ADB:Pregizer, Johann Ulrich (1647 bis 1708)

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Artikel „Pregitzer, Johann Ulrich“ von Wilhelm Heyd in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 545–548, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pregizer,_Johann_Ulrich_(1647_bis_1708)&oldid=- (Version vom 5. Oktober 2024, 01:25 Uhr UTC)
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Pregitzer: Johann Ulrich P., Jurist und Historiker, geboren zu Tübingen am 2. Februar 1647, Sohn und Enkel zweier um die dortige Hochschule wohlverdienter Theologen, welche die gleichen Vornamen führten (der Aeltere gestorben 1656, der Jüngere gestorben 1672). Nachdem er in Tübingen und Straßburg Jurisprudenz studirt, aber auch für seine Nebenbeschäftigung mit Geschichte durch den Professor J. H. Boecler an letzterem Ort reichliche Förderung gewonnen hatte, wurde ihm am Collegium illustre, einem mit der Universität Tübingen verbundenen Convict für Studirende höherer Stände, im J. 1675 die Professur für Geschichte, Eloquenz und Politik, von 1688 an auch für Staatsrecht übertragen. Er blieb in diesem Lehramt 19 Jahre lang, während er zugleich seit 1688 als Assessor am Hofgerichte Dienste that. Eine (ungedruckte) Arbeit für den damaligen Landesadministrator Herzog Friedrich Karl, welcher über das württembergische Wappen genauere Forschungen als bisher angestellt wissen wollte, gab ihm Anlaß zu archivalischen Studien und zu wissenschaftlichen Reisen behufs Besichtigung der durch das Herzogthum hin zerstreuten Geschichtsdenkmäler und gelegentlicher Sammlung ungedruckter Quellen zur württembergischen Geschichte (1679–80). Im Auftrag desselben Herzogs erörterte P. anläßlich [546] eines Tafelgesprächs, das Ludwig XIV. in Versailles mit dem außerordentlichen Gesandten des württembergischen Hofes Baron Forstner 1685 geführt, die finanziellen und militärischen Hülfsquellen des Herzogthums in einer sehr verbreiteten, wiewol gleichfalls ungedruckten Abhandlung. Länger beschäftigte P. der Wunsch des Herzogs, die Geschichte Württembergs in ihrem ganzen Umfang von ihm bearbeitet zu sehen; er hatte den mittelalterlichen Theil im Jahre 1692 fertig, in der Folge fügte er die Lebensbeschreibungen der Herzoge von Eberhard im Bart bis Johann Friedrich (jedoch nicht über das Jahr 1619 heruntergehend) bei. Man rühmte an dieser Arbeit große Vollständigkeit und Quellenmäßigkeit; ein zweiter Gabelkover schien in P. erstanden zu sein. – Aber auch die Geschichte des deutschen Gesammtvaterlandes zog ihn an und mit Freuden begrüßte er das von dem Polyhistor Paullini entworfene Programm zur Gründung eines Vereins, welcher zusammengesetzt aus Gelehrten aller deutschen Kreise durch gemeinsame Arbeit Annalen der deutschen Geschichte herstellen sollte. P. ließ sich gern als Mitglied für dieses „Collegium historicum imperiale“ anwerben, wurde von dem Vorsitzenden Hiob Ludolf mit dem günstigsten Vorurtheil aufgenommen und machte sich anheischig, für die Zwecke der Gesellschaft innerhalb des schwäbischen Kreises zu wirken, selbst aber das erste Jahrhundert der Annalen zu bearbeiten. Da aber auch die Sammlung von Quellenmaterial zu den von der Gesellschaft verfolgten Zwecken gehörte, begann er seine Thätigkeit mit wissenschaftlichen Reisen, zuerst im J. 1688 durch Oberschwaben in die Schweiz, von da nach Lyon und in die Freigrafschaft Burgund, zurück durch das Elsaß, ferner im J. 1691 abermals nach der Bodenseegegend und in die Schweiz, wo er überall in Städten und Klöstern die Schätze der Bibliotheken und Archive durchmusterte. Die Berichte, in welchen das Ergebniß dieser Reisen und allerlei gelehrter Apparat zur Geschichte der besuchten Orte niedergelegt ist, finden sich theils im Stuttgarter Archiv, theils in dem Nachlaß von Leibniz, welcher als Gönner des Vereins von den Vorarbeiten zu den deutschen Annalen gerne Notiz nahm und speciell mit P. schon wegen der welfischen Geschichtsdenkmäler in Weingarten correspondirte (Vaterländisches Museum Bd. I, 1811 S. 622). Die Arbeit an den Annalen selbst rückte bei dem vielbeschäftigten P. langsam vorwärts und Ludolf verzweifelte schon daran, etwas Fertiges von ihm zu sehen, als P. ihn doch im J. 1701 damit überraschte. Leider lag aber damals das Reichscollegium wegen Mangels an Arbeitern und an Mitteln bereits in den letzten Zügen und die Annalen sahen das Licht der Welt nicht. Dagegen gaben fürstliche Aufträge Pregitzern wiederholt Anlaß zu litterarischen Forschungsreisen. So wünschte Herzog Rudolf August von Braunschweig-Lüneburg seine Mitarbeit bei dem großen Werk Hermanns v. d. Hardt über das Concil von Constanz und P. sandte als Frucht einer Reise nach Constanz, Reichenau, Salem u. s. w. (April 1696) Nachweisungen von Quellen und Excerpte aus Handschriften für diesen Zweck. Sodann hatte P. das Glück gehabt, auf seiner ersten größeren Reise (1688) bei dem Abt Boisot in Besançon die hauptsächlich durch dessen Verdienst vom Untergang geretteten Papiere des Cardinals Granvella besichtigen zu können, welche vor ihm kein Deutscher sah. Es waren dies zum großen Theile Staatsschriften, welche von Rechtswegen ins Archiv des deutschen Reichs gehörten. Als nun nach dem Tod König Karl’s II. von Spanien über das Recht der Erbfolge in diesem Reich zwischen dem deutschen Kaiser und Ludwig XIV. ein Streit sich erhob, glaubte P. allen Grund zu haben zu der Annahme, es werden in den Granvella-Papieren sich wichtige Documente finden, mit welchen sich die kaiserlichen Ansprüche besser begründen ließen, als mit dem sonst vorhandenen Beweismaterial; er brachte dies durch den Reichsvicekanzler [547] Grafen Kaunitz an den Kaiser Leopold I. und erhielt nun von letzterem den Auftrag zu einer neuen Reise nach Besançon, welche er am 7. October 1701 antrat, um jene Papiere genauer zu untersuchen und wo möglich „zu Handen zu bringen“. Mittlerweile war aber deren früherer Besitzer Boisot gestorben (1694) und hatte dieselben dem Kloster Saint-Vincent, dem er als Abt vorgestanden, mit der Bestimmung vermacht, daß sie auch dem Publicum zugänglich gemacht werden sollten. Als P. die Papiere in feste Hände gekommen sah, behielt er den kaiserlichen Kaufantrag für sich, welcher ebenso vergeblich gewesen wäre, wie der Leibnizens (4000 Gulden) und der des Kurfürsten von Braunschweig-Hannover (20 000 Gulden); er beschränkte sich vielmehr auf Verzeichnung oder Abschrift dessen, was für das kaiserliche Haus von besonderem Werth sein mochte. Handschriften und Denkmäler, welche in die Geschichte des letzteren einschlugen, suchte er auch auf dem Hinweg durch das Elsaß und auf dem Heimweg durch die Schweiz auf, sodaß er seinen Bericht an den Kaiser mit werthvollen und umfänglichen Beilagen ausstatten konnte. Doch dieser Bericht scheint verloren gegangen zu sein und der kaiserliche Hof ließ sich nicht einmal zum Ersatz der Reisekosten herbei. Ebensowenig erfreute sich P. des gewünschten Erfolgs hinsichtlich eines Nebenzwecks dieser Reise, welcher auf Wiedererlangung der Documente württembergischer Klöster abzielte, die während des dreißigjährigen Kriegs von katholischer Seite außer Landes gebracht worden waren. Hierzu lag für P. ein amtlicher Anlaß vor, indem er 1694 nach Stuttgart berufen worden war als Oberrath und Oberarchivarius. Vermöge dieses neuen Amtes nahm P. aber auch Theil an den Geschäften des höchsten Regierungscollegiums in Württemberg; seine Gewandtheit und Erfahrung in Behandlung von Gegenständen staatsrechtlicher Natur wurde bald auch in den Nachbarländern bekannt und so wirkte denn P. z. B. in Nürnberg als Bevollmächtigter des damaligen Fürsten von Hohenzollern-Hechingen bei den Verhandlungen mit, deren Ergebniß der berühmte Vertrag war, welcher dem Hause Brandenburg das Nachfolgerecht in den hohenzollern’schen Fürstenthümern sicherte (1695). Im Zusammenhang damit widmete P. in seinem „Deutschen Regierungs- und Ehrenspiegel“ der Geschichte des hohenzollern’schen Fürstenhauses einen hervorragenden Platz und König Friedrich I. von Preußen ließ das Werk drucken (Berlin 1703). Es war die letzte größere Arbeit Pregitzer’s, eine Art von deutscher Reichsgeschichte, in welcher neben dem Kaiser die Fürsten des Reichs eingehendere Beachtung fanden. – P. starb im Hause einer Schwester zu Tübingen am 2. Februar 1708. Sein Bildniß malte und stach F. Stenglein in Stuttgart. Als das interessanteste Stück seines Nachlasses galt die kirchengeschichtliche Abtheilung seiner württembergischen Geschichte, welche denn auch sein Sohn, der Tübinger Diakonus Georg Konrad P., unverarbeitet wie sie eben war, mit Beifügung eines weiteren Jahrzehnts am Schlusse (1590–1600) herausgab unter dem Titel: „Suevia et Wirtembergia Sacra.“ Tub. 1717. Zwei andere Söhne Johann Ulrich († 1730), Pfarrer in Untertürkheim, gleichfalls Historiker, und Johann Eberhard (als Regierungsrath † 1753) veröffentlichten seine Arbeiten betreffend die Genealogie des württembergischen Fürstenhauses (Württemberg. Cedernbaum 1730, 1734 und anderes) mit Zuthaten eigener Hand.

Quellen: die von dem Sohne Georg Konrad verfaßte Lebensbeschreibung vor der Suevia et Wirt. sacra; eigenhändige Berichte über seine Reisen, von denen nur einer gedruckt bei Herm. v. d. Hardt, concilium Constantiense T. I. Prolegg. p. 8–14 (vergl. Leibnizens Tagebuch zum 21. August 1696). – Ludolfo et Leibnitii commercium epistolicum rec. Michaelis (1755). – Wegele, Geschichte der deutschen Historiographie 1885, 597–609. – [548] Schulze, Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstenthümer 3, 581 f. 634, 723 ff. – Handschriften der öffentlichen Bibliothek und des Archivs zu Stuttgart.