Zum hundertsten Geburtstage von Peter von Cornelius

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Titel: Zum hundertsten Geburtstage von Peter von Cornelius
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 38, S. 617, 623–624
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[617]

Die Aussendung der vier apokalyptischen Reiter. Von Peter von Cornelius.
Nach einem Kupferstich im Verlage von Georg Wigand.

[623] Zum hundertsten Geburtstage von Peter von Cornelius. (Mit Illustration auf Seite 617.) „Wenn die Freiheit, die jetzt gewiß und wahrhaft errungen werden wird, würdig soll genossen und den künftigen Zeiten gesichert werden, so muß der Genius der Nation durchdringen in allen Dingen bis zum untersten Glied. Denn nicht große Armeen sind der Schutz eines Volkes, sondern sein Glaube, seine Gesinnung. Daß beinahe Alles in unserem Vaterlande anders werden muß, wenn es der Zeit und dem Sinne des Volkes gemäß sein soll, begreift und fühlt ein Jeder. Nicht Jeder kann die Quelle des Uebels aufspüren, in meiner Kunst kann ich’s, ich sehe deutlich, wo es hier fehlt“

Diese Worte schrieb, als der Sturm des Jahres 1813. losbrach, Peter Cornelius in Rom nieder. Was er damals versprach, das hat er in seinem späteren Leben gehalten; denn wie die Krieger im Felde die politischen Ketten mit Gewalt sprengten, so wußte er auf dem Gebiete der nationalen Kunst erfolgreich, wie kaum Jemand vor ihm, gegen die geistige Fremdherrschaft anzukämpfen. Darum lebt auch sein Andenken [624] in späteren Geschlechtern fort, und darum feiert auch die deutsche Nation überall den herannahenden hundertsten Geburtstag ihres großen Meisters.

Die „Gartenlaube“ hat schon früher öfters der Verdienste dieses Mannes gedacht, sie hat (Jahrgang 1867, Nr. 17) seinen Charakter ausführlich geschildert und erst vor wenigen Jahren (1879, Nr. 29 und 30) seinen Lebenslauf erzählt.

So ist denn Peter Cornelius für die Gemeinde unserer Leser kein Fremder, und wenn wir heute zur Ehre des Gedenktages eine seiner großartigsten Compositionen unseren Freunden vorführen, so brauchen wir dabei nur kurz Einiges aus seinem Leben hervorzuheben.

In dem kunstfrohen Düsseldorf erblickte der Reformator der deutschen Kunst das Licht der Welt. Der Tag seiner Geburt wird bald als der 17., bald als der 23. September des Jahres 1783 bezeichnet. – Sein Vater war kurfürstlicher Gallerie-Inspector und Lehrer an der Düsseldorfer Akademie. Kein Wunder also, daß die künstlerische Neigung des Knaben sowohl in den reichen Sammlungen seiner Vaterstadt wie im elterlichen Hause reichliche Nahrung fand und daß sich ihn, bald Gelegenheit bot, unter tüchtiger Leitung den Zeichnerstift zu führen. Aber der Junge wollte von Anfang seiner Studien an eigene Bahnen wandeln, und das gefiel nicht seinem Lehrer, dem Director Langer, welcher nach dem Tode des Vaters der mittellosen Mutter rieth, den Jungen ein Handwerk lernen zu lassen. Glücklicher Weise wurde dieser Rath nicht befolgt, und der Junge schlug sich durch das Leben, so gut es eben ging, indem er für Buchhändler zeichnete, Kirchenfahnen malte und so seiner Kunst nach Möglichkeit treu blieb.

Der Druck der napoleonischen Thyrannei, welcher damals schwer über Deutschland lastete, rief in ihm einen förmlichen Haß gegen alles Fremde wach, und indem er sich den alten Meistern deutscher Kunst zuwandte, suchte er auch für seine neuesten Schöpfungen deutsche Vorwürfe: Illustrationen zu Goethe’sFaust“ und zu den „Nibelungen“ waren die ersten größeren Werke, mit welchen er vor die Oeffentlichkeit trat.

Im Jahre 1811 sehen wir Cornelius zu Fuß auf der Wanderung nach Rom begriffen. Was er hier leistete, wie er auf dem fremden classischen Boden dazu beitrug, eine deutsche Malerschule zu gründen, das ist in dieser Nummer an einer andern Stelle ausführlich und treffend geschildert worden. An den Schülern erkennt man den Werth des Lehrers, und so könnte das Verdienst Cornelius’ nicht besser hervorgehoben werden, als gerade durch die Erzählung der Jugendstudien Ludwig Richten’s, welche uns heute (vergl. S. 612) Ferdinand Avenarius in so herzgewinnender Weise vorführt.

Von Rom wurde Cornelius durch den König Ludwig von Baiern nach München berufen, um dort seine berühmten Bilder in der Glyptothek zu malen.

Sein Ruhm war begründet, und bald hieraus erfolgte seine Ernennung zum Director der Akademie in Düsseldorf, derselben Kunstschule, von der er früher wegen Unfähigkeit weggemaßregelt worden war.

Wie es aber damals um die Kunst in Deutschland bestellt war, wie Cornelius für seine Compositionen in der Glyptothek nur ein Honorar von 10,000 Gulden erhielt, während man für die Seidentapeten derselben Säle 80,000 Gulden bezahlte, das und Anderes mögen unsere Leser in dem oben erwähnten Artikel der „Gartenlaube“ (Jahrgang 1879) nachlesen, insofern sie am heutigen Tage für das Ringen des Meisters besonderes Interesse empfinden.

Von Düsseldorf ging er als Akademiedirector nach München und von dort im Jahre 1810 in Folge eines Rufes des Königs Friedrich Wilhelm des Vierten in gleicher Eigenschaft nach Berlin. In München schuf er noch vorher seine hochbedeutenden Bilder, die „Erschaffung der Welt und das „Letzte Gericht“, welche die Ludwigs-Kirche schmücken. In München heftete auch König Ludwig dem Meister am letzten Tage des Jahres 1825 im Angesicht seines Bildes der „Zerstörung Trojas“ den Civilverdienstorden auf die Brust mit den Worten: „Man pflegt Helden auf dem Schauplatze ihrer Thaten zu Rittern zu schlagen.“

Im Jahre 1813 erhielt Cornelius den Auftrag, einen christlichen Gemäldecyclus für den Campo santo, den Vorhof zur Begräbnißstätte der preußischen Königsfamilie neben dem Dom zu Berlin, auszuführen. Er ging in demselben Jahre nach Rom, um dort in aller Ruhe diese Aufgabe zu lösen. Diese großartigen Compositionen sind als Gemälde nicht aufgeführt worden. Wohl aber hat sie der Meister durch den Stich veröffentlichen lassen, und auch das unsere heutige Nummer schmückende Bild (S. 617) ist nach dieser im Verlag der Firma G. Wigand erschienenen Sammlung auf Holz übertragen. Es war bestimmt als Hauptbild eine der Wände des Campo santo zu schmücken, und stellt die Aussendung der vier apokalyptischen Reiter: der Pest, des Hungers, des Krieges und des Todes, dar.

Wir lassen hier als die beste Erklärung der großartigen Composition, der gewaltigsten vielleicht, welche die Neuzeit aufzuweisen hat, den Text der Apokalypse („Offenbarung Johannis“, Cap. 6) folgen: „Und ich sahe,“ sagt dort der Apostel, „daß das Lamm der Siegel eines aufthat. Und ich hörete der vier Thiere eines sagen, als mit einer Donnerstimme: ‚Komm und siehe zu!‘

Und ich sahe ein weißes Pferd, und der darauf saß, hatte einen Bogen; und ihm ward gegeben eine Krone, und er zog aus zu überwinden, und daß er siegete.

Und da es das andere Siegel aufthat, hörete ich das andere Thier sagen: ‚Komm und siehe zu!‘

Und es ging heraus ein ander Pferd, das war roth; und dem, der drauf saß, ward gegeben, den Frieden zu nehmen von der Erde, und daß sie sich unter einander erwürgeten: und ihm ward ein groß Schwert gegeben.

Und da es das dritte Siegel aufthat, hörete ich das dritte Thier sagen: ‚Komm und siehe zu!‘

Und ich sahe, und siehe, ein schwarz Pferd, und der drauf saß, hatte eine Wage in seiner Hand.

Und ich hörete eine Stimme unter den vier Thieren sagen: ‚Ein Maß Weizen um einen Groschen, und drei Maß Gerste um einen Groschen, und dem Oele und Wein thu kein Leid.‘

Und da es das vierte Siegel aufthat, hörete ich die Stimme des vierten Thieres sagen: ‚Komm und siehe zu!‘

Und ich sahe, und siehe, ein fahl Pferd, und der drauf saß, deß Name hieß Tod, und die Hölle folgte ihm nach. Und ihnen ward Macht gegeben zu tödten das vierte Theil auf der Erde, mit dem Schwert und Hunger, und mit dem Tod, und durch die Thiere auf Erden.“

So lautet die Stelle, welche den Meister zur Composition seines berühmten Bildes begeisterte, und so stürmen denn die vier wilden Reiter über die dahinsinkende Menschheit hinweg. Sie schwingen erbarmungslos ihre schrecklichen Zeichen: Die Pest schnellt die vergifteten Pfeile von ihrem Bogen ab, der hagere Hunger hält die Wage, das Zeichen der Theuerung, empor, der Krieg führt selbst gegen Wehrlose den vernichtenden Schwertstreich, und unaufhaltsam jagt der düstere Tod mit der unerbittlichen Sense dahin.

Cornelius schloß am 6. März 1867 für immer seine müden Augen. Aber sein Geist lebt für und für und wirkt noch heute belebend in der deutschen Kunst.