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Artikel „Questenberg, Jakob“ von Eduard Jacobs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 45–47, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Questenberg,_Jakob&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 22:47 Uhr UTC)
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Questenberg: Jakob Q., Humanist und eifriger Förderer der deutschen Sache am römischen Hofe, geb. um 1460, wie er selbst sagt am Geburtstage seines großmüthigen Gönners Joh. v. Dalberg, demnach am 14. Aug., † vermuthlich 1527. Q. stammte aus einer bescheidenen, theilweise wenigstens dem Handwerkerstande angehörigen Familie in Wernigerode, die wir vom Anfang des 15. bis in die ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts verfolgen können. Von zwei Cord Q., einem älteren und einem jüngeren, die um 1450 besondere Haushaltungen hatten, wird der letztere sein Vater sein. Nach Michaelis 1482 wird J. Q. (von Wernigerode) in die Erfurter Matrikel eingetragen. Daß er die ganze Gebühr zahlte, würde auf eine gewisse Wohlhabenheit seiner Eltern schließen lassen, wenn er nicht ums Jahr 1494 den Bischof Johann v. Dalberg zu Worms als seinen Wohlthäter bezeichnete, der ihn emporgehoben und es verhütet habe, daß seine ungünstige äußere Glückslage seinen Studien hinderlich und für ihn drückend werde. Im Frühjahr 1484 erwirbt er auf der thüringischen Hochschule den Grad eines Baccalaureus. Spätestens anderthalb Jahr darnach verläßt er die Heimath, um Italien und Rom aufzusuchen, und von da ab höchst wahrscheinlich den deutschen Boden nicht wieder zu betreten. Da er, der jedenfalls des Griechischen in einem damals noch seltenen Grade mächtig wurde, noch den Unterricht des greisen Argyropulos genossen haben soll, so muß er spätestens 1486 nach Rom gekommen sein. Dazu stimmt, daß er in einem Gedichte auf Lorenz Beheim, der zwanzig Jahre Hausmeister des Cardinals Borgia war, ehe dieser als Alexander VI. den päpstlichen Stuhl bestieg, diesen als seinen alten Freund bezeichnet. Zur Zeit des Papstes Innocenz VIII. traf er auch in Rom mit dem schon genannten Bischof von Worms zusammen. In Rom wurde Q. der besondere Schützling des wissenschaftlich gerichteten edlen Venetianers Marcus, Cardinals von S. Marco, der angelegentlich für seine höhere Ausbildung sorgte und ihn in die höchsten strebsamsten Kreise einführte. Was ihn bei seinem regen wissenschaftlichen Streben besonders empfahl, war die für einen Deutschen damals ungewöhnlich feine gefällige Aussprache des Lateinischen und eine Handschrift, die Reuchlin als künstlerisch preist und von der Melanchthon sagt, daß er eine schönere nie gesehen. Diese Handschrift leistete bei der Vervielfältigung altclassischer Schriften treffliche Dienste. Sie bahnte ihm aber auch in Verbindung mit seinen Sprachkenntnissen und seinen guten Anlagen den Weg in die päpstliche Kanzlei. 1490 finden wir ihn noch im Palast seines Gönners, des Cardinals von S. Marco, aber auch schon als Doctor des geistlichen Rechts, was er jedenfalls in Italien geworden war, und als sollicitator litterarum apostolicarum. Eine Urkunde P. Alexander’s VI. sagt, er sei Hausgenosse (familiaris) von dessen Vorgänger Innocenz VIII. gewesen und nunmehr sein eigener beständiger Tischgenosse. Je mehr seine Zeitgenossen, ein Reuchlin, Aperbach, Melanchthon Anlaß hatten theils die damalige Bedeutung eines päpstlichen Brevenschreibers und Anwalts an sich, theils den Einfluß, den Q., durch seine besondere Beliebtheit, die er bei Päpsten und Cardinälen genoß, nachdrücklich hervorzuheben, um so bedeutsamer ist der Gebrauch, den er von dieser begünstigten Lage zum besten der während seines ungefähr vierzigjährigen Wirkens in diesem Amt zahlreich nach Rom strömenden Landsleute machte. Seine kräftige Gesinnung tritt uns bei ihm in Wort und Werk und selbst in Aeußerlichkeiten entgegen. Obwohl er als Poet – wenn auch nur ab und zu – zwischen seinen Vor- und Zunamen noch einen dritten lateinischen Namen Aurelius einschiebt, so führt er doch stets seinen deutschen Familiennamen, ohne dafür eine lateinisch-griechische [46] Uebersetzung zu suchen. Dagegen nennt er sich wohl nachdrucksvoll einen Deutschen, preist auch einen Dalberg, Reuchlin, Beheim als Zierden des Vaterlands. Den erstgenannten humanistischen Bischof begrüßt er in ungebundener Rede wie in einem langen Gedicht zuerst als seinen großmüthigen Wohlthäter, dann als hochgesinnten Förderer der neuaufgeblühten Wissenschaften in Deutschland und erbietet sich, ihm Abschriften und lateinische Uebersetzungen griechischer Schriften zu liefern. Sein päpstliches Kanzleiamt hindert ihn nicht, ein eifriger Schüler des sehr unkirchlichen Pomponius Laetus zu sein. Von der durch G. Fabricius ihm zugeschriebenen Frucht dieser Studien des Alterthums, einer Schrift über das alte Rom, haben wir jedoch keine nähere Kenntniß. Von den deutschen Landsleuten, denen Q. in Rom mit aller Hingebung diente, können wir an dieser Stelle nur Reuchlin nennen. Die erste Begegnung fand bei Reuchlin’s zweiter Romreise im Sommer 1490 statt. Gleiche Gesinnung, gleiches Streben knüpfte alsbald ein festes Freundschaftsband zwischen beiden Männern. Q. zollte den Leistungen und Gaben des süddeutschen Gelehrten die vollste Anerkennung, letzterer aber auch nicht nur der schönen Handschrift, sondern auch dem classischen lateinischen Stil Questenberg’s, und nach den Proben in seinen Briefen mit Recht. Eine höhere Bedeutung gewann der Verkehr beider Männer aber erst seit dem Ausbruche des Streites zwischen Reuchlin und den Kölnern und Dominicanern wegen der jüdischen Litteratur und des Augenspiegels. Hier war es zwischen 1513 und 1520 immer wieder Q., dessen Beistand der bedrängte Reuchlin anrief, um mit Hülfe gleichgesinnter Cardinäle eine günstige und schnelle Entscheidung des von beiden Seiten mit vieler Anstrengung geführten Streites zu erwirken. Reuchlin hat seinen Freund theilweise in überschwenglicher Weise als seinen Helfer, zeitweise als seine einzige Stütze in Rom bezeichnet, aber auch der Franciscaner Petrus Galatinus bezeugt, darin mit Melanchthon zusammenstimmend, daß Q. alles aufgeboten habe, um die Sache Reuchlin’s zu fördern. Mit ganz außerordentlicher Vorsicht, die Reuchlin wohl nicht ohne einige Verstimmung hervorhebt, vermied es aber Q. zur Zeit dieses Kampfes, in Briefen dem Freunde seine Gedanken zu eröffnen. Kluge Berechnung war es gewiß, aber kein Zeichen eines kühnen muthigen Wesens. Q. wollte bei Niemand anstoßen. So konnte denn noch um die Zeit des Wormser Reichstags ein inniges Verhältniß zwischen Q. und dem wenigstens zwanzig Jahre jüngeren Aleander obwalten, als dieser bereits zum entschiedenen Widersacher der Deutschen und der reuchlinischen und reformatorischen Bestrebungen umgeschlagen war. Wenn Melanchthon u. A. hervorgehoben haben, daß Q. nicht nach Pfründen und hohen Ehren strebte, so ist er allerdings von der damals großen Schaar der deutschen ‚Kurtisanen‘ oder Stellenjäger in Rom durchaus zu sondern, denn für ihn waren Einkünfte und Ehren nur Mittel zu einem höheren Zweck. Dagegen hebt es sein Freund und Lehrer, der Theologe Boger, der von öfteren Romfahrten her die Verhältnisse genau kannte, hervor, daß Q. durch Pfründen und Ehren zunehme, und selbst die magere Dechantenstelle zu Wernigerode war ihm nicht zu klein, um sich – sogar wider die kanonische Satzung – damit vom Papst Alexander VI. providiren zu lassen. Wenn Reuchlin und Aperbach es betonen, daß Q. gerade den hervorragendsten und besten im deutschen Gelehrtenstaat am vertrautesten gewesen sei, so scheint sein Schweigen gegenüber bekannten Humanisten vom gewöhnlichen Schlage wie seine Begeisterung für einen Bischof v. Dalberg und einen Reuchlin dies zu bestätigen. Aus diesem Gesichtspunkte ist auch wohl sein wider Konrad Celtis gerichtetes Gedicht zu verstehen, durch welches er diesen als Plagiator an einem von Georgius Tifernus herrührenden Marienliede in einer solchen Weise geißelt, daß mit dem Poeten auch dessen Person, die ja vom Standpunkte der Sittlichkeit aus viel zu wünschen übrig ließ, getroffen [47] wird. Die Annahme, daß der Aufstand in Rom, durch welchen Q. ums Leben gekommen sein soll, die furchtbare Eroberung des Jahres 1527 war, gewinnt dadurch an Wahrscheinlichkeit, daß er wenigstens zur Zeit des Wormser Reichstags noch lebte.

Nächst seiner unermüdlichen Förderung deutscher Landsleute wirkte Q. litterarisch durch Uebersetzungen aus dem Griechischen und durch die Vermittelung trefflicher Abschriften. Seine lateinische Uebersetzung des Cebes ist auf der Münchener Bibliothek erhalten. Sie ist dem geistlichen Oberhirten seiner Heimathgegend, dem Erzbischof Ernst von Magdeburg, Administrator des Bisthums Halberstadt, gewidmet. Abgesehen von der bis jetzt noch nicht wieder aufgefundenen Schrift über die römischen Alterthümer sind drei Gedichte von ihm zu erwähnen, von denen das eine an Dalberg im 3. Bd. von Mone’s Quellensammlung zur Bad. Landesgeschichte veröffentlicht ist, die an Lorenz Beheim und wider Celtes noch ungedruckt sind. Seine Absicht war, das Leben Dalberg’s in einer größeren Schrift dichterisch zu behandeln. Daß bis zu der vorliegenden Darstellung Q. überall als zu Freiberg in Sachsen-Meißen geboren, und als auf der Universität Leipzig vorgebildet galt, beruht besonders auf Melanchthon’s Vorrede zu der Ausgabe des Proklos Corp. ref. 8, 339. 340 und auf einer Aeußerung des Agricola gegen Georg Fabricius. Jener Irrthum erklärt sich aber wieder daraus, daß man für die anfangs 1515 eröffnete schola latina et christiana zu Freiberg neben Rhagius den Jakob Q. als Griechen zu gewinnen suchte, an dessen Statt dann auf kurze Zeit Petrus Mosellanus trat. Abgesehen von jener Melanchthon’schen Hauptstelle sind die nächsten Quellen für Questenberg’s Leben dessen Briefwechsel mit Reuchlin, seine Gedichte, besonders aber auch ein wichtiges Dekastichon, mit welchem der Theologe Dr. Heinrich Boger ihn ansang. Dazu kommt einiges Urkundliche in wernigerödischen Archiven. Eine ausführlichere Darstellung von Questenberg’s Leben beabsichtigt der Verfasser dieser Uebersicht.