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Artikel „Eychhorn, Kuno von dem“ von Friedrich Haagen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 455–458, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Eychhorn,_Kuno_von_dem&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 04:18 Uhr UTC)
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Eychorn: Kuno von dem E., Ritter, zählt in erster Linie zu denjenigen Männern, welche in der Krönungs- und Reichsstadt Aachen bestimmenden Einfluß ausgeübt haben. Seine Familie war eine patricische und am Anfang des 14. Jahrhunderts, 1321, schon einflußreiche. 70 Jahre später, 1391, tritt er als Schöffe auf, zu einer Zeit, wo die durch den Blüthezustand, dessen Aachen sich durch das 14. Jahrhundert hindurch erfreut hatte, wohlhabend gewordenen Zünfte mit stets steigender Unzufriedenheit die ausschließliche Herrschaft der Adelichen ertrugen. Versuche der Unzufriedenen, eine Betheiligung an derselben zu erzwingen, waren gescheitert. Der Erbrath hielt das Heft der Regierung fest in Händen. Seine Mitglieder benutzten dieselbe, ihren Wohlstand aufrecht zu erhalten oder noch zu vermehren. So war unser E. im J. 1394 Mitpächter der städtischen Weinaccise, welche in diesem Jahre mehr als die Hälfte der gesammten Jahreseinnahme der Stadt betrug. Eychorn’s Einfluß stieg immer mehr, und er wurde auch zum Vertreter der Stadt in ihren äußeren Angelegenheiten erwählt. Aachen hatte die durch die rheinischen Kurfürsten zu Rhense ausgesprochene Absetzung Königs Wenzel nicht anerkannt und hielt fest an ihm, weil es demselben Treue geschworen, sowie es im J. 1248 fest an Friedrich II. gehalten, als man diesem den Grafen Wilhelm von Holland entgegengestellt hatte. Als im J. 1400 der Gegenkönig Wenzels, Ruprecht von der Pfalz, vor Aachen erschien und Einlaß zur Krönung verlangte, verschloß die Stadt ihm die Thore. Diese wurde deshalb von Ruprecht in die Reichsacht erklärt, in welcher sie bis zum J. 1407 verblieb. In diesem Jahre unterhandelte E. nebst anderen Aachener Schöffen zu Köln mit Bevollmächtigten des Königs Ruprecht über des letzteren Anerkennung und Aufnahme seitens der Krönungsstadt. Im J. 1415 finden wir E. nebst anderen angesehenen Bürgern Aachens auf dem Concil zu Constanz, wo er wahrscheinlich von König Sigmund den Ritterschlag erhalten hat; denn seit der Zeit heißt er in den Urkunden Ritter.

Trotz großartiger städtischer Bauten, trotz kostspieliger Landfriedensbündnisse mit den Herzögen von Brabant und Jülich, mit den Kurfürsten von Köln und der Stadt Köln, trotz der Expeditionen gegen die Schlösser zur Dyck und Reifferscheid, trotz großer Auslagen bei längeren Besuchen der Kaiser und ihrer Familien in der Krönungsstadt, war diese durch ihre Industrie in ihrem Wohlstand gestiegen und hatte, wie die von Joseph Laurent 1866 herausgegebenen Stadtrechnungen des 14. Jahrhunderts bezeugen, daß Gleichgewicht zwischen Ausgabe und Einnahme aufrecht erhalten. Dieses wurde nun zur großen Unzufriedenheit der zahlreichen und wohlhabenden Arbeiterbevölkerung in den Zünften erst mit dem J. 1387 gestört. Das Einkommen der Stadt beruhte hauptsächlich auf der Accise oder der Verbrauchssteuer, besonders der Gegenstände des feineren Genusses. Als im städtischen Haushalt ein Deficit entstand, wurden die Zünfte [456] schwerer belastet. Leibrentenkäufe halfen nur vorübergehend und der Rath machte Anleihen. Die Zünfte wurden immer unzufriedener, klagten auch über Unterschleife der Patricier bei den Accisenverpachtungen, verlangten Einsicht in die Finanzverwaltung und Antheil an der Regierung, Forderungen, welche die Patricier versagten.

Am Freitage vor Johanni 1401 schlugen die Zünfte ein aufrührerisches Schreiben an das sogen. Komp- oder Walkhaus an und erhoben sich gegen die Obrigkeit. Diese aber ließ die Anführer, den einen nach dem anderen, heimlich einziehen und nach der summarischen Sitte der Zeit hinrichten. Die Ruhe schien hergestellt, aber die Unzufriedenheit glomm unter der Asche fort, wie sich die folgenden Jahre hindurch in vielfachen Tumulten, deren Herd das Komphaus war, kundgab.

E. war unterdessen das Haupt der Aachener Patricier geworden. Im J. 1417 errichtete er mit seiner Gattin Mechtilde Hauermann ein Spital für 13 Arme.

Mit welchem Selbstgefühl der stolze Patricier auftrat, geht aus dem Eingange der Urkunde von 1423 hervor, mittels welcher der reiche Mann seine Stiftung mit 176 Anweisungen auf Besitzungen in den verschiedenen Straßen der Stadt und auswärts berentet. Der Eingang lautet: „Wir Coyn von dem Eychorn, ritter, scheffen des konynclichen stoils der stat van Achen und Mettel Hauermann, elige bedgenossen, doyn kunt allen luden“ etc. Grund und Boden der königlichen Stadt gehörte ursprünglich dem Reiche und ging allmählich in den Besitz der Kirche und der Ministerialen oder vornehmen Geschlechter über. Den Arbeitern wurde er nach und nach zum Bauen der Wohnungen gegen Erbzins überlassen, der, wie wir aus der erwähnten Schenkungsurkunde Eychorn’s ersehen, oft sehr beträchtlich war.

Die lange genährte Unzufriedenheit der Zünfte kam endlich zum Ausbruch. Am 10. Aug. des J. 1428, dem Tage des hl. Laurentius, erhoben sie sich, gelobten, stets zusammenzuhalten, wählten zehn Ambachter, welche Zahl derjenigen der damaligen Zünfte entsprach, und errichteten ihren eigenen Rath, der seinen Sitz in dem Augustinerkloster nahm, welches ganz nahe dem Rathhause lag, in welchem der alte oder der Erbrath zusammenkam. Dieser scheint durch die Erhebung der Zünfte vollständig überrascht worden zu sein, denn er erhob keinen Widerspruch. Er fand sich den zehn Ambachtern gegenüber zu schwach und mußte thun, was der neue Rath decretirte. So durfte jetzt, dem Fleischhauerambachte zuwider, statt an einer, an drei Stellen Fleischverkauf stattfinden. Es erhob sich auch das Wollenambacht gegen die Werkleute, welche zu den bedeutendsten Beamten gehörten, setzten Siegler gegen sie ein, welche die „getzauwen“ oder Webstühle und Rahmen siegelten, die auf der Treckleuve oder dem Zunfthause lagen, Gericht hielten „und krumm und Recht wiesen“, was, wie eine Chronik sagt, zu Aachen nie geschehen war! Auch einzelne Patricier waren auf Seiten der Aufständischen und sicherten deren Erfolg. Dieser schien vollständig und reizte die neuen Gewalthaber zu dem Entschlusse, die Geschlechter in deren Grundbesitze zu schädigen, der ihnen von jeher die bevorrechtete Stellung dem Volke gegenüber gewahrt hatte. Wenn nämlich die Zünfte eine beabsichtigte gesetzliche Ablösbarkeit oder eine willkürliche Verweigerung der Erbzinsen durchführten, waren die Patricier ruinirt. Die Furcht vor dieser Gefahr in Verbindung mit dem durch den Sieg der Zünfte gekränkten Stolze der alten Geschlechter weckte diese aus ihrer Lethargie. Da sie einen offenen Kampf in den Straßen gegen die Zünfte für sich und die Ihrigen gefährlich und von zweifelhaftem Erfolge hielten, so sannen sie auf List und Ueberrumpelung mit Hülfe benachbarter Dynasten. Als Urheber von beiden, der List und der Ueberrumpelung, bezeichnen eine Aachener Chronik und ein gleichzeitiges von Windeck uns erhaltenes, von [457] Liliencron und neuerdingis von Lörsch und Reifferscheid herausgegebenes Gedicht den E. Ein Jahr lang hatte die Gemeine sich der ausschließlichen Herrschaft in der Reichsstadt erfreut, als ein plötzlicher Umschlag erfolgte. Während der alte Rath scheinbar keinen Widerspruch gegen die neue Ordnung der Dinge erhob, war er doch keineswegs unthätig. Mit den benachbarten Dynastenhäusern stand er von jeher in freundschaftlichem Verkehr. Nach den Aachener Stadtrechnungen des 14. Jahrhunderts erhielten die Mitglieder derselben bei ihrer Anwesenheit in Aachen den Ehrenwein, Einige waren in Mannlehen der Stadt, Andere bezogen Leibrenten von ihr. Aachens Patricier durften also im Falle der Noth auf sie zählen. Es ist wahrscheinlich, daß der Erbrath gleich nach seinem Unterliegen Beziehungen mit den Herren anknüpfte. Fest steht nur, daß im J. 1429 bestimmte Abmachungen zwischen den Herren Johann II. zu Loen, Herr zu Jülich, Heinsberg und Löwenberg, dem Grafen Ruprecht von Virneburg und dem Grafen Gumpert von Neuenahr, Erbvogt von Köln, einerseits und dem Haupte der Aachener Patricier, Ritter E., andererseits stattfanden. Diesen gemäß sollten jene Herren dem alten Rath Hülfe leisten, die neuen Ambachter abzustellen und zu nichte zu machen! Vor dem zur Ausführung des verabredeten Anschlages bestimmten Tage kamen früh morgens zahlreiche Reiter als Pilger in die Stadt, was in dem vielbesuchten Wallfahrtsorte kein Aufsehen machte, und nahmen theils auf dem Markte, theils in anderen Stadttheilen unvermerkt Herberge. Gegen den Einritt von Reitern pflegte man die Straßen der Stadt mit Ketten abzusperren. Diese wurden den Abend vorher durch Verkürzung unbrauchbar gemacht. Ein Patricier hatte von einem gutmüthigen oder bestochenen Arbeiter den Schlüssel des Pontthores erhalten und nach demselben einen zweiten anfertigen lassen. Nach diesen Vorbereitungen langten die zu Hülfe gerufenen Herren am 2. October morgens 2 Uhr mit 1600 wohlbewaffneten Reitern vor der Stadt beim Pontthor an, welches, wie verabredet, offen stand. In starkem Trabe durch die lange Pontstraße wurde der Markt erreicht, dann die Stadtthore verschlossen und besetzt, damit Niemand entrinnen könne. Erst später gelang es Einigen, theilweise auf höchst abenteuerliche Art, zu entkommen. Ungesäumt wurde die Gemeine auf das heftigste angegriffen, diejenigen, welche bewaffnet befunden wurden, jämmerlich umgebracht und, wie die von Lörsch herausgegebene Chronik sagt, „zu thoit“ geschlagen; andere verloren den Muth und baten um Gnade. Trotzdem läuteten, als der Tag anbrach, die Bewohner der Straße von St. Jacob, welche größtentheils Ackerwirthe und Gärtner waren, Sturm, besetzten die St. Jacobskirche und den Kirchhof, welche auf einer Anhöhe liegen. Vom Kirchthurme herab schleuderten sie Wurfgeschosse und Steine auf die Reiter, auch in der Kirche floß Blut; aber die Bürger unterlagen, 24 fielen und mehrere wurden verwundet. Unter dem Schutze des eingedrungenen fremden Kriegsvolkes versammelte sich der alte Rath in dem gewöhnlichen Locale und ließ während der Sitzung die Urheber, Rädelsführer, die nicht entflohen waren oder sich versteckt hielten, aufsuchen und einziehen. Nur fünf wurden festgenommen. Diese wurden den anderen Tag auf dem Markte vor dem Rathhause ohne Verhör und Proceß hingerichtet. Die gesammte Gemeine, alt und jung, ließ darauf der Rath zu sechs und sechs auf das Rathhaus entbieten und hier auf das Blut des h. Stephanus schwören, welches in einem werthvollen Reliquiengefäß enthalten war und zu den Krönungsinsignien gehörte. Die Bürger gelobten, dem alten Rath treu und hold zu sein und nie etwas gegen denselben zu unternehmen oder unternehmen zu lassen. Die Gemeine war also vollständig dem Gutdünken der Patricier anheimgegeben. Die Herren, welche diesen mit ihren Reisigen zu Hülfe gekommen waren, benahmen sich als die Gebieter der Stadt, pflanzten ihre Fahnen auf und hielten, gewiß zum geheimen Verdrusse des Rathes, ihr Lanzenstechen [458] auf dem Marktplatze. Sie erhielten den ihnen vom Rath verheißenen Sold im Betrage von 10000 rheinischen Gulden und ritten am achten Tage nach ihrem Einfall in die Stadt wieder davon. So hatten E. und seine Standesgenossen für ihr Unterliegen im J. 1428 und die durch dasselbe erduldete Demüthigung vollständig sich gerächt und die Gemeine in noch strengere Unterordnung gebracht als vorher, der Stadt aber auch eine große Schuldenlast aufgebürdet. Die rücksichtslose Härte, mit welcher die Sieger gegen die unterliegende Gemeine verfuhr, ließ in dieser einen tiefen Groll zurück. Um die Eintracht der beiden Stände war es für das ganze 15. und den Anfang des 16. Jahrhunderts geschehen. Wiederholt treten die schroffen Gegensätze hervor, bis es endlich der Gemeine gelingt, die Herrschaft des Erbraths für immer zu beseitigen.

E. starb am 3. Febr. 1437. An Ansehen unter seinen Zeitgenossen stand er dem Gerhard Chorus (s. d. A.) im 14. Jahrhundert kaum nach; aber wie verschieden ist das Andenken, das beide der Nachwelt hinterlassen haben. Chorus erscheint als ein milder, geachteter, in den inneren und äußeren Beziehungen der Stadt einflußreicher Mann, an dessen Namen die herrlichsten noch heute erhaltenen Bauwerke erinnern, E. als der reiche erbarmungslose Patricier.