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Artikel „Heintsch, Joh. Georg“ von Rudolf Müller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 660–662, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heinsch,_Johann_Georg&oldid=- (Version vom 23. April 2024, 08:21 Uhr UTC)
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Heintsch, Joh. Georg H. (auch Heinsch), Maler, Schlesier von Geburt, wahrscheinlich 1647 geboren, starb 1713 in Prag an der Pest. Verläßliche Daten über seinen Bildungsgang fehlen; der böhmische Lexikograph Dlabacz verzeichnete bloß, daß Heintsch 1678 nach Prag gekommen sei, sich dort 1704 mit einer Bürgerstochter verehelicht und das Bürgerrecht erworben habe. Sein Zeitgenosse, der Maler Quirin Jahn hinterließ dazu die Behauptung, daß H. vordem einer Klosterfraternität angehörte, was seine Werke zu bestätigen scheinen. Denn Auffassung der dargestellten Themen, wie deren technische Behandlung, weisen auf die zu jener Zeit in den Klosterschulen gepflogene Praxis. Ohne Zweifel also in damals üblicher Weise als Laienbruder – ohne bindendes Gelübde – einem geistlichen Convent angeschlossen, stand seinem späteren Wiedereintritt in die bürgerliche Gesellschaft auch kein sonderliches Hinderniß im Wege. Durch diese Annahme findet der Kunsthistoriker zugleich den natürlichen Schlüssel zur Erklärung des absonderlichen Verhältnisses, in dem der Künstler zu den [661] übrigen Prager Malern dieser Periode steht. Es war die Zeit in welcher sich die Bildkunst so viel als möglich der schlichten Natürlichkeit entschlug, die Formen barok umbauscht, die Ideen phantastisch allegorisirt wurden. Eine Richtung die namentlich durch die Jesuitenschulen Förderung erhielt. Finden wir nun, daß sich Heintsch in seinen ersten in Prag gemalten Bildern vollständig befangen zeigt von der Richtung dieser Schule, in seinen späteren jedoch gleich vollständig davon abgewendet, dann ist auch der Rückschluß auf seine eigentliche Vorschule ziemlich nahe gelegt. Man betrachte nur das Hauptaltarbild in der Jesuitenkirche zu St. Ignaz am Karlsplatze in Prag, eines dieser früheren Gemälde, mit seinem überschwenglich allegorischen Gepränge bei nur geringer ästhetischer Befriedigung. Für die folgende, neue Phase bleibt in Betracht zu ziehen, daß H. wenige Jahre nach dem Ableben Carl Screta’s nach Prag kam, wo dieser Altmeister der dortigen Malergilde, der seine Weihe in Italien erhalten und im Geiste der großen Cinquecentisten weiterwirkend, eine Gegenströmung gegen die ästhetisch verwilderten Klostermaler in Fluß gebracht hatte. Unschwer lassen dann auch die späteren Gemälde von H. erkennen, wie derselbe von dieser Strömung ergriffen, fortan wetteifernd seinem neuen Vorbilde nachstrebte und wie sich damit eine fast überraschende Umwandlung seines Wesens vollzog, in der bald nicht mehr ein Nachahmer, sondern ein mit liebenswürdiger Originalität schaffender Künstler erkennbar wird. Freigeworden des phantastisch-allegorischen Ballastes durch das Zurückgehen auf ein strenges Studium der Natur, bei der Composition wieder den Gesetzen der Classiker folgend, wußte H. dann zugleich für die innere Belebung seiner Gestalten durch fromme Intention ein Uebriges zu thun. Die solcher Weise entstandenen späteren Gemälde kennzeichnet eine sinnige, schlicht und keusch der Naturanschauung entnommene Composition, mit welcher auch die Farbengebung bestens harmonirt. – Eines der sprechendsten Beispiele dessen ist die sogenannte „Carlshofer Muttergottes“, welche der Abt Wenz. Luniak 1696 für die von Karl IV. 1377 erbaute, zum Prager Carlshofe gehörige Stiftskirche malen ließ. Streifte die dafür gegebene Idee – Maria in gesegnetem Zustande darzustellen – auch schon hart an die Grenze des schönheitsgesetzlich Darstellbaren, so löste der Künstler die Aufgabe doch derart glücklich, daß das Gemälde mit Recht sein berühmtestes wurde, vermöge der Volksthümlichkeit die es gewann und vermöge seiner Verbreitung durch unzählige, weit verbreitete Copien. – An ursprünglicher Stelle zu finden sind noch in Prag: das Hochaltarbild bei St. Heinrich; die Seitenaltarbilder in der St. Katharinakirche; eine heilige Familie in der Minoritenkirche; in Bidschow: das Hochaltargemälde St. Laurentius. Eine weitere Anzahl von 16 Gemälden, aufgehobenen Kirchen und Klöstern entnommen, befanden sich bis 1845 in der Galerie „patriotischer Kunstfreunde“ in Prag und es war nicht gut gethan, daß man sie auf Veranlassung des damaligen Akademiedirectors Christ. Ruben, nebst vielen anderen Bildern heimischer Maler von dort entfernte. Die Galerie hatte eben durch jene reichlich vorhandenen Werke böhmischer Maler früherer Jahrhunderte einen ganz besonderen kunsthistorischen Werth. Die dort untergebrachten Gemälde von H., verschiedenen Stadien angehörig, gewährten einen höchst interessanten Einblick in sein emsiges und gediegenes Schaffen, wodurch er vor allen gleichzeitigen Malern den Ehrenplatz neben Screta gewann. In voller Ebenbürtigkeit mit diesem zeigte er sich besonders in dem farbenreich und dramatisch wirksam gemalten großen Bilde, die Ueberführung der Leiche von St. Wenzel von Bunzlau nach Prag (940) vorstellend. Die Composition beruht auf der Legende, nach welcher der Sarg mit dem Leichnam bei Ueberführung in die St. Veitskirche an der Stelle wo das Prager Gefangenhaus sich befand, fest stehen blieb und vor der Freilassung der Gefangenen nicht weiter gebracht werden [662] konnte. Es ist der Moment in welchem das Gefangenhaus geöffnet wird, dessen Bewohner nebst verschiedenen Volksgruppen sich an den Sarg herandrängen, von dem ein greiser Priester den Deckel aufhebt, so daß die verehrte Leiche sichtbar wird. Das Gemälde datirt aus 1692 und hängt jetzt an der Seitenwand des Presbyteriums in der Teinkirche. Weitere, der genannten Galerie vordem angehörige Gemälde wären: der zwölfjährige Christus in Mitte der Schriftgelehrten im Tempel; St. Joseph mit dem Kinde; St. Clemens knieend vor der Muttergottes-Erscheinung; St. Ignaz, oberhalb seiner die Trinität; das Martyrium von St. Veit; St. Franz Xav. einen Maurenfürsten taufend; die vier Elemente, mit Scenen der Marter von Jesuiten; Brustbild einer betenden Frau (äußerst elegant gemalt); St. Norbert; St. Alois in Anbetung der erscheinenden heiligen Jungfrau: Maria mit dem Kinde schöpft aus einer von einem Engel vorgehaltenen Schale (auf der Flucht nach Egypten); ein Sterbender auf seinem Lager, oben die Erscheinung des heiligen Joseph und der heiligen Barbara. Mehre andere Gemälde befinden sich noch in den Capellen und im Kreuzgange des Prager Kreuzherrenstiftes.

Dlabacz: Künstlerlexikon; Schaller’s Beschreib. d. Stadt Prag. Verzeichniß d. Gemälde-Galerie patriot. Kunstfreunde in Prag v. Jahre 1835.