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Artikel „Lersch, J. H. Laurenz“ von Friedrich Haagen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 428–431, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lersch,_Laurenz&oldid=- (Version vom 5. Oktober 2024, 15:09 Uhr UTC)
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Lersch: J. H. Laurenz L., geb. zu Aachen am 16. Juni 1811, † zu Bonn am 12. Mai 1849. Sein Vater war ein Kaufmann, der wissenschaftliche Bildung genossen hatte. Nach sechsjährigem Besuche des Gymnasiums seiner Vaterstadt, welches er mit vorzüglichem Zeugniß verließ und nach einem Jahre während dessen er im Elternhause seine Studien in freier Muße fortsetzte, bezog er im Herbste 1829 die Universität Bonn, um Philologie zu studiren. Heinrich, Näke, Welcker, Delbrück, Brandis und Niebuhr waren hier seine Lehrer, von welchen [429] letzterer den tiefsten Eindruck auf seinen Geist machte. Nach dreijährigem Aufenthalte in Bonn begab er sich nach Berlin, wo er Boeckh, Karl Ritter und v. Savigny hörte und kehrte nach drei Semestern nach Bonn zurück, setzte seine philologischen, historischen und philosophischen Studien fort, um sich dem Katheder zu widmen. Im Januar 1836 promovirte er zum Dr. phil. mit der Dissertation: „De morum in Virgilii Aeneide habitu“ und habilitirte sich am 23. Juli desselben Jahres durch öffentliche Rede, „Ueber den Einfluß der Stoiker auf alle Wissenschaften bei den Römern“ als erster Privatdocent an der philosophischen Facultät daselbst. Mit großem Eifer beschäftigte er sich mit Sprachforschung und Alterthumswissenschaft; schrieb 1838 „Das römische Haus in der Aeneis“, 1839 „Der Schild“ und „Ueber die Idee und antiquarische Bedeutsamkeit der Aeneis“. 1843 erschienen zu Bonn seine „Antiquitates Virgilianae ad vitam populi Romani descriptae“. Ueber Virgil’s Georgica und kleinere Gedichte hielt er wiederholt Vorlesungen, ebenso über den gelehrten Varro, den er schon am 28. Juni 1836 in seiner Habiltationsrede vor der Facultät behandelt hatte. Diese Beschäftigung führte zur Herausgabe eines großen Werkes, „Ueber Sprachforschung der Alten“, das in drei Theilen erschien. Der erste Theil, 1838, handelt von dem Streit über Analogie und Anomalie der Sprache, die Fragmente Cäsars De analogia und Plinius’ Schrift De dubio sermone; der zweite Theil, 1840, enthält historische Entwickelung der Sprachkategorien nebst Anhängen über Aristoteles’ Poetik und Rhetorik; im dritten Theile macht er die Sprachphilosophie, dargestellt an der Geschichte ihrer Etymologie zum Gegenstande seiner Forschungen. Die römische Litteraturgeschichte, seine erste Vorlesung, wurde mehrmals wiederholt, auch las er über Minucius Felix, Arnobius und die Poetik des Horaz. – Im J. 1838 hatte er mit H. Düntzer den ersten Theil eines Schriftchens „De versu quem vocant Saturnio“ herausgegeben, 1844 erschien von ihm „Fulgentius de abstrusis sermonibus“. Nebenher gingen im Rheinischen Museum für Philologie, 1836, „De Ennii Scipione“, und 1839 „De fabula togata et praetexta“ im Museum des rheinisch-westfälischen Schulmännervereins, Band III: „Römische Diorthesen“ und eine kurze Recension in der Zeitschrift für die Alterthumswissenschaft. – Er schrieb überhaupt viele Abhandlungen und Recensionen für rheinische und andere Zeitschriften, auch für das Classical Museum IX. Victorinus, und widmete mit Vorliebe den Alterthümern seine Thätigkeit, las über die Alterthümer der Rheinlande, über das häusliche Leben der Römer, über Kunstmythologie, über griechische Alterthümer, über die Ausgrabungen in Pompeji und Herkulanum schon in den ersten Jahren seines akademischen Wirkens. Als er in der Folge Italien, namentlich Rom, Neapel, Pompeji und Herkulanum aus eigener Anschauung kennen gelernt hatte, las er auch über christliche Baukunst. Alles höhere ideale Streben in Wissenschaft, Poesie und Kunst erweckte seine begeisterte Theilnahme. In den Jahren 1843 und 1844 gab er, Bonn bei Cohen, zum Besten des Bonner Münsters das „Niederrheinische Jahrbuch für Geschichte, Kunst und Poesie“ heraus. Eine Reihe ausgezeichneter Männer lieferten werthvolle Beiträge. Er selbst schrieb für den ersten Theil „Gerard von Are, Erbauer des Bonner Münsters“, und Gedichte, für den zweiten Theil „Erzbischof Anno II. von Köln“ und als Anhang ein altes Lied vom Grafen zu Sayn, aus einer Handschrift der Bibliothek zu Aachen. In den rheinischen Provinzialblättern veröffentlichte er viele Inschriften aus Aachen, Bonn, Boppard, Cornelimünster, Weingarten, Xanten und forderte zur Bildung eines Vereins für rheinländische Alterthümer auf. Als 1841 der Verein ins Leben trat, wurde er zum Secretär desselben und später zum Redacteur der Jahrbücher des Vereins gewählt. Drei Hefte rheinländischer Inschriften, das erste 1839, das zweite 1840, Bonn, das [430] dritte 1842, Trier und andere Städte betreffend, gab er heraus. Den Jahrbüchern des Vereins von Alterthumsfreunden in den Rheinlanden widmete er eine sehr lebendige Theilnahme. Außer den drei Festprogrammen zur Feier von Winckelmann’s Geburtstag (9. December): „Das Kölner Mosaik“, 1845, „Apollo der Heilspender“, 1847, und „Das sogenannte Schwert des Tiberius“, 1848, schrieb er eine Reihe gediegener Aufsätze, deren 24. durch seinen Tod unterbrochen wurde. Bei dieser vielseitigen anstrengenden Thätigkeit fand er noch Muße, Aufsätze und Recensionen für andere periodische Publicationen zu liefern: für Aschbach’s Kirchenlexikon den Artikel „Altchristliche Inschriften“, für die Monatsblätter der Allgemeinen Zeitung den Artikel „Eulogius Schneider“, für die rheinischen Provinzialblätter den Nekrolog von Ludwig Nees v. Esenbeck, „Philologie und Naturwissenschaft“, „Ueber Monumente der Gegenwart“. Bei seinem von Jugend auf hervortretenden, ernster Wissenschaft gewidmeten Streben fehlte ihm nicht, angeregt durch die Beschäftigung mit den alten und späteren Classikern, der Sinn für Poesie, der sich in sehr frühen dichterischen Versuchen kundgab, von elegischer und religiöser Stimmung und Kirchenfeste verherrlichend. Zweimal gab er eine Sammlung religiöser Dichtungen heraus, 1832 und 1834, die zweite widmete er dem Erzbischofe Ferdinand August von Köln. – Als sein Lehrer Delbrück 1847 das Jubelfest seiner 50jährigen Lehrthätigkeit beging, widmete er demselben „Den guten Gerhard von Köln“, den er nach Rudolf von Ems gedichtet hatte. Sein für Naturschönheiten empfängliches Gemüth fand in der romantischen Umgebung Bonns, wo er mit Vorliebe den größten Theil seines Lebens weilte, reiche Nahrung. 1837 ließ er „Erinnerung an Bonn in Liedern und Balladen“ drucken, wovon 1848 eine zweite umgearbeitete Ausgabe erschien. Im J. 1839 erschien von ihm anonym „Die rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn“. Noch am 14. April 1849, einen Monat vor seinem Tode, als er in Mehlen, dem Siebengebirge gegenüber, Genesung von seiner letzten Krankheit suchend lebte, regte ihn der Hämmerschlag am Drachenfels zu einem Gedicht an, dessen letzte Strophe mit dem Ausdruck „Todtengeläute“ schließt. Nicht ohne Beifall Rückert’s, seines Lieblingsdichters, übersetzte er einzelne Gedichte desselben ins Lateinische.

Es konnte nicht fehlen, daß ein Mann von seinem Charakter, seiner reichen Begabung, seiner vielseitigen litterarischen Thätigkeit Freunde und Anerkennung bei zahlreichen Genossen seines Strebens fand, – er wurde auch zum Mitgliede verschiedener gelehrter Gesellschaften, u. a. des Instituto di Correspondenza archeologica ernannt, – auffallen aber muß es, daß derselbe von seiner vorgesetzten Behörde trotz wiederholter Vorstellung keine Beförderung fand. Alle, welche seine Verdienste zu würdigen verstanden, sagten sich, daß in dem jungen Docenten beim Mangel an Anerkennung eine Kraft die eine Zierde der Hochschule zu werden versprach, unter ungünstigen Umständen verkümmern müsse. Erst im März 1845, nach neunjähriger Thätigkeit, erhielt er einen Ruf als außerordentlicher Professor der alten Litteratur am Lyceum zu Braunsberg. Die Annahme dieser Stelle würde seine so erfolgreiche archäologische Thätigkeit in den Rheinlanden unterbrochen haben; daher machte er durch persönliche Bemühung in Berlin seine Ernennung rückgängig und blieb in Bonn, das seine zweite Vaterstadt geworden war. Drei Jahre später, am 15. October 1848, erhielt er die Ernennung zum außerordentlichen Professor an der philosophischen Fakultät zu Bonn, ohne Gehalt, nachdem er zwei Jahre vorher Adjunkt des Directors des Museums für rheinische Alterthümer geworden war. Die Ungunst seiner äußeren Verhältnisse bei dem Bewußtsein des Werthes nicht unbedeutender Leistungen, die in den wissenschaftlichen Kreisen volle Anerkennung fanden, konnte auf die ohnedies nicht starke Körperconstitution des trefflichen Mannes [431] nur nachtheilig einwirken. Im März 1849 brachte ihn ein Schlaganfall dem Tode nahe, auf den er sich in ernster Fassung vorbereitete. Er erholte sich scheinbar, begann eine Vorlesung, arbeitete litterarisch, hielt Vorträge im geselligen Hospitalvereine und bereitete eine Reise nach Frankreich vor. Nachdem er noch einmal sein Siebengebirge und 14 Tage vor seinem Tode Eltern und Brüder in Aachen besucht, erlag er am 12. Mai 1849 einem Blutschlage. Sein Landsmann Cornelius Peter Bock feierte sein Andenken in einer Sitzung der Abtheilung der schönen Künste der Académie royale de Belgique vom 14. Juni 1849 mit der ehrenvollsten Erwähnung seines tugendhaften, den Wissenschaften ganz geweihten Lebens.

Meist nach den Mittheilungen des Bruders, Dr. B. M. Lersch, in Neuer Nekrolog und nach eigenen Erinnerungen.