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Artikel „Gams, Pius Bonifacius“ von Friedrich Lauchert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 249–252, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gams,_Pius&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 17:21 Uhr UTC)
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Gams: Pius Bonifacius G., Benedictiner, Kirchenhistoriker, geboren am 23. Januar 1816 zu Mittelbuch, Oberamt Biberach, in Württemberg, † am 11. Mai 1892 zu München. Sein Taufname war Bonifaz. G. machte seine Gymnasialstudien 1826–1834 in Biberach und Rottweil, studirte dann von 1834–1838 Philosophie und Theologie in Tübingen, wo er 1838 den Preis der theologischen Facultät und den 1. homiletischen Preis erhielt, trat Herbst 1838 in das Clericalseminar zu Rottenburg ein und wurde am 11. September 1839 daselbst durch Bischof Johann Baptist v. Keller zum Priester geweiht. Hierauf wurde er zunächst Vicar in Aichstetten, 1840 in Gmünd, am 6. April 1841 Präceptoratsverweser und Kaplan in Horb. In den Jahren 1842–43 machte er mit Staatsunterstützung eine wissenschaftliche Reise, auf der er sich u. a. in München, Berlin und Paris aufhielt, wurde dann nach seiner Rückkehr im April 1844 Pfarrverweser in Wurmlingen, am 19. December 1844 Professoratsverweser in Rottweil, am 19. Februar 1845 Oberpräceptor an der Lateinschule in Gmünd. Am 1. Mai 1847 wurde er als Professor an die theologische Lehranstalt in Hildesheim berufen, wo er Philosophie und allgemeine Weltgeschichte zu dociren hatte. Die katholisch-theologische Facultät in Tübingen verlieh ihm die theologische Doctorwürde honoris causa. Neben seiner Lehrthätigkeit und seiner nachher zu erwähnenden wissenschaftlichen litterarischen Thätigkeit half G. in Hildesheim auch in der Seelsorge aus, wirkte für die Förderung des Missionsvereins und des Bonifaciusvereins und gründete für das Volk das seit 1853 erscheinende Hildesheimer „Katholische Sonntagsblatt“. Im August 1855 legte er die Professur nieder, trat am 29. September 1855 in der Abtei St. Bonifaz in München in den Benedictinerorden und legte am 5. October 1856 Profeß ab. Im Orden erhielt er den Namen Pius. (Auf den Titeln der späteren Werke nennt er sich gewöhnlich mit beiden Namen Pius Bonifacius.) Hier wirkte er als Prediger und in der Seelsorge in der von den Benedictinern zu besorgenden Pfarrei St. Bonifaz und bekleidete im Verlauf der Jahre auch die Aemter eines Novizenmeisters, Subpriors und Priors. Daneben entfaltete er eine umfangreiche und bedeutende wissenschaftliche Thätigkeit. 1864–1865 machte er im Interesse seiner spanischen Kirchengeschichte eine längere Studienreise nach Spanien. In den letzten Lebensjahren setzte eine fast vollständige Erblindung seiner regen litterarischen Arbeit ein Ziel.

Die erste Publication von G. war das homiletische Buch: „Die sieben Worte Jesu am Kreuze“ (Rottenburg 1845). Von den Jahren seiner Hildesheimer Wirksamkeit an wird das Gebiet der historischen Forschung, auf das ihn sein Lehramt hinwies, das Hauptgebiet seiner wissenschaftlichen Thätigkeit. An der Spitze steht hier die Darstellung der Gedanken der christlichen Geschichtsphilosophie in dem Buche: „Ausgang und Ziel der Geschichte“ (Tübingen 1850). Vorausgegangen war die Abhandlung: „Christliche Geschichtsbetrachtung“ in der Tübinger Theologischen Quartalschrift 1848 (S. 435 ff.). 1850 erschien in der Theol. Quartalschrift (S. 179 ff.): „Die germanischen und romanischen Völker in ihrem Verhältnisse zur Kirche.“ In demselben Jahre begründete er mit seinen Collegen am bischöfl. Seminar, Alzog, F. W. Koch, Mattes, G. J. Müller (an dessen Stelle 1851 J. Schwethelm trat), die „Theologische Monatschrift“, von welcher leider nur zwei Jahrgänge, 1850 und 1851, im Verlage von Kupferberg in Mainz erschienen. G. war während dieser Zeit einer der rührigsten Mitarbeiter derselben. Von seiner Hand sind darin, außer verschiedenen Beleuchtungen zeitgeschichtlicher Fragen und den in den einzelnen Monatsheften gegebenen „Blicken in die Zeitgeschichte“, sowie Recensionen, die größeren Abhandlungen: „Glaube und Unglaube im 18. und [250] 19. Jahrhundert“ (1. Jahrg. 1850, S. 18–59); „Die Volksmission“ (1. Jg. 1850, S. 541–557, 750–765, 956–966, 997–1011; 2. Jahrg. 1851, S. 26–44, 113–126, 640–654); „Die christliche Monarchie“ (2. Jahrg. 1851, S. 803–826); „Die Völker und ihre Heiligen“ (2. Jahrg. 1851, S. 891–909). Das Hauptwerk der Hildesheimer Zeit, dessen Abschluß sich schon in die nächste Periode hineinzieht, ist die „Geschichte der Kirche Jesu Christi im neunzehnten Jahrhundert, mit besonderer Rücksicht auf Deutschland“ (3 Bde., Innsbruck 1854–1858; zugleich als Fortsetzung, 10.–12. Bd., der im Verlage von Wagner in Innsbruck erschienenen Uebersetzung von Berault-Bercastel, Geschichte der Kirche in einem getreuen Auszuge); ein reichhaltiges, immer noch schätzbares Werk, in welchem die zeitgeschichtliche Litteratur fleißig und umsichtig verwerthet ist. Als Supplement zu diesem Werke bezeichnete G. seine später erscheinende Uebersetzung des Werkes von J. Margotti, „Die Siege der Kirche in dem ersten Jahrzehnt des Pontificates Pius IX.“ (Innsbruck 1860, zwei Auflagen). Der Hildesheimer Zeit gehören weiter noch an das homiletische Buch: „Johannes der Täufer im Gefängnisse“ (Tüb. 1853) und die Schrift: „Die eilfte Säcularfeier des Martyrertodes des heiligen Bonifacius, des Apostels der Deutschen, in Fulda und Mainz, vollständig geschildert mit den dabei gehaltenen Predigten“ (Mainz 1855).

In der Zeit nach seinem Eintritt in den Benedictinerorden stehen im Mittelpunkt seines wissenschaftlichen Strebens die in langjähriger Arbeit entstandenen zwei großen Hauptwerke, die seinem Namen ein unvergänglicheis Andenken sichern. Das eine ist „Die Kirchengeschichte von Spanien“ (3 Bde. in 5 Abtheilungen, Regensburg 1862–1879), deren bleibender wissenschaftlicher Weerth in der sehr eingehenden Behandlung controverser Punkte insbesondere aus der ältesten Kirchengeschichte Spaniens liegt, während eine gleichmäßig durchgeführte Darstellung des ganzen Verlaufes der Geschichte nicht angestrebt ist. Besonders hervorzuheben sind daraus die Untersuchungen über die Missionsthätigkeit des Apostels Paulus in Spanien (I, 1–75) und die Darstellung des Lebens und der Zeit des großen Bischofs Hosius von Corduba (II, 1, 137–309), zugleich eine Ehrenrettung desselben, die G. ganz besonders am Herzen lag. Zugleich als Separatabdruck aus dem letzten Theil des Werkes erschien die Abhandlung: „Zur Geschichte der spanischen Staatsinquisition“ (Regensburg 1878). Als Vorarbeit zum ersten Bande war zuvor die Abhandlung erschienen: „Zur ältesten Kirchengeschichte Spaniens“ (Theol. Quartalschrift 1861, S. 205–271, 343–372). Im Zusammenhang mit der Arbeit an diesem Werk steht desgleichen die Abhandlung: „Das altspanische Kirchenrecht“ (Theol. Quartalschrift 1867, S. 3–23). Erwähnt seien in diesem Zusammenhang noch als Nachklang der Studienreise in Spanien die vier im J. 1865 in den Historisch-politischen Blättern veröffentlichten „Spanischen Briefe“ (Bd. 56, S. 134 ff., 208 ff., 311 ff., 418 ff.), nebst dem einleitenden Artikel: „Wetterleuchten auf der pyrenäischen Halbinsel“ (Bd. 56, S. 67 ff.), die sich mit den modernen Zuständen Spaniens befassen und das lebhafte Interesse des Verfassers für Land und Volk bekunden. Das zweite große Hauptwerk, dessen Plan G., wie er selbst erzählt, faßte, während er sich auf seiner spanischen Reise im März 1865 in Barcelona aufhielt, ist die „Series Episcoporum Ecclesiae catholicae quotquot innotuerunt a beato Petro Apostolo“ (Regensburg 1873); dazu erschien als erstes Supplement: „Hierarchia catholica Pio IX. Pontifice Romano“ (München 1879); später das umfassendere Supplement: „Series Episcoporum, qua series, quae apparuit 1873 completur et continuatur ab anno ca. 1870 ad 20. Febr. 1885“ (Regensburg 1886). Daß ein derartiges Werk, das der Gelehrsamkeit wie [251] dem ungemeinen Fleiß des Verfassers das glänzendste Zeugniß ausstellt, durch die Specialforschung der folgenden Jahrzehnte manche Ergänzungen und Berichtigungen erfahren mußte, versteht sich von selbst, zumal G. bei dessen Bearbeitung fast nur auf ein allerdings großartiges gedrucktes Material angewiesen war, wie es ihm die Münchener Bibliotheken bieten konnten; der Bedeutung des Werks im Ganzen thut dies keinen Eintrag, das bis jetzt nur für die drei Jahrhunderte von 1198 bis 1503 mit Eubel’s Hierarchia catholica medii aevi durch Vollkommeneres ersetzt ist, als Ganzes aber seine Stellung unter den unentbehrlichsten Hülfsmitteln des Historikers wol noch auf lange Zeit behaupten wird.

Die letzten größeren historischen Arbeiten von G. sind die Zusammenstellungen der Nekrologien der zur Zeit der Säcularisation in den süddeutschen Staaten aufgehobenen Klöster, die er ursprünglich in einem größeren Werk zusammenfassen wollte, statt dessen aber in einzelnen Partien in verschiedenen Zeitschriften veröffentlichte: „Nekrologien der in den Jahren 1802–1813 in der jetzigen Erzdiöcese Freiburg aufgehobenen Männerklöster Benedictiner-, Cistercienser-, Norbertiner-Ordens und der regulirten Chorherren“ (Freiburger Diöcesan-Archiv, 12. Bd. 1878, S. 229–249; 13. Bd. 1880, S. 237–272); „Nekrologien der auf dem Territorium der jetzigen Diöcese Rottenburg, bezw. des Königreichs Württemberg, gelegenen und im J. 1802–3 aufgehobenen Benedictiner- und Prämonstratenser-Klöster nach dem Personalstand vom J. 1802“ (Theol. Quartalschrift, 61. Jahrg. 1879, S. 258–274, 467–488, 629–645); „Die in den ständigen Klöstern des Kreises Schwaben und Neuburg und ein paar anderen bei ihrer Aufhebung (in den Jahren 1803 und 1806) vorhandenen Mönche. Mit archivalischen Beiträgen von Otto Rieder“ (Neuburger Collectaneen-Blatt, 46. Jahrg. 1882, S. 79–129); „Nekrologien der Klöster Michelsberg, Banz und Langheim nach der Säcularisation“ (45. Bericht über Bestand und Wirken des historischen Vereins zu Bamberg im J. 1882, Bamberg 1883, S. 76–86); „Personalstand der s. g. ständigen Klöster im Bisthum Würzburg zur Zeit ihrer Aufhebung im J. 1802–3“ (Archiv d. histor. Vereins von Unterfranken u. Aschaffenburg, 27. Bd., Würzburg 1884, S. 165–200); „Personalstand der sogenannten ständigen Klöster der Diöcese Regensburg zur Zeit der Säcularisation, mit Notizen über die weiteren Lebensschicksale und die Todeszeit der einzelnen Conventualen“ (Verhandlungen d. histor. Vereins f. die Oberpfalz u. von Regensburg, 39. Bd. 1885, S. 173–216); „Nekrologien der Mönche im Bisthum Passau, bayerischen Antheils, zur Zeit der Säcularisation im Jahre 1803“ (Verhandlgn. des histor. Vereins f. Niederbayern, 24. Bd. 1886, S. 153–177); „Die 45 s. g. ständigen schwäbischen Klöster in den heutigen Ländern Bayern, Württemberg und Baden bis 1802. Kloster-Nekrologien von P. Pius Gams. Mit archivalischen Beiträgen von Otto Rieder“ (Diöcesan-Archiv v. Schwaben, 1. Jahrg. 1884, Nr. 1, 3, 6–9, 12; 2. Jahrg. 1885, Nr. 2, 4, 8, 10–12; 3. Jahrg. 1886, Nr. 1–5, 7, 9). In die früheren Jahre der Münchener Zeit fällt noch die Herausgabe der „Kirchengeschichte von J. A. Möhler“ (3 Bde. mit Registerband, Regensburg 1867–1870) auf Grund von Nachschriften früherer Schüler Möhler’s; außer manchen Zusätzen stammt darin der letzte Theil, die neueste Kirchengeschichte seit 1814 (Bd. III, S. 363–571), von G. Vorher hatte er schon aus dem Nachlasse von Balthasar Wörner herausgegeben: „Johann Adam Möhler. Ein Lebensbild“ (Regensburg 1866), dessen Arbeit er durch Mittheilung von Briefen Möhler’s und durch Auszüge aus dessen kleineren Arbeiten bereicherte. In dieselbe Zeit fällt die Schrift: „Das Jahr des Martyrtodes der Apostel Petrus und Paulus“ (Regensburg [252] 1867; davon erschien eine französische Uebersetzung: „Année du martyre des saints Apôtres Pierre et Paul. Traduction de P. Belet“, Paris 1867). Die Historisch-politischen Blätter enthalten von ihm, außer den schon genannten Arbeiten, eine Reihe von eingehenden Referaten, meist über kirchenhistorische Werke. Eine Menge von Arbeit auf kirchenhistorischem Gebiete, insbesondere in Form von Biographien, hat G. endlich in Lexikon-Artikeln geleistet. Aschbach’s Kirchen-Lexikon enthält im 3. u. 4. Bande (1850) eine Reihe von Artikeln von ihm. An der ersten Auflage des Kirchen-Lexikons von Wetzer und Welte (1847–1856) war er einer der thätigsten Mitarbeiter; die Zahl seiner Artikel darin beläuft sich auf fast 200, darunter manche von größerem Umfang. Genannt seien davon nur die zu größeren Arbeiten angewachsenen Artikel: „Polen, Kirchengeschichte von“ (VIII, 537–567); „Revolution, die französische“ (IX, 251–289); „Schwärmerei und schwärmerische Secten der neuesten Zeit“ (IX, 819–840). 75 theils neue, theils aus der 1. Auflage herübergenommene Artikel von ihm enthält die 2. Auflage des Kirchen-Lexikons von Wetzer und Welte (1882 ff.) in Bd. I–IV und VIII–XII. Für die Allgemeine Deutsche Biographie schrieb er 1877 f. die Artikel: „Feneberg, Joh. Mich.“ (VI, 619 f.); „Feyerabend, Maurus (VI, 756 f.); „Forner, Friedrich“ (VII, 157–159). Von dem Interesse, das G. an praktischen kirchlichen Angelegenheiten nahm, geben die Schriften Zeugniß: „Die Organisirung des Peterspfennigs“ (Regensburg 1862); „Der Peterspfennig als Stiftung“ (Regensburg 1866); „Die Klöster in Bayern“ (Histor.-polit. Blätter, Bd. 72, 1873, S. 942–957; Bd. 73, 1874, S. 289–304); „Der Bonifacius-Verein in Süddeutschland, 1850–1880“ (Paderborn 1880); „Blicke auf die Lage der Katholiken, welche in Süddeutschland in der Diaspora leben“ (Histor.-polit. Blätter, Bd. 87, 1881, S. 18–36, 110–127, 488–512). Aus seiner Thätigkeit als Prediger in München ging hervor: „Katechetische Reden. Gehalten in der Basilika des heil. Bonifacius zu München“ (2 Bde., Regensburg 1862). Endlich stellte der rastlos thätige Mann auch die ersten drei Registerbände zu den Historisch-politischen Blättern zusammen, zu den Bänden 1–34, 35–50, 51–81 (München 1859, 1864, 1879).

A. Lindner, Die Schriftsteller des Benedictiner-Ordens in Bayern, Bd. II (Regensburg 1880), S. 271–272; Nachträge (1884), S. 76 f. – [O. Rottmanner,] Zu einem Jubiläum (P. Gams); Histor.-polit. Blätter, Bd. 104, 1889, S. 478–480. – K. Grube, P. Pius Bonifacius Gams. Ein Gedenkblatt; Histor.-pol. Blätter, Bd. 110, 1892, S. 233–250. – O. R[ottmanner] im Histor. Jahrbuch 1892, S. 689 f.; – ders. im Deutschen Hausschatz 1892, Nr. 45, S. 710 f. – Studien und Mittheilungen aus dem Benedictiner-Orden, 13. Jahrg. 1892, S. 294–296. – St. J. Neher, Personal-Katalog d. Geistlichen des Bisthums Rottenburg, 3. Aufl. (Schw. Gmünd 1894), S. 74. – F. Lauchert, Die kirchengeschichtlichen u. zeitgeschichtlichen Arbeiten von P. Pius Bonifacius Gams, mit einer vollständigen Bibliographie; Studien u. Mitthlgn. a. d. Benedictiner- u. dem Cistercienser-Orden, 25. Jahrg. 1904. – Der gütigen Mittheilung des hochw. Herrn Stiftsbibliothekars Dr. P. Odilo Rottmanner 0.S.B. verdanke ich die Kenntniß der in St. Bonifaz in München vorhandenen Aufzeichnung von P. P. Gams über die früheren Daten seines Lebens bis zum Eintritt in den Orden.