Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Dietsch, Heinrich Rudolf“ von Friedrich August Eckstein in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 206–208, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Dietsch,_Heinrich_Rudolf&oldid=- (Version vom 14. Oktober 2024, 08:41 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 5 (1877), S. 206–208 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Rudolf Dietsch in der Wikipedia
Rudolf Dietsch in Wikidata
GND-Nummer 116113758
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|5|206|208|Dietsch, Heinrich Rudolf|Friedrich August Eckstein|ADB:Dietsch, Heinrich Rudolf}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116113758}}    

Dietsch: Heinrich Rudolf D., Philolog und Schulmann, geb. zu Mylau im Voigtlande am 16. März 1814, † in Stötteritz bei Leipzig am 29. Decbr. 1875. Schon in dem Alter von vier Jahren verlor er seinen Vater, welcher Director der Brückner’schen Spinnerei gewesen war und die Seinigen in sehr bedrängter Lage zurückließ. Die Mutter zog nach Reichenbach, wo der Knabe seine erste Schulbildung erhielt. Zehnjährig trat er im Herbst 1824 als Pensionär des Conrectors Dähne in das Stiftsgymnasium zu Zeitz, wo Kießling und Kahnt besonders auf ihn einwirkten. Von 1832–36 studirte er in Leipzig Philologie, wo er natürlich alle Vorlesungen G. Hermann’s hörte und Mitglied der griechischen Gesellschaft wurde. Bezeichnend für seine spätere Richtung ist das Interesse für die geschichtlichen Vorlesungen Wachsmuth’s und die mehr die Realien des Alterthums behandelnden A. Westermann’s. Nach vierjährigem Aufenthalte ging er nach Halle, um daselbst in gleicher Richtung unter Bernhardy und Leo seine Studien zu vollenden. Zu gleicher Zeit war er als Hülfslehrer an der lateinischen Hauptschule beschäftigt; die ersten Versuche seiner schulmeisterlichen Wirksamkeit gelangen sehr gut. Dies ward die Veranlassung zu der Berufung an das Gymnasium in Hildburghausen, an dem er fast vier Jahre blieb. Vorher noch hatte er in Leipzig die philosophische Doctorwürde erworben. Die Verheirathung mit Bianca Teubner am 23. Mai 1839 erweckte den Wunsch, in die Nähe des schwiegerelterlichen Hauses versetzt zu werden; derselbe ging bald in Erfüllung, denn am 20. Mai 1840 wurde D. zum neunten Oberlehrer an der Landesschule in Grimma ernannt und vorzugsweise mit dem geschichtlichen und geographischen Unterrichte betraut, wozu noch einige deutsche und lateinische Stunden in einer Unterclasse hinzutraten. In dieser Stellung blieb er, wenn auch nach und nach bis zur sechsten Stelle im Collegium aufrückend, 10 Jahre. Nur in Behinderungsfällen der Rectoren hatte er vorübergehend lateinische und griechische Unterrichtsstunden in Prima ertheilt, erst 1850, als er in die fünfte Lehrerstelle aufrückte, wurde er Ordinarius von Secunda und übernahm dazu den griechischen Prosaiker in Prima. 1860 trat er in die vierte Stelle ein und am 13. April 1861 feierte er unter lebhafter Theilnahme sein 25jähriges Lehrerjubiläum. [207] Im Herbste 1861 wurde er zum Rector des Gymnasiums und der damit verbundenen Realschule nach Plauen berufen. Damit eröffnete sich ein weiterer, selbständiger Wirkungskreis noch dazu an einer Doppelanstalt, deren verschiedene Interessen zu wahren er bei seiner wissenschaftlichen Vielseitigkeit eben so geeignet als bei seiner pädagogischen Einsicht geneigt war. Auch war er seiner Heimath und dem Kreise seiner Verwandten durch diese Versetzung nach der freundlichen Bergstadt nähergerückt. Trotzdem ging er mit Freude nach Grimma zurück, als Eduard Wunder das Rectorat der Landesschule niederlegte. Am 28. Mai 1866 trat er das Amt an mit einer lateinischen Rede, welche von dem Einflusse der Humanitätsstudien auf die sittliche Ausbildung der Jugend handelt. Aber nach wenigen Jahren zeigte sich eine Abnahme seiner körperlichen und geistigen Kräfte, namentlich das Gedächtniß schwand, eine krankhafte Nervosität stellte sich ein, äußere Reizmittel verschlimmerten das Uebel, unter dem auch das amtliche Wirken schwer leiden mußte. Ostern 1872 legte er sein Amt nieder, das er erst vor wenigen Jahren mit fröhlichen Hoffnungen übernommen hatte, und schied von der Anstalt, welcher der größte Theil seines Lebens gewidmet gewesen war. Er verlegte seinen Wohnsitz nach Leipzig. Die Hoffnung, daß die Ruhe seinen kranken Nerven Genesung verschaffen werde, ging nicht in Erfüllung. Sein Leiden bildete sich vielmehr zu voller Geisteskrankheit aus und machte seine Unterbringung in der Irrenanstalt zu Stötteritz nothwendig. Dort ist er am 29. Decbr. 1875 gestorben, ohne sich und den Seinen wiedergegeben zu sein. Als Lehrer war D. gewissenhaft, durch seine fruchtbare Methode vielseitig anregend, mit seinem gegenwärtigen Wissen und durch die Kraft seines Gedächtnisses imponirend. Die freundliche und wohlwollende Gesinnung gegen die Schüler sicherte ihm deren Liebe und Vertrauen. Da seine Ehe kinderlos war, hat er im Verein mit seiner Gattin vieler armer Schüler sich angenommen und ihnen unterstützende Beihülfe gewährt. Der Schule galt auch, was er in Schriften geliefert hat. Schon 1839 gab er den ersten Cursus eines Uebungsbuches zum Uebersetzen ins Lateinische, dem (Halle 1841) der zweite Cursus folgte. Das Buch fand viel Eingang, weil es sich an die damals viel gebrauchte Grammatik von O. Schulz anschließt, und verdient ihn in dem zweiten Cursus noch heute, weil hier in den Erzählungen überall auf den Sprachschatz des Cornelius Nepos Rücksicht genommen wird. 1843 erschien in Grimma das Leben Albrechts des Beherzten. Als Jahn 1847 gestorben war, trat er, bestimmt, wie er sagt, durch den Wunsch seines Schwiegervaters B. G. Teubner, seit Januar 1848 in die Redaction der „Neuen Jahrbücher für Philologie und Pädagogik“ ein, zuerst bis 1851 mit R. Klotz, von 1852–56 mit diesem u. A. Fleckeisen, von 1857–62 mit Fleckeisen allein. 1855 wurde die Trennung in zwei Abtheilungen vorgenommen, die pädagogische, die seinen Neigungen am meisten entsprach, nahm D. für sich und es war für ihn ein schmerzliches Opfer, als er 1863 durch äußere Rücksichten diese Thätigkeit aufzugeben veranlaßt wurde. Gleich im Anfange boten die widersprechenden Bestrebungen auf dem Gebiet der Gymnasialreform ihm reiche Gelegenheit berichtend und bestreitend in seiner Zeitschrift aufzutreten, wie er auch an den Versammlungen der sächsischen Gymnasiallehrer regen Antheil nahm und über die Juli-Versammlung in Leipzig 1848 selbst einen genauen Bericht abstattete. Bei den Versammlungen deutscher Philologen und Schulmänner war er ein fleißiger Theilnehmer, die Versammlung in Meißen (1863) eröffnete er als ordnender Präsident mit einem Vortrage über Lessing als Philolog; in Stuttgart (1856) sprach er über richtige Auffassung und Würdigung des Sallust. Den Verhandlungen der pädagogischen Section in Stuttgart legte Thesen über das Programmen-Institut, in Braunschweig (1860) über den Geschichtsunterricht vor. Bei der Tafel ließ er sich gern in Prosa und in Versen [208] aus. Zu Schmid’s Encyklopädie hat er umfangreiche Artikel über Alumnate und über das Schulwesen im Königreich Sachsen geliefert. Von alten Schriftstellern hat er für die Teubner’sche Bibliothek bearbeitet zweimal den Eutropius (1849) mit kritischen Anmerkungen und den Text allein (1850 und 1875), Herodot (1850 und 1874), Cicero’s ausgewählte Briefe (1854 und 1874), Cornelius Nepos (1859 und 1869), die alle ein besonderes Verdienst nicht beanspruchen. Mehr Sorgfalt hat er dem Sallustius zugewendet, zu dem er immer wieder zurückkehrte. 1843 und 1846 erschienen Catilina und Jugurtha mit weitschichtigem lateinischem Commentar in der Art der Ausgaben cum notis variorum (sie ist vergriffen), 1843 die einfache Textausgabe (1874 zum vierten Male), 1859 eine neue Recension in 2 Bänden, 1864 der Catilina mit deutschen Anmerkungen, 1858 eine deutsche Uebersetzung in der Metzler’schen Sammlung zu Stuttgart, 1845 die „Observatio critica in Iugurthae partem extremam“. Man wird zugeben, daß er für das sachliche und sprachliche Verständniß manches geleistet hat, aber für die tüchtige Handhabung der Kritik fehlte ihm nicht blos die richtige Methode. Der Versuch über Thukydides (1856) gibt Text, deutsche Uebersetzung und erklärende Anmerkungen zu 20 Capiteln (67–87) des ersten Buches. In zwei Programmen von Grimma gab er 1853 „Theologumena Vergiliana“ und 1872 die „Comment. de Sophoclis Oedipode Colon.“. Neben diese philologischen Arbeiten treten, gleichfalls durch sein Schulamt veranlaßt, die geschichtlichen, das „Lehrbuch der Geschichte“ in 3 Bden. zuerst 1847–1851, sodann die zweite Aufl. 1861–69 in zwei Bden. von je zwei Abtheilungen, die aber nur bis zu den Kreuzzügen gehen und ihre Fortsetzung von Richter in Jena erwarten. Noch mehr Eingang hat der „Grundriß der Geschichte für die oberen Classen“ gefunden, denn von ihm sind seit 1854 bereits sieben Auflagen erschienen und von dem dazu gehörenden Abriß der brandenburg-preußischen Geschichte vier. Endlich verdient Erwähnung, daß D., wie mehrere andere deutsche Schulmänner, berufen war den Entwurf eines Reglements für die allgemeinen Bildungsanstalten in Rußland zu begutachten, für welche Arbeit die kaiserliche Regierung ihm 1864 den Annenorden 3. Classe verliehen hat.

Vgl. (Vogel in Chemnitz) Zur Erinnerung an R. Dietsch in Masius’ Jahrbüchern für Pädagogik 1876. S. 110–119.