ADB:Schmincke, Friedrich Christoph

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Artikel „Schmincke, Friedrich Christoph“ von Georg Winter in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 33–34, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schmincke,_Friedrich_Christoph&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 10:15 Uhr UTC)
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Schmincke: Friedrich Christoph S., Sohn des Folgenden, gleich seinem Vater namentlich durch seine Arbeiten über hessische Geschichte bekannt, ist am 29. März 1724 in Kassel geboren, bezog 1741 die Universität Göttingen, um Jurisprudenz zu studiren, und ging dann, mit zahlreichen Empfehlungen an seinem Vater befreundete Gelehrte versehen, nach Holland. Im J. 1751 wurde er Hofarchivar in Kassel, 1766 außerdem Rath und Bibliothekar und übernahm endlich 1776 noch die Leitung der Münzsammlung und der Kunstschätze mit dem Titel und Rang eines Regierungsraths. Seine vornehmste Thätigkeit widmete er der Kasseler Bibliothek, welche damals schon zu den stattlicheren in Deutschland (sie zählte etwa 40 000 Bände) gehörte. Gerade in seiner Stellung als Bibliothekar aber gerieth er in mancherlei Schwierigkeiten und Verdrießlichkeiten, als Landgraf Friedrich II. einen im J. 1775 nach Kassel berufenen Franzosen, der bald sein erklärter Günstling wurde, den Marquis de Luchet, zum Director der Bibliothek und damit zu Schmincke’s Vorgesetztem ernannte. Daß der letztere, obwol in sehr günstigen äußeren Verhältnissen, diese Zurücksetzung ruhig hinnahm, ohne um seinen Abschied einzukommen, wurde ihm von seinen Zeitgenossen, die über die Günstlingsstellung des Franzosen entrüstet waren, übel genug vermerkt, könnte aber an sich noch hingehen, wenn nicht außerdem unzweifelhaft feststände, daß der französische Marquis die Verwaltung der Bibliothek in einer Weise geleitet und bei der Neuordnung derselben so verhängnißvolle, auf schlimmster Unkenntniß beruhende Fehler begangen hatte, daß unter den deutschen Gelehrten mit Recht große Entrüstung herrschte, deren Aeußerungen auch in die Oeffentlichkeit gedrungen sind. Neben einigen anonymen, aber offenbar auf genauer Information beruhenden Aufsätzen in der Gothaer Gelehrten Zeitung von 1781 war es namentlich kein geringerer als Schlözer (im 44. Hefte seines „Briefwechsels“), der die öffentliche Aufmerksamkeit auf die schweren Mißstände der Kasseler Bibliotheksverwaltung hinlenkte. Von einem ernstlichen Versuche Schmincke’s, diesen Uebelständen entgegenzuwirken, ist nichts bekannt geworden. Gleichwol scheint er dem französischen Bibliotheksdirector als unangenehmer Beobachter seiner einsichtslosen Verwaltung lästig geworden zu sein. Luchet versuchte jedenfalls den Landgrafen zu seiner Entlassung zu bestimmen. In der That wurde, als im Jahre 1788 Luchet in dem Chevalier de Nerciat einen französischen Collegen erhielt, S. vom Landgrafen nahe gelegt, seinen Abschied zu nehmen. Jetzt erst gewann dieser es über sich, um seinen Abschied zu [34] bitten, der ihm sonst wol wider seinen Willen ertheilt worden wäre. Doch wurde ihm sein früheres Gehalt belassen, und er behielt die Leitung des Münzcabinets, der Kunstsammlung und die Bewahrung der Manuscripte der Bibliothek. Beim Tode Friedrich’s II. wurde der Marquis de Luchet von Friedrich’s Nachfolger, Wilhelm IX., entlassen, und als dann im J. 1791 der damalige Bibliothekar Cuhn verstarb, rückte S. wieder in dessen Stelle ein, in welcher er bis zu seinem Tode (8. Januar 1795) verblieb.

Sein Verdienst um die hessische Geschichtschreibung beruht vor allem darauf, daß er eine Reihe der von seinem Vater entweder ausgearbeitet hinterlassenen Abhandlungen, oder als Vorarbeiten gesammelten Collectaneen theils veröffentlichte, theils eigenen Arbeiten zu Grunde legte. Ein großer Theil der von ihm herausgegebenen Monumenta Hassiaca stammt mittelbar oder unmittelbar von seinem Vater. Doch hat auch er selbst, so ungünstig man im allgemeinen über seine Befähigung und seinen Charakter urtheilen mag, der hessischen Geschichtschreibung einige nicht unwesentliche Dienste, namentlich durch Veröffentlichung wichtiger Quellen zur hessischen Geschichte, geleistet. So verdanken wir ihm den ersten vollständigeren Abdruck der wichtigsten hessischen Chronik, der Wigand Gerstenberger’s, von der Kuchenbecker in seinen Analecta Hassiaca nur einen Theil veröffentlicht hatte. Außerdem hat er in seinen Monumenta Hassiaca eine Anzahl wichtiger Urkunden und Acten, namentlich zur Geschichte Landgraf Philipp’s des Großmüthigen, zum ersten (und meist bis jetzt auch letzten) Male abgedruckt, so die Homberger Kirchenordnung von 1526, die Reformation, Gesetze und Statuten Philipp’s von 1535, die Halsgerichtsordnung von demselben Jahre u. m. a. Er war es auch, der die Aufmerksamkeit der Gelehrten in höherem Maße als bisher auf die für die Geschichte Landgraf Philipp’s wichtige gleichzeitige Chronik Wigand Lauze’s hinlenkte, indem er einen Theil derselben zum Abdruck brachte. Endlich besitzen wir von ihm noch den ersten umfassenden „Versuch einer genauen und umständlichen Beschreibung der Hochfürstlich Hessischen Residenz- und Hauptstadt Cassel“ (Kassel 1767), der allerdings wiederum weniger auf eigenen gründlichen Studien beruht, sondern nur als eine mehr oder weniger unselbständige Bearbeitung einer von dem Justizrath Groschuf begonnenen, vom Bibliothekar Arkenholz und dem Hanauer Professor Hundeshagen fortgesetzten und in der Hauptsache abgeschlossenen, aber nicht veröffentlichten Darstellung dieses Gegenstandes zu betrachten ist.

Vgl. die verschiedenen Vorreden zu den 4 Bänden seiner Monumenta Hassiaca (Kassel 1747–65), ferner Strieder’s hessische Gelehrten-Geschichte XIII, 139–150, dessen Beurtheilung Schmincke’s aber einen offenbar persönlich gehässigen und gereizten Charakter trägt. – Ueber die Zustände an der Kasseler Bibliothek unter Luchet’s Leitung vgl. außer den im Text citirten Stellen Strieder a. a. O. VIII, 117–157.