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Artikel „Jaromar I. und Tezlaw“ von Theodor Pyl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 722–724, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Jaromar_I.&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 00:23 Uhr UTC)
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Jaromar I. und Tezlaw, die beiden ersten urkundlich nachweisbaren Fürsten von Rügen, gehören zu einem uralten wendischen Herrschergeschlechte, dem wahrscheinlich auch die pommerschen u. a. benachbarten Herzoge entstammen, mit welchen sie als gemeinsames Emblem den Greif neben dem Löwen im Wappen führten. Nach Kantzow’s dritter Chronik waren sie, nebst Stoislaf, dem Ahnherrn der Fürsten von Putbus, die Söhne von Ratislaw (Ratze), von jenem slavischen Helden, welcher im J. 1138/9 Lübeck eroberte, und gehörten zu den Nachkommen Kruto’s, welcher von 1066–93 den Namen eines Königs von Rügen und der Obotriten führte. Ihre Jugend war dem Kampfe gegen Heinrich den Löwen und Waldemar I. von Dänemark gewidmet, welche beide sich zur Unterwerfung der slavischen Länder vereinigt hatten; nach Saxo’s Bericht nahm Tezlaw, auch gezwungen, als dänischer Vasall, an jenen Kriegen Theil, welche Waldemar 1162–68 gegen Pommern führte und bei denen Wolgast belagert wurde. Ebenso läßt sich annehmen, daß Tezlaw und J. mit jenen rügischen Fürsten identisch sind, welche, bei der Einweihung des Lübecker Doms durch Heinrich den Löwen im J. 1163 gegenwärtig waren und dem Ueberwinder Gelöbnisse des Friedens und ihre Huldigung darbrachten. Dieser Friede war jedoch nur von kurzer Dauer, denn schon in den folgenden Jahren eroberten die Dänen aufs neue Rügen und Pommern und wußten sogar die letzteren zur Feindschaft gegen ihre Stammgenossen aufzureizen. Das J. 1168 führte endlich den Abschluß des Kampfes und die dauernde Unterwerfung Rügens unter die dänische Oberhoheit herbei. König Waldemar, in Gemeinschaft mit dem Bischof Absalon von Roeskilde und den pommerschen Herzogen Bogislaw I. und Casimir II., sowie mit Pribislaw von Mecklenburg, überfiel mit einer Flotte und einem starken Heere die Insel, und belagerte die Burg Arkon auf Wittow, in welcher dem Gotte Swantevit ein Tempel geweiht war. Durch kluge Benutzung eines Feuerbrandes, welcher die hölzerne Befestigung arg beschädigte, gelang es am 14. Juni, die Burg zur Uebergabe zu bewegen, und als Friedensbedingungen die Zerstörung des Tempels und Götterbildes, Auslieferung des Tempelschatzes, die Bekehrung der Rügianer zum Christenthum und Ueberweisung der Tempelgüter an die neuzuerbauenden christlichen Kirchen und deren Priester, Freilassung christlicher Gefangener, Heeresfolge und Tribut zu erlangen. Ein angesehener Wende aus Garz, Granza, erbot sich, diese Hauptburg Rügens gleichfalls zur Uebergabe zu veranlassen, und erreichte es durch seine lebhafte Schilderung von Arkons Fall und der Macht der Dänen, daß Tezlaw und sein Bruder J., nebst den Angesehensten der rügischen Geschlechter, in der Nähe von Garz am Ufer am 16. Juni mit dem auf seinen Schiffen gelandeten Bischofe Absalon und dem nachfolgenden Könige eine Zusammenkunft hielten, in Folge [723] welcher sie sich und die Feste dem Sieger unterwarfen und die drei Götterbilder des Rugevit, Porenuz und Porevit der Zerstörung überließen. Die pommerschen Herzoge ernteten von ihrer den Dänen geleisteten Hülfe weder Ruhm noch Vortheil, da König Waldemar und der Bischof die Tüchtigkeit des Fürsten J. erkennend, ihn und seinen Bruder Tezlaw im ungestörten Besitze ihres Landes bestätigten. Im unbedachten Zorn, vielleicht von Heinrich dem Löwen, der die wachsende Macht der Dänen fürchtete, gereizt, traten sie ihrem Verbündeten jetzt als Feinde entgegen, Waldemar jedoch war ihnen überlegen, belagerte Stettin und wurde auf diesem Zuge von Tezlaw und J. im J. 1170 unterstützt. Seit dieser Zeit fehlt jede Kunde über Tezlaw und ist zu vermuthen, daß er zwischen den J. 1170 und 81 gestorben und die Herrschaft an seinen Bruder J. übergegangen sei. Als nämlich Kaiser Friedrich I., um den Sturz Heinrichs des Löwen vorzubereiten, sich mit Waldemar von Dänemark zu verbünden suchte, und den Herzog Bogislaw I. im J. 1181 mit Pommern belehnte, erscheint J. I. schon als der alleinige Fürst von Rügen, zugleich aber als ein so treuer Anhänger der Dänen, daß der Kaiser auf ihn als möglichen Bundesgenossen gar keine Rücksicht nahm. Auch in dem Kriege, welchen Waldemars I. Sohn, König Kanut VI., gegen Pommern und Mecklenburg 1183 führte, war J. dessen Verbündeter und machte von Tribsees einen Einfall in das Nachbarland. Noch mehr wuchs seine Macht und sein Einfluß, als er nach Bogislaws I. Tode (1187) und erneutem Kriege Kanuts gegen Pommern zum Vormunde der minorennen Herzoge Bogislaws II. und Casimirs II. ernannt wurde, und die Grenzen Rügens und des Bisthums Schwerin sich bis Gützkow und Wolgast ausdehnten. In Folge dessen bestimmte der König im J. 1194 die Theilung rügischer und pommerscher Länder in der Weise, daß die Gegend zwischen Anklam (Seitene) und Lassan zu Pommern-Wolgast, Loitz und Meseritz, nördlich und südlich von der Peene, zu Gützkow (bis 1233 unter einer Seitenlinie der pommerschen Herzoge, den Swantiborizen, und von 1233–1359 unter den Grafen von Gützkow aus dem märkischen Dynastengeschlecht von Soltwedel, s. d. Art.), Tribsees und Wusterhusen dagegen zum Fürstenthum Rügen gehören sollten. In den folgenden Friedensjahren von 1184–98 wendete J. seine ganze Sorgfalt auf die Befestigung und Ausbreitung des Christenthums, zu dessen Pflege seit 1168 elf Kirchen, wahrscheinlich anfangs aus einfachem Holzbau, errichtet waren. Im J. 1193 begründete der Fürst dagegen nach dänischen Vorbildern den Steinbau des Cisterciensernonnenklosters zu Bergen, von dessen Kirche die wesentlichsten Theile noch jetzt erhalten sind, auch verlieh er um dieselbe Zeit einen Theil des Salzwerks am Ryckflusse, an der Stelle, wo später Greifswald begründet wurde, dem Kloster Dargun, ebenso wird die Erbauung der Gotteshäuser zu Altenkirchen auf Wittow und zu Schaprode, sowie zu Semlow und Eixen im rügischen Festlande und zu Lübchin in Mecklenburg in diese Zeit fallen. Der dann 1198 folgende dritte Krieg Kanuts gegen Pommern und Brandenburg, welcher mit einer Niederlage der Dänen und Jaromars endete, und die pommerschen Herzoge die dänische Lehnsherrschaft mit der Märkischen vertauschen ließ, hatte 1199 die Stiftung eines neuen Cistercienserklosters zu Eldena (Hilda) im rügischen Lande Wusterhusen zur Folge, in der Nähe jenes Salzwerkes, von dem J. schon einen Theil dem Kloster Dargun verliehen hatte. Die Darguner Mönche nämlich, deren Sitz durch den Krieg von 1198 zerstört war, siedelten (nach Jongelin) an diesen vor Verheerung mehr gesicherten Ort über, wo sie einen neuen Convent mit einer Kirche begründeten, die im 30jährigen Kriege zerstört, jetzt noch in Trümmern erhalten sind. Indem nun J. in den folgenden Jahren einerseits bedacht war, diese Stätte des Friedens mit Privilegien und mächtigem Grundbesitz auszustatten, betheiligte er sich mit [724] gleichem Eifer an den Kriegen, welche Kanuts VI. Sohn, Waldemar II., in den J. 1205, 9 und 14 gegen Brandenburg und Pommern führte, in Folge deren letzteres unter die dänische Herrschaft zurückkehrte und Kaiser Friedrich II. Waldemar 1214 im Besitz aller slavischen Länder bestätigte, ein Beschluß, der auch von den Päpsten Innocenz III. (1216) und Honorius III. (1217) seine Genehmigung empfing. Die letzten Lebensjahre Jaromars waren der Erneuerung und Erweiterung der Klöster zu Dargun und Eldena, nach Kantzow’s Chronik, im J. 1209 auch der Gründung der Stadt Stralsund gewidmet, deren Emporblühen die pommerschen Herzoge durch den Krieg von 1209–11 zu hindern suchten; dann fand er schließlich, als ihn im Greisenalter im J. 1218 der Tod ereilte, seine Ruhestätte in der Klosterkirche zu Bergen. Unter seinen Söhnen, von denen der älteste, Barnuta, das Dynastengeschlecht von Gristow begründete, empfing Wizlaw I. (s. d. Art.) die Herrschaft über das Fürstenthum.

Fabricius, Urk. z. Gesch. des Fürstenth. Rügen, Bd. I–II, 1841–43. L. Giesebrecht, Wendische Geschichten, Bd. III. 1843. Barthold, Pomm. Gesch., Bd. II. Fock, Rüg.-pomm. Gesch., Bd. I–II. 1861, 62. Klempin, Pomm. Urk.-Buch, Bd. I. Stammtafeln des pomm.-rüg. Fürstenhauses H. v. v. Bülow, 1876. Beyer, Kruto und sein Geschlecht, Mecklenb. Jahrh., XIII. 1848, S. 1 ff. Wigger, Berno, Bischof von Schwerin, Mecklenburg. Jahrb., XXVIII. 1863, S. 3 ff. Karl v. Rosen, Dänemarks Einfl. auf die christl. Arch. Rüg. Vereinsschrift des rüg.-pomm. G.V. 1872. Löffler, Die Klosterkirche zu Bergen übers. von G. v. Rosen, Balt. Stud., Jahrg. XXIX. 1879. Pyl, Gesch. des Cist.-Klosters Eldena, 1881.