Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Jacobson, Eduard“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 606–611, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Jacobson,_Eduard&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 14:24 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Jacobi, Justus Ludwig
Nächster>>>
Jacobson, Heinrich
Band 50 (1905), S. 606–611 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Eduard Jacobson in der Wikipedia
Eduard Jacobson in Wikidata
GND-Nummer 117047724
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|50|606|611|Jacobson, Eduard|Ludwig Julius Fränkel|ADB:Jacobson, Eduard}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117047724}}    

Jacobson: Eduard J., humoristischer Dramatiker, insbesondere Possendichter, Neudeutschlands fruchtbarster Theaterschriftsteller, geboren am 10. November 1833 zu Großstrehlitz in Oberschlesien als Sohn eines Rabbiners, besuchte 1846–50 das Gymnasium zu Oels, danach bis Herbst 1854 das zu Ostrowo in Posen und studirte darauf bis 1858 zu Berlin Medicin, promovirte darin auch ebendaselbst Anfang 1859 zum Dr. med. In Berlin sich niederlassend hat J. dort auf die Dauer seinen Wohnsitz behalten, sich immer mehr in die sociale, die volkspsychologische und die volksthümlich-litterarische Sphäre der preußischen Hauptstadt hineingelebt und hat, durch sofortige frühzeitige Bühnenerfolge veranlaßt, den Dienst Aeskulaps gar nicht angetreten, sondern vielmehr den Thaliens vorgezogen, welchem er sich dann bis an seinen Tod – 29. Januar 1897 zu Berlin – mit wahrer Unermüdlich-, Freudig- und erstaunlicher Fruchtbarkeit gewidmet hat. Dies der überaus einfache äußere Umriß einer Jahrzehntelang rastlosen und erfolggekrönten schriftstellerischen Wirksamkeit, der es allerdings trotz stärkster Augenblicksanerkennung des Publicums oft an rechtem persönlichen Lobe gebrach, weil die nachträgliche musikalische Leistung des mitarbeitenden Vertoners naturgemäß der Zuhörermehrheit stärker ins Ohr fiel und so die litterarische Unterlage nicht wenig in den Schatten zu stellen schien. So ist Eduard J. der allerfleißigste, meistgespielte und beliebteste Verfasser deutscher Originalpossen und verwandter dramatischer Werke geworden, der typische Vertreter der von ihm reformirten, theilweise sogar erst durch ihn neuberolinisch umgemodelten Posse der Spree-Residenz.

Jacobson’s einschlägige schriftstellerische Wirksamkeit setzt mit dem rasch bekannt gewordenen Schwank „Faust und Gretchen“ ein, seinem ersten Theaterstücke, mit welchem er am 21. April 1856 das Rampenlicht versucht hat. Der außerordentliche Beifall, den er damit gewann, bestimmte ihn eben, sich ausschließlich derartiger litterarischer Thätigkeit hinzugeben. In einem schon oberhalb des erstiegenen Gipfels gehaltenen Rückblick, in einem autobiographischen Briefe vom 9. Mai 1890, erzählt J.: „Für Ottilie Genée – ich war damals Mediciner im vierten Semester – schrieb ich den Schwank ,Bei Wasser und Brot‘ (noch heutiges Tages auf dem Repertoir), für Anna Schramm ,Faust und Gretchen‘. Beide Erstlingsarbeiten erschienen fast gleichzeitig, erstere auf dem Kroll’schen Theater, das damals der bekannte Lustspieldichter [C. A.] Görner (s. d.) leitete, letztere auf dem Friedrich-Wilhelmstädtischen (Director Deichmann), gefielen ausnehmend und erlebten ununterbrochen 40–50 Wiederholungen. In ‚Faust und Gretchen‘ spielte Theodor Lobe, der ein Jahrzehnt später einer der besten Goethe’schen Mephistos war, den Faust. Meine nächste Arbeit war ein Einacter für [Karl] Helmerding (s. d.), Verwandlungen [oder: Für jeden etwas!] (1858), der in dem damals eröffneten Königstädtischen Theater (Franz Wallner) – ‚Grüne Neune‘ – über 100 Aufführungen erlebte. Noch war ich mit Leib und Seele Mediciner, aber das Schicksal hatte es sich vorgenommen, aus mir einen Possenautor zu machen und es hat Recht behalten … Ich dachte ‚ultra Posse nemo obligatur‘ (der Scherz stammt [607] ursprünglich von mir) … Den ersten abendfüllenden und … sensationellen Erfolg hatte ich mit der Posse ‚500 000 Teufel‘, die im J. 1862 auf der damaligen Meysel-Bühne, jetzt Friedrich-Wilhelmstädtischen Theater, in Scene ging und in ununterbrochener Reihenfolge 300 Aufführungen erlebte.“ Was J. außerdem noch vorher geschrieben bezw. hat aufführen lassen, bezeichnet er a. a. O. selbst als „Kleinigkeiten, die heute noch sämmtlich beliebte Repertoirstücke sind“. Schon 1861 hatte J. eine Sammlung seiner „Possen und Vaudevilles“ veranstaltet, jedoch ist dieser als 1. Band bezeichneten nie eine Fortsetzung gefolgt; sie enthielt außer den oben genannten drei Erstlingen noch „Meine Tante – Deine Tante!“ (1858), „Lady Beefsteak“ (1860), „Wer zuletzt lacht“ (1861). Fürder hat J. den Text einer geradezu erstaunlichen Anzahl von Gesangspossen, daneben Schwänke gearbeitet, nachdem ihm Ende der 50er Jahre kleine nett erfundene und reizend durchgeführte Liederspiele die große Menge der in Betracht kommenden Bühnen zugänglich gemacht hatten. Diese Gattung hat er mit denselben Gaben, welche ihm für alle seine theatralischen Leistungen treu geblieben, wieder gern gepflegt und so begegnen uns Liederspiele am Anfang wie gegen Schluß seiner Laufbahn: „Becker’s Geschichte“ (1867) und „Becker’s Geschichte, oder: Am Hochzeitstage“ (1891) zeigen deutlich seine Ausdauer dabei, „Singvögelchen“ (1867) und „Was den Frauen gefällt“ sowie „Der Nachbar zur Linken“ (beide 1887).

In der Hauptsache jedoch und auf der Höhe seines emsigen Wirkens ganz und gar hat J. Gesangspossen und Schwänke in stattlicher Schar der leichtgeschürzten Bühnenmuse dargeboten. Und zwar nicht wenige davon, indem er sich mit „associés“ zusammenthat: eine bis dahin bei uns noch nicht eingebürgerte Schaffensweise. Diese Compagnons Jacobson’s sind O. F. Berg (d. i. Ebersberg, s. A. D. B. XLIX, 220), Otto Girndt, Gustav v. Moser, Julius Rosen (d. i. Nikolaus Duffek), Rud. Kneisel gewesen; aber J. war dabei überall der Fahnenträger, hat übrigens die meisten seiner Geisteskinder allein ans Tages- und vors Rampenlicht gefördert. „Wie nicht alle Kinder gerathen“, so ließ sich 1886, als der Dichter das Jubiläum seines 100. Bühnenstücks feierte, ein vornehmes Tagesblatt wie die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ vernehmen „so hat auch J. unter den Erzeugnissen seines Geistes einige solcher Früchtchen aufzuweisen, die trotz aller Liebe, mit welcher seine väterliche Sorgfalt sie ausgestattet, die Gunst des Publicums nicht erlangen konnten und ihr verfehltes Dasein nur noch in den Theaterbibliotheken fortführen; bei weitem aber die größere Anzahl seiner Stücke fand allgemeinen Beifall … Sein unversieglicher Humor, seine scharf pointirten Couplets, seine allerliebsten Lieder, in denen der Vers meistens meisterhaft behandelt ist, machten ihn bald zu einem unserer beliebtesten Theaterschriftsteller. Es gab eine Zeit, wo die Berliner Theater: Kroll, Wallner, Friedrich-Wilhelmstadt, fast ausschließlich durch J. mit Possen und Schwänken versorgt wurden und sein Name täglich auf allen Berliner Theaterzetteln zu finden war“. Es mag an zwei Decennien her sein, daß der Wiener Litteraturkritiker Wilhelm Goldbaum, ein feiner Beobachter, wie seine „Litterarischen Physiognomien“ (1884) bekunden, anläßlich eines Erlebnisses mit J. über dessen Genre sagte: „Wer aufmerksamer dreinschaut, findet gar bald, daß der Gang der Cultur auch den Gang des Schriftthums bestimmt. Die Berliner Localposse war ein Stück deutscher Cultur, und wenn sie gleich nicht von aristophanischem Humor beseelt wurde, so spiegelte sie doch das Wesen einer Stadt- und Volksgemeinschaft wieder, die nicht umsonst durch vierzig Jahre unter dem geistigen Einflusse geistreicher Salons gestanden hatte.“ Und unmittelbar vorher führt Goldbaum auf Grund persönlicher Kenntniß über J. folgendes aus: „Der schlanke, bewegliche [608] Mann mit dem bleichen Gesicht und dem schwarzgelockten Haupte hatte niemals einen anderen Ehrgeiz als den, auf dem Wallner-Theater als Liebling des Berliner Publicums belacht und applaudirt zu werden. Zu diesem Zwecke arbeitete er mit fieberhafter Unermüdlichkeit zwei, drei, auch vier und fünf Possen jährlich, im steten Hinblicke auf seinen Freund Helmerding, dem er wenigstens zwanzig Rollen auf den Leib geschrieben hat. Die Tantièmen flossen ohne Unterlaß, aber als leichtes Künstlerblut, das er war, hielt er sie nicht zusammen, und wenn er heute kein reicher Mann ist, so hat es das Wallner-Theater wenigstens nicht verschuldet. Es gab eine Zeit, wo jeder Berliner Schusterbube Jacobson’sche Couplets auf der Gasse vor sich hinträllerte. Das ist vorbei. Ernstere Tage sind gekommen, und wenn nicht alle Zeichen trügen, so haben sie auch die Berliner Localposse hinweggescheucht …“

Diese Couplets, deren J. Hunderte, größtentheils zündenden Inhalts, voller Witz und Schlager in seine heiteren Schöpfungen eingestreut hat, müssen als eine Besonderheit seines Talents gelten, und er erhebt sich mit ihnen wesentlich über seine specifischen Vorgänger und Concurrenten E. Dohm, D. Kalisch, R. Löwenstein, Salingré. Schon 1890 im citirten Briefe nennt der Dichter, mit resignirter Selbsteinsicht, diese seine Lieblingsproducte, die „größtentheils ihrer Zeit sehr populär gewesen – jetzt versunken und vergessen – bis auf ein paar noch heute so populäre Refrains: ‚Glücklich, August, macht das nicht‘ – ,Was meinen Sie, wie gesund ist das‘ – ,Da werden Sie wohl kein Glück mit haben‘ – u. s. w. Auch einige Redensarten aus meinen Possen, wie ‚Brillanter Witz, habe lange nicht so gelacht‘, ‚Bange machen gilt nich‘, ,Immer rin ins Vergnügen‘ u. s. w. werden hie und da noch gehört.“ Besonderen Werth legte J. jederzeit und zwar mit Recht, außer auf den classischen Komiker Karl Helmerding als Träger vieler Paraderollen, auf die Soubretten, welche seine Gestalten mit Schick und Verve verkörpern sollten und dem auch glücklich nachgekommen sind. Nachdem er in der Mejo, Lina Mayr, Amalie Wollrabe, Marie Stolle, Sophie König verständnißvolle Interpretinnen seiner vis comica gefunden hatte, erlebte J. die glänzendsten Triumphe dadurch, daß die geniale Ernestine Wegner (vgl. meinen Artikel A. D. B. XLI, 786) sich gänzlich den Offenbarungen seiner Laune weihte. Es ist nicht wohl begreiflich, wie ein so bühnenkundiger Richter wie Paul Schlenther (s. ebenda) der „Tini“ nicht nur vollste Gerechtigkeit widerfahren, sondern sogar höchstes Lob zutheil werden lassen, andererseits (Jahresberichte f. neuere deutsche Litteraturgeschichte II, II 117 zu IV 572) Jacobson’s solide volksmäßige Muse und ihre Stellung 1891 mit derjenigen Kotzebue’s – netto ein Jahrhundert früher – vergleichen konnte. Denn betreffs der von ihm selbst gebilligten Triumphe der Wegner wußte doch auch Schlenther, der damalige Berliner Theaterreferent, daß Jacobson’s „Name mit denselben eng verknüpft war“, um hier des Dramatikers eigene Worte zu gebrauchen, der dann fortfährt: „Sie spielte fast nur in meinen Stücken: ,Der jüngste Lieutenant‘, ‚Die Lachtaube‘, ‚Der Mann im Monde‘, ‚Ebbe und Flut‘“. Wie der ihr sehr befreundete J. seine besten und zugkräftigsten Possen eben für diese hochbegabte ungemein sympathische Künstlerin geschrieben, so machte sich auch eine Abnahme ihrer früh erlöschenden Kräfte zuerst als Caprice (Niniche) in dem letztgenannten Stücke (1882) geltend, während sie am 30. April 1884 in der 112. Aufführung der Jacobson’schen Posse „Der jüngste Lieutenant“ in der Titelrolle (Bernhard), wol ihrer vollendetsten Darbietung, zum letzten Male die Bühne betreten hat – ein halbes Jahr später sank die ewig Frohgemuthe 33jährig einem argen Nervenleiden zum Opfer. Und die Wegner hat Jacobson’s Bühnenschöpfungen von der deutschen Reichshauptstadt auch nach der [609] österreichischen Kaiserstadt verpflanzt, 1876, mit stürmischen Erfolgen – ein bühnengeschichtlich überraschendes Ereigniß angesichts des allgemeinen Vorurtheils, das an der Donau gegen Spree-Athens Humor, individuelle Posse und Soubretten herrschte und herrscht. Schon unter den erwähnten Schauspielerinnen, welche Jacobson’sche Figuren „kreirten“, befinden sich mehrere Oesterreicherinnen; aber auch die beiden classischen Wiener Soubretten haben ihre Kraft in seinen Dienst gestellt: Josefine Gallmeyer (1838–84) hat in einigen seiner Possen gewirkt, die für Wien localisirt wurden – „unzählbar sind die für Wien bearbeiteten Berliner Possen von Kalisch oder J., in denen wol aus dem ‚Budiker‘ ein ‚Greißler‘ gemacht wurde, die aber trotzdem berlinerisch geblieben sind bis ins innerste Mark“, sagt Ferd. Groß, in seinem Essay über den Wiener Witz, „Was die Bücherei erzählt“ (1889), S. 289 f. – andererseits hat J. für Marie Geistinger, der er später eine Glanznummer, „Die Näherin“, gleichsam abgeborgt hat, indem er dies Wiener Stück Ludwig Held’s mit Glück für Berlin, das dortige Wallner-Theater und Marie Schwarz adaptirte, die Posse, „Die Salontirolerin“ geschrieben, in der sie noch in den 80er Jahren, zum letzten Male vor ihrem Bühnenabschied, auf dem Berliner Belle-Alliance-Theater ausschließlich ein Gastspiel absolvirte. Neben diesen haben Norddeutschlands größte Soubrette und spätere „komische Alte“, Anna Schramm, sowie die überaus ausdauernde Ottilie Genée, eine der begeistertsten Interpretinnen und Lobrednerinnen des Dichters, dem sie soviel Lorbeeren dankte, dann Anna Bäckers, die er gegen Schluß seiner Thätigkeit entdeckte und mit großer Zufriedenheit, 1890, nach der mit Leopold Ely gemeinsam verfaßten Posse „Die junge Garde“ 150maligen Aufführung von 1889 im Berliner Adolf-Ernst-Theater ebendaselbst über 100 mal im „Goldfuchs“ seine Soubrette verkörpern sah. In dies Bühnenhaus war Jacobson’s Muse übergesiedelt, seitdem in den Achtzigern aus seinem angestammten Wallner-Theater die jüngst französischen Schwankpicanterien die deutschen Autoren verdrängt hatten.

Die Titel der Jacobson’schen Possen und Schwänke findet man nirgends auch nur einigermaßen vollständig zusammengestellt. Es seien hier darum die nennenswerthesten d. h. in erster Linie die erfolgreichsten, aufgeführt, soweit sie nicht oben bisher schon genannt worden. Die Possen: „Backfische, oder: Ein Mädchenpensionat“ (1864), „Seine bessere Hälfte“ (1864), „Narciß im Frack“; Soloscene (1865), „Humor verloren – alles verloren!“ (1867), „1733 Thaler 22½ Silbergroschen“ (1870), „Die Lachtaube“ (1883), „Das lachende Berlin“ (1888), „Der Tanzteufel“ (1891), „Fräulein Feldwebel“ (1892), „Modernes Babylon“ (1892), „Der Mann im Monde“ (1892), „Goldlotte“ (1893), „Die Bajazzi“ (1894), ferner, beide mit O. Girndt, „Die Galloschen des Glücks“ (1876) und „Ein weißer Rabe“ (1888); die Schwänke: „Lehmann’s Jugendliebe“ (1862), „Kammerkätzchen“ (1869), „Die kleine Schlange“ (1885), außerdem die Sammlung „Polterabend-Komödien. Heitere Bühnenstücke“ (2. Aufl. 1888). Außer diesen wol größtentheils auch in Druck ausgegangenen haben wochenlange Heiterkeitsstürme und scenische Siege erzielt: „Der Postillon von Müncheberg“, „Das Mädel ohne Geld“, „Wünsche und Träume“, „Die schöne Sünderin“, „Die Kohlenschulz’n“, „Der lockere Zeisig“, „Bummelfritze“, „Hotel Klingebusch“, „Drei Monate nach Dato“, „Spillike in Paris“, „Die Probiermamsell“, „Die Frau Mama“, „Moderne Vagabunden“, „Berliner in Philadelphia“ u. a. m. Als im J. 1886 J. mit der Posse „Ein gemachter Mann“ (aufgenommen in Reclam’s Universalbibliothek) sein 100. Bühnenstück lieferte, ging die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ in ihrem bereits oben angezogenen Gelegenheitsartikel auf diese Thatsache wie [610] folgt ein: „Nur wer das Theater genauer kennt, ist im Stande, richtig zu beurtheilen, welch ein ungeheures Quantum von Arbeit, Fleiß und Erfindungsgabe in hundert solcher Werke aufgespeichert liegt … In den letzten Jahren hat J. nicht mehr so viel geschrieben wie früher, hat aber dafür auch manches recht Gehaltvolle geliefert. Eine seiner besten Possen ist sein soeben erwähntes hundertstes Werk: ‚Ein gemachter Mann‘, seiner Zeit ein Zugstück des Wallner-Theaters. Die von niedlichen Liedern und zündenden Couplets begleitete Handlung bewegt sich überall in den Grenzen des Wahrscheinlichen; die einzelnen Figuren sind, ohne Caricaturen daraus zu machen, mit characteristischen Strichen humorvoll gezeichnet, der Inhalt ist sehr lustig und dabei so harmlos, daß der Berliner dieses Stück auch mit der erwachsenen Tochter besuchen konnte. Derartige Stücke werden immer seltener; … wir wünschen daher Herrn J. von ganzem Herzen Glück zu dem in der Jubiläumsposse eingeschlagenen Wege. Wenn er sich wie hier frei hält von jeder Zweideutigkeit und den sog. politischen Couplets entsagt, die wie ein chronisches Leiden vielen seiner früheren Werke anhaften [aber seine Anlagen für Zeitsatire und Pointe-Kraft greifbarer veranschaulichen, auch in Berlin gerade Beifallssalven hervorzurufen pflegten], so wird sein Witz und sein frischer Humor auch ferner ihn immer zum sicheren Erfolge führen.“ Solche sind denn auch kaum einem andern Tagesdramatiker der jüngeren deutschen Vergangenheit in gleichem Umfange beschieden gewesen, wenn sich freilich auch an Eduard J. selbst bestätigt hat, was W. Goldbaum in seinem oben benutzten Artikel über ihn betreffs des litterarhistorischen Urtheilswechsels überhaupt gesagt hat: „Es ist kinderleicht, Litteraturgeschichte zu schreiben, wenn man die Genügsamkeit besitzt, hinter dem großen Haufen einherzugehen und ihm abzulauschen, was er in seiner Launenhaftigkeit verwirft und was er mit naiver Willkür auf den Schild erhebt.“ Schon J. selbst hat den Wandel des Geschmacks, den Umschlag zu gesteigertem Raffinement auch auf den Brettern der volksmäßigen Theatergöttin erlebt und erkannt: ob diese neu eingeschlagenen Bahnen durchweg gesunde und bessere, steht noch dahin. Jedenfalls erscheint es völlig unangebracht, auf einen Bühnenschriftsteller heute mit souveräner Verachtung herabzusehen, dessen launige und lebendige Theaterstücke monatelang auf breite Schichten des städtischen deutschen Bürgerthums als Cassenmagneten gewirkt haben, ohne daß sie irgendwie an niedere oder unlautere Instincte appellirt hätten. Eugen Zabel, der vieljährige Berliner Theaterkritiker, der ihn genau gekannt, hat in seinem Nekrolog (mit Porträt) in Nr. 2798 der „Illustrirt. Ztg.“ (13. Febr. 1897) S. 196 eine überaus wohlgelungene Charakteristik der liebenswürdigen und anspruchslosen Persönlichkeit Jacobson’s entworfen. Der habe seine daheim wohlgeordneten zahlreich aufgesammelten Witze, Schnurren und drolligen Einfälle rastlos in die ihm oft eingegebenen Stoffe mit Geschick einzuflechten gewußt und sei vom einactigen Singspiel mit knapp geschürzter Handlung, witziger Pointe und volksthümlicher musikalischer Begleitung – „Singvögelchen“ nehme durch leichte Spielbarkeit, dankbare Rollen und angenehme, populäre Führung der Handlung den ersten Rang dieser kleinen frischempfundenen Singspiele ein – zum größeren Rahmen der Berliner humoristischen Posse gelangt, in ein Gebiet, „das doch im Rahmen des großstädtischen Lebens seine volle Berechtigung“ habe, mögen auch Litteratur und dramatische Kunst dabei ziemlich abseits stehen. Einen deutlichsten Beweis für die andauernde große Popularität Jacobson’scher Couplets erbringt die Thatsache, daß bei einem auf den „chiksten“ Carnevalsunterhaltungen der lustigen süddeutschen Metropole im Januar 1905 auffallenden prachtvollen weiblichen Domino „die Schlußborte die 500 000 Teufel aus dem bekannten [611] Liede vorführt“ (General-Anzgr. d. Münch. Neuest. Nachr. Nr. 60 v. 6. Febr. 1905, S. 12); auf einem bal parée des Münch. D. Theaters.

Die lebensgeschichtlichen und bibliographischen Daten in den üblichen Nachschlagewerken gehen meistens auf einen und denselben ursprünglich von J. selbst aufgesetzten sehr äußerlichen Entwurf zurück, so auch bei: Brümmer, Lex. d. dtsch. Dichter u. Pros. d. 19. Jhrhs.5 I 220 (u. 530); A. de Gubernatis, Dictionnaire des écrivains du jour S. 1228a; R. Wrede u. H. v. Reinfels, Das geistige Berlin I (1897), 208 f.; Hinrichsen, Lit. Deutschl.² 618 (etwas reichhaltiger); mein von ihm revidirter Artikel in der 14. Aufl. des „Brockhaus’schen Conv.-Lex.; Meyer’s Conv.-Lex.5 IX, 446 u. Bornmüller’s Schriftsteller-Lex.; S. 361. Die Encyklopädiker des modernen Dramas schweigen meistens über ihn; R. Prölß, Gesch. d. neuer. Dramas III 2, 372 nennt nur ganz nebenbei seinen Namen. Die Hauptquelle bilden für uns die mit vielen authentischen Daten, namentlich auch Briefen von und an E. J., versehenen Mittheilungen Ad. Kohut’s in seinem Buche „Die größten und berühmtesten Soubretten des 19. Jahrhs.“ (1891), besonders das Schlußcapitel (S. 195–203) „Ein Dichter nach dem Herzen der Possensoubretten (Eduard Jacobson)“ – dessen Text fast wörtlich in Kohut’s Buch „Berühmte israelit. Männer u. Frauen“ II, 11–13 (mit Porträt S. 11) übergegangen – ferner S. 92 f., 104, 107–110 (vgl. 44 f.), 133 f., 161 f. Die oben von J. selbst aufgezählten populär gewordenen Redensarten aus seinen Stücken sind es in Berlin und theilweise Norddeutschland noch geblieben, fehlen aber in Büchmann’s „Geflügelten Worten“ bis in die 22. Aufl. von 1905. Genannt ist wenigstens sein Name unter den bemerklichsten Vertretern der Berliner Posse bei G. Karpeles, Allg. Gesch. d. Lit. II, 664. Die Grundlage für die biographischen Angaben an verschiedenen Stellen bildet ersichtlich D. Th.’s kurzer Lebensabriß nebst Würdigung vor dem Reclam-Druck der „Posse mit Gesang in drei Aufzügen“ – ‚Ein gemachter Mann‘ (Nr. 2265), S. 3–4; ebenfalls i. Reclam’s U.-B. erschien 1892 als Nr. 2977 die Gesangsposse „Der Mann im Monde“. Als Musterbeispiel einer einactigen Jacobson’schen Gesangsposse diene „Bei Wasser und Brod“ Nr. 17 von „Ed. Bloch’s Dilettanten-Bühne“. – Einen warmen Freundesnachruf weihte ihm Julius Stettenheim: „Ed. Jac. Ein Blatt der Erinnerung“ ‚Das Kleine Journal‘ (Berlin) Nr. 36 vom 5. Febr. 1897; herzlicher poetischer Nachruf auf Jacobson’s Humor von R. S(chmidt)-C(abanis) im „Ulk“ v. 5. Febr. 1897, Nr. 6, S. 6.