ADB:Laßberg, Josef Freiherr von

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Artikel „Laßberg, Joseph Freiherr von“ von Franz Muncker in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 780–784, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:La%C3%9Fberg,_Josef_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 00:27 Uhr UTC)
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Laßberg: Joseph Maria Christoph Freiherr v. L., aus oberösterreichischem Geschlecht, wurde am 10. April 1770 in Donaueschingen geboren, wo sein Vater Oberjägermeister des Fürsten von Fürstenberg war. Mit zwei Brüdern und zwei Schwestern wuchs er auf, streng im katholischen Glauben erzogen, an Arbeit und Enthaltsamkeit gewöhnt. Frühzeitig erwachte in ihm die Freude an alten Büchern, die er als Knabe schon zu sammeln begann. Gefördert wurde dieses Interesse, als er (mit sieben Jahren) in die Schule des Cistercienserklosters Salmansweiler, dann in das Gymnasium zu Donaueschingen kam; in den alten Sprachen machte er wackere Fortschritte. Kaum 15 Jahre alt, wurde er nach Frankreich gesandt, um Sprache und Sitten dieses Landes gründlich zu erlernen. Zu Landau trat er als Cadett in ein Husarenregiment, bei welchem ein Bruder seiner Mutter, Freiherr v. Malzen, Major war. Bald darauf wurde er zum Offizier im Regiment des Herzogs von Orleans befördert und erhielt als solcher im Juni 1786 in der nahen Burg von Trifels den Ritterschlag des Johanniterordens. Sein Vater aber wünschte, daß er sich lieber für den Civildienst ausbilde. Er bezog daher zunächst die Universität Straßburg (1786), siedelte aber bald an die Hochschule Freiburg im Breisgau über. Er trieb juristische und nationalökonomische Studien, namentlich Forstwissenschaft. Von hier aus wol [781] unternahm er einen längeren Ausflug nach der Martinsburg bei Colmar im Elsaß, wo eine unverheirathete Schwester seiner Mutter, Hofdame der Gemahlin Karl Eduards von Stuart, wohnte. L. weilte dort zur nämlichen Zeit, als sich auch der italienische Tragiker Alfieri im Gefolge der Fürstin daselbst befand. Um sich im Forstwesen auszubilden, kam er 1788 an den Hof des Fürsten von Hohenzollern-Hechingen, kehrte aber im nächsten Jahre nach Hause zurück und wurde hier als fürstlich-fürstenbergischer Jagdjunker angestellt. 1792 zum Oberforstmeister auf Schloß Heiligenberg ernannt, vermählte er sich (1795) mit der Konstanzer Freiin Maria Anna Ebinger von der Burg († 1814 zu Donaueschingen). 1804 wurde er zum Landesoberforstmeister in Donaueschingen befördert und das gesammte Forstwesen des Fürstenthums ihm untergeben. In demselben Jahre starb die schwäbische Linie des Hauses Fürstenberg aus; die böhmische Secundogenitur gelangte zur Nachfolge. Für den unmündigen Fürsten Karl Egon (1796–1854[WS 1], vgl. Bd. VIII S. 227) übernahm die Mutter Elisabeth, geb. Fürstin von Thurn und Taxis (geb. zu Regensburg am 30. November 1767) die Regierung, eine edle Frau, wohlgestaltet, ohne gerade blendend schön zu sein, eingenommen von der romantischen Litteratur, den aufklärerischen Ideen des Zeitalters Friedrichs des Großen und Josephs II. nicht abhold, reich an Kenntnissen, geschmückt mit Gerechtigkeitssinn und Milde. Am 24. Mai 1805 zog sie in ihr Ländchen ein, an der Donaubrücke zu Geisingen begrüßt von L. und seinem Jägercorps. Innige und unverlöschliche Zuneigung kettete von nun an die beiden an einander. In späteren Zeiten (nach dem Tode von Laßberg’s Gattin) sprach man sogar von einem durch Priesterhand geweihten Bund zwischen ihm und der Fürstin. Zwölf Jahre lang war L. in der That der Vormund des jungen Fürsten und der eigentliche Regent des Ländchens, soviel nach dem Verlust der Landeshoheit (November 1805) dem Fürstenhause noch von der Regierung übrig blieb. 1806 wurde er zum geheimen Rath, 1813 zum Oberjägermeister ernannt. Er begleitete die Fürstin auf Reisen nach der Schweiz, Oberitalien und England, die seinem Kunstsinn reiche Nahrung boten. In ihrem Gefolge begab er sich zum Wiener Congreß, wo er neben anderen Gelehrten Jakob Grimm kennen lernte. Als der junge Fürst volljährig wurde (1817), zog sich L., seines Dienstes in Donaueschingen entbunden und dort nicht ganz gern mehr gesehen, theils nach Heiligenberg zurück, theils nach Eppishausen, einer Herrschaft im Kanton Thurgau, die er 1813 gekauft hatte, viel mit der Landwirthschaft, hauptsächlich aber mit germanistischen Studien beschäftigt. Auch der Fürstin flößte er dieses Interesse ein. Auf seine Zusprache förderte sie die Herausgabe der „Monumenta Germaniae“ für welche L. die Minnesinger der Manessischen Handschrift bearbeiten wollte; sie ermöglichte den Ankauf jener Nibelungenhandschrift, deren zweite Hälfte Bodmer 1757 als „Chriemhilden Rache und die Klage“ hatte abdrucken lassen, und welche in der Folge den Namen der Laßbergischen Handschrift (C) führte. Dankbar widmete darum ihr, „der Fürstin deutscher Frauen“, L. 1821 seine Ausgabe des Nibelungenliedes, das er mitsammt der „Klage“ genau nach seinem Codex abdruckte, die Lücken desselben aus der St. Gallener Handschrift (B) ergänzend. Das Gedicht füllte den vierten Band seines größten Werkes „Liedersaal, das ist Sammlung altdeutscher Gedichte aus ungedruckten Quellen“. 1820 war der erste Band davon erschienen; der zweite folgte erst 1822, der dritte 1825. In diesen drei Bänden theilte L. nach eigner sorgfältiger Copie eine mittelhochdeutsche Handschrift des 14. Jahrhunderts, die er erworben hatte, mit. Es waren 261 Gedichte, „Minnelieder, Mähren, Sagen, geistliche und weltliche Lieder, Bispel und allerlei Schwänk“, bunt „wie des Menschen Gedanken in seinem Herzen“ durch einander gemischt, „kurz und lang, fröhlich und trurig, geistlich und weltlich, neu und [782] alt Lieder“. Jedem Stück setzte er eine kurze Inhaltsangabe vor; eine alemannisch geschriebene Vorrede an seinen Freund Professor Leonhard Hug in Freiburg, welche den ersten Band des „Liedersaals“ einleitet, gewinnt durch ihre rührende Einfalt und herzliche Wärme. L. fügte dieser Vorrede eine kurze Uebersicht der Minnesinger ein, deren Sitze er in das alemannische Land verlegte. Er hatte seit Jahren eingehend nach dem Herkommen und Leben der mittelalterlichen Dichter geforscht, und manche hübsche Ergebnisse lohnten seine Mühe, wenn er sich gleich durch seinen Eifer für den Ruhm seiner Heimath nur allzu oft verleiten ließ, die Stammburgen der alten Sänger auf alemannischem Boden zu suchen. Noch hatte L. die Ausgabe seines „Liedersaales“ nicht vollendet, als er den herbsten Verlust erlitt: am 21. Juli 1822 starb Fürstin Elisabeth zu Heiligenberg. Lange spottete sein Schmerz jedes Trostes; fast noch ein Jahr nach dem Tode der Geliebten fühlte er sich zur Arbeit unfähig; nur Codices abschreiben konnte er „wie ein frommer Mönch“. Alljährlich wallfahrtete er an ihrem Todestag zu ihrem Grabe nach Heiligenberg, das er sonst vermied. Als Einsiedler hauste er nun auf seiner Herrschaft. Zu wissenschaftlichen Zwecken unternahm er wiederholt längere und kürzere Ausflüge in die Nachbarschaft, oder er suchte die Freunde in der Nähe auf, die sich von Jahr zu Jahr mehrten. 1820 knüpfte Uhland den Bund mit ihm, den erst sein Tod löste; 1824 suchte Lachmann, 1825 Gustav Schwab ihn heim. Zahlreiche andere Forscher in unserer nationalen Litteratur, ältere wie jüngere, folgten und traten mit L. in persönlichen oder brieflichen Verkehr. Alle konnten freundlichen Entgegenkommens gewiß sein; selbst solche, deren Charaktere und wissenschaftliche Leistungen ihm wenig behagten, wie v. d. Hagen, unterstützte er „um der guten Sache willen“. Wie sein „Liedersaal“, so waren auch seine späteren – kleineren – Arbeiten auf dem Gebiete der altdeutschen Philologie zunächst nur für diese Freunde bestimmt. Auf Neujahr 1826 sandte ihnen „Meister Sepp von Eppishusen“ das Gedicht vom „Littower“, das er gleich darnach mit ausführlichem Vorwort und neuhochdeutscher Uebersetzung auch in den Buchhandel gab. Zu Neujahr 1830 folgte der „Sigenot“, 1832 das „Eggenlied“, beide aus derselben Handschrift des 13. Jahrhunderts abgedruckt, 1842 „Ein schön alt Lied von Grave Friz von Zolre, dem Oettinger, und der Belagerung von Hohenzolren nebst noch etlichen andern Liedern“, das erste Gedicht von längeren geschichtlichen und sprachlichen Anmerkungen begleitet. Außerdem lieferte er einige Beiträge zu germanistischen Zeitschriften; viele tausend Verse schrieb er aus seinen Membranen ab für befreundete Fachgenossen, die sie dann herausgaben. Gern hätte er eine neue Handschrift der Abhandlung Friedrichs II., „De venandi arte“, die 1844 in Paris aufgefunden wurde, edirt, um als alter Waidmann mit einem frischen Jägerstücklein zu schließen. Ebenso trug er sich lange mit dem Gedanken, im Alter eine Geschichte des Schlosses Heiligenberg zu schreiben; doch begrüßte er freudig die Arbeit Fickler’s, der ihm in der Ausführung des Planes zuvorkam. – In vorgerückten Jahren führte er noch einmal eine junge Gattin in sein Haus. 1831 lernte er auf einer Schweizer Reise, die er in Gesellschaft der verwandten Familie v. Haxthausen unternahm, die Stiftsdame Maria Anna (gewöhnlich Jenny genannt) Freiin v. Droste-Hülshoff kennen, die ältere Schwester der 1797 gebornen Dichterin Anna Elisabeth Franziska v. Droste-Hülshoff (Bd. V S. 415). Er gewann ihr Herz und nach ausdauerndem Harren trotz des anfänglichen Widerstandes der Mutter 1834 ihre Hand. Sein Glück schien vollkommen, als ihm im März 1836 Zwillingstöchter bescheert wurden und nur vorübergehend konnte es ein bedenklicher Unfall trüben, der ihn persönlich wenige Wochen darnach traf, ein gefährlicher Sturz aus dem Wagen, wobei er ein Bein brach. Trotz verschiedener Bäder, die er brauchte, erholte er sich nie wieder ganz von [783] den Folgen desselben; Zeitlebens blieb ihm eine Lähmung. Aber ein schwereres Leid drohte ihm.

Von den vier Söhnen, die ihm seine erste Frau geboren hatte, waren ihm zwei noch geblieben, Karl, der in Böhmen als österreichischer Offizier lebte, und sein älterer Bruder Friedrich Leonhard Anton, der dem Vater am meisten glich, geb. am 13. Mai 1798 zu Lindau. In Donaueschingen und (seit 1812) in Freiburg i. Br. hatte er das Gymnasium besucht und 1813 die Universität Freiburg, 1815 Heidelberg, 1817 Göttingen und zuletzt Jena bezogen, wo er am 3. August 1819 auf Grund der (1821 gedruckten) Dissertation „Commentatio exhibens observationes ad jus sui heredis praesertim ratione nepotis“ die juristische Doctorwürde erlangte. 1820 trat er als Praktikant bei dem hohenzollerischen Oberamt Sigmaringen, sodann als Accessist bei der fürstlichen Landesregierung und bei dem Hofgericht ein. 1821 wurde er zum Assessor mit berathender Stimme, 1822 zum wirklichen stimmgebenden Mitglied beider Collegien, 1823 zum Hof- und Regierungsrath befördert. 1824 vermählte er sich mit einer Hofdame der Fürstin, Helene Freiin v. Schatzberg. Von 1825 bis 1828 war ihm die Leitung des Oberamtes Sigmaringen übertragen; 1834 wurde er zum wirklichen geheimen Conferenzrath, 1836 zum Director des Hofgerichts und der Landesregierung ernannt. Im Besitz des vollen Vertrauens seines Fürsten, auch von auswärtigen Regenten mit Ehren überhäuft, wirkte Friedrich v. L. überaus segensvoll für Sigmaringen, namentlich durch Hebung des dortigen Schulwesens. Nicht minder rege war er in seiner eigenen wissenschaftlichen Ausbildung. 1831, als er, von schwerer Krankheit erstanden, ein Jahr lang im südlichen Frankreich weilte, hatte die Muße von Berufsarbeiten ihn zum litterarischen Studium geführt, das er nun nicht wieder aufgab. Aus dem Französischen des G. de Felice übersetzte er „Fragmente über Frankreichs religiösen Zustand“, die nachmals zu Berlin von anderer Hand herausgegeben wurden; Aufsätze historischen, antiquarischen und kirchenrechtlichen Inhalts lieferte er für verschiedene Zeitschriften. Bleibendes Verdienst aber erwarb er sich durch seine Ausgabe des „Schwabenspiegels“ nach einer Handschrift vom Jahre 1287, welche sein Vater besaß. Schon war der Druck des Textes nahezu vollendet und eine zum Theil recht ausführliche Beschreibung von fast 200 Handschriften des alten Rechtsbuches, die als Einleitung dienen sollte, ausgearbeitet, als ein Nervenfieber am 30. Juni 1838 den Emsigen im kräftigstem Mannesalter dahin raffte. Sein bis auf die Vorrede fertiges Buch wurde 1840 von dem Tübinger Professor Dr. A. L. Reyscher herausgegeben.

Den alten Freiherrn traf die Trauerkunde doppelt schmerzlich, weil er eben im Begriff stand, für sein künftiges Leben auch räumlich dem geliebten Sohne näher zu rücken. Er verkaufte Eppishausen und siedelte 1838 wieder nach Schwaben über, auf die alte Meersburg am Bodensee, die er in alterthümlicher Weise mit altdeutschen Glas- und Holzgemälden, Wappen, Waffen und Möbeln ausschmückte. Hier saß er inmitten seiner reichen Bibliothek, die schließlich 273 Handschriftennummern und gegen 12000 Druckbände umfaßte (nach Laßberg’s Tod der fürstlich-fürstenbergischen Bibliothek in Donaueschingen einverleibt), sich labend am Duft des Alterthums, den er arbeitend aus den alten Schriften sog, von Freunden und Forschern viel aufgesucht, zehrend von der Erinnerung an die frischeren Jahre schöner Jugend und neu beglückt im Kreise der Seinigen. Zu ihnen durfte er einige Jahre auch seine geistvolle Schwägerin zählen, die am 24. Mai 1848 bei ihm starb, tief betrauert von dem alten Jägermeister und seiner Familie. Geistig frisch fühlte er sich bis in sein hohes Alter; die Kräfte des Körpers ließen in den letzten Jahren nach, doch blieb ihm auch jetzt noch eine gewisse Rüstigkeit und Munterkeit. Fast 85 Jahre alt, starb er schmerzlos [784] auf seiner alten Burg am 15. März 1855, fromm und heiter und bis zum letzten Athemzug von treuer Liebe zu seinem deutschen Vaterland erfüllt. -

Briefwechsel zwischen Laßberg und Uhland, herausgegeben von Franz Pfeiffer. Wien 1870. – Briefe von Laßberg an Fräulein L. v. Haxthausen (Freundesbriefe von Wilhelm und Jakob Grimm, herausgegeben von Alexander Reifferscheid. Heilbronn 1878, S. 235 ff.). – Briefe von Benecke, Jakob und Wilhelm Grimm, Lachmann, Schmeller und Meusebach an Laßberg (Pfeiffer’s Germania, Neue Folge, 1. Jahrg., Wien 1868). – Nekrolog auf Laßberg in der Augsburger Allgemeinen Zeitung vom 13. Juli 1855. – Erinnerung an Joseph Freiherrn v. Laßberg auf der alten Meersburg (Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland, Bd. 53, München 1864, S. 425 ff., 505 ff.). – Wilhelm Scherer’s glänzender Aufsatz in den „Badischen Biographien“, herausgegeben von Friedrich v. Weech, II, 8 ff., Heidelberg 1875. – Reyscher’s Vorrede zu Friedrich v. Laßberg’s Ausgabe des „Schwabenspiegels“, Tübingen 1840.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 1799–1854