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Artikel „Dubs, Jacob“ von Wilhelm Oechsli in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 128–133, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Dubs,_Jakob&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 01:49 Uhr UTC)
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Dubs: Jacob D., schweizerischer Staatsmann, geboren am 26. Juli 1822 zu Affoltern am Albis, dem Hauptort des Knonauer Amts im Kanton Zürich, † am 13. Januar 1879 in Lausanne. Gegen den Willen des Vaters, eines wackern Gastwirths und Metzgers, der den einzigen Sohn lieber für sein Geschäft erzogen hätte, setzte die feiner angelegte Mutter es durch, daß der reich begabte Knabe Ostern 1834 das Gymnasium in Zürich beziehen durfte. Nachdem er diese Schule wegen eines Verstoßes gegen die Disciplin vor gänzlicher Absolvirung hatte verlassen müssen, immatriculirte er sich Ostern 1840 als stud. juris in Bern, wo der anregende Wilhelm Snell auf ihn, wie auf Stämpfli und andere künftige schweizerische Politiker, großen Einfluß ausübte. Im Herbst 1841 siedelte er nach Heidelberg über, genoß hier den Unterricht Vangerow’s und Mittermaier’s, der gegenüber Moleschott den jungen Schweizer als einen seiner ausgezeichnetsten Schüler rühmte, und brachte dann 1843 seine Studien in Zürich zum Abschluß. Sein Uebertritt ins öffentliche Leben fiel in die bewegten Jahre, wo durch die Aufhebung der Klöster im Aargau, die Berufung der Jesuiten nach Luzern und den im Werden begriffenen Sonderbund die Dinge dem Bürgerkrieg zutrieben, und D. ergriff aus innerster Ueberzeugung für die liberal-radicale Richtung als die Trägerin des demokratischen und nationalen Gedankens Partei. Bei dem zweiten Freischaarenzug vom 31. März 1845, einem förmlichen Einfall der schweizerischen Radicalen in den Kanton Luzern, der den dortigen Gesinnungsgenossen das Jesuitenregiment sollte gewaltsam stürzen helfen, schloß sich D. einem Haufen von 70–80 bewaffneten Zürchern an, bei dem sich auch Gottfried Keller befand, der aber von den Zürcher Behörden am Ueberschreiten der Grenze verhindert wurde.

1846 erhielt D. das Amt eines kantonalen Verhörrichters und sah sich nun dank seiner ungewöhnlichen, mit persönlicher Liebenswürdigkeit gepaarten Gewandtheit und Vielseitigkeit durch das Vertrauen seiner Mitbürger rasch von Stufe zu Stufe gehoben. Im September 1847 wurde der 25jährige von seiner Heimathgemeinde in den Zürcher Kantonsrath gewählt; seine Beeidigung fiel in die Sitzung, wo die Behörde namens des Kantons Zürich sich für die bewaffnete Auflösung des Sonderbundes aussprach. Am Sonderbundskrieg selber nahm D. als Dragoner theil, ohne indeß ins Feuer zu kommen. Alfred Escher, seit dem Uebertritt Jonas Furrer’s in den Bundesrath der leitende Staatsmann Zürichs, erkannte die Bedeutung des jungen Aemtlers und zog ihn in seine Kreise; doch wahrte D. auch dieser mächtigen Persönlichkeit gegenüber stets eine selbständige Haltung. Im Frühjahr 1849 wurde er in den schweizerischen Nationalrath gewählt, wo er sich den unter Escher’s Führung stehenden gemäßigten Radicalen anschloß und rasch Ansehen und Einfluß erwarb, so daß er schon 1853 zum Vicepräsidenten und 1854 zum Präsidenten des Rathes vorrückte. Zugleich ernannte ihn das Bundesgericht 1849 zum eidgenössischen Untersuchungsrichter für die deutsche und italienische Schweiz und 1854 die Bundesversammlung zum Mitglied des Bundesgerichtes selber. 1855 wurde er Vicepräsident und 1856 Präsident dieses Gerichtshofes, [129] der indeß damals noch keine ständige Behörde bildete und seinen Mitgliedern eine politische Laufbahn nicht verschloß.

Im Heimathkanton erhielt D. 1849 das Amt des öffentlichen Anklägers oder Staatsanwalts und zeichnete sich durch sorgfältige und humane Führung desselben aus. 1851 entschied er durch sein Votum im Großen Rath die Einführung der Geschworenengerichte im Kanton Zürich. Seine Erfahrungen und Ideen als Criminalist faßte er in dem 1855 veröffentlichten Entwurf eines Strafgesetzbuchs zusammen, der Mittermaier’s enthusiastischen Beifall erntete und D. 1858 seitens der juristischen Facultät Zürich die Ernennung zum Ehrendoctor eintrug. Erwähnung verdient auch die originelle Unterstützung, die der Zürcher Staatsanwalt 1853/54 dem in Berlin verschuldeten Gottfried Keller zu theil werden ließ, indem er durch Actien die zur „Loseisung“ des Bedrängten nöthigen, nicht unansehnlichen Mittel aufbrachte. Selber ein ausgesprochenes schriftstellerisches Talent, war D. fortwährend auch in der Presse thätig. Nachdem er 1849 den „Republikaner“ Ludwig Snell’s mit Correspondenzen aus der Bundesstadt versehen, übernahm er die Redaction des Winterthurer „Landboten“, eines Wochenblattes, worin er die Grundsätze einer gesunden, nationalen Demokratie gegen die aus der Fremde importirten „kalifornischen Glückseligkeits- und Erleichterungsformeln“ einer socialistisch-demokratischen Partei, die Anfangs der 50er Jahre in Zürich Boden zu fassen schien, in meisterhafter, nie durch persönliche Verunglimpfungen entstellter Polemik vertheidigte. Insbesondere machten in der Wahlperiode von 1854 acht Artikel gegen das socialistische Programm, die auch in Broschürenform als „Beitrag zur Würdigung der sogenannten demokratischen Bewegung des Jahres 1854“ verbreitet wurden, Sensation und trugen viel dazu bei, das Regiment der liberalen Mittelpartei auf lange hinaus zu befestigen. Der erneuerte Große Rath wählte denn auch D. am 31. Mai 1854 in die Züricher Regierung, in der er zunächst das Justiz- und Polizeidepartement verwaltete. Als der Regierungspräsident Alfred Escher im Herbst 1855 wegen angegriffener Gesundheit zurücktrat, wurde D., wiewohl das jüngste Mitglied, zu seinem Nachfolger ernannt und übernahm auch die von Escher verwaltete Direction des Erziehungswesens. Als Erziehungsdirector hat sich D. ein hervorragendes Andenken durch ein 1859 vom Großen Rathe genehmigtes Unterrichtsgesetz gesichert, welches das gesammte Bildungswesen des Kantons von der Volksschule bis zur Universität umspannte, eine musterhafte Arbeit, die in ihren wesentlichen Theilen noch heute gilt.

Der kantonalen Thätigkeit ging eine intensive eidgenössische zur Seite. Nach seiner Wahl in die Züricher Regierung hatte D. Ende 1854 seinen Sitz im Nationalrath mit einem solchen im Ständerath vertauscht, der ihn Januar 1856 zum Vicepräsidenten, im Juli zu seinem Präsidenten erhob. Er war regelmäßig Mitglied von allen wichtigeren Commissionen; unter anderen fiel ihm 1857 in der Neuenburger Angelegenheit die Berichterstattung zu. Im Einklang mit Alfred Escher, dem Berichterstatter im Nationalrath, unterstützte er die ebenso feste als besonnene Politik des Bundesrathes gegen die hitzigen Gegenanträge der Genfer Deputirten Fazy und Karl Vogt, die zum Kriege hätten führen müssen, und trug das Seine dazu bei, daß die Bundesversammlung am 16. Januar 1857 durch Niederschlagung des Processes gegen die Neuenburger Royalisten den Weg zur friedlichen Verständigung mit Preußen bahnte. Im Februar und October 1858 wurde D. mit dem Bischof von Basel[1] vom Bundesrath als eidgenössischer Commissär nach Genf geschickt, um einem Internirungsbeschluß gegen französische und italienische Flüchtlinge Nachachtung [130] zu verschaffen. Durch die Renitenz der von dem eigenwilligen Fazy geleiteten Genfer Regierung entstand ein peinlicher Conflict, der durch die Bundesversammlung zu Ungunsten Genfs entschieden wurde, so daß dieses schließlich den Forderungen des Bundesrathes und seiner Commissäre nachgeben mußte.

Während des italienischen Krieges feierte die Schweiz im Sommer 1859 in Zürich ein eidgenössisches Schützenfest, das durch den Besuch der Bremerschützen eine besondere Weihe erhielt. D. leitete dasselbe als Festpräsident; großen Eindruck machte es, als er von der Tribüne herab die Nachricht von dem Frieden zu Villafranca verkündete. Hernach hatte er im Namen des Standes Zürich den in der Stadt tagenden Vertretern der kriegführenden Mächte, die hier den Definitivfrieden schlossen, die Honneurs zu machen. In dem Nachspiel des Krieges, dem die Schweiz tief aufregenden Savoyerhandel, fiel ihm wieder eine nicht unwichtige Rolle zu. Der von Stämpfli beherrschte Bundesrath wollte, nachdem es ihm nicht gelungen war, von Napoleon III. auf diplomatischem Wege die Abtretung des in die schweizerische Neutralität einbezogenen Nordsavoyens zu erhalten, dessen Uebergang an Frankreich durch militärische Besetzung verhindern, auf die Gefahr eines Krieges mit Frankreich und Sardinien hin, und verlangte von der Ende März 1860 einberufenen Bundesversammlung Vollmachten, die ihm dazu freie Hand gelassen hätten. Wieder waren es die beiden Zürcher, Escher und D., denen als Präsidenten und Berichterstattern der von den eidgenössischen Räthen eingesetzten Commissionen die Führung der Bundesversammlung in dieser Frage zufiel; aber im Gegensatz zu Stämpfli wollten die beiden von gefährlichen Schritten, welche die Schweiz in Krieg hätten verwickeln können, nichts wissen. Die große Mehrheit der Bundesversammlung ging mit ihnen einig und bewilligte die begehrten Vollmachten erst, nachdem man sich in erregten Commissionssitzungen die Gewißheit verschafft hatte, daß der Bundesrath davon keinen aggressiven Gebrauch machen werde. Als hierauf die „Zürcher Krämer“ von den radicalen Preßorganen, deren Abgott der Berner Stämpfli war, beleidigende Angriffe erfuhren und von Volksversammlungen und Vereinen stürmisch militärische Maßregeln verlangt wurden, griff D. zur Feder und beleuchtete in fünf Artikeln der Neuen Zürcher Zeitung die „tiefen Differenzen in der Savoyerfrage“. Der Grundgedanke dieser Artikel, die auch als Broschüre unter dem Titel „Die Savoyerfrage rechtlich und politisch beleuchtet“ deutsch, französisch und italienisch erschienen und „ein Muster klarer, volksthümlicher Darstellung einer äußerst verwickelten Frage“ waren, bestand darin, daß die Schweiz wohl eine Servitut, aber kein Miteigenthum an Nordsavoyen besitze, daß ihr mithin die rechtliche Grundlage für eine Occupation fehle und daß sie unmöglich um einer Frage willen, wo nicht das gute Recht auf ihrer Seite stehe, ihre Existenz aufs Spiel setzen dürfe. Wiewohl nun erst recht gegen D. der Sturm losbrach und er sogar des „moralischen Hochverraths“ bezichtigt wurde, übte doch seine besonnene Darlegung sichtlich eine beruhigende Wirkung auf die Gemüther aus. Die Wiederwahl des Ständeraths im Herbst 1860 gestaltete sich für ihn zu einem Zutrauensvotum, und als der treffliche Jonas Furrer nach langem Siechthum starb, war er dessen selbstverständlicher Nachfolger im Bundesrath. Am 30. Juli 1861 erfolgte seine Wahl und im September siedelte D. nach der Bundesstadt Bern über.

Im Bundesrath übernahm D. zunächst das Justiz- und Polizeidepartement, dem er in den Jahren 1861, 1862 und 1866 vorstand. Später verwaltete er auch das Postdepartement (1867 und 1869) und das Departement des Innern (1865, 1871 und 1872) und erwies sich überall als ein ausgezeichneter Administrator. Unter den Bundesgesetzen, die D. zum Urheber haben, steht [131] das Eisenbahngesetz von 1872 obenan, durch welches der Bund den Kantonen die Eisenbahngesetzgebung aus der Hand nahm und dem verfahrenen schweizerischen Eisenbahnwesen eine folgenreiche Wendung gab. Dreimal, 1864, 1868 und 1870 bekleidete er die Würde des Bundespräsidenten und hatte als solcher das Auswärtige zu leiten. Seit dem Rücktritt Stämpfli’s (1868) galt D. als der leitende Kopf der Bundesregierung; die innere und äußere Geschichte der Schweiz während der sechziger Jahre ist untrennbar mit seinem Namen verknüpft. So erließ der Bundesrath unter seinem Präsidium am 8. Juni 1864 die Einladung an die Mächte zur Beschickung des Genfer Congresses, der das große Werk der Genfer Convention zum Schutz der Verwundeten schuf. Großen Antheil hatte D. am Zustandekommen des epochemachenden Handelsvertrages mit Frankreich von 1864, der einerseits für die Schweiz die Aera der Handelsverträge, anderseits diejenige der Bundesrevisionen eröffnete. Da sich Frankreich die freie Niederlassung seiner israelitischen Angehörigen in der Schweiz ausbedang, wurde es nothwendig, mittelst einer Revision der Bundesverfassung auch den schweizerischen Israeliten dies ihnen von einer Anzahl Kantone beharrlich vorenthaltene Recht zu sichern. Diesen Anlaß wollte D. ergreifen, um einige weitere Unebenheiten aus der Verfassung von 1848 zu beseitigen; dagegen lehnte er alle einschneidenderen Reformen in centralisirender Richtung principiell ab als im Widerspruch mit dem Wesen des Bundesstaates stehend, wie er das in einer Schrift „Zur Bundesrevision“ 1865 näher ausführte. Ganz in seinem Sinne beschränkte die Bundesversammlung die Revision auf 9 Artikel, für die sich aber niemand zu erwärmen vermochte und die auch in der Volksabstimmung vom 14. Januar 1866 mit Ausnahme der Judenemancipation verworfen wurden. Von nun an schlug die Revisionsströmung im Bund und in den Kantonen Bahnen ein, denen D. nicht mehr zu folgen vermochte. In Zürich stürzte 1867/69 eine demokratische Bewegung das liberale System unter dem Schlachtruf der Erweiterung der Volksrechte durch das Referendum, die Initiative und die Volkswahl der Regierung. Eine dadurch veranlaßte Schrift von D., betitelt „Die schweizerische Demokratie in ihrer Fortentwicklung“ (Zürich 1868) zeigte, daß er, wiewohl an sich der Weiterbildung demokratischer Institutionen nicht abgeneigt, die Referendumsdemokratie, die nun ihren Siegeszug durch die Schweiz begann, für keine glückliche Entwicklung hielt. Tragisch aber wurde es für ihn, daß er, allerdings seinen früher ausgesprochenen föderalistischen Ueberzeugungen getreu, sich der von den Weltereignissen deutlich gepredigten, namentlich in der deutschen Schweiz lebhaft empfundenen Nothwendigkeit einer stärkern Centralisation verschloß und in der Revisionsperiode 1871/72 die Forderung der Militär- und Rechtseinheit bekämpfte. Dadurch stellte er sich in schroffen Gegensatz zu seinen Collegen im Bundesrath, insbesondere zu dem 1866 gewählten geistvollen und willenskräftigen Welti, auf welchen mehr und mehr der maßgebende Einfluß in den Bundesbehörden überging. Da sich D. in den wichtigsten grundsätzlichen Fragen mit der Mehrheit in den eidgenössischen Räthen nicht mehr in Uebereinstimmung fühlte, nahm er am 1. März 1872 seine Entlassung und beharrte, als ihn die Bundesversammlung zu bleiben ersuchte, auf seinem Rücktritt.

D. gründete nun als anerkannter Führer der aus den Ultramontanen und den particularistischen Westschweizern zusammengesetzten Föderalistenpartei ein Zeitungsorgan „Die Eidgenossenschaft“, worin er den neuen Verfassungsentwurf energisch bekämpfte, der denn auch mit knapper Mehrheit in der Volksabstimmung vom 12. Mai 1872 verworfen wurde. So achtenswerth an sich der Muth war, womit D. seine eidgenössische Stellung seiner Ueberzeugung [132] zum Opfer gebracht hatte, seine Haltung bedeutete doch den Bruch mit der großen freisinnig-nationalen Partei, die ihn noch eben als eine ihrer Koryphäen betrachtet hatte, und kostete ihm im Kanton Zürich, wo er nach seinem Rücktritt ins Privatleben wieder seinen Wohnsitz aufschlug, seine ganze Popularität. Dafür zollten ihm die Westschweizer die höchste Verehrung; die Waadt wählte ihn im October 1872 in den Nationalrath. D. suchte seine förderalistischen Ideen auf das Eisenbahnwesen zu übertragen, indem er eine Gesellschaft zur Erbauung von Schmalspurbahnen gründete, um auch die entlegeneren Landesgegenden gegenüber den bevorzugten Mittelpunkten der Wohlthaten des modernen Verkehrs theilhaftig zu machen; allein der in die siebziger Jahre fallende Eisenbahnkrach vereitelte zum größten Theil die Ausführung seiner Projecte und das Unternehmen brach zusammen. Es zeugt von der gesunden Natur des Mannes, daß sich D. durch die schweren Mißerfolge dieser Jahre nicht auf die Dauer verbittern ließ, daß er in Sachen der Bundesrevision eifrig an einem Compromiß der Parteien arbeitete und zu Gunsten des aus diesem Compromiß hervorgehenden Verfassungsentwurfes von 1874 seinen ganzen Einfluß auf die Westschweizer aufbot, so daß die glänzende Annahme desselben in der Abstimmung vom 19. April 1874 nicht zum wenigsten sein Werk war. Das wiederkehrende Vertrauen, das ihm deshalb auch in Zürich entgegen gebracht wurde, zeigte sich in seiner Wahl zum Mitglied des kantonalen Erziehungsrathes; doch mußte ihn bei den Nationalrathswahlen von 1875 wieder die Waadt für den Mißerfolg seiner Candidatur in der Heimath entschädigen. Am 18. December 1875 wählte ihn die Bundesversammlung zum Mitglied des nun ständig gewordenen Bundesgerichtes, nach dessen Sitz Lausanne er übersiedelte. D. brachte dem neu organisirten höchsten Gerichtshof der Schweiz einen Schatz von Kenntnissen und Erfahrungen namentlich auf staatsrechtlichem Gebiete zu. Seine Muße widmete er der Ausführung eines längst gehegten Lieblingsgedankens, einer volksthümlichen Darstellung des „öffentlichen Rechtes der schweizerischen Eidgenossenschaft“, um die politische Erziehung des Volkes zu fördern und „der hohlen politischen und patriotischen Phrase, dieser wahren Landespest“ entgegen zu wirken. Das vortrefflich geschriebene Buch, in dem nicht der Gelehrte zu Fachgenossen, sondern der republikanische Staatsmann zu seinen Mitbürgern spricht, erschien 1877/78 in zwei Theilen, von denen der erste das Kantonalstaatsrecht, der zweite das Bundesstaatsrecht enthält; ein dritter Theil, dessen Vollendung der Tod verhinderte, sollte die völkerrechtliche Stellung der Schweiz behandeln. Am 10. December 1878 übertrug die Bundesversammlung D. das Vicepräsidium im Bundesgericht, und als sein Nachfolger im Bundesrath, Scherer, am 23. December starb, war ernstlich von seinem Wiedereintritt in seine frühere Stellung die Rede. Allein die herben Erfahrungen der vergangenen Jahre im Verein mit rastloser Arbeit hatten seine Gesundheit untergraben; nach Neujahr warf eine Krankheit den Sechsundsechzigjährigen aufs Sterbelager. Das gewaltige Trauergeleite von Nah und Fern, das am 17. Januar 1879 dem Sarge folgte, sowie die Einstimmigkeit der Presse bezeugten die Theilnahme des Schweizervolkes an dem vorzeitigen Hinschied eines Mannes, an dem es, mochte er ihm auch in einem wichtigen Moment als Führer versagt haben, die hohe Intelligenz und Arbeitskraft, den makellosen Charakter und die aufrichtige Vaterlandsliebe zu schätzen wußte. 1880 wurde D. auf dem Uetliberg ein schlichtes Denkmal errichtet.

Zehender, Dr. Jakob Dubs, ein schweizerischer Republikaner (Zürich 1880). – † Dr. Jakob Dubs („Limmat“ 1879, Nr. 9–28). – Jakob Dubs, Aus seinen Tagebüchern und aus Briefen („Züricher Post“ J. 1901 [133] Nr. 75–91; 119–169; 303–305. J. 1902 Nr. 1–38). – Bundesblatt der schweizerischen Eidgenossenschaft.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 129. Z. 3 v. u. l.: mit dem Basler Polizeidirector Bischoff (statt mit dem Bischof von Basel). [Bd. 55, S. 895]