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Artikel „Lauze, Wigand“ von Max Lenz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 80–81, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lauze,_Wigand&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 19:26 Uhr UTC)
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Lauze: Wigand L., Biograph Philipps des Großmüthigen in einer hessischen Chronik, die er in Annalenform von Noah’s Zeiten bis auf die der Abfassung herabgeführt hat. Nur der zweite Theil, die Darstellung der Regierung des Landgrafen Philipp, ist gedruckt (in der Zeitschrift für hess. Geschichte, 2. Suppl., 1. u. 2. Bd.), der ganze erste Theil ruht noch handschriftlich in der Casseler Landesbibliothek. – Ueber das Leben des Chronisten ist fast nur das wenige bekannt, was sich aus seinem Werke erkennen läßt. Danach ward er Ende des 15. oder Anfang des 16. Jahrhunderts zu Homberg in H. geboren, dessen Verfassung und Berühmtheiten er ein eigenes, leider verlorenes Kapitel gewidmet hat und wo seine Verwandten urkundlich nachgewiesen sind. Seine Studien machte er in Erfurt. Eobanus Hessus und wahrscheinlich auch Euricius Cordus waren hier seine Lehrer, und von dort aus wird er auch Mutianus Rufus in seinem Gothaer Tusculum aufgesucht haben, das er mit seinen sinnvollen Inschriften anschaulich beschreibt. Auf dem Titel einer späten Abschrift wird L. als Regierungssecretär bezeichnet, doch ist das aus den Aeußerungen, die man darauf hat beziehen wollen, nicht zu ersehen. Vielleicht war er Stadtschreiber oder ein Magistratsmitglied seiner Vaterstadt. Sicher ist durch sein eigenes Zeugniß, daß er länger oder kürzer Vorsteher im Hospital zu Hayna war. 1541 unterzeichnete er als „Vigandus Lutze“ eine Urkunde; und wenn er in demselben Jahre seine Anwesenheit bei einer akademischen Feier in Marburg erwähnt, dessen Universität Besitztitel an Hayna hatte, so mag das in dieser Eigenschaft gewesen sein. – So dürftigen äußeren Daten gegenüber läßt sich [81] über Lauze’s Bildung, Kenntnisse und Auffassung als Historiker besser urtheilen. Vor Allem ist er mit Leib und Seele Hesse. „Von dem löblichen Herkommen, Geschlechten, Leben, Thaten und Absterben der Könige und Fürsten zu Hessen, auch was sich bei eines jeden Regierung in derselben Landschaft zugetragen und verlaufen hat“, so überschreibt er sein Werk. Er beginnt bei dem fabelhaften Ascennas, der 254 Jahre nach der Sündfluth mit seinem Zunamen Thuisco ein „Erzvater und Anfänger aller Deutschen“, mithin erster König der Hessen gewesen sei, und führt dann durch die heilige und profane Geschichte herunter bis zu dem Fürsten, in dessen letzter Periode er während weniger Jahre (um 1560), doch nicht ohne größere Sammlungen gemacht zu haben, die umfängliche Chronik zusammengeschrieben hat. Mit litterarischen Hülfsmitteln war er vortrefflich gerüstet: von dem ersten Historiker, dem „theuren Mann“ Moses ab verfügt er über eine sehr stattliche Reihe von Gewährsmännern, bis auf die humanistischen Zeitgenossen Celtis, Irenicus, Beatus Rhenanus, Krantz, Hedio, Sleidan; und die Polemik, mit der er alten und neuen Historikern entgegentritt, z. B. den Berichten Cäsar’s über den König „Ehrenvest“, „den er, Florus und Andere ganz mit Unrecht Ariovistus nennen", dem lügnerischen Hunibald (er glaubt an seine Existenz, schilt ihn aber einen „geborenen Barbonus und groben Esel“), oder den Angaben des Irenicus über griechische Ansiedlungen im alten Germanien, zeigt, daß er selbständig und bisweilen nicht ohne einen Anflug verständiger Kritik zu lesen wußte. Quellenmäßigen Werth hat die Darstellung der früheren Zeiten, vielleicht mit Ausnahme einzelner lokalgeschichtlicher Angaben für das 14. und 15. Jahrhundert, nicht, zur Historiographie des Humanismus aber geben auch diese Partien werthvolle Aufschlüsse. Für die Geschichte seiner Zeit wird das Werk eine stets zu beachtende Quelle bleiben. Neben den größeren Darstellungen, denen er überall selbständig gegenübersteht, verwerthet L. hier gern und ausführlich die Flugschriften, gedruckten Ausschreiben und Verordnungen aus beiden Lagern, besonders die des Landgrafen. Wahrscheinlich hatte er auch Zutritt zu den Akten der Kanzlei. Mehrfach nennt er als seine Gewährsmänner hervorragende Beamte von Cassel, und ohne Frage schöpfte er Vieles aus solchen Mittheilungen wie aus eigener Erfahrung. Vorzüglich nahe stand er den gelehrten Kreisen des Landes, die sich in der Marburger Universität zusammenfanden und deren religiöse, litterarische und politische Anschauungen das Werk getreu widerspiegelt. Mittelpunkt des zweiten Theils ist vor Allem der Landgraf selbst als der „wahrhafte und getreue Vatter des Vatterlandes“, der die in der Epoche wirkenden Ideen am lebendigsten in sich aufgenommen und ihnen die kirchlichen, wissenschaftlichen und staatlichen Organe geschaffen hatte. Möglich, daß der Fürst, welcher für die Geschichte ein herzliches Interesse hatte, wie er denn Sleidan’s Werk wesentlich gefördert und schon in dem Testament von 1542 einen „eigentlichen, gründlichen und wahrhaftigen Historienschreiber“ seiner Thaten verlangt hat, die Arbeit Lauze’s anregte und unterstützte. Er würde dann einen Biographen erworben haben, der bis heute noch nicht übertroffen ist und mit seiner naiven Wiedergabe der in Philipp und seinem Staat kräftigen Gesinnung auch neben der erschöpfendsten und treuesten historischen Reproduktion einen eigenthümlichen Rang behaupten wird. Das Werk endigt mit der „herlichen Bekanntnuß des Landgrafen zu Hessen und seiner Theologen vom Abendmahl des herren Jesu Christi, den achten Tag im Weinmonat“ 1561, ziemlich gleichzeitig, wie überhaupt die letzten Abschnitte, mit der Begebenheit selbst. Vielleicht hat den Chronisten der Tod während der Arbeit ereilt, und ist es daher zu erklären, daß das Buch ungedruckt hinterlassen ist.

Vgl. Schmincke, Monim. hass. IV. Wenck, Hess. Landesgesch. I. Zeitschr. f. h. G. a. a. O. I, Vorwort.