Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Buck, Michel Richard“ von Aloys Schulte in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 333–334, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Buck,_Michel&oldid=- (Version vom 13. Dezember 2024, 05:55 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Buchta, Richard
Band 47 (1903), S. 333–334 (Quelle).
Michel Buck bei Wikisource
Michel Buck in der Wikipedia
Michel Buck in Wikidata
GND-Nummer 118516809
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|47|333|334|Buck, Michel Richard|Aloys Schulte|ADB:Buck, Michel}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118516809}}    

Buck: Michel Richard B., schwäbischer Dialektdichter und Culturhistoriker. Geboren am 26. September 1832 zu Ertingen am Fuße des Schwabenberges Bussen, war er der Sohn eines Bauern, dessen Familie seit 1290 in demselben Orte dieselbe Scholle baute. Dieselbe treue Anhänglichkeit war für B. der Grundton seines Wesens. Obwol er durch seinen Beruf als Arzt fortgezogen, außerhalb der engsten Heimath in oberschwäbischen Dörfern (vor allem Aulendorf), zuletzt als hochangesehener Oberamtsarzt in Ehingen a. d. Donau thätig war, durchzog als rother Faden sein Denken und Fühlen stets die Heimathliebe. Schon der Gymnasiast bekundete germanistische Neigungen; der übermüthige, witzige Student – von dessen Reden und Thaten noch lange gesprochen wurde – trat mit Uhland in Beziehung, wie er in München mit einem Kreise germanistisch interessirter Freunde (Scheffel, Holland, Binder u. A.) Freundschaft schloß. Seine Interessen waren zunächst besonders stark der germanischen Mythologie und dann der damals noch kaum gepflegten Volkskunde zugewendet. Mitten im Volke stehend, aus ihm selbst hervorgegangen, vielseitig in seinen Interessen, von scharfer Beobachtungsgabe, feinem Gemüthe und wissenschaftlicher Treue war er hervorragend dafür berufen. Er gab mit A. Birlinger zwei Bände: „Volksthümliches aus Schwaben. Sagen, Märchen, Volksaberglauben“ (Freiburg 1861 ff.) heraus, wie Birlinger auch sonst von dem mit seinen Kenntnissen stets freigebigen Freunde vieles erhielt. Seiner Eigenart, seiner hervorragenden Sprachenbegabung entsprach aber vor allem ein anderes Feld. Schon früh hatte er in den Orts-, Flur- und Personennamen das Leben und Denken vergangener Zeiten vermuthend, ihren Sinn zu erforschen begonnen. Noch lag die Namenkunde am Boden, zu ihren ersten Vorkämpfern gehörte B. Seine Studien waren zunächst den deutschen Namen gewidmet und das einzige systematische Werk, das B. zu Ende geführt hat, ist dementsprechend das „Oberdeutsche Flurnamenbuch“ (Stuttgart 1880). Der Aesthetiker Vischer hatte den ihm befreundeten Forscher den Titel: „Der denkende Flurschütz“ vorgeschlagen, welchen B. leider nicht wählte. Auch so ist aber das noch heute durch nichts Besseres ersetzte Buch für viele Freunde der Natur und des Volkes eine Quelle des Genusses und der Belehrung geworden. Besonderen Reiz übten auf ihn die vordeutschen Namen seiner Heimath aus. Er trat da einmal der damals in Blüthe stehenden Keltomanie entgegen, ebenso nach der andern Seite hin aber auch den Anschauungen des streitbaren Ludwig Steub. Die späteren Forschungen haben B. und seiner Ablehnung der etruskischen, rasenischen und keltischen Deutung Recht gegeben. Er hatte den Kreis seiner Studien nach Tirol, der Schweiz, Italien und Frankreich ausgedehnt; namentlich beherrschte er die ladinischen Mundarten. Sein Nachlaß birgt ganze Stöße von lexikalisch geordneten Auszügen aus älteren und jüngeren Quellenwerken dieser Gegenden. Die heute so seltene lexikalische Begabung war ihm natürliche Anlage. Sein reich durchschossener „Schmeller“ wurde [334] nach seinem Tode von bedeutenden Forschern wie H. Fischer, F. Kluge u. A. benützt. Seine hervorragendste Forschung auf dem Gebiete romanischer Philologie waren seine „Rhätischen Ortsnamen“ (Alemannia 12, 209–296). Im übrigen sind seine zahlreichen Abhandlungen über germanistische und romanistische Zeitschriften: Alemannia, Germania, Zeitschrift f. rom. Philologie, dann über die historischen Zeitschriften Südwestdeutschlands zerstreut. Ein annähernd vollständiges Verzeichniß steht Alemannia 21, 5–12.

B. war längst als der beste Kenner oberschwäbischen Volksthums anerkannt. Seine Interessen gehörten auch der Culturgeschichte im engeren Sinne. Seine Schrift: „Auf dem Bussen“ (Stuttgart 1886) wurde allseitig als das Muster einer culturgeschichtlichen Orientirung über eine Landschaft bezeichnet. Er schrieb weiter über das Handwerk der Keßler, den Schwank von den 7 Schwaben und ähnliche Themata. Am meisten näherte er sich der politischen Geschichte durch seine Herausgabe der Aulendorfer Handschrift der Chronik des Konstanzer Concils von Ulrich von Richental (Biblioth. d. literar. Vereins in Stuttgart, Bd. 158. Tübingen 1882).

Diesem Culturhistoriker der bäuerlichen Welt seiner Heimath entspricht seine Dichtung. Sie wurzelt in seiner Heimath und in den Erinnerungen der Jugend. Wie ein Ruch aus frischgebrochener Ackerscholle kommt uns aus seinen Schriften und Dichtungen der Hauch echter Natur entgegen. Gerade in letzteren ist er das schärfste Gegentheil eines Salonschwaben; nirgendwo wirft die hochdeutsche Bildung einen verrätherischen Schatten in das Sprachgefüge. Nach dem Urtheile Richard Weitbrecht’s nimmt er, was Einheit von Form und Inhalt anbelangt, auch vor Sebastian Sailer den ersten Platz unter den schwäbischen Dialektdichtern ein. Seine Gedichte hat erst nach seinem Tode sein alter Herzensgenosse Friedrich Pressel unter dem Titel: „Bagenga’ (Schlüsselblumen)“ (Stuttgart 1892) veröffentlicht. Schon im Titel verräth sich die Freude in Verwendung urschwäbischer Worte, deren Gebrauch den Kreis der Leser einschränken muß. Die Gedichte versetzen uns zumeist in das Heimathsdorf und in die Jugend des Dichters. Heitere Neckereien verschlingen sich mit ernsten Tönen, mitunter fehlt nicht ein derbes Wort, der Schwabe Buck’s ist eben ein durch und durch natürlicher Mensch, mitunter auch in der Form, aber von tiefem poetischen Gehalt. Pressel hat die Sammlung durch Buck’s Autobiographie, die leider mit dem Franzosenschrecken vom 25. März 1848 abbricht, eingeleitet. Sie ist künstlerisch durchgereift vielleicht das beste Werk Buck’s.

Durch innige Freundschaft war er mit vielen Gelehrten – vor allem auch mit Ludwig Baumann – verbunden, sein Briefwechsel mit dem Auslande war ein ausgedehnter. Ein überaus glückliches Familienleben war ihm beschieden, aber lange Krankheiten hatten ihn früh erschüttert. Er starb am 15. September 1888. In seinen wissenschaftlichen Arbeiten war er zugleich Dilettant und Pionier, in seinen Dichtungen ein Sänger für sich und die Seinen, im ganzen eine glückliche Einheit und Reinheit, von der nur Gutes ausging.

Werner: Historisch-politische Blätter 103, 527–545. – Birlinger: Alemannia 16, 281–284. – Pressel in den „Bagenga’“ S. 66–72. – Ebner: Beilage der Allg. Ztg., München 1893, Nr. 105. – Weitbrecht in Blätter f. lit. Unterhaltung 1892, S. 664 f. – Holder, Geschichte d. schwäb. Dialektdichtg. S. 171–76. – Krauß, Schwäb. Literaturgesch. 2, 342.