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Artikel „Baedeker“ von Karl Friedrich Pfau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 46 (1902), S. 180–182, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Baedeker_(2._Artikel)&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 07:15 Uhr UTC)
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Baedeker *). Die Buchhändler- und Druckerfamilie der Baedeker stammt aus Bremen und war seit Anfang des 18. Jahrhunderts in Westfalen und im Rheinland ansässig. Diedrich B., Buchdrucker aus Bremen, geboren am 22. September 1680, ließ sich zu Anfang des 18. Jahrhunderts in Bielefeld nieder, wo er durch Heirath der Wittwe des Buchdruckers J. Tränkner[WS 1] auch dessen Buchdruckerei übernahm; nach seinem 1716 erfolgten Tode verheirathete sich seine Wittwe nochmals mit dem Buchdrucker Süvern[WS 2] in Bielefeld und der einzige Sohn aus ihrer vorhergehenden Ehe Gottschalk Diedrich, geboren am 4. November 1713, trat als Lehrling in des Stiefvaters Druckerei ein, verließ indessen 1730 dieselbe und kaufte am 8. März 1737 die Stadtbuchdruckerei der freien Reichsstadt Dortmund. Als Stadtbuchdrucker und Verleger entfaltete er eine reiche Wirksamkeit, so hat er das für damalige Zeit hochbedeutsame Steinen’sche Geschichtswerk „Versuch einer Westfälischen Geschichte“ verlegt, indessen übertrug er 1755 seinen ganzen Verlag an die Meyerische Buchhandlung in Lemgo. B. ist auch Verleger der ersten Dortmunder Zeitung – seit dem 16. Januar 1769 – gewesen. Aus seiner zweiten Ehe hatte er vier Söhne, von denen der älteste Friedrich Gottschalk Heinrich, geboren am 2. December 1747, nach des Vaters am 9. April 1784 erfolgten Tode das Geschäft weiterführte; er starb kinderlos am 6. April 1797, und seine Wittwe verkaufte die Druckerei an die Firma Blothe & Comp. – Der zweite Sohn, Zacharias Gerhard Diedrich, geboren am 19. September 1750, † am 19. August 1800, war gleichfalls Buchdrucker und gelangte durch Heirath in den Besitz der 1738 begründeten Wohlleben’schen[WS 3] Buchdruckerei mit kleinem Zeitungs- und Schulbücher-Verlag. Es wurde ihm von der damals in Essen residirenden Fürstäbtissin[WS 4] der Titel „Fürstlicher Essendischer Hofbuchdrucker“ verliehen. Sein einziger Sohn Gottschalk Diedrich, geheißen nach dem Großvater, geboren am 13. Juli 1778, wurde 1798 Inhaber des Geschäftes. Dieser ist der Begründer der Firma

G. D. Baedeker in Essen, die nach seinem am 23. März 1841 erfolgten Tode zunächst von dem Neffen Julius B. für Rechnung der Wittwe verwaltet, bis am 1. Januar 1844 die beiden jüngsten Söhne Eduard, geboren 1817, und Julius, geboren 1821, Inhaber wurden. Dieselben führten die Firma G. D. Baedeker unverändert fort. Nach dem Tode von Eduard B., 1879, trat dessen Sohn, Gustav B., geboren 1848, der bereits seit 1876 Theilhaber war, [181] als Mitbesitzer ein. Julius B., † 1898, schied mit Rücksicht auf sein Alter am 1. Januar 1891 aus der Firma und übertrug seinen Besitzantheil seinem Sohn, Diedrich B., geboren 1850, welcher seit 1888 dem Geschäfte bereits als Theilhaber angehörte; Gustav und Diedrich B. führen die Firma, deren Verlagskatalog im J. 1899 die Zahl von 1033 Nummern umfaßt, unverändert weiter. Das Geschäft, das über 170 Personen beschäftigt, umfaßt Verlag, Sortiment, Buchdruckerei, Schriftgießerei, Stereotypie, Galvanotypie und Buchbinderei. Die Hauptrichtung des Verlags erstreckte sich von Anfang an auf pädagogische Litteratur und Ingenieurwissenschaft. Aus letzterer mögen P. Stühlen’s Ingenieur- sowie der Berg- und Hüttenkalender[WS 5], Messerschmidt’s Maschinenwesen[WS 6] u. s. w. genannt sein; in pädagogischen Kreisen sind hochgeschätzt die Parabeln Krummacher’s, ferner Diesterweg’s Wegweiser, Kellner’s Werke, die Lehrbücher von Koppe[WS 7], Spieß[WS 8], Heilermann[WS 9], Diekmann[WS 10], Schultz[WS 11]; naturwissenschaftliche Werke, die Liedersammlungen Erk’s und W. Greef’s, darunter das 1854 in 1. Auflage im 9. Heft erschienene Wilhelm’sche Nationallied der Deutschen „Die Wacht am Rhein“[WS 12], sowie die bereits in 1325. Auflage erschienene und in Millionen von Exemplaren verbreitete Haesters’sche Fibel[WS 13]. Die heute als „Rheinisch-Westfälische Zeitung“ drei Mal täglich im Verlage der Firma erscheinende Zeitung führte zuerst den Titel „Neueste Essendische Nachrichten von Staats- und Gelehrtensachen“, 1738–1762, dann „Essendische Zeitung von Staats u. Kriegssachen“ 1763–1798, „Allgemeine Politische Nachrichten“ 1799–1859, „Essener Zeitung“ 1860–1882 und von 1883 ab „Rheinisch-Westfälische Zeitung“. G. D. Baedeker’s ältester Sohn ist der Begründer des weltbekannten Reisebücherverlags

Karl Baedeker in Leipzig, früher Koblenz. Er war geboren am 3. November 1801 zu Essen und besuchte dort, sowie in Hagen die Schule, ging 1817 zu Mohr und Winter, um den Buchhandel zu erlernen und war 1819 Studirender auf der Freiburger Universität. 1823–1825 war er Gehülfe bei Georg Reimer in Berlin, trat dann eine größere Reise durch Deutschland an und legte im Juni 1827 den Grundstein seines Geschäftes zu Koblenz. Die Basis seines Reisebücherverlags bildete „Kleins Rheinreise“[WS 14], die er von der Rohling’schen Buchhandlung erworben hatte, zeitgemäß umarbeitete und erweiterte nach dem Vorbilde der handbooks des Londoner Buchhändlers John Murray[WS 15]; er hat ihn aber in der Folge weit in den Schatten gestellt. Sein Auftreten als Reiseschriftsteller hatte große Erfolge, da alle seine Publicationen auf eigener Anschauung und absoluter Zuverlässigkeit beruhten. Die Baedeker’schen Reiseführer behandeln neben den verschiedenen Theilen Deutschlands und Oesterreichs, die Niederlande, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Palästina, Rußland, Schweden, die Schweiz, Aegypten in deutscher sowie auch zum Theil in englischer und französischer Sprache; einzelne von ihnen haben längst die 20. Auflage überschritten. Zu ihnen gesellen sich noch verschiedene Sprachführer und ein viersprachiges Conversationsbuch. Neben der Reiselitteratur verlegt die Firma noch eine Anzahl Schulbücher, wie die geographischen und geschichtlichen Leitfäden von W. Pütz, die Grammatiken von Knebel, Probst u. A.[WS 16] Im J. 1859 nahm Karl B. seinen Sohn Ernst, geboren am 26. October 1833, als Theilhaber in sein Geschäft auf, das dieser nach dem am 4. October des gleichen Jahres erfolgten Tode des Vaters für eigene Rechnung übernahm. Ernst B., der bei Vieweg in Braunschweig seine Lehre bestanden, dann in Leipzig, Stuttgart und London gearbeitet hatte, führte das Geschäft im Sinne seines Vaters weiter, starb aber leider schon in seinem 28. Lebensjahre am 23. Juli 1861. Sein jüngerer Bruder Karl, geboren am 25. Januar 1837, den er als Gehülfen im Sortiment schon einige Jahre beschäftigt hatte, übernahm nunmehr die [182] Handlung, in die im J. 1869 Fritz B. als Theilhaber eintrat. Im Februar 1870 wurde die Sortimentsabtheilung verkauft. 1872 verlegte B. seine Verlagshandlung nach Leipzig, 1878 trat Karl B. aus und seit dieser Zeit ist Fritz B. alleiniger Besitzer der Firma. – G. D. Baedeker’s in Essen Neffe, Julius Theodor, der 1841–1843 wie oben gesagt sein Geschäft für die Wittwe verwaltete, wurde geboren am 18. December 1814 als der Sohn des Apothekers Baedeker in Witten und ist der Begründer der Firma Julius Baedeker Verlag in Leipzig. Er besuchte die Schulen zu Witten und Essen und trat im 17. Jahre in die Lehre bei W. Langewiesche[WS 17] in Iserlohn, trat 1837 als Freiwilliger beim Militär ein und ließ sich am 16. December desselben Jahres als Student an der Universität Halle immatriculiren, um Geschichte und Philosophie zu hören. 1838 finden wir ihn als Gehülfen in der Riegel’schen Buchhandlung in Potsdam, von wo er dann 1841 nach Essen in die Handlung seines Oheims kam. Am 1. September 1843 begründete er darauf seine eigene Handlung in Elberfeld, die er als Sortimentsgeschäft rasch in die Höhe brachte. Im gleichen Verlage begann er auch schon seine Thätigkeit als Verleger. Nach kleineren Verlagsunternehmungen verlegte er 1847 eine Prachtbibel, ließ im folgenden Jahre H. Davidis’ Gartenbuch folgen und erstand von Nieten in Mühlheim Coutelle: Pharus am Meere des Lebens[WS 18], dessen 3. Auflage bei ihm erschien. Im April 1846 eröffnete er eine Filialbuchhandlung in Iserlohn, gab seit 1847 dort das „Wochenblatt für den Kreis Iserlohn“ heraus und fügte 1849 auch noch eine eigene Druckerei bei. Im J. 1852 entschloß er sich, ganz nach Iserlohn überzusiedeln und verkaufte sein Elberfelder Geschäft an A. Martini und O. Grüttefien, die es unter der Firma Baedeker’sche Buch- und Kunsthandlung weiterführten. – Seinen Verlag hatte B. mit nach Iserlohn genommen, er breitete diesen hier noch weiter aus und starb am 26. März 1880, seinen beiden Söhnen Hugo (geb. am 24. Nov. 1847) und Julius (geb. am 22. Mai 1855) das Geschäft hinterlassend. Diese verkauften 1883 das Sortiment und verlegten 1887 den Verlag nach Leipzig. Unter ihrer Leitung wird er noch heute in den Fußtapfen des Gründers weitergeführt.


[180] *) Zur Vervollständigung des Artikels der A. D. B. I, 759.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Just Andreas Tränkner († 1703)
  2. Justus Nikolaus Süvern
  3. Johann Christoph Theodor Wohlleben
  4. Franziska Christine von Pfalz-Sulzbach (* 16. Mai 1696 in Sulzbach; † 16. Juli 1776 in Essen)
  5. Peter Stühlen: Ingenieur-Kalender für Maschinen- und Hüttentechniker. G. D. Bädeker, Essen.
  6. Alfred Messerschmidt: Die Calculation im Maschinenwesen und der Ingenieur in seinem Betriebe. Nebst Anleitung zur Bestimmung der allgemeinen wie specialisirten Accord-Gedinge aller Thätigkeitsarten des Maschinenbaues und der Modelltischlerei, durch vielfache Beispiele erläutert; sowie Anhang von Accord-Verzeichnissen zur raschen Calculation und zum Ueberschlage. G. D. Bädeker, Essen 1882.
  7. Karl Koppe (* 1803; † 1874)
  8. Friedrich Spieß (* 1806; † 1848)
  9. Hermann Heilermann
  10. Josef Diekmann
  11. Ernst Schultz
  12. Wilhelm Greef: Männerlieder, alte und neue, für Freunde des mehrstimmigen Männergesanges. G. D. Bädeker, Essen 1854.
  13. Albert Haesters: Fibel oder der Schreib-Lese-Unterricht für die Unterklassen der Volksschule. G. D. Bädeker, Essen.
  14. Joh. Aug. Klein: Rheinreise von Mainz bis Köln. Historisch, topographisch, malerisch. Fr. Röhling, Koblenz 1828.
  15. John Murray (* 16. April 1808 in London; † 2. April 1892 in London)
  16. Heinrich Knebel, Hermann Probst: Französische Schulgrammatik für Gymnasien und Progymnasien.
  17. Wilhelm Langewiesche (*4. Dezember 1807 in Möllenkotten (jetzt Schwelm); † 24. März 1884 in Godesberg (jetzt Bonn))
  18. Carl Coutelle: Pharus am Meere des Lebens. Anthologie für Geist und Herz, aus den Werken deutscher und ausländischer Schriftsteller älterer und neuerer Zeit. Nach den Materien alphabetisch geordnet. 2. Auflage. Nieten & Möllenhoff, Mülheim a. d. R. 1845.