ADB:Rechberg-Rothenlöwen, Alois Franz Graf von

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Artikel „Rechberg-Rothenlöwen, Alois Franz Graf von“ von Karl Theodor von Heigel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 493–496, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rechberg-Rothenl%C3%B6wen,_Alois_Franz_Graf_von&oldid=- (Version vom 5. Oktober 2024, 15:56 Uhr UTC)
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Rechberg-Rothenlöwen: Alois Franz Graf v. R., baierischer Staatsmann, geboren am 18. September 1766, der älteste Sohn des Freiherrn Max Emanuel v. Rechberg und Rothenlöwen, Herrn der Graf- und Herrschaften Hohenrechberg, Donzdorf, Scharpfenberg, Weißenstein und Kellmünz, zuletzt baierischen wirklichen Geheimraths und Obersthofmeisters, und seiner Ehefrau Maria Walpurgis, geb. Freiin v. Sandizell. (Nachdem die Herrschaft Rechberg 1810 unter württembergische Staatshoheit gekommen war, wurden die aus der Linie Weißenstein stammenden Freiherrn am 1. November 1810 in der Person Max Emanuel’s v. R. in den Grafenstand erhoben; 1815 wurde die Familie in die Kategorie jener Standesherren aufgenommen, auf deren Besitzungen Reichs- und Kreisstimmen ruhten.) Alois Graf v. R., seit 9. Februar 1797 vermählt mit Maria Anna Gräfin v. Schlitz, genannt Görz, begann die staatsmännische Laufbahn als pfalzzweibrückenscher Comitialgesandter zu Regensburg. Nachdem er von September 1798 bis Februar 1799 als Bevollmächtigter Herzog Max Joseph’s am Friedenscongreß zu Rastatt theilgenommen hatte, erhielt er (16. Juli 1799) den pfalz-baierischen Gesandtschaftsposten in St. Petersburg, der von besonderer Wichtigkeit war, weil der Nachfolger Karl Theodor’s durch Aufhebung des Malteserordens in Baiern den Zorn des Zaren Paul so gereizt hatte, daß dieser eine Besetzung Baierns durch russische Truppen anzuordnen und Einverleibung des Kurfürstenthums in die österreichischen Erblande zu begünstigen Willens war. Durch Wiederherstellung des Ordens und Zusage eifrigerer Theilnahme Baierns am Kriege gegen Frankreich gelang es aber, den Zaren zu versöhnen, und am 20. September (1. October) 1799 konnte sogar durch R. ein Allianzvertrag zwischen dem Kaiser aller Reußen und dem Kurfürsten von Pfalz-Baiern abgeschlossen werden. Im October 1800 ging R. als Gesandter nach Berlin, im Februar 1801 nach Regensburg, wo er bis zur Auflösung des deutschen Reichstages blieb. Im April 1801 ging er nochmals in außerordentlicher Mission nach St. Petersburg, um den Nachfolger des ermordeten Paul, Alexander I., für die Entschädigung der deutschen Fürsten durch Säcularisationen günstig zu stimmen; er konnte jedoch, wie Montgelas in seinen Denkwürdigkeiten versichert, nur vage Zusicherungen als Ergebniß seiner Sendung zurückbringen. Nachdem er im Sommer 1806 die ersten fruchtlosen Unterhandlungen wegen eines baierischen Concordates mit dem Nuntius Hannibal Grafen de la Genga eingeleitet hatte, wurde er am 25. December 1806 als Vertreter der baierischen Krone nach Wien abgeordnet. Rechberg’s Scharfblick erkannte zuerst, wie sein Gegner Montgelas hervorhebt, im Herbst 1808 die Schwenkung des österreichischen Cabinets, das sich zu neuem Krieg gegen Frankreich anschickte, um dem Kaiser das alte Uebergewicht in Deutschland und die verlorenen Provinzen zurückzuerobern; es wurde von Kaiser Napoleon dem baierischen Diplomaten hoch angerechnet, daß er, das Geheimniß des Wiener Hofes durchschauend, nach München und Paris Warnungen richtete, während der französische Botschafter Andreassy nur rosig gefärbte Schilderungen entwarf und an feindselige Stimmung und Gefahr nicht glauben wollte. Im Juli 1809 aus Wien abberufen, wurde R. zum Hofcommissär der drei südlichen Kreise des Königreichs ernannt, mußte aber bald wieder mit den flüchtigen baierischen Truppen aus Tirol abziehen, ohne zu amtlicher Thätigkeit gelangt zu sein. Darauf wurde er als Hofcommissär zur Besitznahme des Fürstenthums Baireuth abgeordnet; nach Abschluß des Preßburger Friedens kehrte er auf den Gesandtschaftsposten in Wien zurück. Am 10. Juli 1815 wurde er als baierischer Bevollmächtigter dem Hauptquartier der alliirten Mächte beigegeben. [494] Sowohl in dieser Stellung als während des Wiener Congresses fand er wiederholt Gelegenheit, die baierischen Interessen vortheilhaft zu vertheidigen und sich die Gunst des Kronprinzen Ludwig zu erwerben. Als dieser im Januar 1816 nach Mailand ging, um den dort weilenden Kaiser Franz für Abtretung des badischen Main- und Tauberkreises an Baiern zu gewinnen, ließ er sich von R. begleiten. Nach Eröffnung des Frankfurter Bundestages wurde R. zum Bundestagsgesandten ernannt (13. April 1816), vorläufig jedoch, da seine Anwesenheit in Wien zur Ausgleichung der deutschen Territorialangelegenheiten noch nothwendig war, durch den Generalcommissär in Aschaffenburg, Baron v. Gruben, ersetzt. Zum Sturz des Premierministers Grafen Montgelas scheint R. nicht beigetragen zu haben, wenigstens zählt ihn Montgelas in seinen Denkwürdigkeiten nicht unter den „Verschworenen“ auf, welche für den Cabinets- und Systemwechsel thätig waren, und blieb, auch nachdem R. sein Nachfolger geworden war, mit ihm in freundschaftlichem Verkehr. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß ebenso, wie auf die Entlassung Montgelas’, auch auf die Wahl des Nachfolgers der Thronfolger Ludwig entscheidenden Einfluß ausübte, wenn auch bald darauf die politischen Ansichten des Thronfolgers und des Ministers in Conflict geriethen. Durch Entschließung vom 2. Februar 1817 wurde Montgelas, „um bei den Angriffen auf seine Gesundheit eine Erleichterung in seinen Geschäften zu empfangen, der ganzen Last der ihm bisher anvertrauten Staatsämter“ enthoben und an dessen Stelle neben Graf Thürheim als Minister des Innern und Baron Lerchenfeld als Finanzminister R. zum Minister des königlichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten erhoben. Das neue Ministerium hatte namentlich zwei wichtige Aufgaben zu erledigen: die schwierigen Verhandlungen mit der Curie wegen Gründung einer baierischen Landeskirche zum Ziel zu führen, und den Forderungen der Verfassungsfreunde, an deren Spitze Marschall Wrede und der Kronprinz standen, gerecht zu we1den. Die Kirchenpolitik Rechberg’s ist ebenso wenig liberal wie klerikal zu nennen; er wünschte den Frieden mit Rom, ohne jedoch die überspannten Bedingungen der Curie gut zu heißen. Freilich wurden durch das im Juni 1817 abgeschlossene Concordat die Hoheitsrechte des Staates auf empfindliche Weise geschädigt, doch trifft die Schuld nicht den leitenden Minister, sondern den Vermittler, den mit dem Cardinalshut belohnten Häffelin, der die Verhandlungen eigenmächtig zu einem Abschluß führte, welcher den Intentionen der baierischen Regierung völlig zuwiderlief und die Gesetzgebung der zwei letzten Jahrzehnte gefährdete. Als daher in den protestantischen Landestheilen ernste Mißstimmung hervortrat, wurde beschlossen, das Concordat zugleich mit einem die Rechtsverhältnisse aller Religionsgesellschaften regelnden constitutionellen Edict zu veröffentlichen. Rascher wurden demnach, obwohl R. und Thürheim durchaus keine wohlwollenden Freunde einer wirklichen Repräsentativverfassung waren, die Arbeiten der schon 1814 berufenen Verfassungscommission gefördert, so daß am 26. Mai 1818 das Werk zum Abschluß gelangte. Als aber der erste Landtag 1819 stürmischen Verlauf nahm und insbesondere die vom Abgeordneten Hornthal gestellte Forderung, daß das Militär auf die Verfassung beeidigt werde, große Aufregung hervorrief, richtete R. an das Berliner Cabinet eine vertrauliche Anfrage, was von Preußen zu erwarten sei, wenn man sich in Baiern genöthigt sehen würde, die Verfassung wieder aufzuheben. Die Antwort lautete jedoch nicht ermuthigend, und da auch die Opposition in der Kammer etwas gemäßigter auftrat, wurde der geplante Staatsstreich aufgegeben. Es ist kaum glaublich, daß R. ohne Wissen und gegen den Willen des Königs jene Anfrage gestellt habe, doch scheinen die übrigen Minister nicht darum gewußt zu haben. In einem Briefe des Finanzministers Lerchenfeld wird bitter geklagt über die „Gewohnheit Rechberg’s, Alles, was mit auswärtigen Staaten verhandelt [495] werde, als eine auswärtige Angelegenheit zu betrachten und deshalb als ausschließlich zu seinem Ressort gehörig zu behandeln, ohne Rücksicht darauf, wie tief der Gegenstand in die inneren Angelegenheiten des Landes eingriff“. Als bald nach Schluß des ersten Landtages die tonangebenden Staatsmänner der deutschen Großmächte heftige Angriffe gegen den süddeutschen Constitutionalismus zu richten begannen, wäre R., der in den Conferenzen zu Karlsbad Baiern vertrat, nicht abgeneigt gewesen, der Gunst Metternich’s die neue Institution zu opfern. Obwohl R. die Karlsbader Beschlüsse sorgfältig geheim hielt, verbreitete sich das Gerücht, der Kronprinz wolle den Minister im Reichsrath wegen Hochverrathes belangen. Das Gerücht hatte zwar übertrieben; thatsächlich aber wurde nur durch energisches Vorgehen des Kronprinzen und der verfassungstreuen Minister verhindert, daß durch die Karlsbader Zwangsgesetze die Verfassung selbst zertrümmert werde. In der entscheidenden Conferenz sah sich R. isolirt und gab schließlich seine Zustimmung zu einem Compromiß, wonach die Karlsbader Beschlüsse zwar veröffentlicht werden sollten, doch mit dem Zusatz, dieselben sollten nur gelten, insofern sie nicht mit der Unabhängigkeit der Krone und den verfassungsmäßigen Rechten der Unterthanen im Widerspruch stünden. Als die Gesandten der Großmächte gegen diesen Vorbehalt, der eine Lossagung Baierns von gemeinsamen Bundesbeschlüssen bedeute, entrüsteten Protest erhoben, führte R. zur Entschuldigung an, die baierische Regierung denke nicht daran, sich vom Bunde zu trennen; die Form der Bekanntmachung habe „bloß Beruhigung der königlichen Unterthanen“ bezweckt. Treitschke, nur auf Berichte des preußischen Gesandten sich stützend, versichert, zu den Wiener Ministerconferenzen sei R. deshalb nicht gegangen, weil er „mit seiner Menschenkenntniß voraussah, daß der des Liberalismus verdächtigte Bureaukrat Zentner als ein warmer Verehrer Metternich’s von der Donau heimkehren“ werde; diese gesuchte Erklärung dürfte jedoch kaum den Vorzug verdienen vor Lerchenfeld’s Darlegung, wonach es als glücklicher Erfolg der Verfassungspartei im Ministerium anzusehen war, daß nicht R., sondern der aufrichtig constitutionelle Zentner als Vertreter Baierns nach Wien entsendet und die Instruction für ihn nicht vom Minister des Aeußeren allein, sondern vom gesammten Ministerrath festgesetzt wurde. Da jedoch der König einmal gegen den umsturzsüchtigen Liberalismus mißtrauisch geworden war, befestigte sich die Stellung Rechberg’s bald wieder, und wenn auch an den constitutionellen Formen nichts geändert wurde, so blieb doch für die deutsche Politik des Münchener Hofes der Einfluß des mit den Principien der deutschen Großmächte sympathisirenden R. maßgebend. Als im Landtage von 1822 die Forderung laut wurde, „das in Karlsbad gegebene Beispiel eines ersten Attentats auf die Verfassung nicht ungeahndet zu lassen“, nahm R. wieder den Beistand Metternich’s und Bernstorff’s gegen die „Feinde aller Autorität“ in Anspruch, erhielt jedoch nur kühlen Trost. Vielleicht hatte aber auch der Hülferuf nichts anderes bezweckt, als das Odium, das die stürmischen Auftritte in der Kammer im Lager der Gegner des Constitutionalismus wachgerufen hatten, von der Regierung abzulenken. Der von Treitschke erhobene Vorwurf, vom Münchener Cabinet sei bei dieser und anderer Gelegenheit zweideutige Politik getrieben worden, ist nicht unberechtigt, aber man darf auch nicht vergessen, in welch’ peinlicher, ängstlicher Lage sich die mittleren und kleinen Staaten befanden, da ihnen unaufhörlich in drohendem Tone vorgehalten wurde, daß ihr Verfassungsleben die allgemeine Ruhe und Ordnung gefährde. Deshalb braucht man weder anzunehmen, daß die reactionären Versicherungen, womit R. während Metternich’s Aufenthalt in Tegernsee im Mai 1824 besonders freigebig war, der wirklichen Gesinnung des Ministers entsprachen, noch darf mit solcher Doppelzüngigkeit gar zu streng ins Gericht gegangen werden. Die herrschende Strömung der Zeit [496] war so mächtig, daß nicht bloß R., sondern auch seine politischen Gegner Zentner und Lerchenfeld der im Herbst 1825 beantragten Verlängerung der Karlsbader Beschlüsse zustimmten. Die von Lerchenfeld längst befürchtete Katastrophe, auf welche Metternich mit Hochdruck hinarbeitete, die Aufhebung der Verfassung, wäre wohl unvermeidlich gewesen, wenn nicht die am 12. October 1825 erfolgte Thronbesteigung Ludwig’s I. das constitutionelle Princip neu gekräftigt hätte. Schon am 28. October 1825 wurde R. in den Ruhestand versetzt. Fortan hielt er sich abwechselnd in München und auf seinen Gütern in Württemberg auf. Er starb auf Schloß Donzdorf am 10. März 1849. – Ein jüngerer Bruder des Ministers, Joseph Maria Adam Graf v. R., geb. am 3. März 1769 in Donzdorf, rückte in baierischem Heeresdienst zum Generallieutenant vor, wurde aber auch mehrfach mit diplomatischen Aufgaben betraut. Am 23. Januar 1816 wurde er zum Gesandten in Berlin ernannt, am 10. September 1825 in den Ruhestand versetzt. Er starb zu München am 27. März 1833.

Sicherer, Staat und Kirche von 1799–1821, S. 113, 222, 240 ff. – v. Treitschke, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, II, S. 349, 504, 580; III, 269, 335, 348 ff. – M. Frhr. v. Lerchenfeld, Aus den Papieren des k. b. Staatsministers Maximilian Freiherrn von Lerchenfeld, S. 62, 84, 122, 136 ff. – Personalacten im k. geh. Staatsarchiv zu München.