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Artikel „Meisl, Karl“ von Anton Schlossar in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 305–307, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Meisl,_Karl&oldid=- (Version vom 24. April 2024, 15:11 Uhr UTC)
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Meisl: Karl M., dramatischer Wiener Volksdichter, geboren zu Laibach am 30. Juni 1775, erhielt seine erste Ausbildung in den niederen Schulen und am Gymnasium seiner Vaterstadt, welches damals noch vollständig deutsch war. Weitere höhere wissenschaftliche Studien betrieb M. nicht, er wurde 1800 als Fourier (also als Militärbeamter) angestellt und kam bald, nachdem er zum [306] Rechnungsführer und Feldkriegscommissar befördert worden war, nach Wien, wo er zuletzt Rechnungsrath im Marinedepartement der Hofkriegsbuchhaltung wurde und 1840 als solcher in den Ruhestand trat. Er lebte in demselben literarisch thätig noch bis 1853 in Wien, wo er am 8. October des genannten Jahres starb und auf dem Schmelzer Friedhofe beerdigt wurde. M. ist nicht durch seine bescheidene Beamtenstellung und –Laufbahn, sondern durch seine dramatische Thätigkeit für das Wiener und österreichische Provinztheater zu einer gewissen nicht so sehr litterarischen als theatergeschichtlichen Bedeutung gelangt. Sein Bestreben war es schon zu Anfang des 19. Jahrhunderts durch heitere Bühnengestalten die noch immer stark im Schwange befindlichen Hanswurstfiguren der Wiener Volksbühne zu verdrängen. So schuf er, theilweise in parodirender oder travestirender Weise an ernste und tragische Motive anknüpfend für die Wiener Volksbühne eine außerordentlich große Zahl drolliger Possen wie „Die schwarze Frau“, „Othellerl der Mohr von Wien“, „Die travestirte Zauberflöte“ u. dgl. Außerdem sind ihm Lebensbilder aus dem Wiener Volksleben mit drastischen Caricaturen zu verdanken, welchen eine culturgeschichtliche Bedeutung für das einstige Treiben in der österreichischen Residenz nicht abgesprochen werden kann, obwol sie heute längst vergessen erscheinen. Solche Localpossen sind z. B. „Ein Tag in Wien“, „Julerl, die Putzmacherin“, „Die Geschichte eines echten Schawls in Wien“, „Die Heirath durch die Güterlotterie“, „Das Gespenst auf der Bastei“ und Aehnliches. Uebrigens bearbeitete M. auch verschiedene ernste Stoffe wie „Der österreichische Grenadier“, „Gisela von Bayern“ (histor. Schauspiel) und einige Zaubermärchen in der Art Ferd. Raimund’s: „Arsenius der Weiberfeind“, „Arsenia die Männerfeindin“, „Die Fee und der Ritter“.

Meisl’s Hauptbedeutung als Dramatiker beruht aber auf seinen für die Wiener Volksbühne berechneten humoristischen Stücken, worin er wie sein Freund und Zeitgenosse Bäuerle die leichtlebigen Bewohner des damaligen Wien und mit ihnen die österreichischen Provinzbewohner in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts als Lacher auf seiner Seite hatte. Meisl’s Stücke wurden hauptsächlich auf der Bühne des Leopoldstädter Theaters in Wien aufgeführt, und Ferdinand Raimund selbst wie die berühmten Komiker Schuster, Korntheuer, Carl, Nestroy und Scholz spielten in denselben damals vielbelachte Hauptrollen. Auch auf anderen Wiener Vorstadtbühnen wurden ab und zu Meisl’s Stücke gegeben, zu denen hervorragende Capellmeister Wiens wie Drechsler, Müller u. A. häufig die Musik verfaßt haben. Eines der denkwürdigsten dramatischen Producte Meisl’s ist wohl das Vorspiel „Die Weihe des Hauses“, mit dem das umgebaute Josephstädter Volkstheater in Wien am 8. October 1822 eröffnet wurde und zu dem Beethoven selbst den musikalischen Theil besorgt hatte. Meisl’s Text ist heute gänzlich unbekannt, die Musik zur „Weihe des Hauses“ des großen Meisters unsterblich geworden. Es wird auch erzählt, daß M. die Idee zu Raimund’s erstem Stücke: „Der Barometermacher“ diesem zur Verfügung gestellt habe und Raimund hierdurch in seine dramatische Richtung gelenkt worden sei.

In dem „Theatralischen Taschenbuch … vom k. k. priv. Theater in der Leopoldstadt“, das von 1814 an in Wien erschien, finden wir schon seit den ersten Jahrgängen M. als Mitarbeiter vertreten sowol durch Gedichte als auch durch dramatische Beiträge, im Jahrgange 1821 erscheint sogar eine „Geschichte des Leopoldstädter Theaters“ darin, die M. abgefaßt hat. Von 1822 an bis 1830 ist M. selbst als Herausgeber des Leopoldstädter Theater-Taschenbuches genannt und wird unter den „Theaterdichtern“ des Personals neben Bäuerle, Gleich u. A. stets darin angeführt, im Jahrgange 1825 findet sich sein Porträt, [307] und in demselben Jahrgange ist der Text: „Die Weihe des Hauses“ abgedruckt. Während M. die Redaction des erwähnten für die Wiener Theatergeschichte sehr bemerkenswerthen Taschenbuches inne hatte, war neben Seidl, Vogl, Castelli, Duller, Frankl, Halirsch, Ebert und anderen bemerkenswerthen Dichtern auch Grillparzer darin durch Beiträge vertreten.

Meisl’s Theaterstücke sind vielfach ungedruckt geblieben, die gedruckten finden sich in den beiden zu Pest und Wien erschienenen Sammlungen: „Theatralisches Quodlibet“ (1820), 6 Bände und „Neuestes theatralisches Quodlibet“ (1824–25), 4 Bände. Außerdem sind von ihm ziemlich bedeutungslose Gedichte: „Humoristische Gedichte über die Stadt und die Vorstädte Wiens“ (1824–25, zusammen mit F. H. Gewey verfaßt, 6 Hefte) erschienen, die nur localen Charakter haben, sowie „Huldigungs-Lieder aus Tirol“ (1840), welche nur der panegyrischen Poesie beizuzählen sind. Ein bis dahin ungedrucktes Gedicht und einiges Andere bietet Ullmayer in den unten erwähnten biographischen Schriften.

M. hat gegen 200 Stücke für die Bühne verfaßt, welche fast ausnahmslos und meistens zuerst in Wien zur Darstellung gelangt sind; das erste dieser Stücke war das im J. 1802 erschienene „Carolo Caroline“, sein letztes „Die blonden Locken“, das im J. 1844 aufgeführt wurde. Jedenfalls hat er, wenn auch keine seiner Bühnenschöpfungen eigentlich litterarische Beachtung verdient, sehr viel zur Veredlung der allzu sehr im Argen gelegenen Wiener Volksposse beigetragen und Generationen hindurch den besten komischen Schauspielerkräften Gelegenheit gegeben die Zuschauer zu erheitern. Er erscheint als eine culturgeschichtlich merkwürdige Gestalt des alten Wien in der Raimund-Therese Krones Zeit und verdient als solche Erscheinung der Vergessenheit entrissen zu werden, welcher seine Schöpfungen anheimgefallen sind.

Franz Ullmayer, Ein litterarisches Sträußchen zur Erinnerung an … Carl Meisl nebst seiner Biographie. 1853. – Herm. Meynert, Der Wiener Parnaß vor einem Vierteljahrhundert, in der Wiener Abendpost, 1867, Nr. 75 u. 76. – Wurzbach, Biograph. Lexikon des Kaiserth. Oesterreich. XVII. Thl. (1867). Daselbst findet sich noch eine Zahl von Quellenangaben zu Meisl’s Biographie. – Goedeke, Grundriß z. Gesch. d. deutschen Dichtung. Bd. III (1881), S. 828–832. – Brümmer, Lex. d. deutsch. Dichter … bis z. Ende d. 18. Jahrh.