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Artikel „Griesheim, Gustav von“ von Maximilian Jähns in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 665–667, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Griesheim,_Gustav_von&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 10:15 Uhr UTC)
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Griesheim: Karl Gustav Julius v. G. wurde am 16. Juli 1798 zu Berlin geboren. Sein Vater stand damals als Hauptmann im Infanterie-Regiment v. Götz; seine Mutter war eine geb. v. Sartorius aus Braunschweig. Die Verhältnisse, unter denen der Knabe während der wüsten Kriegsjahre aufwuchs, waren düster und bedrückt; aber sie beugten ihn nicht nieder, sondern stählten ihn. Vom zehnten Jahre ab besuchte G. das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium zu Berlin und wußte es durchzusetzen, daß er schon im November 1813 von Schleiermacher eingesegnet wurde, um an dem Befreiungskriege theilnehmen zu können. Er wurde dem 2. Garderegiment zu Fuß zugetheilt, wegen körperlicher Schwäche jedoch erst am 7. August 1814 wirklich eingestellt. In Folge dessen verlebte G. die Zeit der Feldzüge von 1814 und 1815 zu seinem Schmerze im Depot oder im Ersatz-Transport, wurde indessen am 3. Juli 1815 zum Offizier befördert und zog mit in Paris ein. Ein gewissenhaft geführtes Tagebuch läßt den bedeutsamen Einfluß erkennen, den diese Märsche, dieser Aufenthalt in Feindesland und in Paris auf den Jüngling ausgeübt. Seine Tüchtigkeit wurde anerkannt, indem er schon 1819 zum Regimentsadjutanten und Auditeuroffizier [666] für alle drei Bataillone ernannt wurde. In dieser Doppelstellung legte er die ersten Proben seiner später so glänzend bewährten Arbeitsfähigkeit ab und erwarb sich bedeutende juristische Kenntnisse. Nebenbei gewann er Zeit, Ritter, Erman, Hegel und Humboldt zu hören, und zwar so gründlich, daß bei der Herausgabe von Hegel’s philosophischen Vorlesungen, Prof. Gans auf Griesheim’s Hefte zurückgriff, als auf das vollständigste vorhandene Material. Auch zu dem auserlesenen Kreise der Mitarbeiter an den „Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik“ gehörte damals G. – Im J. 1830 vermählte er sich mit Frl. Elise v. Korff; 1831 wurde er zum Hauptmann und Chef der 7. Compagnie 2. Garderegiments ernannt, und sechs Jahre später veröffentlichte er sein vortreffliches Handbuch: „Der Compagnie-Dienst“, dessen Widmung S. K. H. der Prinz von Preußen annahm. Wol in Folge dieser Leistung wurde G. in die Armee-Abtheilung des Kriegsministeriums commandirt und bald darauf auch als Lehrer der Taktik an der damaligen „Allgemeinen Kriegsschule“ (jetzt Kriegsakademie) angestellt. In diesem Verhältnisse blieb er ein Jahrzehnt, und vorübergehend hat er auch an der „Vereinigten Artillerie- und Ingenieurschule“ gelesen. 1839 wurde er Major. Von hoher Bedeutung war Griesheim’s Wirksamkeit im Kriegsministerium, wenn sich auch die Einzelheiten derselben – der Natur jeder Beamtenthätigkeit entsprechend – der Darstellung entziehen. Unter neun auf einander folgenden Kriegsministern (v. Rauch, v. Boyen, v. Rohr, v. Reyher, Graf von Canitz, v. Schreckenstein, v. Pfuel, v. Strotha und v. Stockhausen) hat er die ersprießlichsten Dienste geleistet. Zu seinen Hauptarbeiten gehören die Bezirkseintheilung der Landwehr von 1842 und der Mobilmachungsplan von 1844. Auch an der endgiltigen Fassung des Exercirreglements von 1847 hatte er wesentlichen Antheil, ebenso an der Errichtung der Centralturnanstalt, zu deren Director er 1847 ernannt wurde. In demselben Jahre wurde G. zum Oberstlieutenant befördert, nachdem er schon früher Vorsteher der Armeeabtheilung geworden, und bald darauf sah er sich mit der Direction des Allgemeinen Kriegsdepartements betraut, eine Stellung, zu der bisher nur ältere Generale berufen zu werden pflegten und die ihn nun dem politischen Treiben der Revolutionsperiode sehr nahe rückte. In dieser Zeit schrieb G., allerdings anonym, aber doch mit weitgeöffnetem Visir, mehrere Flugschriften: „Ueber den Krieg mit Rußland“, April 1848; „Ueber die Dauer der gesetzlichen Dienstzeit in der preußischen Armee“; „Das Cadettencorps sonst und jetzt“, und „Die deutsche Centralgewalt und die preußische Armee“ (23. Juli 1848), von denen namentlich die letztere einen Sturm des Unwillens und der leidenschaftlichsten Entgegnungen seitens der Linken hervorrief. Dennoch übte Griesheim’s Broschüre unzweifelhaft einen mäßigenden Einfluß auf die damals im Gange befindliche Arbeit an dem „Entwurf des Wehrausschusses zu einem Gesetz über die deutsche Wehrverfassung“, und die Schrift, welche G. auch gegen diesen Entwurf im October 1848 unter dem Titel „Kritische Bemerkungen über den Entwurf etc.“ herausgab, ist daher auch in einem milderen, mehr sachlichen Tone geschrieben, als das erste, allerdings sehr schneidige Libell. Die Dienste, welche G. den schnell aufeinander folgenden Kriegsministern leistete, sind hoch anzuschlagen. Er vertrat dieselben in der Nationalversammlung, und hier erstattete er im Juni 1848 den niederschmetternden Bericht über den schmachvollen Zeughaussturm; er schloß die, nicht blos für jene Zeit wichtigen Militärconventionen mit Mecklenburg-Strelitz (2. April 1849), Anhalt-Dessau und Köthen (27. April 1849), Bernburg (16. Mai 1849), Mecklenburg-Schwerin (22. Mai 1849) und Braunschweig (1. December 1849); er wurde im Februar 1849 Abgeordneter für den Wahlkreis Teltow-Storkow-Beeskow und entfaltete überhaupt eine wahrhaft heroische Arbeitskraft. Durch Cabinetsordre vom 14. Mai 1850 wurde [667] Oberst v. G. zum ersten Commandanten von Coblenz ernannt, Ausgangs November dieses Jahres aber wieder als Chef des Stabes der unter die Befehle des Prinzen von Preußen gestellten Armeecorps nach Berlin berufen. Nach Eintritt der Demobilmachung kehrte G. nach Coblenz zurück, wo er einen großen Theil seiner Zeit wissenschaftlichen Arbeiten zuwendete. Man war damals auf dem besten Wege, mit den bei der Mobilmachung bemerkten Schwächen und Mängeln der preußischen Heereseinrichtung diese selbst in allen ihren Grundlagen zu verdammen. Dem trat G. in seiner „Lebensfragen der Landwehr“ betitelten, im October 1851 erschienenen Flugschrift entgegen, indem er eindringlich davor warnte, „das alte wohnliche, im Ganzen vortreffliche Gebäude, einiger Risse wegen abzutragen“. – Im März 1853 wurde G. Generalmajor. Schon aber harrte seiner der Tod. Die sogenannte Bright’sche Krankheit raffte ihn am 1. Januar 1854 dahin. – Im folgenden Jahre gab der Premierlieutenant A. v. Horn, sein ehemaliger Zuhörer an der Kriegsschule, die „Vorlesungen über die Taktik“ als „hinterlassenes Werk des Generals Gustav v. G.“ heraus, ein Buch, welches von großem Einfluß auf die militärische Bildung des preußischen Officierscorps gewesen ist. – G. war eine Persönlichkeit von hoher Pflichttreue, voll Selbstbewußtsein, aber ohne Dünkel. Er hatte wenige, doch treu ergebene Freunde; er hatte Widersacher, niemals Feinde; denn selbst die von ihm Abgestoßenen mußten ihn hochachten.

Beiheft z. Milit.-Wochenbl. für Jan. 1854.