ADB:Croke, Richard
Hieronymus Aleander, den er später noch lebhaft gepriesen anwohnte. Mit Paris hatte seine Wanderschaft auf dem Continente begonnen; sie fortsetzend gelangte er nach Löwen und von da nach Köln, wo es ihm aber nicht besonders gefiel; das Lob, das Mutianus Rufus der Leipziger Bibliothek spendete, bewog ihn, sich dahin zu begeben (1515). Vom Herzog, der Universität und dem Stadtrathe aufs ehrenvollste aufgenommen, entschloß sich C. hier zu bleiben und den griechischen Unterricht an der Leipziger Schule gegen ein jährliches Honorar von 10 Gulden zu übernehmen. Allerdings waren die griechischen Studien auch hier gepflegt worden, jedoch stets nur kurze Zeit; man lehrte auch wol nur die Elemente. Das wurde nun ganz anders; durch die griechischen Drucke Schumann’s gefördert brachte es C. bei starker Erregung der Studenten bald dahin, daß er, wie man ihm nachrühmte, die Kenntniß des gesammten Griechischen erschloß. Die große Zahl berühmter Schüler gibt uns ein Zeugniß für Methode und Lehrerfolg des Meisters; der große Camerarius, Georg Coelius Aubanus, Georg Helt, Caspar Cruciger, Philipp Novenianus, Joh. Cellarius u. A. wurden durch ihn im Griechischen unterrichtet. C. las aber zu Leipzig nicht blos über griechische Grammatik, sondern auch über griechische und lateinische Autoren; daß er über Plutarch und Ausonius (nach Aleander’s Vorgange) gelesen, wissen wir wenigstens gewiß. Seine Vorlesungen über Ausonius leitete er sehr geschickt mit dem schon 1515 gehaltenen und dem Leipziger Collegium gewidmeten „Encomium Academiae Lipsensis“ ein, in dem er sich als schwunghafter und formgewandter Redner zeigt. Die Rede ist vielfach interessant; C. lobt Leipzig wegen seiner Ordnung, der vortrefflichen Harmonie, die in der Stadt herrsche, das Volk verachte nicht den Gelehrten und dieser nicht das Volk, er rühmt die Sorgfalt für die Schulen, die große Anzahl der Gelehrten unter denen so viele „viri trilingues“ seien, preist namentlich die Mediciner und wagt einen kleinen Seitenhieb auf die Sophisten. Wenn die Vielseitigkeit der Talente mit der bisherigen eindringlichen Gründlichkeit verbunden bleibe, müsse Leipzig Athen und Rom gleichkommen. Die ausgezeichnete Verwaltung des Leipziger Rathes aber entlockt ihm den Ausruf: Athen und Karthago würden jetzt noch blühen, wenn sie einen [603] solchen Rath gehabt hätten. Bald traten zu Croke’s Lehrthätigkeit schriftstellerische Leistungen hinzu, er bemühte sich eifrigst, Lehrbücher für seine Schüler zu schaffen; schon 1516 erschienen „M. R. Croci Londoniensis Tabulae, graecas literas compendio discere cupientibus etc.“ in Leipzig bei V. Schumann. Das Büchlein handelt auf 69 Seiten im genauen Anschlusse an H. Aleander über die Aussprache der griechischen Buchstaben, dann über die Bildung der Comparationsformen, über Tempora und Modi; darauf folgen Excerpte aus dem IV. Buche des Theod. Gaza über die Adverbien und aus Urbanus „De verbis defectivis“. Die Schrift, mit den üblichen Empfehlungsgedichten versehen, ist dem Rathe und der philosophischen Facultät Leipzig gewidmet, in der Dedicationsepistel spricht er seine Befürchtung aus, daß man ihm diese Beschäftigung mit dem Griechischen verübeln könne; er meint aber die grammatischen Regeln ziemlich lichtvoll dargestellt zu haben. Die Uebersicht ist allerdings gut, jedoch krankt auch C. an dem Wuste des Einzelnen, das Concrete ist noch nicht zur Deduction verwendet, eine wahre Ueberproduction von Declinationen zeigt sich auch bei ihm, wie denn ihm wie seinen Strebegenossen die Bildung der Tempora große Mühe bereitete: der Ableitung von Stämmen entbehrend müssen sie alle große Umwege machen. – Die zweite der interessanten Beilagen, ein Gedicht an Mutian, erweist Croke’s Freundschaft mit diesem Mittelpunkte der Erfurter Dichterschule. 1519 ließ C. eine Uebersetzung des vierten Buches von Theod. Gaza zu Leipzig (bei Schumann) erscheinen, die seinem Gönner, dem Erzbischof von Mainz, gewidmet ist und auf 34 Blättern das Capitel De constructione behandelt. Sie ist ziemlich eilfertig gearbeitet, die Rücksicht auf die Schüler drängte zu schnellem Abschluß. In der Dedicationsepistel findet der Herausgeber Anlaß, Reuchlin’s (cujus similem vix alterum habet patria) mit dem er auch in Correspondenz stand (cf. Briefsammlung Reuchlin’s f. y11) und „der beispiellosen Zier Germaniens“, des Erasmus, rühmend zu gedenken.
Croke: Richard C. (oder wie er sich nannte Crocus), Philolog, zu London unter der Regierung Heinrichs VII. geboren, studirte um 1506 am Eton und Kings College zu Cambridge, begab sich hierauf nach Oxford, wo er unter dem berühmten William Grocyn, dem Schüler des Demetrius Chalkondylas und Angelo Poliziano, sich den alten Sprachen mit besonderer Vorliebe widmete. Grocinus empfahl ihn wol auch an seinen Freund, den Erzbischof W. Warham von Canterbury, der ihn wie so viele Andere auf das kräftigste förderte und unterstützte. Von hier begab er sich nach Paris und genoß dort Lehre und Freundschaft W. Budäus’ – ein ehrender Beweis dafür ist ein Brief Budäus’ an C. in des Budäus zu Paris 1520 erschienenen Briefen S. 1146 – wie er denn auch den so zahlreich besuchten Vorlesungen des HellenistenDoch so große Erfolge C. in Leipzig erzielte und so dankbar er auch später der Stadt erwähnte, zog es ihn dennoch in seine Heimath zurück, wo namentlich Thomas Morus seiner gedachte, und er an dem Bischof Nikolaus von Ely einen Protector fand. So ist er denn schon um 1519 als Professor artium et utriusque linguae und Nachfolger des Erasmus an der Cambridger Universität thätig. In welchem Sinne C. die griechischen Studien betrieb, zeigen seine daselbst gehaltenen Reden (Paris 1520, Ichmann, selten) zum Preise und zur Vertheidigung der griechischen Sprache. In der einen Rede bemüht er sich den Vorrang[WS 1] von Hellas, seiner Litteratur und die Wichtigkeit der letzteren mit zahlreichen Gründen zu erweisen; er geht darin so weit, die gesammte römische Litteratur einen schwachen Abklatsch der griechischen zu nennen. Er gemahnt sodann die „viri Cantabrigienses“ an die Ehren, die ihre Rivalin, die Oxforder Universität durch die Begünstigung jener Studien gewonnen. C. gab sich wol alle Mühe für seinen Gegenstand zu begeistern, dennoch mußte er die Cambrigder[WS 2] nachdrücklich auffordern, diesen nicht so zu vernachlässigen. Offenbar fand er hier an der alten theologischen Richtung seine Gegner, die er in dieser zweiten Rede aufs schärfste angreift, er fragt, ob man denn wirklich in Cambrigde auf dem Standpunkte der Kölner stehen bleiben wolle. Möglich daß ihn dieser Indifferentismus und die bornirte Opposition gegen seinen Lieblingsgegenstand von Cambrigde vertrieben, er erscheint später von König Heinrich VIII. begünstigt als Hofmeister des jungen Herzogs von Richmond. Um 1530 aber wurde der gelehrte Hellenist zu einer diplomatischen Mission in Sachen der Ehescheidung des Königs verwendet. Um günstige Gutachten der Universitäten, angesehener Priester und gelehrter Männer zu gewinnen ward er nach Italien geschickt, er nützte wol diese Reise auch zu gelehrten Forschungen; so beschäftigte er sich zu Venedig mit den griechischen Manuscripten auf der Marcusbibliothek, von hier [604] ging er nach Padua und Bologna, sein Plan, auch die Büchersammlungen zu Rom zu besuchen, wurde ihm durch andere Instructionen durchkreuzt. Ueberhaupt erging es ihm auf dieser Reise nicht zum besten, Streitigkeiten mit dem Gesandten und schlechte Bezahlung machten ihm sein schwieriges Amt noch schwieriger. Dennoch gelang es ihm beiläufig, hundert bejahende Gutachten von Theologen u. A. an den König schicken zu können und er zweifelte nicht, wie er in einem Briefe an Heinrich VIII. v. 1. Juli 1530 schreibt, alle Universitäten gewinnen zu können, wenn man sie gut behandle. Briefe, welche diese Gesandtschaft betreffen, befinden sich im British Museum (cf. State Papers VII. p. 241 und Burnet, History of Reformation IV. 134, vgl. auch I. 148–158). Nach seiner Rückkehr ging er um 1532 nach Oxford, als das Wolsey-College in ein Kings-College verwandelt wurde; ob er dort Professor war, ist zweifelhaft, sicher ist nur, daß er obwol zum Decan vorgeschlagen, diese Würde nicht erlangte. Um 1545 zog er sich mit einer jährlichen Pension von circa 20 Pfund nach Exeter zurück, 1558 starb er zu London. In den encyklopädischen Werken werden mehrere Bücher Croke’s aufgeführt, die nicht nachweisbar sind, so die „Annotationes in Ausonium“, andere sind offenbar nur die Cambrigder Reden unter anderem Titel.
- Vgl. Jo. Gottl. Boehmii De litteratura Lipsiensi Opuscula academica Lipsiae. Sommer. 1779, wo auch (p. 189–206) das Encomium Academiae Lipsiensis abgedruckt ist; E. Boecking, Hutteni operum supplementum t. II. p. 352 s.