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Artikel „Griepenkerl, Wolfgang Robert“ von Ferdinand Spehr in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 655–656, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Griepenkerl,_Robert&oldid=- (Version vom 16. April 2024, 20:35 Uhr UTC)
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Griepenkerl: Wolfgang Robert G., Sohn des Vorhergehenden, geb. zu Hofwyl bei Bern am 4. Mai 1810, gest. 1868, Kunsthistoriker und Dramatiker, kam im J. 1816 mit dem Vater nach Braunschweig, wo er auf dem Katharinengymnasium, später dem Obergymnasium, und dem Collegium Karolinum seine wissenschaftliche Vorbildung erhielt und dann seit 1831 in Berlin schöne Wissenschaften studirte und zum Doctor der Weltweisheit promovirte. Schon als Student gab er von der Kritik günstig aufgenommene „Bilder griechischer Vorzeit“ (1833) heraus. Nach Beendigung seiner akademischen Studien lebte er mit litterarischen Arbeiten beschäftigt in Braunschweig und veröffentlichte hier zunächst das liebliche erzählende Gedicht: „Die sixtinische Madonna“, 1836, welches seinem Namen weitere Verbreitung verlieh. Mit dem Vater theilte er Lust und Liebe zur Musik; Zeugniß von seinen Bestrebungen und Studien in dieser Hinsicht geben die Novelle: „Das Musikfest oder die Beethovener“, 1838, 2. Aufl. 1841, ferner die Abhandlungen: „Ritter Berlioz in Braunschweig“, 1843 und „Die Oper der Gegenwart“, 1847, in welcher letzteren Schrift er eine Um- und Neugestaltung der Tonkunst anzubahnen versuchte. Bald nach Beendigung seiner Universitätsstudien beabsichtigte G. die Tragödien des Sophokles einer den Ansprüchen der Gegenwart entsprechenden Uebersetzung und Bearbeitung zu unterziehen, doch erschienen nur „König Oedipus“, 1835 und „Antigone“, 1844. Im J. 1839 wurde G. als Lehrer der deutschen Sprache und Litteratur an der damals noch bestehenden Kadettenanstalt in Braunschweig angestellt, auch hielt er Vorlesungen über dieselben Gegenstände am Collegium Karolinum. Am 13. Januar 1844 wurde ihm vom Herzoge von Braunschweig der Charakter als Professor verliehen. Liebe zur Ungebundenheit gab nach einigen Jahren Veranlassung zum Rücktritt von diesen Lehrämtern und zur Verzichtleistung auf jeden anderen Staatsdienst. Aufsehen machte sein litterargeschichtliches Werk: „Der Kunstgenius der deutschen Litteratur im letzten Jahrhundert“, Thl. I, 1846. Leider blieb dasselbe unbeendet, denn unstät wie im Leben war G. es auch in seinen litterarischen Arbeiten. Mit aller Kraft eines hypergenialen Geistes warf er sich auf das Drama. Durch die ersten Leistungen auf diesem Felde erwarb er sich ungetheilten Beifall durch ganz Deutschland. Man glaubte in ihm einen epochemachenden Dramatiker erstanden zu sehen, eine Annahme, welche durch die späteren dramatischen Arbeiten Griepenkerl’s nicht bestätigt wurde. Gestützt auf Lamartine’s Geschichte der Girondisten erschienen die beiden Trauerspiele: „Maximilian Robespierre“, 1851 und „Die Girondisten“, 1852, denen: „Ideal und Welt“, 1852, folgte. Die beiden erstgenannten Trauerspiele machten die Runde über sämmtliche größere Bühnen Deutschlands und riefen überall einen außergewöhnlichen Beifall hervor. Mehr Schöpfungen des Verstandes als der Phantasie athmeten sie nicht gerade einen eigentlichen poetischen Geist, aber sie zeichneten sich aus durch großartige Auffassung des Stoffs und durch vortreffliche, markige Sprache und packende Diction. Zu dieser Zeit stand G. auf der Höhe seines litterarischen Rufs. Er besuchte die größeren Städte Deutschlands und las seine Dramen vor, wobei [656] ihm ein klangvolles Organ und ein sehr gewinnendes Aeußere förderlich zur Seite standen, so daß er sich überall der besonderen Gunst des gebildeten Publikums erfreute. War er schon in Berlin als Jüngling von idealem sprudelndem Wesen sehr verzogen – selbst von hervorragenden Männern und Frauen – so trat dieses jetzt in noch weit höherem Maße ein und der ihm überall gestreute Weihrauch leitete sichtlich einen Rückgang ein. Zwar ließ dies das zunächst folgende Drama: „Anna von Walseck“ in geringerem Grade erkennen, aber schon das bald nachher entstandene Gemälde aus dem Bergmannsleben „Auf der hohen Rast“, 1860 zeigte ein unverkennbares Sinken der Kraft, obgleich die einfache Handlung nicht ohne Interesse ist und einzelne Charaktere mit Liebe und Glück geschildert sind. Mehr noch zeigte sich der Rückgang in Griepenkerl’s letztem Drama: „Auf St. Helena“, 1862, in welchem bei manchen vortrefflichen Scenen, in denen der Dichter sich zur alten Kraft emporschwang, doch sich in der Person des Helden eine romanhafte Sentimentalität kund gab, die Napoleon wohl niemals eigen war. Was G. nach dieser Zeit noch geliefert, hat gar keine Bedeutung; außer einigen kleinen Novellen, welche er kurz vor seinem Tode in einem Bande gesammelt herausgegeben hat (1868), einigen Prologen, Festcantaten und Gedichten, in denen zum Theil noch die frühere Begeisterung hervortrat, hat er in den letzten Jahren Nichts geschaffen. Längere Zeit der gefeierte Mittelpunkt des litterarischen und des künstlerischen Wirkens in Braunschweig stieg er, wie im litterarischen, so leider auch – durch eine unbegreifliche Verkennung des Werthes des Geldes veranlaßt – im bürgerlichen Leben mehr und mehr herab und so führte er in den letzten Jahren ein einsames, gebrochenes Dasein, aus welchem ihn wieder emporzuheben alle Bemühungen vergeblich waren. G. starb in äußerster Dürftigkeit zu Braunschweig am 4. Octbr. 1868 am Herzschlage, als ihm eben ein Schreiben des Generalintendanten des Hoftheaters in München mit der Adresse: „An den dramatischen Dichter Herrn Professor Dr. W. R. G.“ eingehändigt war. Das Schreiben fand sich uneröffnet in der Hand des Todten. – Griepenkerl’s Bildniß, von F. Knolle gestochen, befindet sich vor dem ersten Bande seiner dramatischen Werke (Maxim. Robespierre) und darnach in Holzschnitt in der Illustrirten Zeitung vom Jahre 1852 und in H. Kurz’ Geschichte der neuesten deutschen Litteratur, 1872. – Trotz aller verschiedenartigen Beurtheilung, die Griepenkerl’s Dramen erfahren haben, – denn wenn einige in ihm den Reformator des deutschen Theaters erblickten, warfen ihm andere anspruchsvolle Unfertigkeit und Mangel an historischer und dramatischer Einsicht vor, indem sie nur einzelne Scenen als gelungen anerkennen, – trotz mancher sichtbaren Mängel werden Griepenkerl’s Dichtungen in der Geschichte des deutschen Drama’s der neueren Zeit einen hervorragenden Platz einnehmen und sie verdienen nicht der Vergessenheit anheim zu fallen. Es ist deshalb ein verdienstliches Unternehmen eines jungen Litterarhistorikers, des Dr. O. Sievers in Braunschweig, wenn er denselben ein tieferes Studium gewidmet hat und das Ergebniß seiner Forschungen über G. in einer umfassenden biographisch-litterarisch-kritischen Monographie[1] veröffentlichen wird.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 656. Z. 9 v. u.: O. Sievers, Robert Griepenkerl, der Dichter des Robespierre. Biograph. krit. Skizzen. Wolfenbüttel 1879. [Bd. 11, S. 794]