ADB:Holstein, Friedrich Franz von

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Artikel „Holstein, Friedrich Franz v.“ von Moritz Fürstenau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 1–2, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Holstein,_Friedrich_Franz_von&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 13:45 Uhr UTC)
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Holstein: Friedrich Franz v. H., geb. am 16. Februar 1826 zu Braunschweig, entstammte einer alten Adelsfamilie aus dem Mecklenburgischen. Sein Vater, strenger Soldat und Aristokrat, trat zwar dem früh erwachenden musikalischen Talent des Sohnes nicht entgegen, verlangte aber doch unerbittlich, daß derselbe die militärische Laufbahn einschlug. Mit dem 16. Lebensjahre trat H. in das Cadettenhaus zu Braunschweig. Durch die Bekanntschaft mit Griepenkerl ward ihm die Möglichkeit geboten, seiner Neigung für die geliebte Musik gerecht zu werden; vor Allen waren es Berlioz, Liszt und die Opern Meyerbeer’s, welche mächtigen Eindruck auf sein empfängliches Gemüth machten. Beschäftigt mit den Vorbereitungen zum Officiersexamen, arbeitete er zugleich mit Eifer an einer Oper „Zwei Nächte in Venedig“; er vollendete beides: Examen und die Oper! Das Garnisonleben und die musikalischen Studien des jungen Mannes wurden unterbrochen durch die Bewegungen des J. 1848 und den Feldzug nach Schleswig-Holstein, den H. mitmachte. Während eines Aufenthaltes in Sesen, wohin er inzwischen als Adjutant bei einem Landwehrbataillon versetzt worden war, erschienen seine als op. 3 und 4 veröffentlichten Balladen und Lieder bei Bote & Bock in Berlin. – Im J. 1853 endlich konnte H. den langgehegten Wunsch ausführen, sich ganz der Kunst zu widmen. Durch das beistimmende Urtheil Hauptmann’s in Leipzig bewogen, billigte der Vater den Entschluß und so ging der nun 27jährige Kunstjünger nach Leipzig, um seine Musikstudien zu vollenden. Clavierunterricht genoß er bei Wenzel, Plaidy und Moscheles, Theorie und Formenlehre hörte er bei Richter, Contrapunkt bei Hauptmann, zu dessen Privatschülern er übrigens zählte, Composition bei Richter und Rietz. Eine Fülle neuer Eindrücke bedrängte ihn. Von Schumann und Mendelssohn war ihm fast alles neu, von Bach kannte er bis dahin nur die kleineren Clavierwerke. Beethoven’s riesige Sinfonien waren ihm bis auf die Eroica und die C-moll unbekannt geblieben! Dazu kamen die ersten Aufführungen des „Tannhäuser“ und „Lohengrin“. – 1866 trat er zum ersten Mal mit einem größeren Werke vor die Oeffentlichkeit und zwar mit der Oper „Der Haideschacht“, die mit entschiedenem Erfolge in Dresden gegeben ward, um von da den Weg auf viele deutsche Bühnen zu finden. – Eine zweite 1872 zuerst in Leipzig gegebene Oper „Der Erbe von Morley“ hatte nicht den gleichen Erfolg. Mehr Glück machte eine dritte Oper „Die Hochländer“, welche zuerst 1878 in Mannheim aufgeführt wurde. Zu sämmtlichen Opern hatte H. auch den Text geschrieben. Inmitten des rüstigsten Schaffens hatte sich inzwischen bei dem trefflichen Künstler ein schweres Leiden (Magenkrebs) ausgebildet. Trotz der sorgsamsten Pflege der [2] geliebten Gattin (Hedwig Salomon) erlag er diesem heimtückischen Uebel in der Nacht vom 21. auf den 22. Mai 1878. Kurz vorher hatte er mit seiner Frau den schon früher gehegten, bald nach seinem Tode von seiner treuen Gefährtin ausgeführten Gedanken besprochen, auf seinem Grundstück eine Stiftung für junge Musiker zu errichten, ein Künstlerhaus, das unbemittelten Talenten eine sichere Zuflucht während ihrer Ausbildung auf dem Leipziger Conservatorium gewähren sollte. – Außer den erwähnten Opern hat H. einige Kammermusikwerke geschaffen, worunter eine Claviersonate in C-moll und ein Trio in G-moll zu erwähnen sind. H. war entschieden Lyriker; sein Talent, unterstützt durch eine universelle Bildung, gipfelte im deutschen Lied, welches auch in seinen Opern den hervorragendsten Theil bildet; weniger gelang ihm die Darstellung wirklicher dramatischer Leidenschaft. Zu den besten seiner Schöpfungen gehören die Lieder aus Wolff’s „Rattenfänger von Hameln“. Hier fand er alles, was er beherrschte: die weiche, elegische Liebesklage in dem Lied der Gertrud: „Immer schau’st du in die Ferne“, den ausgelassensten Uebermuth, die frische Zecherlust des „Willekumm“ und der „Fahrenden Scholaren“, die herzlichsten und rührendsten Töne in den Wander- und Werbeliedern, den leisen Flügelschlag des Dämonischen in dem Beschwörungslied der Kinder, deren Lockung eine eigenthümlich kindlich-verführerische Weise bringt; endlich die ingrimmige Kraft in dem Schmiedelied des Wulf. Auch eine Ouverture „Frau Aventiure“ entwarf er, er sollte sie leider nicht vollenden. Albert Dietrich unterzog sich später, als H. schon nicht mehr war, der schönen Aufgabe, sie nach den hinterlassenen Skizzen des Freundes zu instrumentiren, und in dieser Einrichtung kam sie im Winter 1879 in den Concerten der Oldenburger Hofcapelle unter Dietrich’s Leitung zum ersten Mal mit Beifall zu Gehör.

Franz v. Holstein. Seine nachgelassenen Gedichte herausgegeben und mit einer biographischen Einleitung versehen von Heinrich Bulthaupt, Leipzig 1880.