Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Duckwitz, Arnold“ von Diedrich Rudolf Ehmck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 133–140, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Duckwitz,_Arnold&oldid=- (Version vom 11. Oktober 2024, 09:53 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Dubs, Jakob
Nächster>>>
Duflos, Adolf
Band 48 (1904), S. 133–140 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Arnold Duckwitz in der Wikipedia
Arnold Duckwitz in Wikidata
GND-Nummer 11623265X
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|48|133|140|Duckwitz, Arnold|Diedrich Rudolf Ehmck|ADB:Duckwitz, Arnold}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=11623265X}}    

Duckwitz: Arnold D., bremischer Staatsmann und für kurze Zeit Reichshandelsminister, war in Bremen am 27. Januar 1802 geboren, „aus althanseatischem Blut“ entsprossen. Denn die Familie stammte einer bei ihr erhaltenen Ueberlieferung zufolge aus Danzig und war später in Lübeck ansässig geworden. Von dort war ein Vorfahr Duckwitz’ im Jahre 1608 nach Bremen eingewandert, wo er in der hier bald hernach entstandenen Neustadt die Ledergerberei betrieb. Durch fabrikmäßige Ausbildung dieses Geschäfts und andere kaufmännische Unternehmungen gelangten seine Nachkommen zu erfreulichem Wohlstande. Auch D. hatte sich dem kaufmännischen Berufe gewidmet; eine lebhafte, phantasievolle, energische Natur, war er von jungen Jahren unablässig darauf bedacht gewesen, durch eigenes Studium alle Bildungselemente seiner Zeit in sich aufzunehmen. Die Bibel, Ossian und Goethe’s Faust waren Jahre lang seine ständigen Reisebegleiter, handelswissenschaftliche und volkswirthschaftliche Werke wie die von Büsching und Adam Smith erfuhren bei ihm eine gründliche Durcharbeitung, selbst astronomischen und philosophischen Schriften wandte sich zeitweilig seine Aufmerksamkeit zu. Nach Beendigung seiner Lehrlingszeit in Bremen hatte er sich zur Erweiterung seiner kaufmännischen Anschauungen im Frühjahr 1823 zunächst nach England begeben, im folgenden Herbst aber in einem angesehenen Handlungshause in Antwerpen eine Stellung angenommen, wo er für mehrere Jahre einen für seine allgemeine und berufliche Ausbildung höchst anregenden und fruchtbaren Aufenthalt fand. Nach einer Reise in die Schweiz im Mai 1826 in die Vaterstadt zurückgekehrt, begründete er hier, nach zweijähriger Thätigkeit in einem andern Handelshause, im Jahre 1828 ein eigenes Geschäft, das namentlich die Einfuhr amerikanischer Häute betrieb und mit dem er zugleich die Unternehmungen seines schon 1807 gestorbenen Vaters wieder aufnahm, auch dessen geschäftliche Verbindungen im deutschen Binnenlande rasch zu erneuern verstand. Im Juni 1831 verheirathete sich D. mit Marie Borchers, die auch einer bremischen Kaufmannsfamilie entstammte, und mit der er bis wenige Jahre vor seinem Tode in glücklichster Ehe verbunden geblieben ist. Seinem zu neuer Blüthe gebrachten Handlungsgeschäfte hat er, nach dem Eintritt in wichtige öffentliche Aemter zuerst durch einen Bruder seiner Frau, dann durch einen Sohn unterstützt, bis in seine späteren Jahre hinein vorgestanden; unter der Leitung zweier seiner Söhne besteht es noch gegenwärtig.

Allein trotz großer Begabung und lebhaftem Interesse für die praktische Thätigkeit des Kaufmanns trieb es ihn doch frühzeitig, sich an öffentlicher Wirksamkeit zu betheiligen. Erfüllt von glühender Vaterlandsliebe, die noch durch die Erinnerungen an die französische Fremdherrschaft genährt wurde, von lebendigem Sinn für Heimath und Familie, begabt mit einem angeborenen, durch Welterfahrung und Studium geschärften Blick für das, was naturgemäß, praktisch und lebensfähig war, erfaßte er leicht die Mängel der bestehenden Zustände, wie sie ihm auch in mancherlei zopfigen und veralteten Anschauungen und Einrichtungen in seiner Vaterstadt entgegentraten, und empfand er das Bedürfniß, thatkräftig für ihre Besserung einzutreten. Vor allem auf dem ihm nahe liegenden Gebiet des Handels und der Schiffahrt. Eben hatte Bremen dank dem kühnen Vorgehen des Bürgermeisters Smidt durch die Gründung Bremerhavens (1830) seine ernstlich gefährdete Stellung als Seestadt gerettet. Aber höchst mangelhaft waren seine Verbindungen mit dem Hinterlande, immer noch war auch die Ausnutzung seiner alten Wasserstraße, der Weser, [134] durch natürliche und künstliche Hindernisse, Verwahrlosung des Stroms, Zölle der verschiedenen Uferstaaten, particularistische Bestrebungen und Einrichtungen der betheiligten Städte und Schiffergesellschaften schwer beeinträchtigt. Hier setzte Duckwitz’ Wirksamkeit ein. In Wort und Schrift, in der Presse und im persönlichen Verkehr mit einflußreichen Männern und den betheiligten Körperschaften der anderen Weserstädte, dann auch in dem bremischen Kaufmannsconvent verfocht er mit reichem Material und wirksamer Argumentation die Gemeinsamkeit der Interessen des Weserhandels. Er nahm dabei nicht als Vertreter Bremens und der nächstliegenden Gebiete allein das Wort, sondern betonte den Werth gut ausgebildeter und zusammenhängender Wasserstraßen für den allgemeinen Verkehr, die Industrie und den Wohlstand von ganz Deutschland. Auch praktisch griff er diese Dinge gleichzeitig an. Als Privatmann, unterstützt durch seine Eigenschaft als Mitglied der Handels- und Schifffahrtsdeputation des bremischen Kaufmannsconvents, in die man ihn schon 1831 gewählt hatte, rief er 1837 die erste Dampfschleppschifffahrt auf der Oberweser ins Leben und veranlaßte bald darauf die Gründung einer Actiengesellschaft in Hameln zur Herstellung der ersten Personendampfschifffahrt zwischen Bremen und Münden, nachdem er kurz zuvor mit Hülfe eines kecken Schifferstreichs die Beseitigung eines besonders lästigen Schiffahrtshindernisses, der berüchtigten „Liebenauer Steine“, selbst gegen den Wunsch der hannoverschen Regierung ins Werk gesetzt hatte. Im Gegensatz zu manchen älteren Mitgliedern der bremischen Kaufmannschaft war D. in seinen Aufsätzen, die zunächst nur in bremischen Blättern („Bürgerfreund“, „Politisches Wochenblatt“, „Unterhaltungsblatt“), über Weserschifffahrtsangelegenheiten auch wol (1832) in der „Kölnischen Zeitung“ erschienen waren, mit besonderem Nachdruck für die vielfach angegriffene preußische Schöpfung des deutschen Zollvereins eingetreten, den er als Erfolg verheißenden Anfang einer deutschen nationalen Handelspolitik voll würdigte und dessen Ausdehnung auf die sämmtlichen deutschen Staaten, namentlich auch die norddeutschen Küstengebiete, er warm befürwortete: eine enge Anlehnung Bremens und der übrigen Nordseeplätze an das deutsche Binnenland und die thunlichste Vermehrung und Ausbildung aller Verkehrsmittel zwischen beiden Theilen sah er als dringend wünschenswerth an, nicht nur um Handel und Gewerbe und die allgemeine Wohlfahrt, namentlich auch der arbeitenden Classen in Deutschland zu fördern, sondern auch um für Deutschland eine wirksamere Vertretung seiner Interessen gegenüber dem Aus1ande zu erreichen und „um das Ausland zu zwingen, gegen Bremen und unser ganzes Vaterland ehrliche Reciprocität zu üben“. In einer im Jahre 1837 anonym herausgegebenen kleinen Schrift „Ueber das Verhältniß der freien Hansestadt Bremen zum deutschen Zollverein. Von einem Bremer Kaufmanne“ wurden diese Gedanken zusammengefaßt. Sie hatten übrigens nicht nur in der bremischen Kaufmannswelt mehr und mehr Wurzel geschlagen, sondern wurden auch von den leitenden Männern der bremischen Regierung gebilligt. Um so mehr wurde es daher hier als ein unerhoffter schwerer Schlag empfunden, daß Preußen 1839 namens des Zollvereins jenen „unglücklichen Tractat“ mit Holland abschloß, der die holländischen Seeplätze auf Kosten der Nordseeplätze begünstigte und jenen den Verkehr mit dem deutschen Binnenlande zuwandte. In einer Reihe von Artikeln („Bremen, der natürliche Hafen von Baiern, Württemberg, Thüringen und Hessen“, „Ueber die Handelspolitik des deutschen Zollvereins in Beziehung auf Seehandel“, „Die Eigenthümlichkeit Bremens“ u. a.), die im Jahre 1839 zunächst in der Augsb. Allgem. Zeitung erschienen und die Runde durch die meisten größeren Zeitungen Deutschlands machten, bekämpfte er diese Richtung der Zollvereinspolitik. Mehrere derselben hat der damals in Bremen lebende [135] bairische Ministerresident und Historiograph Freiherr v. Hormayr in die von ihm anonym herausgegebenen „Fragmente über Deutschlands und insonderheit Bayerns Welthandel und über die Wichtigkeit des einzigen, ganz deutschen Stromes, der Weser“ (Juli 1840, ohne Ort) aufgenommen, einige auch in das unter etwas verändertem Titel herausgegebene II. Heft dieser „Fragmente“ (München 1841). In diesen Aufsätzen bekämpfte er auch die ungerechte Beurtheilung, welche damals vielfach im deutschen Binnenlande die Hansestädte als „englische Factoreien“, deren Bewohner jedes Sinnes für höhere geistige Interessen entbehrten, erfuhren: in beredter Weise hob er ihre Bedeutung für das Leben und die Entwickelung der deutschen Nation hervor und, auf Hamburgs und Bremens glänzenden Aufschwung in der jüngsten Zeit hinweisend, pries er mit patriotischem Stolze den Trieb seiner Mitbürger, in weite Fernen zu wandern und das Ausland zu durchforschen, ihre leidenschaftliche Vorliebe für Schiffahrt und alles, was sich daran knüpfe, ihren hartnäckigen Unternehmungsgeist. Er erinnert den „Süßwassermann“ daran, wie damals schon Deutsche jenseits des Meeres fruchtbringende Arbeit für ihr Land und für die Welt vollbrachten, und meinte, für Deutschland sei es nothwendiger, ein paar Seehandelsstädte zu haben, als noch einige Universitäten mehr. Diese Aufsätze hatten wohl auch die Folge, daß, als Bürgermeister Smidt sich im Auftrage des Senats im Jahre 1840 nach Berlin begab, um dort einen Vertrag zwischen dem Zollverein und Bremen abzuschließen, der auch letzterem die den holländischen Seestädten eingeräumten Vortheile zuzuwenden bestimmt war, D. aufgefordert wurde, ihm als „kaufmännischer Sachverständiger“ bei den Verhandlungen zur Seite zu stehen. So hat er sich dort noch als Privatmann seine ersten diplomatischen Sporen verdient. Zugleich trat er dadurch dem überall in Deutschland bekannten ergrauten bremischen Staatsmann, dem er noch nicht lange vorher in einer besonderen städtischen Angelegenheit freimüthige und erfolgreiche Opposition gemacht hatte, in einer Weise näher, die ihn denselben fortan bis zu dessen Tode (1857) als einen „väterlichen Freund“ verehren ließ.

Wohl durfte sich D. damals als den „Führer und Flügelmann der Kaufmannschaft“ in Bremen betrachten. Auch auf anderen Gebieten des öffentlichen Lebens hatten ihn seine Mitbürger als entschiedenen aber besonnenen Vertreter freierer Anschauungen kennen gelernt. Die „Bürgerschaft“ (Volksvertretung) hatte ihn schon 1839 zu ihrem „Dirigenten“ (Präsident) erwählt, wohl das erste Mal, daß dieser nicht dem Collegium der Aelterleute, dem auch die Verhandlungen der „Bürgerschaft“ stark beeinflussenden Vorstande der Kaufmannschaft, entnommen wurde. Wenige Monate nach seiner Rückkehr von Berlin, am 2. November 1840 erwählte ihn dasselbe Collegium zu seinem Mitgliede. Er sollte ihm indeß nur wenige Monate angehören; denn bereits am 16. Februar 1841 erfolgte seine Erwählung in den Senat, für die sich in einer ungewöhnlich lebhaften Weise die Zustimmung der ganzen Bevölkerung zu erkennen gab. Fortan lebte D. fast ausschließlich seinem Amte, obwohl er als kaufmännisches Mitglied des Senats zur Fortführung seines Handelsgeschäfts berechtigt war. Das Ziel, das er schon bisher bei seiner öffentlichen Wirksamkeit ins Auge gefaßt hatte, den bremischen Großhandel concurrenzfähig mit den andern Seeplätzen des Continents zu machen, betrachtete er nun recht eigentlich als seine Lebenaufgabe. Während des nächsten Jahrzehnts, das eine Reihe wichtiger Neuerungen für Bremens Handel und Verkehr herbeiführte, konnte er im Senate neben Smidt als der leitende Kopf auf diesen Gebieten angesehen werden; die Führung der Verhandlungen mit andern Regierungen, wie die Abfassung wichtiger Denkschriften war ihm vorzugsweise [136] anvertraut. Dahin gehörte zunächst die Herstellung einer Eisenbahnverbindung zwischen Bremen und Hannover auf gemeinschaftliche Kosten der beiden Staaten, wofür, mehr noch als die Regierung, die Ständeversammlung des Nachbarlandes zu gewinnen, besondere Mühe verursachte. An den nach vierjährigen Verhandlungen am 14. April 1845 abgeschlossenen Vertrag knüpfte sich ein anderer, der eine Verbesserung des Fahrwassers der Unterweser bezweckte, um diese der überseeischen Segel- und Dampfschiffahrt zugänglich zu machen. Daran schlossen sich seit demselben Jahre die Bemühungen, eine Dampferverbindung zwischen Newyork und Bremen, die erste zwischen Nordamerika und dem europäischen Continent, ins Leben zu rufen: es gelang gegenüber den Bemühungen niederländischer und französischer Seeplätze den Congreß der Vereinigten Staaten für diese Linie zu interessiren und unter Führung Bremens die preußische und mehrere andere deutsche Regierungen an der Gründung der Ocean Steam Navigation Company in Newyork zu betheiligen, deren Dampfschiffe im Jahre 1847 die Fahrt nach der Weser eröffneten (vergl. den Artikel „Gevekoht“ im IX. Bande der Allgem. D. Biographie, S. 130). Auch der Abschluß des Postvertrages zwischen Bremen und den Vereinigten Staaten von Amerika vom März und Juni 1847 und mehrerer anderer Postverträge, die durch die Herstellung dieser Dampfschiffsverbindung veranlaßt wurden, und die nicht nur für Bremen wesentliche Verbesserungen seiner Posteinrichtungen, sondern auch wenigstens hinsichtlich der Correspondenz mit Amerika eine Einigung für ganz Deutschland und zugleich eine erhebliche Ermäßigung des Briefportos herbeiführten, lag vorzugsweise in Duckwitz’ Händen.

Seit mehreren Jahren hatte ihn lebhaft der Gedanke beschäftigt, daß es versucht werden sollte, die sämmtlichen deutschen Staaten zu einem deutschen Handels- und Schiffahrtsbunde zu vereinigen, um wenigstens auf diesen Gebieten eine wirksame Vertretung der gemeinsamen Interessen dem Auslande gegenüber zu ermöglichen und der Wehrlosigkeit Deutschlands gegen willkürliche Zurücksetzungen von Seiten des Auslandes ein Ende zu machen. Es werde dann, hoffte er, auch nicht mehr vorkommen können, daß gelegentlich Preußen mit überseeischen Staaten Verträge einging, bei welchen Lebensbedingungen der Hansestädte unberücksichtigt blieben. In mehreren dem Senate vorgelegten Denkschriften hatte er diese Gedanken auszuführen versucht. Eine derselben, vom 8. November 1844, wurde nach erlangter Billigung des Senats einer Anzahl einflußreicher Staatsmänner in Deutschland übermittelt. Sie hatte die Folge, daß im Frühjahr 1847 die Regierungen von Preußen und Hannover Commissare nach Bremen entsandten, um gemeinsam mit einem Vertreter des Bremer Senats die Frage der Gründung eines deutschen Handels- und Schiffahrtsbundes näher erörtern zu lassen, Verhandlungen, bei denen auch bereits die Herstellung einer gemeinsamen Kriegsflotte in Erwägung kam. Die Verhandlungen wurden in Duckwitz’ Wohnhause geführt auf Grundlage einer weiteren von ihm verfaßten, zunächst als Manuscript gedruckten Denkschrift vom März 1847, die im Frühjahr 1848 in neuer Auflage im Buchhandel erschien. Die Sache blieb indeß liegen: der an sich nicht große Eifer der preußischen Regierung, in diesen Dingen die Führung zu übernehmen, wurde durch die unliebsame Aufmerksamkeit, die das Bekanntwerden der Verhandlungen in England erregte, merklich abgekühlt. D. aber war durch diese Arbeiten in ganz besonderer Weise vorbereitet für die größeren Aufgaben, welche durch die Bewegung des Jahres 1848 unerwartet an ihn herantraten.

Als einer der beiden Vertreter Bremens im Frankfurter Vorparlament war er von diesem im April 1848 in den Fünfziger Ausschuß gewählt worden, der die Wahlen für die deutsche Nationalversammlung vorzubereiten hatte. [137] Auf seine Befürwortung waren gegen Ende Juni Vertreter der Regierungen der dem Zollverein nicht angehörigen, mit a. W. der kleineren deutschen Seestaaten zusammengetreten, um über die Herstellung einer deutschen Zoll- und Handelsverfassung Rath zu pflegen. Dann entsandte ihn im Juli der Senat als Sachverständigen nach Frankfurt, um von dem volkswirthschaftlichen Ausschuß der Nationalversammlung gehört zu werden. Als Instruction diente ihm dazu ein damals von ihm verfaßtes und dem Druck übergebenes „Memorandum, die Zoll- und Handelsverfassung Deutschlands betreffend“. In Frankfurt eingetroffen, fand er bereits die Aufforderung vor, als Handelsminister in das neue Reichsministerium einzutreten. Auf Zureden des Bürgermeisters Smidt leistete er dieser Berufung nicht ohne inneren Kampf, aber auch nicht ganz ohne Hoffnung für einen Erfolg der nationalen Bewegung am 24. Juli Folge. Sie war, wie R. v. Mohl im II. Bande seiner „Lebenserinnerungen“ (Stuttgart und Leipzig 1902) bezeugt, an ihn ergangen, nicht nur weil er als Mann vom Fach und als sehr gewandter Geschäftsleiter bekannt war, sondern weil er als der einzig mögliche Vermittler zwischen den Freihandelsleuten des Nordenes und den Schutzzöllnern des Südens angesehen wurde. Der bis auf ein unbedeutendes Einschiebsel R. Blum’s von D. abgefaßte, mit großer Sachkunde und staatsmännischer Einsicht geschriebene Bericht der Arbeitercommission des Fünfziger Ausschusses vom 8. Mai 1848 soll den Reichsverweser namentlich bestimmt haben, die von Schmerling ihm vorgeschlagene Ernennung Duckwitz’ zum Handelsminister zu genehmigen. D. hat sich wohl keinen Illusionen über die völlig unsicheren Grundlagen des Bestehens der neuen deutschen Centralgewalt hingegeben, aber doch, von frischer Begeisterung durch die mächtige nationale Strömung erfüllt und unerschrockenen Muthes den radicalen und utopistischen Tendenzen entgegentretend, seine ganze bedeutende Arbeitskraft daran gesetzt, in seinem Ressort der Fülle der sich herandrängenden Aufgaben gerecht zu werden. Die Aufrechterhaltung und Ausdehnung des bestehenden deutschen Zollvereins sah er, der Freund und Verehrer des im November 1846 verstorbenen Nationalökonomen Friedrich List, als die wichtigste an; ein selbständiges Deutschland und ein selbständiges Oesterreich, beide in enger politischer und commercieller Verbindung, erschienen ihm als die sicherste Bürgschaft für den Frieden Europas. Es ist ein bemerkenswerthes Zeichen seiner politischen Einsicht und Voraussicht, daß er als der einzige in dem späteren Ministerium Gagern die Verbindung der Kaiserwürde mit der Krone Preußens als für die damalige Zeit unerreichbar widerrieth, dagegen befürwortete, Preußen das Präsidium in dem herzustellenden deutschen Bundesstaate (ohne Oesterreich) zu übertragen; ist doch auf diesem Wege zwei Jahrzehnte später das höhere Ziel erreicht worden. Sein besonderes Interesse wandte D. der Verbesserung der Zolleinrichtungen zu. Von den darüber ausgearbeiteten Vorlagen konnte zwar damals nichts in Erfüllung gehen, aber er hat die Genugthuung gehabt, daß die dadurch gegebenen Anregungen in den folgenden Jahren für die Ausbildung der Einrichtungen des Zollvereins nachwirkten. Als die Centralgewalt sich genöthigt sah, die sofortige Herstellung einer Kriegsflotte in Angriff zu nehmen, ein anderer Mann aber für den Posten eines Marineministers nicht zu finden war, mußte D. es widerstrebend sich gefallen lassen, für sein schwer belastetes Ministerium auch noch das Marinedepartement zu übernehmen (October 1848). Er hat sich dann auch dieser neuen Aufgabe mit unermüdlicher Hingebung unterzogen. Die Erfahrungen des Kaufmanns und Rheders, sein Geschick in der Auswahl und Behandlung seiner Mitarbeiter, seine diplomatische Kunst und sein gesunder Optimismus kamen ihm dabei besonders zu Hülfe und ließen es gelingen, daß in der kurzen Zeit von acht [138] Monaten eine fertig ausgerüstete, gut befehligte, kampffähige Kriegsflotte geschaffen war, welche die Anerkennung sachkundiger fremdländischer Beurtheiler, wie auch der im September 1849 eingesetzten österreichisch-preußischen Bundescentralcommission fand, und es mit der dänischen Flotte hätte aufnehmen können, wenn nicht die ersehnte Gelegenheit dazu in Folge der Friedenspräliminarien vom 10. Juli 1849 ihr versagt geblieben wäre. D. hat selbst in einer kleinen Schrift („Ueber die Gründung einer deutschen Kriegsmarine“. Bremen 1849) die Ausführung des schwierigen Unternehmens geschildert. Auch an den erfolglosen Versuchen der nächsten Jahre, die Flotte für Deutschland als Bundesinstitution oder durch einen unter Preußens Mitwirkung von den Küstenstaaten zu gründenden Nordseeflottenverein zu erhalten, ist D. als Vertreter Bremens noch vielfach betheiligt gewesen. Die gründlichen neueren Forschungen (Max Bär, Die deutsche Flotte von 1848—1852. Nach den Acten der Staatsarchive zu Berlin und Hannover dargestellt. Leipzig 1898) haben bewiesen, wie in der Hauptsache wenig gerechtfertigt die absprechende Kritik war, die der muthige und gewandte Schöpfer des einen Lieblingswunsch der Nation erfüllenden Werkes von verschiedenen Seiten über sich ergehen lassen mußte; sie haben das Wort seines Collegen vom Reichsjustizministerium (v. Mohl, a. a. O. II S. 89) bestätigt: „Der Name des anspruchslosen Mannes bleibt doch für immer an die erste Gründung einer deutschen Kriegsflotte geknüpft.“

Nach dem Rücktritt des Ministeriums Gagern war D. Ende Mai 1849 nach Bremen zurückgekehrt, wo bei der ersten Vacanz im Senat dieser und die Bürgerschaft ihn ersuchten, seine übrigens bei der Ernennung zum Reichsminister für die Dauer von zwei Jahren ihm vorbehaltene Stelle im Senat wieder einzunehmen. Er entsprach dieser Bitte am 1. October 1849. Sein dabei kundgegebener Wunsch, vorzugsweise mit handels- und verkehrspolitischen Arbeiten beschäftigt zu werden, ist in vollem Maße in Erfüllung gegangen. Zunächst erschien er im März 1850 in Erfurt als Vertreter des Senats im Staatenhause des dortigen Parlaments, für diese ihm selbst wenig hoffnungsreich erscheinende Thätigkeit noch besonders vorbereitet durch eine Kritik des Drei-Königs-Bundes, die er im November 1849 unter dem Titel: „Zur Revision des Verfassungsentwurfs vom 28. Mai 1849. Ein Wort zur Verständigung“ hatte erscheinen lassen. Im Herbst desselben Jahres führten Verhandlungen in Postangelegenheiten D. nach Berlin, die im Anschluß an den deutsch-österreichischen Postverein vom April 1850 im folgenden Jahre (Nov. 1851) den Abschluß eines Vertrages zur Folge hatten, durch den die gesammte überseeische Correspondenz, soweit sie über Bremen einging, für die bremische Postverwaltung gewonnen und zugleich finanzielle Vortheile für Bremen erreicht wurden. In den nächstfolgenden Jahren war D. in hervorragender Weise an der Ausbildung und Entwicklung der bremischen Schifffahrtsanstalten betheiligt. Die Herstellung eines neuen Hafenbassins in Bremerhaven zur Aufnahme der neuen Dampfer für die transatlantische Fahrt und die Erweiterung des ersten Hafenbassins erforderten nicht nur bedeutende technische Arbeiten, die an die finanziellen Kräfte des kleinen Staates starke Ansprüche stellten, sondern auch schwierige Verhandlungen mit der Krone Hannover, die sich die Militärhoheit über Bremerhaven vorbehalten hatte und die, nachdem durch das Aufblühen dieser jungen bremischen Hafenstadt ihre Eifersucht geweckt worden war, nicht leicht zu den weiter erforderlichen geringen Landabtretungen zu bewegen war. (Verträge vom 21. Januar 1851 und 25. Mai 1861.) Leichter verliefen die Verhandlungen mit Oldenburg (April 1855) wegen Herstellung eines Leuchtthurmes auf dem Oldenburg gehörenden Hohenwege [139] in der Wesermündung und eines gemeinschaftlichen Telegraphen. Ebenso nahm die Ausbildung der Eisenbahnverbindungen — im Februar 1859 gelangte ein Vertrag mit Oldenburg wegen Herstellung einer Bahn nach Oldenburg, im März 1864 ein Vertrag mit Hannover wegen Herstellung einer Bahn nach der Geeste (Geestemünde-Bremerhaven) zum Abschluß – sowie in Verbindung damit die Ausbildung der Schifffahrtsanstalten der Stadt Bremen Duckwitz’ Thätigkeit in Anspruch. Daneben hatte er, wie schon früher, dem Verhältnisse Bremens zum Zollvereine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Der Vertrag zwischen Bremen und den deutschen Zollvereinsstaaten vom 26. Januar 1856, der unter Anschluß eines Theiles des bremischen Landgebiets an den Zollverein wesentliche Verbesserungen für den Verkehr zwischen dem deutschen Binnenlande und Bremen herbeiführte und zu diesem Zweck hier Einrichtungen entstehen ließ, wie sie von D. schon in seinen früheren Schriften und namentlich in seiner Frankfurter Zeit empfohlen waren (eine Zollvereinsniederlage und ein zollvereinsländisches Hauptzollamt im „Auslande“) darf besonders als sein Werk angesehen werden. Auch die Erneuerung und Erweiterung dieses Vertrages im December 1865 kam noch unter wesentlicher Mitwirkung Duckwitz’ zu Stande.

Am 13. Mai 1857 wurde D. vom Senat an Stelle Smidt’s, des letzten lebenslänglichen bremischen Bürgermeisters, zum Bürgermeister erwählt. Infolge besonderer Umstände bekleidete er diese Würde, die nach der neuen Verfassung von 1854 regelmäßig auf vier Jahre verliehen wird und mit der im jährlichen Wechsel das Präsidium im Senat verbunden ist, zunächst bis zum Jahre 1863, dann von neuem während der Jahre 1866–1869. Eine nochmalige Wiederwahl lehnte er Ende 1871 aus Gesundheitsrücksichten ab. Im ersten Jahre seiner Präsidentschaft – am 5. Juni 1858 – hat die Universität Jena dem wegen seiner praktischen und publicistischen Wirksamkeit weit über die Grenzen seines kleinen Staates hinaus angesehenen Manne Ehren halber den Titel eines Doctors beider Rechte verliehen (virum loco ordine nomine virtute ingenio ornatissimum, et juris et officii peritissimum, plurimis maximisque in rebus probatissimum). Im letzten Jahre seines ersten Bürgermeisteramts erschien er noch einmal auf einem großen politischen Schauplatze, als „wie ein Blitz aus blauer Luft“ die Berufung des deutschen Fürstentags durch den Kaiser von Oesterreich nach Frankfurt erfolgte, zu dem der Senat ihn als seinen Vertreter entsandte. Wir verdanken dieser Mission, für die er als ehemaliger Reichsminister und wegen seiner vielfachen persönlichen Beziehungen mit deutschen Fürsten und Staatsmännern besonders geeignet war, eine in seinen Denkwürdigkeiten veröffentlichte höchst interessante Schilderung des Verlaufs dieses letzten Versuchs Oesterreichs, auf friedlichem Wege die Vorherrschaft in Deutschland zu behaupten, der merkwürdigen Ouvertüre zu dem nahe bevorstehenden Entscheidungskampfe. D. hat dort in seiner freimüthigen Weise den jungen österreichischen Kaiser bei der ersten sich darbietenden Gelegenheit im Privatgespräch darauf hingewiesen, daß Preußen eine Gleichstellung mit Oesterreich bei der in Aussicht genommenen Regelung der deutschen Dinge zugestanden werden müsse. Er hat dann auch bei den Verhandlungen in Uebereinstimmung mit den Abgeordneten der andern freien Städte, die wie er ohne förmliche Instruction erschienen waren, die Ansicht vertreten, daß ohne Verständigung mit Preußen nichts entschieden werden dürfe. Erst als die Beschlüsse durch Hinzufügung einer die Zustimmung der „hier nicht vertretenen Bundesmitglieder“ vorbehaltenden Klausel eine unverbindliche Form erhalten hatten, sind sie – „gleichsam par courtoisie“ – auch von ihm und den Bürgermeistern der andern freien Städte unterzeichnet worden. [140] Für ihn war es nicht zweifelhaft, daß, wenn es zu dem drohenden Waffenkampfe zwischen den beiden deutschen Großmächten kommen sollte, dieser die Hansestädte schon um ihrer eigensten Lebensinteressen willen auf preußischer Seite finden müsse; er hat auch die größere Wandlung der deutschen Dinge noch erlebt und aus vollster Seele der Aufrichtung des deutschen Kaiserthums zugejubelt. Körperliche Leiden nöthigten ihn seit dem Jahre 1871 zu öfterer Unterbrechung seiner amtlichen Thätigkeit; auch machte sich, da er einige Male in wichtigen Fragen, welche die stadtbremischen Verkehrsanstalten betrafen, mit seiner Ansicht unterlag, und die Abweichung seiner volkswirthschaftlichen Anschauungen von den im Senat und in der Kaufmannschaft Bremens vorherrschenden entschieden freihändlerischen Ansichten ihm lebhafter entgegentrat, bei ihm die Empfindung geltend, daß die Zeit gekommen sei, einem jüngeren Geschlecht den Platz zu räumen. Am 19. April 1875 bewilligte ihm der Senat die erbetene Entlassung aus seinem Amte. Sein Name werde mit der Geschichte der gedeihlichen Entwicklung des bremischen Gemeinwesens unaufhörlich verknüpft bleiben, bemerkte der Senat in der Mittheilung, die er darüber an die Bürgerschaft richtete, und die letztere bekundete in ihrer Erwiderung, indem sie dabei an Duckwitz’ „hervorragende und ehrenvolle Wirksamkeit bei den ersten Versuchen zur Neugestaltung unsers Vaterlandes erinnerte, die dauernde Dankbarkeit der Bevölkerung Bremens, „deren Vertrauen und Zuneigung er durch sein stets sich gleich bleibendes schlichtes Wesen sich in so hohem Maße erworben hat“. Manche Zeugnisse dieser allgemeinen Verehrung seiner Mitbürger haben seinen Lebensabend bis zu seinem am 19. März 1881 erfolgten Tode verschönert. Für die Nachwelt aber wurde die ihm noch vergönnte Muße dadurch werthvoll, daß er sie mit Hülfe der von ihm geführten Tagebücher zur Ausarbeitung seiner „Denkwürdigkeiten“ benutzen konnte, die uns eine Fülle lehrreicher und interessanter Beiträge nicht nur zur bremischen, sondern auch zur deutschen Geschichte seiner Zeit hinterlassen haben („Denkwürdigkeiten aus meinem öffentlichen Leben von 1841–1866.“ Bremen 1877. Besprochen im Bremischen Jahrbuch IX, S. 107. Zu vgl. daselbst X, S. 164). Im Besitz der Familie befinden sich noch neben einem ausgedehnten Briefwechsel mit bedeutenden Männern seiner Zeit die während des größten Theils seines Lebens von D. geführten Tagebücher, die ihm als Grundlage für jenes Werk gedient haben; einen Theil derselben hat auch der Verfasser dieser Skizze einsehen dürfen. Auch in jenen „Denkwürdigkeiten“, deren thatsächliche Angaben immerhin hie und da noch der kritischen Nachprüfung bedürfen, tritt uns die eigenartige impulsive Persönlichkeit Duckwitz’ in anziehender Weise entgegen, das Charakterbild eines bremischen Staatsmannes, der in seiner ganzen öffentlichen Wirksamkeit von der Ueberzeugung geleitet wurde, daß das Interesse der kleinen hanseatischen Handelsrepubliken sich zwar den wirthschaftlichen und politischen Bedürfnissen des deutschen Landes und Volkes unterzuordnen habe, daß aber die gedeihliche Entwicklung dieser durch ihre Lage und Geschichte auf Handel und Schifffahrt angewiesenen Gemeinwesen für die Entfaltung der wirthschaftlichen Kräfte der deutschen Nation und ihre Stellung unter den Völkern der Welt von hervorragender Bedeutung sei. In diesem Sinne hat er noch in seiner letzten öffentlichen Präsidialrede (1869) einem jungen Collegen bei dessen Einführung in den Senat aus vollem Herzen die Worte zugerufen: „Unser kleines Gemeinwesen verdient es, Kraft, Sorge und Mühe darauf zu verwenden“.