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Artikel „Wallner, Franz“ von Hermann Arthur Lier in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 762–764, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wallner,_Franz&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 01:18 Uhr UTC)
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Band 40 (1896), S. 762–764 (Quelle).
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Wallner: Franz W., Schauspieler, wurde im J. 1810 in Wien geboren. Sein Familienname war Leidesdorf und sein Vater entweder ein wohlhabender Börsensensal oder ein angesehener Kaufmann. Da W. von Kind auf große Neigung für die Bühnenlaufbahn zeigte, seine Eltern aber davon nichts wissen wollten, hatte er zu Hause mancherlei Unannehmlichkeiten durchzumachen. Als er kaum zwanzig Jahre alt war, floh er heimlich nach Krems und trat hier unter dem Namen Wallner, den er fortan beibehielt, zum ersten Male im J. 1830 auf der Bühne öffentlich auf. Er führte hierauf mehrere Jahre ein abwechslungsreiches Wanderleben und spielte in den kleineren österreichischen Städten und Marktflecken wie in Wiener-Neustadt und Ischl Helden- und Liebhaberrollen, für die er sich am wenigsten eignete. Durch Nestroy’s Vermittelung wurde er dann an das Theater an der Wien engagirt, wo er bis zu dem Tode Raimund’s im J. 1836 völlig unbeachtet blieb. Als er aber hierauf das Rollenfach Raimund’s übernahm und damit Aufgaben gestellt erhielt, die seiner Begabung entsprachen, gelang es ihm, sich in kurzer Zeit zum Liebling des Wiener Publicums emporzuschwingen, weshalb er von dem Theaterdirector Carl von dem Theater an der Wien weg und für das Carl-Theater engagirt wurde. Von Wien kam er an das Theater in Lemberg, wo er zwei Jahre lang blieb. Von dort aus unternahm er häufige Gastspielreisen nach Deutschland, die von solchem Erfolge begleitet waren, daß er sich entschloß, auf ein neues Engagement in Oesterreich zu verzichten [763] und sein Glück im Ausland zu versuchen. Er nahm ein Engagement an der Hofbühne in St. Petersburg an und vermählte sich mit Agnes Kretschmar (geboren in Leipzig am 22. December 1826), einer Pflegetochter Robert Blum’s, die er auf seinen Gastspielreisen kennen gelernt hatte, und die bald darauf wegen ihrer Vielseitigkeit eine wesentliche Stütze seiner eigenen Theaterunternehmungen werden sollte. Mit diesen Unternehmungen machte er den Anfang, als er die Theaterdirection in kleineren süddeutschen Städten, wie in Freiburg i. Br. und in Baden-Baden übernahm. Von letzterer Stadt aus wurde er zur Leitung des Theaters nach Posen berufen, wo es ihm zwar an künstlerischen Erfolgen nicht fehlte, der materielle Gewinn aber seiner Thätigkeit alles zu wünschen übrig ließ. Das änderte sich erst, als er sich im J. 1854 entschloß, das kleine von Rudolf Cerf in der Blumenstraße zu Berlin erbaute Königsstädtische Vaudeville-Theater, das im Volksmund den Spitznamen: „Die grüne Neune“ führte, zu pachten. Nachdem er Anfang September 1855 mit seiner Truppe von Posen nach Berlin übergesiedelt war, gelang es ihm, in verhältnißmäßig kurzer Zeit durch Fleiß und Geschicklichkeit sein Unternehmen bei der Berliner Bevölkerung beliebt zu machen und nach und nach zu einer localen Berühmtheit emporzuheben. Während er selbst als Director nur noch selten auftrat, hatte er das Glück, in Karl Helmerding, Theodor Reusche, August Neumann und Anna Schramm ein Komikerquartett zusammen zu bringen, bei dessen Auftreten er stets des Erfolgs sicher sein konnte, zumal seitdem er in dem Possendichter David Kalisch einen Mitarbeiter besaß, dessen Schöpfungen die Gunst der Berliner unentwegt treu blieb von dem „Actienbudiker“ an, der am 9. Juli 1856 zum ersten Mal gegeben wurde, bis zu den „Mottenburgern“. Schon nach zweijähriger Thätigkeit konnte er das bisher nur gepachtete Theater käuflich an sich bringen, comfortabler ausbauen und durch eine Sommerbühne erweitern. Als trotzdem die Räume für den Andrang des Publicums nicht mehr genügten, entschloß er sich zu einem vollständigen Neubau, den er am 3. December 1864 als „Wallnertheater“ an der gleichnamigen Straße eröffnete. Er pflegte auf der neuen Bühne fast ausschließlich die alt bewährte Berliner Localposse, während er von der Aufführung moderner französischer Sittenstücke eines Dumas, Augiet, Sardou u. a., mit denen er in dem alten Hause viel Erfolg gehabt hatte, wobei ihm das Talent seiner Frau wesentlich zu Statten gekommen war, mehr und mehr absah. Doch sollte seine Wirksamkeit im neuen Hause von nur kurzer Dauer sein. Er fühlte das Bedürfniß nach Ruhe und erklärte: „Wie der Schauspieler, so hat auch der Director genau darauf zu achten, daß er im rechten Augenblick aufzuhören sucht. Ehe es ein Anderer merkt, muß er selbst wissen, daß er die Zeit nicht mehr versteht und nahe daran ist, aus der Mode zu kommen.“ In dieser Erkenntniß entschloß er sich, am 30. April 1868 von der Bühne Abschied zu nehmen und sein Theater an den Director Theodor Lebrun zu verpachten. Zur Ruhe kam er trotzdem nicht. Vielmehr fing er seitdem sein Wanderleben wieder aufs neue an, indem er sich aufs Reisen verlegte, um dann als Schriftsteller vor allem in populären Blättern wie in der „Gartenlaube“ und in „Ueber Land und Meer“ von seinen Eindrücken und Erlebnissen zu plaudern. Im Sommer pflegte er zur Cur nach Karlsbad zu kommen, im Herbst aber zog er weiter nach Paris oder Rom, nach Südfrankreich oder Spanien, nach Neapel oder Aegypten. Als er sich zu Weihnachten 1875 in Nizza aufhielt, erkrankte er und starb bald darauf, am 19. Januar 1876. Er wurde auf dem Georgenkirchhof zu Berlin bestattet. – Die Zahl seiner Schriften, die Wurzbach zusammengestellt hat, ist ziemlich groß; aber, wenn er auch seiner Zeit ein beliebter Autor war und viel gelesen wurde, so besitzen seine Bücher doch keinen höheren litterarischen Werth und sind meist schon der Vergessenheit anheim gefallen, während sein Name in der Geschichte der [764] deutschen Bühne immer mit Ehren genannt werden wird, da mit ihm die Schöpfung und Blüthe der besseren Berliner Posse auf das engste verknüpft ist.

Vgl. Wurzbach, LII, 286–292. – Gartenlaube, Leipzig 1876, Nr. 34, S. 564–568 („Ein Ahasver der Kunst“). – Illustrirte Zeitung, Leipzig 1876, Bd. 66, Nr. 1702. S. 123–126. – Die Geschichte des Wallner-Theaters im „Bär. Illustrirte Berliner Wochenschrift“ X, 194–196, 223–227, Berlin 1884.