungsentwurf von Malmaison (1801) wiederherzustellen und in der Mediationsacte von 1803 festzuhalten. R. den das Vertrauen und die Liebe seines Volkes seit jenen bewegten Tagen unbedingt umgaben, nahm nach denselben die Haltung ein, welche ihr Abschluß ihm vorzuschreiben schien. In stiller Zurückgezogenheit lebte er im Schooß der Heimath und der Seinigen. Er nahm keinen Theil an der Unterstützung, die der Aufstand von Nidwalden gegen die helvetische Republik im September 1798 auch in Schwyz fand, was den Hinfall der Capitulation vom 4. Mai und die Besetzung und Entwaffnung von Schwyz durch die Franzosen (12. September) zur Folge hatte. Er lehnte im Februar 1799 das Anerbieten des helvetischen Directoriums ab, in dessen Dienste ein Truppencommando zu übernehmen, als der Ausbruch des zweiten Coalitionskrieges bevorstand. Er bemühte sich am 28. April 1799 mit eigener Lebensgefahr, dem wüthenden Volksaufstand, der in Schwyz bei Annäherung des österreichischen Heeres an die schweizerischen Grenzen ausbrach und die Franzosen vertrieb, die schlimmsten Folgen zu benehmen. Er verweigerte aber auch, sich an die Spitze der Aufgestandenen zu setzen und erließ mit Gleichgesinnten einen freilich vergeblichen Aufruf an das ebenfalls aufständische Uri, sich General Soult nicht zu widersetzen, der am 3. Mai in Schwyz (schonend) wieder einmarschirte und am 8. Altorf mit Gewalt bezwang. Um ähnlichen Verwicklungen zu entgehen, verließ R. Schwyz, als die Oesterreicher Mitte Juni 1799 daselbst einrückten, und siedelte mit den Seinigen erst nach Glarus und dann nach Rorschach über. Hier brachte er die entscheidenden Wochen des Krieges zu, in welchem Massena durch seinen Sieg bei Zürich über Korsakow und Suwarow’s Zurücktreiben über das Gebirge die Oesterreicher und Russen ganz aus der Schweiz verdrängte. Mitte October kehrte R. heim. Er fand Haus und Habe von den Franzosen, die ihn seit dem 28. April als den angeblichen „général des paysans“ mit unverdientem Hasse verfolgten, vielfach beschädigt und nur durch Zschokke, der als helvetischer Regierungsstatthalter in Schwyz gewaltet hatte, vor gänzlicher Verwüstung bewahrt, das Land aber und die benachbarten Thäler alle durch den Krieg von dem äußersten Elend heimgesucht. In Bemühungen, dies Elend mit Hülfe unterstützender Freunde zu mildern, und in Betrachtung des Ganges der Dinge in den helvetischen Räthen, denen er ferne stand, gingen ihm jetzt die Tage hin. Er machte sich in denselben mit dem Gedanken vertraut, daß eine Rückkehr der Schweiz zu dem unbedingten Föderalismus der Vergangenheit nicht mehr möglich, das Bestehen einer Centralgewalt unumgänglich [525] und wohlthätig sei; aber er wünschte doch von der frühern Selbständigkeit und vollen Demokratie seines Landes und der übrigen Waldstätte ein möglichst großes Maaß bewahrt und die Grundlagen für die schweizerischen Verhältnisse durch eine neue allgemeine Versammlung von Abgeordneten festgestellt zu sehen. In diesen Anschauungen sowie durch seine ganze Persönlichkeit war R. unter den Männern der Waldstätte weitaus der angesehenste Vertreter der föderalistischen Partei, mit dem sich die Gleichgesinnten in den übrigen Kantonen, vorzüglich in den Städten Zürich und Bern, in freundschaftliche Verbindung zu setzen begannen. Als nun nach dem Frieden von Luneville (9. Februar 1801), welcher der Schweiz Unabhängigkeit und das Recht verhieß, sich ihre Verfassung selbst zu geben, die lebhaften Bestrebungen hierfür bei den Parteien begannen, Frankreich aber, dessen Truppen noch in der Schweiz standen, sich thatsächlich doch die entscheidende Verfügung über die bleibende Gestaltung des schweizerischen Staatswesens vorbehielt, ward R. zweimal eine nur kurze, aber eingreifende Rolle in den politischen Parteikämpfen beschieden. Beide Male machte ihr Frankreich, wegen Reding’s zu großer Selbständigkeit seinem Einflusse gegenüber, ein rasches Ende; sie gewann aber R. die Achtung und das Vertrauen weitester Kreise in der Schweiz. Im August 1801 berief Schwyz einmüthig R. in die Kantonaltagsatzung, welche für den wiederhergestellten alten Kanton Schwyz eine Verfassung zu entwerfen hatte, und diese Versammlung ernannte ihn zu ihrem Abgeordneten zur allgemeinen helvetischen Tagsatzung in Bern. Am 28. October 1801 erfolgte die gewaltsame Auflösung und Ersetzung der letztern durch einen in seiner Mehrheit föderalistisch gesinnten helvetischen Senat, der am 21. November R. an die Spitze der obersten Vollziehungsbehörde, des Kleinen Rathes, mit dem Titel des ersten Landammanns der Schweiz setzte. Allein während es nun dem („Redingischen“) Senate nicht ohne die größten Anstrengungen gelang, gegenüber dem Widerstande der Unitarier und der dieselben unterstützenden revolutionären Elemente aller Arten den Entwurf einer schweizerischen Bundesverfassung zu Stande zu bringen und darin den für R. wichtigsten Punkt, das Verhältniß der Waldstätte zur Centralgewalt, auf einem Wege zu ordnen, der bei der spätern Reconstituirung der Schweiz im Jahre 1815 in analoger Weise betreten wurde, war R. selbst in der ihm obliegenden Leitung der auswärtigen Angelegenheiten der Schweiz nicht von Erfolg begleitet. Wohl erkennend, daß von der Anerkennung Frankreichs der Bestand der Dinge in der Schweiz abhänge und daß Frankreichs Wille derjenige des ersten Consuls sei, dessen Werkzeuge Talleyrand, der Minister des Aeußern, und dessen gleich doppelzüngiger Vertreter in der Schweiz, Verninac, waren, entschloß sich R., ohne weitere Ankündigung den ersten Consul selbst persönlich in Paris anzugehen, ihm die Lage der Schweiz vorzustellen und sich von Bonaparte’s wirklicher Gesinnung und Willen gegen dieselbe unmittelbare Kenntniß zu verschaffen. Anfänglich schien der ungewöhnliche Schritt Reding’s männlich offenes Verfahren, erwünschten Erfolg zu haben; R. fand in Paris, wo er am 7. December 1801 anlangte, bei Talleyrand und in zwei Audienzen bei Bonaparte befriedigende Aufnahme und anscheinend günstige Worte. Aber des Ministers und des Consuls Sprache täuschten ihn. Bereits waren sie gegen ihn eingenommen, sahen mit Mißtrauen seine Verbindung mit altgesinnten Bernern, von denen er einen, Bernhard v. Diesbach (s. A. D. B. V, 145), zum Begleiter gewählt hatte, wurden in diesem Mißtrauen durch den helvetischen Gesandten in Paris, Stapfer, bestärkt, der zwar R. ihnen amtlich vorzustellen hatte, und waren nicht gewillt, Reding’s Bestreben nach unabhängiger Haltung der Schweiz zwischen ihren Nachbarn anzuerkennen. Unmittelbar nach Reding’s Wiedereintreffen in Bern (17. Januar 1802), wo man ihn froher Hoffnung voll empfing, gab sich der wahre Verhalt [526] der Dinge kund, der aus einer vor R. selbst in Bern eingetroffenen Antwortnote Bonaparte’s an den Landammann vom 6. Januar Verninac schon bekannt war und von Näherstehenden bereits befürchtet wurde. Zunächst wurde die Aufnahme von sechs der hervorragendsten schweizerischen Unitarier in den Senat und einiger derselben in den neu zu bestellenden Kleinen Rath zur Bedingung für Frankreichs Anerkennung dieser Behörden gemacht und die angebahnte gewaltsame Losreißung des Wallis von der Schweiz ungeachtet Reding’s dringender Vorstellungen durchgeführt. Nach wenigen Wochen aber löste, unter dem Beifall Verninac’s und Stapfer’s lebhaftem Antrieb von Paris aus, der unitarische Staatsstreich vom 17. April 1802 den Senat auf, bewirkte den Rücktritt Reding’s aus seiner unhaltbaren öffentlichen Stellung und legte die Gewalt in die Hände der Unitarier. Freilich nur für kurze Zeit. Denn als Bonaparte den Augenblick gekommen sah, als unumgänglicher „Vermittler“ die Schweiz ganz nach seinem Willen zu gestalten, genügte der im Juli 1802 von ihm verfügte Abzug der französischen Truppen aus derselben, um sofort die entschlossene Erhebung der großen Mehrheit des deutsch-schweizerischen Volkes gegen das ihm aufgezwungene Einheitssystem zum Ausbruch zu bringen und dadurch die vom ersten Consul beabsichtigte Lage der Dinge zu erzeugen. R., der im Juni 1802 die Actenstücke über seine Verhandlungen in Paris mit Bonaparte veröffentlicht, aber sein persönliches Verhältniß zu demselben dadurch nicht verbessert hatte, wurde beim Aufstande gegen die Helvetik von Schwyz, welches am 1. August durch Versammlung seiner Landsgemeinde das Zeichen gab, wieder an die Spitze des Landes gesetzt und leitete dann, hauptsächlich unterstützt durch Hans Caspar Hirzel von Zürich (s. A. D. B. XII, 490), die in Schwyz versammelte schweizerische Tagsatzung. In energischer und würdiger Weise vertrat sie den Gedanken der Selbständigkeit und Selbstbestimmung der Schweiz, bis die Gewalt des unter General Ney gegen Ende October wieder einrückenden französischen Heeres ihr nur mehr Protestation gegen die Vergewaltigung des Landes übrig ließ. R. und Hirzel büßten ihren Widerstand gegen den Willen des Consuls und den Verdacht, welchen sie Ney einflößten, durch mehrmonatliche Haft auf der Feste Aarberg, wohin Ney sie und einige andere angesehene Föderalisten in der zweiten Woche des November bringen ließ, und wo R. und Hirzel am längsten verbleiben mußten. Erst gegen Ende Februar 1803 freigegeben, sahen sie durch die mit gelassener Würde ertragene Unbill ihr Ansehen bei allen unabhängig gesinnten Männern nur vermehrt. Ney, der dies schließlich selbst erkannte, vermochte denn auch den ersten Consul, die kleinlichen Beschränkungen, die sein Minister Talleyrand an die Freilassung der beiden Männer hatte knüpfen wollen, fallen zu lassen. Auch ihnen sollten alle Rechte gewährt sein, welche die durch den Vermittler nun unwiderruflich eingeführte Verfassung der Schweiz jedem ihrer Bürger zusicherte. So trat auch für R. jetzt eine Friedenszeit ein, in welcher ihm bescheert war, ohne Störung in schweizerischen und kantonalen Angelegenheiten eine verdienstliche Thätigkeit zu entfalten. Einmüthig berief ihn Schwyz am 20. März 1803 zu seinem ersten Landammann, einmüthig zum Bannerherrn, dessen Händen das alte Banner von Morgarten am 3. Mai feierlich zur Bewahrung übergeben wurde. An den schweizerischen Tagsatzungen der zehnjährigen Mediationszeit aber nahm R. beinahe alljährlich als erster Gesandter seines Kantons einen wesentlichen Antheil, war in deren wichtigsten Commissionen der Vertreter der Waldstätte, 1804 der erste schweizerische Commissär in Unterhandlungen mit Spanien über eine Militärcapitulation und wurde von der Tagsatzung bei Beginn der schweizerischen Militärorganisation und Bildung des ersten schweizerischen Generalstabs am 28. August 1804 mit dem Range eines Generalinspectors der Truppen bekleidet. Vom activen Oberbefehl [527] in den Grenzbesetzungen der Jahre 1805, 1809 und 1813 schloß ihn freilich die Rücksicht auf Napoleon aus, in dessen Ohren der Name R. nicht wohlklang, zumal, wie der Kaiser selbst dies bemerkte, als Reding’s ältester Bruder, der General Theodor R., im Juli 1808 durch seinen Sieg bei Baylen über General Dupont und dessen Capitulation der französischen Macht in Spanien die erste wichtige Schlappe beibrachte. Auch als die europäischen Ereignisse von 1813 den Sturz der Mediationsverfassung in der Schweiz hervorriefen und die Errichtung eines neuen Bundesvertrages sich anbahnte, nahm R. anfänglich, obwol sein Einfluß in Schwyz sich zu mindern begann und er als zweiter Gesandter seines Kantons neben dem Landammann Franz Xaver Wäber auf den Tagsatzungen erschien, im Kreise der schweizerischen Magistrate seine bisherige Stellung ein. Er wurde im December 1813 unter Beiordnung des zürcherischen Seckelmeisters Hans Konrad v. Escher (s. A. D. B. VI, 350) in das Hauptquartier der alliirten Monarchen in Frankfurt a. M. gesandt, um die Anerkennung der Neutralität der Schweiz zu bewirken, was anfänglich erreichbar schien, aber schließlich durch das militärische Hauptquartier in Freiburg im Breisgau unter Schwarzenberg verweigert wurde. Er nahm auch wesentlichen Antheil an allen politischen Vorgängen in Zürich bis zum 10. Februar 1814, wodurch die Bildung einer „Eidgenössischen Versammlung“ am 29. December unter dem Vorstand von Landammann Hans v. Reinhard (s. diesen) und die Einleitungen zur Wiedererrichtung der Eidgenossenschaft der 19 durch die Mediation geschaffenen Kantone zu Stande kamen. Als aber in Schwyz, wie bereits in Bern, Luzern und einigen andern Kantonen geschehen, der Gedanke der Rückkehr zu den politischen Grundlagen der Schweiz vor 1798 zur Geltung kam, die drei Waldstätte mit Luzern am 2. März in Gersau ihren alten Bund vom Jahre 1332 neu beschworen und am 17. März eine Versammlung der gleichgesinnten Orte in Luzern im Gegensatz zu derjenigen in Zürich zusammentrat, vermochte R., ohnehin für die Aussicht auf vollere Unabhängigkeit des demokratischen Landes Schwyz und den Einfluß seiner bernerischen Freunde nicht unempfänglich, dieser von Schwyz eingeschlagenen Bahn nicht zu begegnen. Vergeblich sandte Reinhard um Mitte Februar den glarnerischen Landammann Nicolaus Heer (s. A. D. B. XI, 239) zu ihm; vergeblich besuchten ihn in Schwyz die bevollmächtigten Minister der Alliirten, Lebzeltern und Capodistria, Mitte März 1813[WS 1], nach ihrem Wiedereintreffen in Zürich mit neuen Vollmachten. Ihre bestimmte Erklärung, daß die Alliirten nur eine, auf die 19 Orte gegründete Eidgenossenschaft anerkennen würden, führte gegen Ende März die Auflösung der Versammlung in Luzern und die Vesammlung der 19örtigen Tagsatzung in Zürich am 6. April 1814 herbei, die bis zum 4. Juli gl. J. die Verhältnisse der Schweiz zum Auslande leitete, und den Entwurf einer Bundesverfassung ausarbeitete. R. nahm in derselben, wenn auch nur als zweiter Gesandter seines Ortes den gewohnten Platz ein. Er war wieder der Vertreter der Waldstätte in den wichtigsten Berathungen und erstes Mitglied der aufgestellten Militärcommission. Aus dem bernischen Schulheißen v. Mülinen (s. A. D. B. XXII, 783), aus R. und dem Wadtländer Monod bestellte die Tagsatzung am 6. Mai ihre Gesandtschaft an König Ludwig XVIII. in Paris und an die daselbst verweilenden Kaiser von Oesterreich und Rußland, welche bei denselben in den Tagen des Abschlusses des ersten Friedens von Paris und der feierlichen Beschwörung der Charte durch den König und das Parlament von Frankreich für die schweizerischen Interessen zu wirken bemüht war. R., dem sein Name dabei vielfach Auszeichnung zuzog, unterstützte in einer Audienz bei Kaiser Alexander Mülinen’s beredte Vertheidigung von Bern gegen des Kaisers Vorwürfe, der sich auf Reding’s Ansichten berufen hatte. Er wurde von König [528] Ludwig, in Erinnerung an die Dienste seiner Vorfahren unter den Bourbonen, mit dem erblichen Titel eines Grafen beehrt, der ihm freilich in der schweizerischen Heimath mehr Eifersucht erweckte als Vortheil brachte. Anfangs Juli in Zürich zurück, erstattete die Gesandtschaft ihren Bericht in der Tagsatzung, im Augenblicke, als sich diese nach Vollendung ihres den sämmtlichen Kantonen zur Annahme empfohlenen Bundesentwurfes am 4. Juli für zwei Wochen vertagte. Während nun aber Bern, Nidwalden und Appenzell-Inner-Rhoden dem Bundesentwurf ihren Beitritt versagten, andere Orte Vorbehalte machten und nur 8½ Kantone ihm unbedingt beitraten, nahm in Schwyz, wie in den Waldstätten überhaupt, die Strömung mehr als je überhand, welche sich von der übrigen Schweiz abzusondern und die Wiederherstellung der unbedingten Unabhängigkeit der Länderdemokratien zu erreichen trachtete. Reding’s Einfluß wich wiederum demjenigen Wäbers und vorzüglich dem demagogischen Treiben eines jüngeren Mannes, des Obersten Auf der Mauer, der beim Zuge der schweizerischen Milizen gegen die helvetische Regierung im Herbst 1802 eine militärische Führerrolle gespielt hatte. Unter Wäber verwarf der Landrath von Schwyz am 12. Juli den Beitritt zum Bundesentwurfe und es beschloß eine Conferenz der drei Länder in Brunnen, an der Tagsatzung in Zürich gemeinsam vorzugehen und bestimmte Bedingungen zu stellen. Eine Gesandtschaft von Schwyz, die ohne R. in Zürich erschien, befürwortete dieselben mit Uri und Unterwalden und verließ die Tagsatzung noch vor den Boten der letztem Orte, da ihre Wünsche nicht volle Berücksichtigung fanden. Und als nach den mühsamsten Verhandlungen die Tagsatzung am 9. September 1814 die Annahme des am 16. August zu Stande gekommenen neuen Bundesentwurfes durch 15 Orte constatiren konnte, worunter auch Uri und Obwalden, waren Schwyz und Nidwalden nicht allein allen Verhandlungen fremd geblieben, sondern hielten sich auch jetzt noch fern. R., der sich von der Bewegung seines Heimathkantons ganz überflügelt sah, hatte derselben soweit nachgegeben, daß er sich sogar, freilich vergeblich, nach Altorf senden ließ, um Uri von seiner Haltung abzubringen. Schwyz und Nidwalden erneuerten und beschworen jetzt untereinander am 17. September 1814 den Länderbund vom Jahre 1315, den sie angemessen zu revidiren sich vorbehielten. Sie blieben in dieser Stellung, bis Napoleon’s Rückkehr aus Elba Europa aufs neue in Waffen vereinigte und auch die Schweizer zur Einmuth brachte. Am 13. April 1815 erklärte die Landsgemeinde von Schwyz ihren Beitritt zum Bundesentwurfe vom 16. August 1814 und ihre Annahme der Wiener Congreßdeclaration vom 20. März 1815 über die schweizerischen Angelegenheiten. R., um diese Zeit krank, von seinen persönlichen Gegnern, insbesondere Auf der Mauer, aus politischem Einflusse ganz verdrängt, selbst seine Bannerherrnstelle niederlegen wollend – was aber die Landsgemeinde nicht zugab –, blieb nun den schweizerischen Angelegenheiten, auch dem abschließenden Bundesschwur vom 7. August 1815 in Zürich fern. Er begnügte sich, in seiner Heimath in Armen-, Schul- und Kirchensachen mitzuwirken. Diesen waren die letzten Tage seiner öffentlichen Thätigkeit gewidmet. Von jeher als entschiedener Katholik dem Glauben und den Uebungen seiner Kirche warm ergeben, hatte er, im Zusammenhange mit seinen politischen Anschauungen, schon 1805 die auftauchende Idee der Gründung eines besondern schweizerischen Bisthums für die Waldstätte und Zug und Glarus gebilligt, sich 1808 den ökonomischen Einsprachen und religiösen Bedenken der Waldstätte gegen die Bildung ihrer Cleriker in den Seminarien in Meersburg und in Luzern angeschlossen, die unter Wessenberg’s, Generalvicars des Bischofs Dalberg, Einflusse’ standen und war 1810 und 1812 bei Versuchen der Errichtung eines bischöflichen Seminars im Kloster Einsiedeln, die aber an des Klosters Selbständigkeit [529] gegenüber Anforderungen der bischöflichen Curie scheiterten, wesentlich betheiligt. Da regten im December 1812 neue Bedenken von Schwyz gegen den Geist des Seminars in Luzern unter Reding’s Vorgange bei den Waldstätten, mit Wissen des jene Bedenken schürenden Nuntius Testaferrata, den Gedanken der Abtrennung vom Bisthum Konstanz wiederum an. Landrathsbeschlüsse in Schwyz, Conferenzen der Länder, Unterredungen Reding’s mit dem Nuntius, ein förmliches Gesuch von Schwyz an den Papst um Lostrennung von Konstanz, ein Zurückziehen der schwyzerischen Seminaristen aus dem Seminar in Luzern folgten, und die religiöse Bewegung, welche Napoleons Verhalten gegen Papst Pius VII. auch in den Ländern erzeugt hatte, ließ diese Fragen nicht mehr zur Ruhe kommen. Verhandlungen zwischen Rom, dem Nuntius, Konstanz und den Waldstätten zogen sich in mannichfachen Wendungen während der Jahre 1813 und 1814 fort und schlossen am 31. December 1814 mit der durch Testaferrata eifrig geförderten vorläufigen Abtrennung des gesammten schweizerischen Theiles der Diöcese Konstanz von derselben, kraft eines von dem Papste am 7. October erlassenen Breve. Die Appellation des Domcapitels Konstanz in Dalberg’s Auftrag blieb unbeachtet und der Propst von Beromünster, Bernhard Göldlin, wurde als apostolischer Vicar für einstweilen mit der kirchlichen Verwaltung der abgetrennten Lande beauftragt, ehe noch die Verhältnisse dieser Verwaltung zu den betheiligten Kantonen bestimmt oder über die künftige, bleibende Diöcesaneintheilung derselben irgend etwas festgesetzt war. Bei den verschiedenartigen Bemühungen, diese zu gestalten, welches die folgenden Jahre erfüllten, war R. einer der steten und vorzüglich thätigen Vertreter von Schwyz. Noch am 19. Januar 1818 wohnte er als solcher einer Conferenz der Waldstätte in Gersau bei. Bei dieser Gelegenheit zog er sich eine Erkältung zu, infolge deren er gleich nach seiner Heimkehr von dem in Schwyz herrschenden Nervenfieber ergriffen wurde, und erlag demselben am 5. Februar in seinem 53. Jahre. In der Schweiz erregte sein Hinschied allgemeine Trauer. Denn wie man auch von seiner im Felde mehr, als im Rathssaal, glücklichen öffentlichen Laufbahn denken mochte, sein edelmüthiger ritterlicher Charakter, sein gerades, biederes Wesen, ohne Arg und ohne Furcht, seine Tugenden als Privatmann hatten ihm bei Freund und Feind einmüthige Achtung erworben. Noch heute liest der schweizerische Wanderer mit Rührung die Worte, die einen einfachen Grabstein bei der Kirche in Schwyz zieren: † Aloysius Reding de Biberegg, Comes, Cujus nomen summa laus.

Amtliche Sammlung der Eidgen. Abschiede. – Faßbind, Geschichte des Kantons Schwyz, 5. Bd., 1838. – D. Steinauer, Geschichte des Freistaates Schwyz, 2. Bd., Einsiedeln 1861. – M. Kothing, Die Bisthumsverhandlungen der schw.-konstanzischen Diöcesanstände, Schwyz 1863. – Die schweizergeschichtlichen Werke von H. Escher, Monnard, Tillier u. A. – H. Zschokke, Prometheus, 3. Theil, Aarau 1833. – Beilage zur Allgem. Zeitung vom 28. Februar 1818, Nr. 28, Nekrolog Reding’s (mit irriger Angabe des Geburtstages). U. a. m.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. richtig ist wohl 1814