ADB:Heydt, August Freiherr von der

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Artikel „Heydt, August von der“ von Karl Wippermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 358–363, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heydt,_August_Freiherr_von_der&oldid=- (Version vom 18. April 2024, 10:00 Uhr UTC)
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Band 12 (1880), S. 358–363 (Quelle).
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Heydt: August von der H., preußischer Staatsmann, geb. 15. Febr. 1801 in Elberfeld. † 13. Juni 1874 in Berlin. Nachdem er die Schulen seiner Vaterstadt besucht, widmete er sich, ebenso auf Wunsch der Angehörigen, als nach eigener Neigung, dem Kaufmannsstande, brachte zur Ausbildung im Handelsfache mehrere Jahre in Frankreich und England zu und trat 1824 in das Bankhaus seines Vaters in Elberfeld (Firma: Gebr. Kersten, seit 1827 v. d. H., Kersten u. Comp.), welches er später als Associé seiner Brüder Karl und Daniel führte. Bis dahin bekleidete er auch die Stellen, zu welchen ihn die Achtung und das Vertrauen der Mitbürger erhob: seit 1829 war er Mitglied des städtischen Centralschulausschusses bei der Leitung des Elementar- und des höheren Schulunterrichts in Elberfeld sowie des Gymnasial-Curatoriums; seit 1831 Richter, seit 1840 Präsident des kgl. Handelsgerichts für die Kreise Elberfeld, Solingen und Lennep, seit 1833 Mitglied des Stadtraths von Elberfeld, seit 1834 des Kreistags. Vom Finanzminister zum Vorsitzenden des Verwaltungsraths der Elberield-Dortmunder Eisenbahn bestimmt, erhielt er den Titel Commercienrath, vertrat seit 1841 Elberfeld mit Umsicht und Energie im rheinischen Provinziallandtage, wohnte den am 18. Oct. 1842 in Berlin zusammentretenden vereinigten ständischen Ausschüssen als städtischer Abgeordneter der Rheinprovinz bei, galt hier als einer der Befürworter einer periodischen Wiederkehr dieser Versammlung, entfaltete in den Ausschüssen des rheinischen Provinziallandtags für Handel, Finanzen, Justiz- und Verfassungssachen auf den Landtagen von 1841, 43 und 45 eine umfassende Thätigkeit und vertrat den Stand der Städte im rheinischen ständischen Ausschusse. 1845 wurde er vom Präsidenten des preuß. Staatsraths zur Berathung der Gesetzentwürfe über Wechselrecht und über den Plan einer allgemeinen Einführung von Handelsgerichten berufen und war zum preußischen Abgeordneten für die Leipziger Conferenz [359] zur Berathung der deutschen Wechselordnung bestimmt, als eine Krankheit ihn hinderte, den Auftrag anzunehmen.

Ein Mann von anerkannt so vielseitiger Befähigung in geschickter Behandlung der öffentlichen Angelegenheiten durfte im ersten Vereinigten Landtage Preußens um so weniger fehlen, als die Hauptforderungen der Zeit sich zunächst gerade um die in sein eigentliches Fach fallende Behandlung der Staatsfinanzen drehten. Die Nothwendigkeit von deren Controlle durch eine Volksvertretung war für H. vor Allem ein Gebot der Ordnung und die Bedingung einer sachgemäßen Verwaltung. Als Abgeordneter Elberfelds begann er denn auch in dieser Versammlung 1847 allgemeinere Aufmerksamkeit zu erregen. Er war hier einer der Führer der liberalen Partei in den Bestrebungen für jährliche Berufung der Stände, für Erweiterung des Petitionsrechts, Wegfall der Zweidrittelmehrheit, überhaupt für Umwandlung der ständischen in eine constitutionelle Verfassung. Bei reicher Kenntniß der Gesetze und Einrichtungen sowie großer Geschicklichkeit, welche er hier in Bewältigung praktischer Fragen zeigte, wirkte H. mehr im Stillen als in den öffentlichen Verhandlungen und zeichnete sich bei diesen, namentlich als Berichterstatter für die mit allen Verfassungsfragen betraute Abtheilung, ohne gerade ein großer Redner zu sein, durch bündige, schlichte, genaue und verständliche Darstellung aus. Er trat auf für die Petition um Aufrechthaltung der polnischen Nationalität und Sprache in Posen, für Wahl der Secretäre durch die Versammlung und rief das Gesuch der Städtecurie an den König hervor, die Verweisung des Finanzetats und der Uebersicht an eine Abtheilung zur Prüfung und Berichterstattung behufs der Information des Landtags zu gestatten. Seine bedeutendste Rede auf dem Vereinigten Landtag hielt er am 31. Mai 1847, als es sich um die Frage handelte, ob letzterer ein Recht auf periodische Einberufung und jährliche Rechnungslegung habe. Namentlich trat er mit Schärfe der Ausführung des Justizministers v. Savigny entgegen, wonach die früheren Gesetze wol die Erwartung auf jährliche Berufung einer größeren ständischen Versammlung hätten erregen können, daß aber zwischen solcher Erwartung und einem verliehenen Rechte ein großer Unterschied sei. Heydt’s einfache Erwiderung, welcher man den mühsam unterdrückten Unwillen über die versuchte Art der ministeriellen Beweisführung und der Gesetzesauslegung anmerkte, insbesondere seine Wendung „das Volk liebt keine kunstreichen Rechtsdeductionen“ fanden damals in weiten Kreisen großen Anklang.

Nach einer heftigen Krankheit hielt sich H. längere Zeit von aller politischen Thätigkeit fern. Wahlen zur deutschen und zur preußischen Nationalversammlung lehnte er ab, weil er die Theilnahme an diesen Versammlungen mit seiner Anschauung über die Aufrechthaltung der Rechtscontinuität nicht zu vereinigen vermochte. Auch Anträge wegen Eintritts in das am 22. Sept. 1848 gebildete Ministerium v. Pfuel-Eichmann lehnte er entschieden ab; nachdem aber die preußische Nationalversammlung nach Brandenburg verlegt worden, übernahm er behufs Unterstützung des am 8. Nov. 1848 gebildeten Ministeriums Manteuffel einstweilen das Mandat für Elberfeld zu letzterer Versammlung. Hiernach wurden ihm vom Könige Friedrich Wilhelm IV. Anträge wegen Eintritts in das Ministerium Manteuffel gemacht, er zögerte jedoch mit der Annahme, weil er einem Eintritt in den Staatsdienst überhaupt bisher stets abgeneigt gewesen, bis er endlich 6. Dec. 1848 aus Patriotismus und in der Voraussetzung, daß es sich nur um eine kurze Zeit handeln werde, das Handelsministerium annahm, nachdem er schon mehrere Tage vorher den Berathungen des Ministeriums beigewohnt. Bald nach Herstellung der Ruhe bat er in Rücksicht auf obige Voraussetzung um Entlassung; nachdem diese aber in den gnädigsten Ausdrücken abgelehnt [360] worden, begann H. auf vielen Gebieten seines Ressorts eine umfassende schöpferische Thätigkeit von segensreichsten Folgen zu entfalten.

Es bezieht sich dies zunächst auf seine Organisation der Post- und Telegraphenverwaltung. 1849 wurde der Expeditionsdienst bei den Postanstalten umgestaltet, die fahrenden Expeditionsbureaus sowie die Ermäßigung des höchsten Briefportosatzes von 6 auf 3 Sgr. eingeführt, 1850 die oberste Postverwaltung durch Errichtung von Oberpostdirectionen für jeden Regierungsbezirk und Berlin decentralisirt; 1852 kam es zur Einführung eines zweiten höheren Postexamens und zum Erlaß des Gesetzes vom 5. Juli über das Postwesen. H. leitete auch die Verhandlungen mit der österreichischen Regierung, welche 1850 zum Abschluß des deutsch-österreichischen Postvereins führten, durch den gleichmäßige Bestimmungen für Taxirung und Behandlung der Brief- und Fahrpostsendungen erzielt wurden. Im Anschluß hieran bewirkte H. den Abschluß günstiger Postverträge mit Belgien, England, Frankreich, Holland, Rußland, Schweden, Spanien und Nordamerika. Auch gründete er 1850 die Postdampfschifffahrt auf der Ostsee durch regelmäßige Fahrten von Stettin nach Petersburg, Stralsund und Ystadt, 1853 nach Kopenhagen und Stockholm. Nicht minder bedeutend war Heydt’s Thätigkeit für Gründung und Entwicklung des Telegraphenwesens. Durch Erlaß vom 9. Febr. 1849 löste er die optischen Telegraphenanstalten auf und gründete die ersten electrischen Telegraphen in Preußen, worauf er am 5. Aug. 1850 auf einer Conferenz von Bevollmächtigten Preußens, Oesterreichs, Baierns und Sachsens zu Dresden die Feststellung gemeinsamer Grundsätze für Betrieb und Benutzung der Telegraphen dieser Länder bewirkte. An diesen deutsch-österreichischen Telegraphenvertrag schlossen sich 1852 ähnliche Verträge mit Belgien und Frankreich, 1854 mit Rußland. Der Eisenbahnbau erhielt in Folge der großen Thätigkeit Heydt’s eine solche Ausdehnung, daß Preußen in dieser Beziehung alle Staaten des Festlandes, nach Verhältniß der Landesausdehnung, übertraf. Es kam zu Stande der Bau der Ostbahn einschließlich des Riesenbrückenbaues über die Weichsel und Nogat, der westfälischen, der zur Hebung der Kohlenproduction des Saarbeckens sehr förderlichen Saarbrücken-Trierer, der Stargard-Posener, der Berlin-Stettiner, der Berliner Verbindungsbahn und der Bahn von Salzbergen nach Rheina. Die niederschlesisch-märkische und die Münster-Hammer Bahn wurden unter H. für den Staat erworben und im übrigen der Privatbahnbau durch Ermunterung gefördert. Auch der Eisenbahnbetrieb wurde von H. trefflich geleitet. Er schritt entschieden ein gegen Privatbahnen, welche den Bedürfnissen des Verkehrs nicht entsprechend Rechnung trugen, sorgte insbesondere für Herstellung von Nachtzügen, gegen welche viele Bahngesellschaften sich sträubten. Durch ein Erkenntniß des Gerichtshofes zur Entscheidung der Competenzconflicte hierin unterstützt, gelang es ihm, einen musterhaften Bahnbetrieb herzustellen. In Verbindung mit dieser Thätigkeit stand die bezüglich seiner obersten Leitung des Bauwesens. Es wurde eine Centralabtheilung und eine neue technische Baudeputation ernannt, die Bauverwaltung in den Provinzen neu organisirt und neue Vorschriften für solche ertheilt, welche sich dem Baufache widmen wollen. Die Chausséebauten nahmen unter H. bedeutenden Fortgang, zum Theil infolge bestimmter Prämien, welche er statt der Zuschüsse dafür bewilligte. Nicht mindere Förderung ließ er den Flußbauten und dem Canalbau zu Theil werden. Großen Eifer entwickelte er bezüglich der von Preußen angestrebten Schaffung einer deutschen Handelseinheit, insbesondere 1851 bezüglich des Anschlusses des Steuervereins an den Zollverein, dessen Handelsvertrags von 1853 mit Oesterreich, der Einführung des Zollgewichts als allgemeinen Landesgewichts und des Zustandekommens des Allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuchs. H. bewirkte die Hebung der Leinenindustrie in Schlesien und Westfalen, die Errichtung von [361] Flachsbereitungs- und von Musterzeichenanstalten, Webeschulen, Spinnstuben, sowie eine Verbesserung der Bleich- und Appreturanstalten. In den sog. Nothbezirken, besonders Schlesiens, führte H. die Strohflechterei, die Holzschnitzarbeit, die Uhr- und die Schachtelfabrikation ein. Das Gewerbe-, besonders das Gewerbeschulwesen, erfuhr unter H. eine gänzliche Umbildung. Der Bergwerksbau hob sich unter ihm zu außerordentlicher Höhe. 1851 zum Chef der preußischen Bank ernannt, ertheilte er derselben eine den erhöhten Bedürfnissen des Verkehrs entsprechende Ausdehnung, doch ist ihm vorgeworfen, das Monopol dieser Bank immer umfangreicher gestaltet und die zeitgemäße Ausbildung des Creditwesens gehemmt zu haben.

Es hat nicht an Stimmen gefehlt, welche meinten, H. habe, mit Rücksicht auf seine 1847 vertretenen liberalen Ansichten, mit dem Ministerium Manteuffel nicht soweit in der Reaction gehen dürfen und man hat wol seine verändert scheinende Haltung mit der Gefährdung seines Hauses in Elberfeld, der Gefangennahme seines Bruders Daniel und einer gegen diesen verübten Gelderpressung beim dortigen Aufstande vom Mai 1849 in Verbindung bringen zu dürfen geglaubt; indeß gewiß ist, daß gerade seine rege Thätigkeit während der 1850er Jahre die segensreichsten Folgen für den Staat gehabt. Die Arbeiten seines Ressorts nahmen ihn in diesem Jahrzehnt völlig in Anspruch und er ist in rein politischen Fragen nicht besonders hervorgetreten. Im Volkshause des Parlaments zu Erfurt vertrat er den 7. westfälischen Wahlbezirk Hamm-Soest-Iserlohn. Nachdem das Ministerium Manteuffel am 6. Novbr. 1858 zurückgetreten war, ging H. mit in das am 2. Decbr. gebildete Ministerium Fürst Hohenzollernv. Auerswald über. Eine an den Prinz-Regenten gerichtete, vom Grafen Fürstenberg überbrachte Adresse mehrerer rheinischer Industriellen hatte sein Verbleiben im Amte als einen allgemeinen Wunsch der westlichen Provinzen dargestellt. Den Liberalen war sein Verbleiben nicht genehm, sie ließen es sich aber wegen seines Talentes und seiner Energie gefallen. Dagegen zeigte das Herrenhaus eine Opposition gegen ihn. Zwar erkannte es ausdrücklich Heydt’s Umsicht und Energie an aus Anlaß des von ihm vorgelegten Berichts über den Fortgang und Betrieb der Staatseisenbahnen, sowie über die Lage der Eisenbahnverwaltung, des Telegraphenwesens und Postbetriebs; aber aus Besorgniß vor Steigerung der bureaukratischen und centralistischen Tendenzen protestirte es gegen die fernere Verwendung der den Privateisenbahnen 1853 gesetzlich auferlegten Progressivsteuer vom Reinertrage zum Ankaufe ihrer Actien. Der unter diesem Ministerium beginnende Streit des Abgeordnetenhauses mit der Regierung über die Frage der Heeresumbildung berührte H. als Handelsminister nicht besonders; um so mehr war dies jedoch der Fall, als er in dem am 17. März 1862 ernannten Ministerium des Fürsten von Hohenlohe-Ingelfingen neben dem Handels- auch noch das Finanzministerium übernommen hatte. Das erstere trat er am 20. Mai 1862 an v. Holzbrink ab. Er nahm in dem Streite eine mehr versöhnliche Haltung ein, bat insbesondere mittelst vertraulichen Schreibens den Kriegsminister v. Roon zu erwägen, ob nicht der Militäretat um 2½ Mill. Thlr. vermindert werden könne, sodaß sich auf den in Aussicht gestellten Steuerzuschlag von 25%, verzichten ließe. Dieser Verzicht wurde zwar durch königl. Erlaß vom 16. April 1862 verkündigt; als aber am 6. Mai die Neuwahlen zum Abgeordnetenhause, bei denen H. sein langjähriges Mandat für die Heimath an Gen.-Steuer-Dir. Kühne verlor, wieder gegen die Militärreorganisation ausfielen, das Abgeordnetenhaus trotz der am 11. Septbr. von H. gegebenen Versicherung wegen Beobachtung der verfassungsmäßigen Rechte des Volks an seiner Ablehnung festhielt und König Wilhelm die Durchführung der letzteren der Energie des Hrn. v. Bismarck anvertraute, erhielt neben Hohenlohe auch H. am [362] 24. Septbr. 1862 die erbetene Entlassung. Es hatte ihm nichts geholfen, daß er die Durchführung des Hagen’schen Antrages auf Specialisirung des Etats im wesentlichen zugesagt und am 21. März durch Herabsetzung des Zinsfußes der Staatsanleihen von 1850 und 51 von 4½ auf 4% Ersparnisse hatte machen wollen. H. schied ganz aus dem Staatsdienst und wurde am 31. Jan. 1863 in den erblichen Freiherrnstand erhoben. Am 12. Febr. 1866 präsidirte er einer Versammlung bezüglich des Nord-Ostsee-Canals. Noch bevor durch den Ausgang des Krieges Preußens gegen Oesterreich die Militärorganisation ihre Rechtfertigung erfahren hatte, übernahm H. am 5. Juli 1866 an v. Bodelschwingh’s Stelle wieder das Finanzministerium, löste die schwierige Aufgabe, ohne Aufnahme von Anlehen die Mittel zu jenem Kriege zu beschaffen und erklärte am 13. Aug. 1866 bei Vorlegung des später genehmigten Indemnitätsgesetzes im Abgeordnetenhause, die Regierung hege den dringenden Wunsch, den Streit bald und für immer zu beseitigen. Der bei Berathung des Gesetzentwurfs über den außerordentlichen Geldbedarf der Militär- und Marineverwaltung von 60 Mill. Thlr. von H. gemachte Vorschlag wegen Regelung der Dotirung des Staatsschatzes auf neuen gesetzlichen Grundlagen wurde angenommen. Einige Maßnahmen, welche er im Eifer für die preußischen Finanzen zur Belästigung der neuen Provinzen traf, wurden auf deren Einsprache zurückgenommen. Dahin gehört die Zurückweisung, welche H. am 2. Febr. 1867 der Bitte der Stadt Frankfurt a M. wegen Erstattung der 6 Mill. Kriegscontribution hatte zu Theil werden lassen, die ausnahmslose Heranziehung der Staatskapitalien der neuen Landestheile zur Generalstaatskasse in Berlin und eine Reihe von Verordnungen wegen Einführung verschiedener dort neuer Steuern. 1863–70 vertrat H. den 5. Erfurter Bezirk Schleusingen-Ziegenrück im Abgeordnetenhause, 1867 denselben im Zollparlamente und 1868 im norddeutschen Reichstage, ohne sich einer Partei anzuschließen. In diesen Jahren gestaltete sich wegen längerer Stockung von Handel und Verkehr, wegen mißlicher Ernten, infolge Ausdehnung des Etats auf die neuen Provinzen und wegen des Verhältnisses zur Reichsfinanzverwaltung die Lage der preußischen Finanzen schwieriger. Der im October 1869 zusammengetretene Landtag unterzog Heydt’s Verwaltung einer scharfen Kritik. Man warf ihm vor, die preußischen Finanzen in zwei zusammenhangslose Theile zerrissen, ein Aufgeben von Einnahmequellen bei mangelnder Deckung zugelassen und im Herbst 1867 einen im Gleichgewicht abschließenden Etat für 1868 entworfen zu haben, während das Defizit von 10½ Mill. Thlr., welches H. mittelst Denkschrift vom 21. Mai 1869 für 1870 berechnete, damals schon vorhanden gewesen. Der dadurch in Sicherheit gewiegte Landtag von 1867–68 habe das Geld mit vollen Händen ausgestreut. Der Plan eines Steuerzuschlags soll im Herbst 1868 am Könige gescheitert sein; der Verkauf der Köln-Mindener Actien wurde nur als augenblickliche Abhülfe angesehen. Eine dauernde schien nur durch eine gewisse Verbindung der Finanzen Preußens und des norddeutschen Bundes hergestellt werden zu können. Deshalbige liberalerseits gemachte Vorschläge waren von H. abgelehnt, andererseits war der norddeutsche Reichstag auf Heydt’s Vorschläge wegen einer Reihe von Bundessteuern nicht eingegangen. Als nun H. am 8. Octbr. 1869 im Abgeordnetenhause bei Vorlegung des Budgets das Deficit auf 5 400 000 Thlr. berechnete und kein anderes Mittel zur Deckung als einen Steuerzuschlag von 25% anzugeben wußte, fand man diese plötzliche Herabminderung des Deficits sehr auffallend und der Landtag verlor sichtlich das Vertrauen zu H. wegen der willkürlichen Gruppirung der Zahlen. Nachdem er sodann bei der Verhandlung über eine 4 Eisenbahngesellschaften zu gestattende Prämienanleihe sich gegen die Angriffe in beiden Kammern nur ungenügend zu decken verstanden, erhielt er am 26. Octbr. 1869, unter [363] Verleihung des schwarzen Adlerordens, die erbetene Entlassung. Er zog sich in das Privatleben zurück, seine Verwaltung aber erfuhr auch nachträglich noch Angriffe. Am 11. Febr. 1870 wurde ihm im Abgeordnetenhause vorgeworfen, die 1867 zum Bau von Eisenbahnen bewilligte, „nach Maßgabe der für die einzelnen Baujahre erforderlichen Geldmittel aufzunehmende Anleihe“ alsbald im ganzen Betrage aufgenommen zu haben; Graf Bismarck nahm jedoch H. in Schutz, indem er, ohne dessen Verfahren an sich für correct zu halten, rühmend hervorhob, daß H. gerade „in einer schwierigen Epoche, wo seine einsichtsvolle, rasche, energische und vor der Verantwortlichkeit nicht zurückschreckende Hülfe die wesentlichsten Dienste geleistet, keinen Augenblick gezögert hat einzutreten und in Zeit von wenigen Tagen die Hindernisse zu beseitigen, die soweit gingen, daß (1866) Zweifel vorhanden waren, ob die nöthigen baaren Gelder zur Löhnung der Truppen disponibel wären“. – Nicht volle fünf Jahre nach seinem Rücktritt ist er gestorben.

Vgl. Haym, Reden und Redner d. ersten verein. preuß. Landtags, Berl. 1847; Biedermann, Gesch. d. ersten preuß. Reichstags, Leipz. 1847; Grenzboten, 1849, 1. Sem., 1. Bd.; Unsere Zeit, erste Folge, Bd. 1, Leipz. 1857; Ergänzungs-Convers.-Lex. d. neuesten Zeit (Bd. XIV. f. 1858–59) v. F. Steger. Leipz. u. Meißen; Wagener, St.- u. Ges.-Lex., Bd. IX. Berl. 1862; Gartenlaube. 1862, Nr. 9; Unsere Zeit, neue Folge, Leipz. 1874; Daheim 1873; Reichsanzeiger, 1874, Nr. 138.