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Artikel „Eybler, Joseph Edler von“ von Carl Ferdinand Pohl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 453–455, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Eybler,_Joseph_Edler_von&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 08:15 Uhr UTC)
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Eybler: Joseph Edler v. E., k. k. Hofcapellmeister, Sohn eines Schullehrers und Chorregenten im Markt Schwechat (eine Poststation von Wien), wurde daselbst am 8. Febr. 1765 geboren. Von seinem Vater im Gesang und auf verschiedenen Instrumenten unterrichtet, zeigte er in den frühesten Kinderjahren entschiedenes Talent zur Musik. Einflußreiche Gönner brachten ihn zeitig nach Wien ins Knabenseminar, außerdem genoß er in den J. 1777–79 Compositionsunterricht bei dem berühmten Contrapunctisten Albrechtsberger. Als das Seminar 1782 aufgelöst wurde, widmete sich E. der Jurisprudenz, dann aber, durch Mißgeschicke seiner ihn bis dahin unterstützenden Eltern bewogen, gab er sich ausschließlich der Pflege der Tonkunst hin und war bald so glücklich, Jos. Haydn’s Zuneigung zu erwerben. Dieser wurde ihm Freund und Lehrer und unterstützte ihn in jeder Weise. Was Haydn damals von ihm hielt, sagt uns ein Brief des Meisters (dat. 2. Mai 1787), den er von Esterhaz aus an den Musikalienverleger Artaria schrieb, um ihn zur Drucklegung eines Werkes von seinem Schützling aufzumuntern. Haydn schreibt: „Es hat mir ein junger Componist in Wienn mit Nahmen Joseph Eybler 3 Clavier Sonaten von Seiner Composition gezeugt, welche gar nicht übel gesetzt sind, und zugleich gebetten, daß ich diese 3 Sonaten Ihnen zur Beförderung des Druckes, oder stiches an Recomandiren möchte. Der junge Mann verspricht sehr viel, spielt selbst gut das Clavier, und hat viel Kenntniß in der Composition …“ Zwei Jahre später ersehen wir aus einem Briefe Haydn’s an E. selbst, welche Fortschritte dieser unterdessen gemacht hatte. Haydn freut sich mit ihm über die Aufführung einer Symphonie und trägt ihm auf, 3 Tanzmenuetten mit Trio für einen seiner besten Freunde zu componiren. Wieder ein Jahr später stellen Mozart und Haydn auf die Bitten des jungen Mannes Zeugnisse aus, die hinlänglich beweisen, wie sehr beide das Talent desselben schätzten. Mozart’s Zeugniß (dat. 30. Mai 1790) lautet: „Ich Endesgefertigter bescheinige hiemit, daß ich Vorzeiger dieses, Hrn. Joseph Eybler, als einen würdigen Schüler seines berühmten Meisters Albrechtsberger, als einen gründlichen Componisten, sowol im Kammer- als Kirchenstyl gleich geschickten, in der Setzkunst ganz erfahrenen, auch vollkommenen Orgel- und Klavierspieler, kurz als einen jungen Musiker befunden habe, wo es nur zu bedauern ist, daß seinesgleichen so selten ist.“ Haydn’s Zeugniß (dat. 8. Juni 1790) sagt dem Sinne nach dasselbe und betont es namentlich, daß E. „mit Ehren die Stelle eines Capellmeisters versehen“ und „in jeder Kammermusik als ein sehr nützliches Mitglied erscheinen könne“. E. war damals mit Mozart innig befreundet; er wurde von ihm eingeweiht in die Schöpfungen Händel’s und aufmerksam gemacht auf die Richtung, die er seiner persönlichen Anlage und seinem eigentlichen Wesen entsprechend eingeschlagen habe. Daß sein biederer und ehrenhafter Charakter für die, bei Berührung mit der Bühne unvermeidlichen Intriguen und Aufregungen nicht paßte, zeigte sich bei einem ersten Versuche, als ihm Mozart während der Vollendung der Partitur zur Oper Cosi fan tutte das Einstudiren mit den Sängern überließ. Mit Ausnahme einer einzigen Oper, „Das Zauberschwert“ (für die Leopoldstädter Bühne bestimmt) und einer ernsthaften Pantomime „Die Mutter des Gracchus“ blieb er denn auch immer der Bühne fern. In den letzten Wochen vor Mozart’s Tode war E. einer der Wenigen, der ihn mit liebevoller Sorgfalt pflegte, und als der große Mann geschieden war, war es E., dem zuerst die Beendigung des Requiem angetragen wurde. Er versprach auch wirklich der Wittwe schriftlich, [454] es bis Mitte der nächsten Fastenzeit vollendet in ihre Hände abliefern zu wollen. Wol begann er, in Mozart’s Handschrift die Instrumentation bis zum Confutatis zu vervollständigen und hatte auch das Lacrymosa um zwei Tacte weiter geführt, dann aber gab er die bedenkliche Arbeit auf.

Im J. 1792 wurde E. Chorregent der Carmeliter-Pfarrkirche (Vorstadt Leopoldstadt) und zwei Jahre später Chordirector der Stiftskirche zu den Schotten (innere Stadt). Seine in diesem Jahre bei Joh. Träg erschienenen 3 Streichquartette op. 1 widmete er Haydn und ließ ihnen eine italienische Vorrede im damals gebräuchlichen Lobesstil vorangehen. Im J. 1801 wurde er als Lehrer der Tonkunst für die kaiserlichen Kinder berufen und 1804 in Rücksicht seiner vorzüglichen musikalischen Kenntnisse neben Salieri zum k. k. Vicehofcapellmeister und nach dessen Jubilirung (16. Juni 1824) zum ersten Hofcapellmeister ernannt; im J. 1834 erhob ihn überdies der Kaiser in den erblichen Adelsstand. Seit 1825 bekleidete er statutenmäßig (als Vicehofcapellmeister) die Vicepräsesstelle des Pensionsinstitutes für Wittwen und Waisen der Tonkünstler (jetzige Haydn-Verein), nachdem er schon vorher dem Institute als Assessor (seit 1807) und dann als Secretär (seit 1820) angehört hatte. In den Jahres-Akademien dieser Tonkünstler-Societät wurde von Eybler’s Composition aufgeführt im J. 1794 das Oratorium „Die Hirten bei der Krippe zu Bethlehem“ und im J. 1810 und 11 das Oratorium „Die vier letzten Dinge“, letzteres componirt auf Befehl des Kaisers Franz (an dessen Seite E. häufig im Quartettspiel mitwirkte) und 1810 bei einem Hoffeste im Ceremoniensaale der kaiserl. Burg aufgeführt. Seit dem J. 1833 in Folge eines Schlaganfalles während der Direction des Mozart’schen Requiems genöthigt, als Dirigent sich von der Oeffentlichkeit zurückzuziehen, endete Edler v. E. seine irdische Laufbahn am 24. Juli 1846. Sein Leichnam ruht auf dem allgemeinen Währinger Friedhofe neben dem seiner Gattin Therese.

E. verlebte ein ruhig dahingleitendes Dasein in steter Erhöhung seiner Stellung und seines Ansehens, ein Loos, wie es nur Wenigen beschieden ist. Als Mensch und Künstler geachtet und geliebt, dem Neid und der Mißgunst nur wenig ausgesetzt, konnte er mit ganzer Seele seiner Muse leben. Wenn sein Wirken als schaffender Künstler auch kein bahnbrechendes und ungewöhnliches war, geben doch seine Werke Zeugniß von einem bedeutenden Talent, in dem sich umfassende Kenntnisse und ein kunstgebildeter Geschmack zu einem wohlthuenden Ganzen vereinigten. Das dramatische Feld hatte E., wie erwähnt, eben nur gestreift. Auch darin war er von seinem guten Stern begünstigt, der ihm in Mozart in den entscheidenden Jahren den rechten Führer anwies, der ihm, wie E. selbst in seiner für Rochlitz niedergeschriebenen Lebensskizze bekennt, klar machte, was er selber nur dunkel ahnte, daß er ihn zu dem Entschlusse brachte, sich ausschließlich der Kirchencomposition zu widmen.

Somit können wir, Umgang nehmend von Eybler’s Leistungen in der Orchestermusik (einiger Symphonien und Ouverturen) und in der Kammermusik (Duetten, Terzetten, Quartetten und Quintetten), von seinen Clavierstücken verschiedener Art, einer großen Anzahl ein- und mehrstimmiger Lieder und Gesänge und einiger Vocalchöre, die mehr oder weniger ihrer Zeit genügten, vorwiegend Notiz nehmen von seinem Schaffen im Gebiete der Kirchenmusik, von seinen zahlreichen Musikstücken kleinerer Gattung (7 Te Deum, 30 Offertorien, 35 Gradualien, Vespern, Litaneien etc.), namentlich aber von seinen 32 solennen Messen und dem großen Requiem C-moll, das E. auf Wunsch der Gemahlin des Kaisers Franz componirte. Was Rochlitz an letzterem hervorhebt, kann auch zum großen Theil von seinen Messen gelten: im Gesange natürlich, fließend und den Stimmen angemessen, in der Instrumentation reich, mannigfaltig, mit Anwendung aller [455] der Kirchenmusik angemessenen Mittel; im Ausdruck von frommer Andacht und liebevoller Begeisterung durchweht, in der Totalität trotz überwiegender Beweglichkeit edel und zum Theil großartig, immer aber wahrhaft kirchlich und im besonderen am nächsten verwandt mit den bedeutendsten Werken Michael Haydn’s. Die genannten Werke werden denn auch heute noch oft und gern aufgeführt; für ihre Verbreitung ist überdies durch den Stich gesorgt: es erschienen im Druck (Wien, bei Haslinger) das große Requiem, 7 solenne Messen (Nr. 1, Es-dur, zur Krönungsfeier der Kaiserin Caroline als Königin von Ungarn; Nr. 7, C-dur, zur Krönungsfeier des Erzherzogs Ferdinand, nachmaligen Kaisers, zum König von Ungarn), 13 Offertorien und Gradualien (sämmtlich in Partitur und mit Ausnahme des Requiem und der Messen Nr. 2 und 7 auch in Auflagstimmen). Eybler’s Porträt, in Oel gemalt, befindet sich im Museum der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien.