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Artikel „Ostendorfer, Michael“ von Wilhelm Schmidt (Kunsthistoriker) in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 507–508, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ostendorfer,_Michael&oldid=- (Version vom 27. April 2024, 02:19 Uhr UTC)
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Ostendorfer: Michael O., Maler und Zeichner für den Formschnitt, war, wie es scheint, in dem Städtchen Hemau in der Oberpfalz geboren und vielleicht zuerst in pfälzischen Diensten gestanden, ehe er nach Regensburg kam. Es ist charakteristisch, daß er einmal in einem Schreiben von seinem „gnädigen Fürsten Herzog Friedrich“ redet, er scheint sich als eine Art Unterthan desselben betrachtet zu haben. Dieser Fürst, Friedrich II. der Weise von der Kurpfalz, hatte ihn die Stadt Amberg auf Tuch abkonterfeien lassen, wofür der Künstler 50 Gulden erhielt (Brief Ostendorfer’s an Dr. Joh. Hiltner, am Palmabend 1553). Wie dem sein mag, unser Maler erscheint zuerst im J. 1519 in einer Kirchenrechnung über den Bau der Kapelle zur schönen Maria als Maler und Meister. Offenbar war er damals schon Bürger und vielleicht, wie Schuegraf hinzufügt, auch verheirathet. Seine erste Frau hieß Anna Wechin und war die Tochter eines Kürschners. Er erhielt mehrere Söhne von ihr und eine Tochter Dorothea. Im J. 1528 erkauften die Ehegatten von Lienhard Wolfsmüller Haus und Hofstatt in der Schreinergasse (heutzutage Pfarrergasse) um 15 Gulden Rheinisch; es kann also nur ein kleines Anwesen gewesen sein. Damals waren des Künstlers Verhältnisse offenbar, wenn auch nicht glänzend, doch erträglich; mit Anfang der fünfziger Jahre, vielleicht schon beträchtlich früher, erscheinen sie als wahrhaft bejammernswerth. An den Kaufmann Michael Straßer hatte O. eine Schuld von 19 Gulden, welche er auf dessen Klage hin laut Rathsprotokoll vom Januar 1550 in drei Fristen bereinigen mußte. Eine andere kleinere hatte er an einen gewissen Vogel, der ihm 1555 für die Hochzeit der Dorothea Geld vorgestreckt hatte. Im J. 1550 starb Frau Anna, und das Inventar, welches am 9. December d. J. der Stadtschreiber Nikolaus Dinzl aufnahm, beweist, wie gering damals ihre Habe gewesen war. Es scheint jetzt vollends bergab mit dem Maler gegangen zu sein und gar, als er sich wieder mit einem Weibe verheirathete, das aus den Acten als eine lüderliche Person erscheint; Mann und Frau trennten sich wieder. Noch dazu warf den Künstler die Gicht wiederholt aufs Krankenlager. Er fing an den Rath mit jämmerlichen Bettelbriefen zu bestürmen, sprach von seiner „Trübsal“, „Traurigkeit“ etc. und nannte sich den armen Michel. Der Magistrat that einiges für O., besonders auf Verwendung [508] des genannten Rathsherrn Hiltner, des Gönners Michaels, und gewährte ihm im Mai 1556 die Aufnahme in das allgemeine Bruderhaus. Hier gefiel es O. gar nicht, da man ihn, wie er behauptet, darin in der Arbeit hindern wolle, er ersuchte am 23. Juli besagten Jahres um ein „kleines Pfründle“, damit er sich eine Herberge anschaffen könne. Ob er diese Pfründe erhielt, wissen wir nicht, wol aber existirt über das Gesuch ein Gutachten der Almosenpfleger, das den Künstler von der unvortheilhaftesten Seite schildert; es spricht von seiner Unruhe, Unbotmäßigkeit, Zanksucht, Frechheit, leichtfertigen Verschwendung etc. Es scheint in der That, daß O. mit schuld an seiner traurigen Lage war, daß er gern trank und, wenn er Geld hatte, nicht arbeiten wollte. Freilich trugen auch die damals bereits herabgekommenen Verhältnisse Regensburgs sicher das Ihrige dazu bei. Anfangs December 1559 starb der Aermste; das am 14. December aufgenommene Inventar seines Nachlasses entrollt begreiflicher Weise ein jämmerliches Bild.

O. war unstreitig ein Künstler von Talent, es erhellt dies mehr noch aus seinen Holzschnitten als aus seinen Gemälden, obwol die letzteren auch deutliche Spuren verrathen, daß der Maler, wenn er sich zusammen nahm, etwas Vorzügliches leisten konnte. Mangel an sittlicher Zucht und die gesunkenen Verhältnisse der Reichsstadt an der Donau mögen beigewirkt haben, daß aus O. das nicht wurde, was man zu erwarten berechtigt war. Uebrigens war seine Kunst bereits veraltet, die italienische Manier beherrschte mehr und mehr die deutsche Formgebung und O. stand ihr fast gleichgültig gegenüber. So blieb er ein Ausläufer der Richtung Altdorfer’s, jedoch ohne dessen Feinheit und eingehendes Studium, von der poetischen Ader Altdorfer’s gar nicht zu reden. Ostendorfer’s Farbe ist meist ohne Sorgfalt behandelt und nachgedunkelt, seine Figuren ohne Genauigkeit gezeichnet, seine Gesichter ohne tieferen seelischen Ausdruck. Gemälde finden sich von ihm u. a. zu Nürnberg im germanischen Museum, Köln (Judith von 1530), München (Darstellung aus der Apokalypse, wenig erfreulich), Schleißheim (Bildniß des Herzogs von Baiern Albrecht V. vom Jahre 1543; Christus am Kreuze vom Jahre 1552; vgl. über dieses Bild W. Schmidt in der Zeitschrift für bildende Kunst II, 245) und Regensburg. An letzterem Orte ist besonders das ehemalige Altarblatt der neuen Pfarrkirche bemerkenswerth, wofür der Künstler die Bestellung Ende 1553 vom Stadtrathe empfing und das Ende September 1555 in der Hauptsache vollendet war. Es ist charakteristisch für die Beziehungen unseres Künstlers zur Reformation, übrigens ein ziemlich rohes Werk. Was die Holzschnitte Ostendorfer’s anbelangt, so sind besonders die zwei prächtigen großen Blätter bemerkenswerth, welche die Wallfahrt zur alten Kirche zur schönen Maria in Regensburg und die Ansicht der neuen Kirche zur schönen Maria, wie sie werden sollte, darstellen (für das letztere erhielt der Künstler im J. 1520 von der Kirchenverwaltung die Summe von 12 Gulden). Diese beiden Schnitte gehören offenbar zu den schönsten xylographischen Erzeugnissen der Periode. Roher sind andere Blätter, z. B. die 24 Illustrationen zu dem (protestantischen) Katechismus des Nik. Gallus, 1554. Ebensowenig erreicht der sonst recht kräftige Holzschnitt mit der Reife des Kurfürsten Otto Heinrich vom Jahre 1556 jene ersten Werke. Wir können hier unmöglich die Xylographien des Meisters beschreiben, wir müssen in dieser Beziehung auf Nagler’s Monogrammisten IV, Nr. 2024 verweisen, die ein vollständigeres Verzeichnis als Bartsch und Passavant bringen.

Ueber die Lebensverhältnisse Ostendorfer’s siehe die Monographie von J. R. Schuegraf im 14. Band der Verhandlungen des historischen Vereins von Oberpfalz und Regensburg, 1850.