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Autor: Albrecht Mendelssohn Bartholdy
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Titel: Zivilrechtspflege
Untertitel:
aus: Handbuch der Politik Erster Band: Die Grundlagen der Politik, Fünftes Hauptstück: Die Rechtsprechung, Abschnitt 25, S. 331−344
Herausgeber: Paul Laban, Adolf Wach, Adolf Wagner, Georg Jellinek, Karl Lamprecht, Franz von Liszt, Georg von Schanz, Fritz Berolzheimer
Auflage:
Entstehungsdatum: {{{ENTSTEHUNGSJAHR}}}
Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Dr. Walther Rothschild
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Erscheinungsort: Berlin und Leipzig
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[331]
25. Abschnitt.


a) Zivilrechtspflege.
Von
Dr. Albrecht Mendelssohn Bartholdy,
o. Professor der Rechte an der Universität Würzburg.


Literatur:

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A) Allgemein:
Die Darstellungen des Zivilprozesses in Birkmeyers Enzyklopädie (2. Aufl. 1904) von Stein und in
Holtzendorffs Enzyklopädie von Kohler (6. Aufl. 1904),
die allgemeinen Vorbemerkungen im Kommentar zur Z.P.O von Stein (10. Aufl. 1910, S. 1–22), und
Struckmann-Koch (9. Aufl. 1910, S. XIII flgde).
Von grösster Bedeutung für jede neue Prozessgesetzgebung bleiben
Wachs Vorträge über die damals neue Z.P.O von 1879 und
Klein’s Vorlesungen zur Einführung der neuen österreichischen Z.P.O.
B) Zur Bedeutung des ausländischen Rechts für die Reform vor allem die
Abhandlungen von Chiovenda, Pound und Tissier im Prozessreformheft der Rheinischen Zeitschrift (Juli 1910);
Haager, der französische Zivilprozess und die deutsche Zivilprozessreform (Berlin 1908);
zum englischen Recht ausser den unten genannten Werken von Adickes und Stein:
Koellreutter, Richter und Master (Prozessrechtl. Forschungen Heft 1);
Peters, Das englische bürgerliche Streitverfahren und die deutsche Zivilprozessreform;
R. Schmidt in der Zeitschrift f. Politik 1 250;
Mendelssohn Bartholdy, das Imperium des Richters (Strassburg 1908),
derselbe, Justizreform, Jahrb. des öff. Rechts 1 153.
C) Aus der sehr breiten und verschiedenwertigen Literatur der letzten Jahre zur Prozessreform in Verbindung mit der Lehre von der freien Rechtsfindung hebe ich hervor (aber unter ausdrücklichem Hinweis auf die vortrefflichen Berichte von Hedemann im Archiv f. bürgerl. Recht 31 296 und 34 115, wo besonders auch die Arbeiten von Stampe und Danz gewürdigt sind):
Stammler, die Lehre vom richtigen Rechte 1902,
Ehrlich, Freie Rechtsfindung und freie Rechtswissenschaft 1903,
Peters, Prozessverschleppung, Prozessumbildung usw. 1904;
Rumpf, Gesetz und Richter 1906;
Kantorowicz, der Kampf um die Rechtswissenschaft 1906;
Adickes, Grundlinien durchgreifender Justizreform 1906;
derselbe. Zur Verständigung über die Justizreform 1907;
Stein, Zur Justizreform 1907;
Schwartz, Erneuerung Deutscher Rechtspflege 1908;
Gmür, Die Anwendung des Rechts nach Art. 1 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs 1908 und dazu Rabel in der Rhein. Z. 2 308;
Kantorowicz, Zur Lehre vom richtigen Rechte 1909;
Rundstein, Freie Rechtsfindung im Archiv f. bürgerl. R. 1909 1fgde.;
Mendelssohn Bartholdy,
Programmatisches zur Prozessreform in der Rhein. Z. 2 437,
Reform d. Zivilprozesswesens in D.R.Z. 1913 273, 313, 439, 483;
Kohler, Zur Prozessreform Rhein. Z. 3 1fgde.;
Kisch, Unsere Gerichte und ihre Reform 1909;
Brie und Kiss, Billigkeit und Recht im Archiv f. Rechts- und Wirtschaftsphilosophie 3 526 u. 536;
Ehrlich, Die Erforschung des lebenden Rechts in Schmollers Lehrbuch 35 (1911) 129fgde.;
Vierhaus, Die Methode der Rechtsprechung 1911. –
Für die kleineren Schriften und Aufsätze die Literaturübersicht von Kann in Buschs Zeitschrift 40 (1910) 359 und 422, wo auch die Schriften von Fuchs und Düringer erwähnt sind; neuerdings erscheinen kurze Gesamtberichte über die Prozessliteratur in der Zeitschrift „Geisteswissenschaften.“
Ganz besonders sei auf zwei kleine Festschriftbeiträge hingewiesen, die aber im inneren Gehalt mehrere Bände der übrigen Literatur überwiegen:
Andreas Heusler, Aus der Basler Rechtspflege in 5 Jahrhunderten, in der Basler Jubiläums-Festschrift (1910) S. 1 fgde. und
Leopold Wenger, Antikes Richterkönigtum in der Festschrift zur Jahrhundertfeier des österreichischen B.G.B. (1911) 1 479 fgde.


1. Die Zivilrechtspflege ist noch mehr als ihr strafrechtliches Geschwister der Macht- und Partei-Politik entfremdet. Fragen, die bei einer Strafgesetzreform unter dem Gesichtspunkt des freiheitlichen oder autoritären, des konservativen oder demokratischen, des kapitalistischen oder sozialistischen Zugs erörtert zu werden pflegen, lassen, wenn sie in einer Zivilprozess-Novelle aufgeworfen werden, die öffentliche Meinung kalt: man denke an die Strafarten (Todesstrafe, körperliche Züchtigung, Deportation) dort und an die Vollstreckungsformen hier, an die Zuziehung der Laien zur Rechtsprechung dort und hier, an die Probleme der Auslieferung und Ausweisung im Gegensatz zu den ganz den Juristen überlassenen Fragen der internationalen Rechtshilfe im Zivilstreit. Ein Mittelweg wäre gegenüber diesem Zustand zu wünschen. Der Kriminalist klagt darüber, dass Einrichtungen der Rechtspflege durch das Hin- und Herzerren im parteipolitischen Programm entwürdigt werden und offene, jedem Rechtspraktiker sehr fühlbare Missstände nicht beseitigt werden [332] können, weil sie einmal eine „Errungenschaft“ waren; er empfindet es nicht ohne Grund als schweres Hemmnis gesunder Justizgesetzgebung, dass in den Parlamenten der Abgeordnete, der bei einer Kommissionsberatung nach den Bedürfnissen der Rechtspflege stimmt, im Plenum dem Fraktionszwang unterworfen ist und deshalb die für recht erkannte, aber unpopuläre Reform nicht zu befürworten wagt. Dagegen ist dem auf die Besserung der Zivilrechtspflege bedachten Rechtsverständigen die Gleichgültigkeit im Weg, mit der selbst die Grundsätze und die alltäglichen Wirkungen des bürgerlichen Streitverfahrens im Volk und selbst unter den Leuten, die sich besonders mit der Erörterung und Behandlung des öffentlichen Wesens abgeben, betrachtet – oder vielleicht geradezu übersehen werden; er ist betroffen davon, wie wenig selbständiges Nachdenken der Bürger, der nicht eben selbst in einen Prozess verwickelt ist, den Problemen widmet, die ihm die wichtigsten scheinen: etwa der Stellung des Richters und des Anwalts, der Unabhängigkeit und Würde des Richteramts, der Einheit der Rechtsprechung, der Einfachheit und Billigkeit, aber auch der Energie des Prozessgangs, oder, um einige verstreute Einzelfragen hervorzuheben, der Zeugnispflicht (Beeidigung), dem Armenrecht und der unentgeltlichen Gewährung von Rechtsrat, dem Prozessführungsrecht des Ehemanns und der Vollstreckung in das Frauen vermögen, dem Präventivakkord oder schliesslich dem Aufhebungsverfahren gegen rechtskräftige Urteile. Nur das verkehrte und verwirrende Schlagwort der „Weltfremdheit“ des Richters ist gleichmässig oder wenigstens ohne besondere Differenzierung für Zivil- und Strafrechtspflege durch die Presse in die Vorstellung der Menge von unserm Rechtswesen eingedrungen, während zum Beispiel die nah verwandten und durchaus berechtigten Klagen über unverständliches und oft geradezu auf die Verblüffung des Rechtsunkundigen hinauskommendes Juristendeutsch ohne Resonanz bleiben und sich höchstens gelegentlich in der humoristischen Ecke des Feuilletons auslassen dürfen.

2. Diesem allem zum Trotz tritt in der neuern Reformbewegung auf dem Gebiet der Zivilrechtspflege nichts anderes so deutlich hervor wie das Verlangen nach stärkerer Bewertung des Öffentlichrechtlichen im Zivilprozess. Das zeigt sich nicht nur in der deutschen Literatur; ein Vergleich mit den Bestrebungen in Frankreich und Italien, in den Vereinigten Staaten und in England, wie ihn das Prozessreformheft der Rheinischen Zeitschrift (Juli 1910) an den Abhandlungen von Tissier, Chiovenda und Round erlaubt, zeigt überall, sogar bei den verschiedensten Zuständen der Staats- und Rechtskultur und bei einer im übrigen unverkennbaren Unvergleichbarkeit der Rechtspflege-Einrichtungen, dieselbe Tendenz. (Vgl. besonders a. a. O. S. 490, 491; 505, 506; 533 fgd., 563 und meine Abhandlung über Justizreform im Jahrbuch des öffentl. Rechts 1907 153 fgd., 166, 167). Sie impliziert keineswegs ein Aufgeben der s. g. Verhandlungsmaxime, obgleich natürlich für sie der Gegensatz zwischen dem gerichtlichen Verfahren in Strafsachen und in Zivilsachen gegenüber der Betonung des gemeinsamen gerichtlichen (Staats-) Charakters beider Prozesse zurücktreten muss. Ein guter Prüfstein für die ältere und die neuere Auffassung ist der Fall einer auf Klage und Klagbeantwortung (oder sonstigen genügenden Schriftenwechsel) anberaumten Verhandlung, zu der der Richter vorbereitet erscheint – er hat auch bei der Verteilung der Geschäfte unter seine Amtsstunden mit der wahrscheinlichen Dauer dieser Verhandlung rechnen müssen – , die Parteien aber beide ausbleiben (oder eine Partei ausbleibt und ihr erschienener Gegner daraufhin sich weigert, allein mit dem Richter die Sache fortzuführen). Mit anderen Worten: Die für den Säumigen mildere oder strengere Gestaltung des Versäumnisverfahrens ist eines der besten Kriterien für den Geist der Prozessordnung. (Tissier a. a. O. S. 560 zum französischen Entwurf; die sehr schwächlichen Änderungen der Novelle von 1900 zur deutschen Z.P.O.; die radikale Unterdrückung der Parteiversäumnis im englischen Prozess.) Je mehr die öffentlich-rechtliche Seite des Zivilprozesses betont wird, desto mehr Gewicht legt man auch auf die Bedeutung der Gerichtsverfassung für den Prozess. Für das geringe Verständnis, das noch die deutsche Justizgesetzgebung von 1879 diesem organischen Zusammenhang entgegenbrachte, ist es bezeichnend, dass bei grundverschiedener Gestaltung des Straf- und Zivilprozesses die Verfassung der Gerichte in einem selbständigen Gesetz für die beiden Prozesse zusammen geordnet wurde. Ebenso bezeichnend ist auf der anderen Seite, dass in der Justizverwaltungspraxis der deutschen Staaten überall eine mehr oder weniger ausnahmslose Trennung der Zivilrichter- und der Strafrichter-Laufbahn, im Zusammenhang mit der Beförderung vom Staatsanwalt zum Strafrichter, besteht.

[333] 3. Zwei verschiedene Grundformen des Aufbaus einer Gerichtsverfassung sind denkbar und stehen, heute noch, jede mit ihren offenen Nachteilen behaftet, in Geltung. Die eine Form hat für die wichtigen, neue Rechtsfragen aufwerfenden Zivilprozesse ein hauptstädtisches Zentralgericht (Hochgericht) erster Instanz und daneben für die geringeren Sachen, ursprünglich nur für Bagatellsachen und Sonderprozesse, Lokalgerichte erster Instanz durch das ganze Land. Über beiden Gerichtsarten der ersten Instanz baut sich ein Rechtsmittelsystem auf, das in England über dem Hochgericht noch zwei Instanzen (Court of Appeal und Oberhaus-Gericht) kennt, jedoch mit einer durch Herkommen, Schwierigkeiten und Kosten des Rechtsmittelverfahrens und überwiegende Abweisung der eingelegten Rechtsmittel äusserst niedrig gehaltenen Zahl der Appellationen und Ober-Appellationen rechnet (Vgl. mein Englisches Richtertum im Court of Criminal Appeal, 1909, S. 35 fgde, 41). Da überall in der neueren Zeit die Kompetenz der Untergerichte sich auf Kosten der höheren erweitert und dadurch die Autorität der hochgerichtlichen Entscheidungen, selbst bei striktem Präjudiziensystem geschwächt wird, so ist diese erste Form der Gerichtsverfassung gefährdet und braucht da, wo sie sich halten will, die Stütze konservativer Staatsgesinnung und das Gewicht alter Gewohnheit.

Die andere Form der Gerichtsverfassung verstreut die Gerichte der ersten Instanz über das ganze Land, grenzt ihre sachliche Zuständigkeit nach höheren und niedern, personenrechtlichen und vermögensrechtlichen, wichtigen und Bagatell-Sachen (wohl auch nach dem mehr oder weniger auf schleunige Entscheidung drängenden Rechtsschutzbedürfnis) unter einander ab, koordiniert aber dann wieder die höheren und niederen Gerichte der ersten Instanz (Amts- und Landgerichte) in der Wirkung der Prozessführung und der gerichtlichen Entscheidung, die in allen Fällen gleich stark ist (dabei ist nur zu bemerken, dass die den ordentlichen Gerichten der untersten Ordnung gleichstehenden Kaufmannsgerichte in geringwertigen Sachen die stärkste Jurisdiktion besitzen, die das deutsche System überhaupt kennt, da sie inappellabel urteilen). Über den Gerichten der ersten Instanz baut sich auch hier das Rechtsmittelsystem auf, jedoch so, dass die Einlegung des Rechtsmittels gegen das erste Urteil von den Prozessordnungen in jeder Weise erleichtert wird, die höhere Instanz durchaus selbständig und unter mehr oder weniger beschränktem Novenrecht der Parteien den Fall prüft (ohne irgendwelche Stimmung in favorem der Unterentscheidung) und insbesondere nach deutschem Prozessrecht auch der Vorteil der vorläufigen Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils durch die Schadensersatzpflicht des Gläubigers aus § 717 Abs. 2 Z.P.O. herabgemindert ist. Auch der höchste Gerichtshof, dem bei dieser Form der Gerichtsverfassung vollends keine unmittelbare, erstinstanzliche Jurisdiktion zukommt, hat noch eine äusserst breite Zuständigkeit, die durch künstliche Beschränkungen des zu ihm führenden Rechtsmittels in den Grenzen der Leistungsfähigkeit seiner Mitglieder gehalten werden muss. Hier ist der wunde Punkt dieses Systems. Ein Gerichtshof, der nur in den seltensten Fällen – fast nur praeter legem – dazu kommt, den eigentlichen Richterberuf des Urteilens über subjektives Recht und Unrecht zu üben, dafür aber tagaus, tagein die Rechtsanwendung der mittleren Gerichte auf schon in der untersten Instanz festgelegte Tatbestände nachzuprüfen hat, ist in steter Gefahr zum Gegenstück des berüchtigten Wiener Hofkriegsrats zu werden, der vom grünen Tisch aus den im Feld stehenden Generalen und Truppenführern ihre Marschlinie vorschreibt.

4. Eine freiere Gestaltung des Rechtsmittelwesens, die auch dem höchsten Gericht neben seiner Revisions- oder Kassations-Aufgabe einen Anteil an der unmittelbaren Rechtsprechung geben könnte, ist freilich nur in der Art zu denken, dass die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsmittels weithin in das Ermessen der Urteilsgerichte gestellt wird. Ein kleiner Ansatz in dieser Richtung findet sich in der Z.P.O. neuester Fassung im § 708 Ziffer 7 cf 717 Abs. 3. für die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit. Die volle Entwicklung ist aber davon abhängig, dass die Vorstellung eines Rechts der Partei auf das Rechtsmittel wenigstens für die Revision oder Ober-Appellation völlig aufgegeben und das zweite Rechtsmittel ausschliesslich in den Dienst der allgemeinen Justiz gestellt wird; und des weiteren davon, dass man vor der Überlassung der Frage der Angreifbarkeit einer Entscheidung an das Ermessen des Richters nicht zurückschreckt. Jede gesetzliche Regelung, die in gewissen Fällen ein Recht auf Rechtsmittel gäbe oder dem Richter vorschriebe, unter welchen bestimmten [334] Voraussetzungen er allein die Erlaubnis zum Rechtsmittelangriff versagen dürfe, ist zu perhorreszieren, insofern sie den Zweck der Einschläferung von Argwohn und Misstrauen gegen den Richter („Willkür“ des Richters) doch nicht zu erreichen vermag, wohl aber ihrerseits eine Quelle von Streitigkeiten vor dem höchstinstanzlichen Gericht werden würde, die ebenso zeitraubend sind wie das Rechtsmittel in der Sache selbst und dem Ansehen der Justiz nur schaden können. Glaubt man also, dass nach der Art der Richter, deren Ermessen walten müsste, eine unbefangene Würdigung der konkreten Dienlichkeit des Rechtsmittels nicht zu erwarten ist, vielmehr zu befürchten stünde, dass die Richter entweder in übermässig vielen Fällen die Verantwortung für die Entscheidung auf das höhere Gericht würden abschieben wollen oder umgekehrt geneigt wären, ihre Urteile für unfehlbar zu halten oder jedenfalls der Kritik durch das höhere Gericht zu entziehen (sog. Vermauerung), so ist die erörterte Umbildung des Rechtsmittelwesens gar nicht zu versuchen. Andererseits könnte eine Sicherung gegen ein bei einzelnen Richtern etwa vorhandenes Vermauerungsbestreben beim Kollegialgericht darin gefunden werden, dass zum Versagen des Rechtsmittels Einstimmigkeit verlangt würde.

5. Unmittelbar hängt mit der eben berührten Frage eines der Tatbestandsermittlung ganz beraubten Revisionsgerichts zusammen die hier nur kurz zu streifende Frage der Ausbildung und Auswahl der Richter, des gelehrten oder Laienrichtertums, der monokratischen oder kollegialen Verfassung der Gerichte und innerhalb der Kollegialverfassung die Frage der grösseren oder geringeren, der notwendig ungeraden oder vielleicht auch geraden Zahl, der Mehrheit oder Einstimmigkeit bei Entscheidungen ungerad besetzter Kollegien. Zum Teil finden diese dem allgemeinen Staatsrecht so gut wie dem Prozess angehörenden Probleme an anderer Stelle des Handbuchs ihre eigene Darstellung. Neuere Vorgänge in England nötigen zu entschiedener Betonung der Forderung, dass bei der Auswahl der Richter ihre politische Gesinnung völlig ausser Betracht bleiben müsse. Dort ist von Parlamentsmitgliedern der Regierungspartei verlangt worden, dass bei der Besetzung gewisser Richterstellen der Lordkanzler, in dessen Hand die Ernennung liegt, den Wünschen des Abgeordneten Rechnung trage, in dessen Bezirk der Richter Jurisdiktion üben wird, damit einflussreiche Parteimitglieder nicht ohne die Belohnung dieser – ehrenamtlichen – Stellen zu bleiben brauchen. Die Zurückweisung dieser Prätensionen durch den Lordkanzler ist nicht ohne merkbare Erschütterung seiner Stellung gelungen. Während man früher die Parlamente als Hüter und Wächter der unparteiischen Besetzung richterlicher Ämter durch die Regierung anzusehen geneigt war, ist heute umgekehrt die Regierung im Parlament vielfach dazu gedrängt, die politische Farblosigkeit des Richters gegen die Patronagewünsche wie gegen die parteipolitische Kritik der Volksvertreter zu verteidigen, ein Zustand, der im Interesse der parlamentarischen Verfassung (und besonders vom Standpunkt derer, die an die Möglichkeit einer demokratischen Regierungsform glauben) mehr zu bedauern ist als im Interesse der Justiz.

Grössere praktische Bedeutung hat für deutsche Verhältnisse heute die Frage, ob an den Richter ausschliesslich oder vorwiegend Anforderungen des technisch-juristischen Könnens zu stellen seien oder ob seine Tauglichkeit zum Richteramt sich wesentlich nach seiner Lebenskenntnis, seinem Verständnis der sittlichen Anschauungsweise und der wirtschaftlichen Gewohnheit des Volks beurteilen solle. Dabei ist, wenn dies letztere emphatisch bejaht wird, nur eine neue Frage aufgetan: ist es möglich, dem künftigen Richter diese Fähigkeiten in der Ausbildungszeit anzulernen und ihn vor der Anstellung darauf zu prüfen, ob er sie erworben hat und richtig übt? Wir dürfen der Möglichkeit, da ihre Verwirklichung so sehr zu wünschen wäre, das beneficium des Zweifels geben, uns aber nicht verhehlen, dass auf jeden Fall eine Verstärkung der diskretionären Gewalten des Leiters der Justizverwaltung in Kauf genommen werden muss, und dass von der Forderung des Verständnisses für die „Wirtschaft“ (im Gegensatz oder als Ergänzung zum reinen „Recht“) nur ein kleiner Schritt ist zu der Forderung eines Einschwörens der Richter auf bestimmte wirtschaftliche Anschauungen und Dogmen, seien sie wissenschaftlicher oder politischer Natur.

Bestimmteres lässt sich über die Kollegialverfassung der Gerichte sagen. Der Einzelrichter der ersten Instanz ist nirgends in Gefahr, bei einer Reform dem Kollegium weichen zu müssen, im Gegenteil ist einer der wenigen Punkte, an denen die Rechtsvergleichung eine Regel für die ganze [335] Kulturwelt ergibt, heute der der Grenzen zwischen der Jurisdiktion des untern und obern Gerichts erster Instanz; überall erweitert sich die Zuständigkeit des ersteren auf Kosten des letzteren. Da wo die Teilung der Zuständigkeit nach dem Geldwert der Streitsache erfolgt ist, erklärt man mit der Minderung dieses Wertes im Wirtschaftsverkehr die Notwendigkeit der Hinaufsetzung des für die Zuständigkeit entscheidenden Werts sehr einfach. Indessen zeigt sich die allgemeine Tendenz auch da, wo die Teilung nach sachlichen Kriterien ohne Rücksicht auf den Streitwert erfolgt ist. Man fordert mit Recht, dass diese Art der Teilung, für die der Ausdruck der funktionellen Zuständigkeit in erweitertem Sinn übernommen werden kann, mehr und mehr an die Stelle der mechanischen Wertgrenze trete, und diese Forderung geht Hand in Hand mit dem Verlangen danach, dass auch hier ein Hin- und Hergeben der Streitsachen unter den Gerichten der ersten Instanz, je nach ihrer Eignung zur einzel- oder kollegialrichterlichen Behandlung, ermöglicht werde. Jetzt entscheiden darüber die Parteien und, wo sie nicht anders disponieren, die starre Zuständigkeitsregel des Gesetzes. Je mehr sich aber der Gegensatz zwischen dem amts- und landgerichtlichen Verfahren vertieft und dadurch zwei völlig verschiedene ordentliche Zivilprozesse nebeneinander treten (darüber vgl. unten 13), desto mehr darf man auch fordern, dass den Fällen Rechnung getragen wird, in denen nach der Meinung des vom Kläger angegangenen Gerichts eine Abweichung von der gesetzlichen Regel dem Bedürfnis des Einzelfalls entspräche. Gegen eine Überweisung vom Amts- an das Landgericht spräche freilich das Bedenken, dass den Parteien im höheren Verfahren höhere Kosten erwachsen und der Anwaltszwang auferlegt wird. Gegen die Abgabe eines einfachen und für eine Partei wenigstens besonders dringenden Rechtsstreits vom Landgericht an das Amtsgericht treffen diese Erwägungen, selbst wenn man ihnen Gewicht beilegt, nicht zu.

Schliesslich ist auch darüber fast allgemeine Einigkeit gegeben, dass die Besetzung der Richterbank in unseren höheren Gerichten mit fünf und sieben Richtern zu hoch gegriffen ist. Dass die hohe Zahl keinerlei Gewähr für die Güte der Entscheidungen bietet – vollends nicht für ein Mass der Vortrefflichkeit des Urteils, das die Nachteile der schwerfälligen Verhandlung aufwöge – , haben die Plenarentscheidungen des deutschen Reichsgerichts-Systems gezeigt. Sie haben in der Praxis völlig versagt, und es fehlte nicht viel, so hätte sich an ihnen gezeigt, dass auch heute noch ein Gesetz in desuetudinem kommen kann. In bedeutenden Streitfragen haben die Plenarentscheidungen vielfach sogar eine lähmende Wirkung auf die Rechtsentwicklung geübt und zu Rückbildungen geführt, die unter der gewöhnlichen Rechtsprechung nicht eingetreten wären. Die Gefahr des Kollegialgerichts liegt immer darin, dass nur ein Kollegialmitglied, der Referent, mit dem Einzelfall nach seinem Tatbestand völlig vertraut wird, während die übrigen Mitglieder nur in streitigen Rechtsfragen zur Entscheidung mitwirken. Dieser, der rechten Übung des Richteramts zuwidergehende Zustand tritt um so eher ein, je höher die Zahl der Richter ist, die die Bank bilden. Will man also eine Rechtsprechung, die möglichst dem Einzelfall gerecht wird, gerade auch in den höheren Gerichten, so ist für die Gerichte erster und zweiter Instanz als Höchstzahl eine Bank von drei Richtern, und auch beim Reichsgericht nur für besondere Fälle nach Anordnung des Senatspräsidenten die Mitwirkung von mehr als drei (bis zu fünf) Richtern zu fordern. Das höhere Gewicht gibt dem Gericht höherer Ordnung nicht die Zahl (da doch 3X1=3 mehr bleibt als 7X0=0), sondern die grössere Erfahrung und die bessere Auslese der Richter, die dem höheren Gerichte zugute kommt.

6. Die Einsetzung von Sondergerichten, denen durch technisch geschulte Beisitzer des Richters für gewisse Arten von Rechtsstreitigkeiten eine populärere Rechtsprechung gewährleistet werden sollte, als sie die ordentlichen Gerichte zu bieten vermochten, ist unter den Prozessualisten von vornherein erheblichen Bedenken begegnet. Ein Weitergehen auf diesem Weg ist nicht zu erwarten, da schon bei den Kaufmannsgerichten durchaus nicht jene Beruhigungswirkung in der öffentlichen Kritik der Justiz eingetreten ist, die sie üben sollten und die auch von den Gewerbegerichten vielfach ausgegangen ist. Eine bleibende Bedeutung wird aber diesen Sondergerichtsordnungen in der Geschichte der deutschen Gerichtsordnung deshalb zukommen, weil sie einen starken Druck auf die Reform des ordentlichen Verfahrens ausgeübt haben und noch üben. Der Vergleich des Amtsgerichtsverfahrens mit dem gewerbe- und kaufmannsgerichtlichen schärft das Bedürfnis nach Schleunigkeit und Formlosigkeit des Prozesses; der Versuch des Ausschlusses der Rechtsanwälte beim Sondergericht gibt [336] eine Probe, wie sie für sehr viele andere Reformvorschläge ebenso drastisch zu wünschen wäre. Die ordentlichen Gerichte werden sozusagen in den Kampf ums Dasein gestellt, und wenn sie in diesem Kampf sich verjüngt und ungeeignete Stücke ihrer Ausrüstung gegen wirksamere vertauscht haben, so werden sie die Jurisdiktion wieder an sich ziehen können, die ihnen zugunsten der Sondergerichte genommen wurde.

Ganz anders sind die in Baden und Württemberg fungierenden Gemeindegerichte einzuschätzen. Sie dienen den ordentlichen Gerichten zu sehr praktischer Erleichterung der Geschäftslast und haben sich so sehr bewährt, dass die Durchführung des ihnen zugrunde liegenden Gedankens durch das ganze Reich angezeigt erscheint und nur die Verschiedenheit des politischen Verhältnisses zwischen Gemeindevorstehern und Gemeindeangehörigen in den verschiedenen Staaten einen Grund zur sorgfältigen Prüfung der Frage abgibt, ob diese Rechtsprechung in Bagatellsachen auch anderwärts wie in Südwestdeutschland durch den Vorsteher oder einen deputierten ständigen Gemeinderichter ausgeübt werden kann. Die Ergebnisse, die das Verfahren in der Praxis gehabt hat, sind unter reiflicher Überlegung des Für und Wider in zwei Abhandlungen von R. Schmidt (Festgabe f. Laband 2 339 und Weidlich (Rhein. Z. 1 45) und in der Monographie von Hegler (Tübingen 1910) vortrefflich zur Darstellung gebracht.

7. Kommen wir zu einer durchgehenden Bagatellgerichtsbarkeit für das ganze Reich, so wäre hier zweckmässig einzusetzen mit der Übertragung der Funktion der Rechtsratserteilung an den Richter. Das, was damit erreicht werden sollte und anderwärts wirklich erreicht wird, nämlich eine Stärkung des richterlichen Imperiums in der Vorstellung des Volkes und in der Wirklichkeit, ist im geltenden Recht wieder nur in schwachen Ansätzen vorhanden. Das Sühneverfahren bei den Amtsgerichten liefert in der Praxis nicht die Erfolge, die es auf dem Papier verspricht und schliesst ja auch durch seine kontradiktorische Gestaltung von vornherein die Fälle aus, in denen einer Partei wirksamer Rechtsschutz schon durch das Gehör und die Belehrung seitens des Richters gewährt werden kann. Der Gerichtsschreiber soll den Verkehr mit der anwaltlosen Partei vermitteln, hält aber meistens in der Praxis mit der Ratserteilung zurück, wo es sich nicht nur um die Formen der Prozessführung handelt, und ist jedenfalls nicht von Amts wegen dazu bestellt. Am lebendigsten ist die unmittelbare Macht des Richters, einer bedrängten Partei ohne Fristen und Termine des kontradiktorischen Prozessgangs zu helfen bei den einstweiligen Verfügungen der §§ 935, 940 Z.P.O. und besonders in der, aus der Z.P.O. etwas herausfallenden, jedoch durchaus gerechten Vorschrift, die dem Richter die Wahl der zweckmässigen Mittel zur Hilfe freistellt: „Das Gericht bestimmt nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind. Die einstweilige Verfügung kann auch in einer Sequestration sowie darin bestehen, dass dem Gegner eine Handlung geboten oder verboten, insbesondere die Veräusserung, Belastung oder Verpfändung eines Grundstücks untersagt wird“ § 938 (die Vorschrift ist gesetzestechnisch gut gefasst, insofern sie im zweiten Satz nicht kasuistisch beschränkt, sondern nur exemplifizierend das Ermessen des Richters leitet; sie hat dadurch überhaupt für diese Fragen der Methode der Gesetzesfassung hervorragende Bedeutung und wird, auch als Muster für die Regelung richterlicher Gewalten im Strafverfahren, nicht genügend gewürdigt). Dass die Verfügung, die der Richter trifft, eine einstweilige, keine der Rechtskraft fähige ist, versteht sich; es kommt aber für die Erweckung der Vorstellung eines starken, im Notfall für den Verletzten, Schutzbedürftigen wirklich brauchbaren richterlichen Imperiums nicht so wohl die Unangreifbarkeit und gesetzesgleiche Kraft einer nach vier oder fünf Jahren des Prozessierens von sieben Richtern erlassenen Endentscheidung des Rechtsstreits an, als auf die Möglichkeit sofortigen Eingreifens, selbst wenn es keinen dauernden Bestand hat.

Solange der Richter nicht an ordentlichen Gerichtstagen, sei es öffentlich, sei es in seinem Amtszimmer, um Rechtsrat angegangen werden kann, trifft die Justizverwaltungen die doppelte Pflicht der Überwachung, aber auch jeder möglichen Förderung der sozialen Einrichtungen, die der Erteilung von Rechtsrat und dadurch der Justiz selbst dienen. Sparsamkeit im Versagen von Unterstützungen an solche Auskunftsstellen wäre, wenn diese die Gewähr breiter öffentlicher unentgeltlicher Zugänglichkeit und sachlicher Leitung bieten, geradezu eine Vergeudung von Volksvermögen. Wer mit den Rechtsangelegenheiten der ärmeren und amtlichen Schreibwerks unkundigen Volksklassen [337] zu tun gehabt hat, weiss, welche schädliche und dem ganzen Geist unserer Rechtsordnung feindliche Rolle die Einschüchterung einer nicht vertretenen und nicht beratenen Person durch juristisch gefasste, mit den gesetzlichen Folgen dieser oder jener Handlung oder Unterlassung drohende Schreiben von Anwälten der Gegenpartei spielt. Bei der letzten Novelle zur Z.P.O. ist für die Neuregelung des Mahnverfahrens darauf hingewiesen worden, dass im Volk die alte Fassung des § 692 viel missverstanden worden sei; weil der Zahlungs„befehl“ nämlich dem Schuldner gebot, entweder zu zahlen oder Widerspruch zu erheben, sollen die in dieser Weise Gemahnten oft geglaubt haben, beim Unvermögen der Zahlung eben wenigstens dem Alternativgebot folgen und den Widerspruch erheben zu müssen, selbst wenn sie gar nicht die Absicht oder die rechtliche Möglichkeit hatten, den Anspruch des Gläubigers zu bestreiten. Deshalb soll ihnen nach dem neuen Recht nur noch geboten werden, den Widerspruch zu erheben „falls sie Einwendungen gegen den Anspruch haben“. Aber während das Gesetz sich so um eine dem einfachsten Verstand fassbare Ausdrucksweise der Befehle bemüht, die von Rechts wegen ein Privatrechtssubjekt mit Hilfe der gerichtlichen Organe an ein anderes erlassen kann, ist für den aussergerichtlichen Verkehr von Anwälten, Rechtskonsulenten. Konkursverwaltern, Gerichtsvollziehern usw. mit den Gegnern ihrer Klienten die entgegengesetzte Methode leider nicht selten in Anwendung, durchaus nicht immer aus dolosen Beweggründen oder dem Bestreben, in imponierender Form aufzutreten, sondern vielfach aus schlechter Routine. Hier hilft eine Rechtsauskunftsstelle, die ohne Entgelt oder gegen ganz geringe Gebühr angegangen werden kann und das Vertrauen der Bevölkerung geniesst, unmittelbar; dass sie, sofern sie der Rechtspflege dienen will, nicht gegen den Anwalt oder gegen die gerichtlichen Organe arbeiten darf, liegt auf der Hand; ein guter, geschlossener, mit den Gerichten aufs allernächste zusammenhängender und zusammenarbeitender Anwaltstand ist der Justiz heute unentbehrlich und da, wo die Prozessordnung die Mitwirkung des Anwalts oder andere Gesetze die Tätigkeit des Notars vorschreiben, da ist für den Rechtsrat von anderer Seite kein Bedürfnis und kein Raum innerhalb dei Justiz. Indessen ist dieser Bezirk deutlich abgegrenzt, und ausserhalb sollte umgekehrt der Gegenpartei eines vom Anwalt oder anderen Berufsjuristen Beratenen das Gegengewicht eines öffentlichen Rechtsrats zur Verfügung stehen.

Nicht empfehlenswert scheint dagegen die z. Z. in England in Verbindung mit dem Präjudiziensystem gebräuchliche Aufstellung von Versuchsfällen (test cases) zur Entscheidung einer für die Allgemeinheit wichtigen Rechtsfrage im Scheinprozess.

8. Die Frage der Unabhängigkeit der ordentlichen Gerichte ist, nachdem sie lange Zeit geruht hatte, verschiedentlich neuerdings zu praktischer Bedeutung gelangt. Dass die Garantien, die das G.V.G. gibt und somit von Reichs wegen gegen die einzelnen Justizverwaltungen stabiliert, für sich allein nicht ausreichen, um die Unabhängigkeit der Richter im richtigen Sinn zu schützen, ist bei der komplizierten Natur dessen, was man eben unter dieser Unabhängigkeit zu verstehen hat, selbstverständlich. Drei besondere Sicherungen jener allgemeineren Bürgschaften sind, ihrer Wichtigkeit wegen, und weil sich bei ihnen Konflikte ergeben haben, hier anzuführen. Einmal die Regelung des sog. Kompetenzkonflikts in der Weise, dass den ordentlichen Gerichten nicht nur auf dem Papier des G.V.G., sondern in Wirklichkeit die bindende Entscheidung über ihre Jurisdiktion gegenüber der Verwaltung gegeben und besonders die Rechtskraft eines Urteils, das die Zulässigkeit des Rechtswegs bejaht, gegenüber der unzulässigen Bezweiflung durch Verwaltungsinstanzen des Inlands oder des Auslands vom Staat wie ein Stück seiner eigenen Ehre verteidigt wird. Zweitens dass die ordentlichen Gerichte da, wo ihnen im Prozess die Wahrheitsprüfung zum Richteramt zugewiesen ist, an die Entscheidungen anderer Behörden über Präjudizialfragen auch des öffentlichen Rechts nicht gebunden sind – dies natürlich mit der Bedeutung, dass unter den Handlungen der anderen Behörden die Verfügungen konstitutiven Inhalts von den Entscheidungen deklaratorischer Art zu trennen sind und nur gegenüber den letzteren den Gerichten die Freiheit der eigenen Ermittlung und Prüfung gewahrt wird. Schliesslich ist als Ergänzung der persönlichen Unabhängigkeitsgarantien für den Richter darauf zu achten, dass sein Amt ihm zur ausschliesslichen Aufgabe im Staatsdienst wird; zu vermeiden wäre also ebenso die Bestellung von Verwaltungsbeamten oder Beamten des Unterrichtswesens zu Richtern im Nebenamt wie umgekehrt die nebenamtliche Beschäftigung der Richter in Funktionen, die unter der gewöhnlichen Beamtendisziplin stehen müssen.

[338] 9. Im Ausland wird mehrfach vom Richter politische Neutralität verlangt, während in Deutschland die Aktivität höherer Richter im Parteileben und ihre Wahl zu den Parlamenten nichts ungewöhnliches ist. Das englische Beispiel jenes Neutralitätssystems kann nicht zur Nachahmung aneifern, wenn man es nach seinen Früchten beurteilt, denn einerseits ist gerade in England die Mehrzahl der Richter vor ihrer Ernennung politisch, häufig im Parlament selbst, tätig gewesen, wodurch der Verdacht parteipolitischer Motive für die Ernennung und das Bestreben eifriger Parteileute, Einfluss auf die Ernennungen zu bekommen, nie ganz zum Einschlafen kommen kann; andererseits scheitert die Durchführung des Systems im Oberhaus, da hier die höchsten Richter des Landes wieder an den politischen Debatten oder wenigstens an den Abstimmungen über rein politische Fragen teilnehmen.

In den deutschen Staaten, die eine erste Kammer besitzen, ist die Ernennung eines oder mehrerer Höchstrichter des Landes durch den Landesherrn zum Mitglied dieser Kammer üblich. Zu wünschen wäre, dass solche Mitgliedschaft überall ex officio einträte, wie es die neue Verfassung für Elsass-Lothringen im § 6 I verordnet. Die Ernennung verletzt gewiss die Unabhängigkeit des Richters an sich noch nicht. Unterbleibt sie aber, der Regel zuwider, in einem Fall, so ist damit eine Kritik des Souverains und der seine Wahl bestimmenden Regierung nicht nur an der Einzelperson, sondern am Amt selbst geübt und das Ansehen des Standes geschädigt, da ja natürlich die Nichternennung auf keinen Fall würde bedeuten können oder sollen, dass nun der Übergangene auch sein Richteramt verlasse und damit dem Chef der Justizverwaltung die Möglichkeit der Ernennung eines politisch genehmeren Richters auf den freien Posten gewährt werde. Für das Reich ist, solange ihm die erste Kammer fehlt, durch eine staatsrechtlich-gesetzlich geregelte Form der Mitwirkung und jedenfalls des Beirats einer Gruppe von Höchstrichtern bei der Schaffung von Justizgesetzen ein Ersatz zu suchen.

10. Im allgemeinen Prozessrecht steht mit der Gerichtsverfassung im nächsten Zusammenhang die Sicherung der Einheitlichkeit oder wie man häufiger kurz und hyperbolisch sagt: Einheit der Rechtsprechung. Dass sie höchst wünschenswert ist, daran zweifelt niemand. Andererseits ist nicht zu leugnen, dass neuerdings häufig einer drängenden Prozessreform die durch sie drohende Gefährdung der einheitlichen Rechtsprechung so summarisch entgegengehalten worden ist, als sei die Einheit schlechthin das höchste Gut der guten Justiz und deshalb inkommensurabel. Demgegenüber ist in meinem Wiener Vortrag über das Thema (Österr. Zentralbl. f. d. jur. Praxis 29, 1 ff) der Versuch unternommen, sie unter die übrigen Grundsätze des Prozessrechts zurückzustellen und vor allen Dingen dem Schlagwort einer angeblich vorhandenen und gefährdeten Einheit der Rechtsprechung im deutschen Prozess das Bild der Wirklichkeit entgegenzustellen. Sichern lässt sich die Einheit nur durch das Präjudiziensystem oder durch die straffe Zentralisierung der Gerichtsverfassung in einem Hochgericht. Beides ist dem geltenden deutschen Prozessrecht gleich fremd. Die Wirkung, die wir den endgültigen Urteilen der Zivilrechte geben, ist streng auf den entschiedenen Fall beschränkt; das ergibt sich mit Notwendigkeit aus der Natur des Verfahrens mit seiner weitgehenden Freilassung der Parteidisposition. In der Praxis ist ein Gegengewicht gegen eine zu starke Partikularisierung der Rechtsprechung dadurch geschaffen, dass nicht nur die wichtigeren Entscheidungen der höheren Gerichte, und zwar neuerdings mehr und mehr, publiziert und in handlichen Sammlungen jeder Gerichtsbibliotliek einverleibt werden, sondern dass auch die Kommentare zur Prozessordnung, denen vielfach fast die Autorität authentischer Gesetzesauslegung in der Praxis eingeräumt wird, ihrerseits auf dem genausten Studium der Judikatur beruhen, wo sie nicht gar, auf eigene Ansichten der Verfassers verzichtend, nur Repertorien für die Präjudizien der höchsten Gerichte sind. Dieses heimliche Präjudiziensystem ist deshalb nicht unbedenklich, weil es, ähnlich wie die amerikanischen Repertorien und Enzyklopädien, mit Rechtspräjudizien arbeiten muss, die, von dem Fall losgelöst, aus dem sie ursprünglich erwachsen waren, ganz wie Sätze der lex scripta wirken. Soll aber das Präjudiziensystem überhaupt gegenüber dem Kodifikationssystem Vorzüge seiner Eigenart haben, so könnten sie nur darin bestehen, dass beim ersteren der Einzelfall in seiner Eigentümlichkeit stärkere Beachtung finden kann, weil der Richter vor der Befolgung des im Präjudiz enthaltenen Rechtssatzes genau zu prüfen hat, ob sein jetzt zu entscheidender Fall im Tatbestand [339] dem Fall des präjudiziellen Urteils in allem wesentlichen gleichsteht. Das geschieht bei unserem heimlichen Prajudiziensystem nicht oder nur sehr selten, da, selbst wenn die Originalpublikation der Präjudizial-Entscheidung nachgeschlagen wird, der Tatbestand in ihr nur in den für die folgenden Urteilsgründe und den Tenor wesentlichen Punkten zurechtgemacht wiedergegeben ist, oft auch ganz fehlt. Ist also gegenüber dem jetzigen Rechtszustand im deutschen Prozess in diesem Punkt etwas zu ändern, so wäre weniger darauf zu sehen, dass die Einheitlichkeit der Rechtsprechung stärkere Wahrung bekomme, als darauf, dass diese Sicherung aus der Heimlichkeit des Kommentar- und Präjudiziensammlungs-Wesens in eine offene gesetzlich geregelte Form übergeführt und dabei für eine sorgfältige Handhabung des Präjudizes, das nur bei gleichem Tatbestand anwendbar sein dürfte, gesorgt würde.

Mit dem Verlangen nach einheitlicher Rechtsprechung wird oft, besonders für Handelsstreitigkeiten, das Verlangen laut nach möglichst genauer Berechenbarkeit der Entscheidung im voraus. (In gleicher Richtung liegt es auch, wenn unter staatsrechtlicher Betrachtungsweise gelehrt wird, das Urteil entspreche, wenn es gut und richtig sei, den Erwartungen der öffentlichen Meinung.) Dabei ist Richtiges und Falsches vermengt. Richtig ist, dass die lex scripta möglichst klar sein und dadurch dem einzelnen Rechtssubjekt die Richtschnur für sein Handeln und für sein Verhalten zum Handeln anderer abgeben muss ; richtig ist, dass man hier von einer präventiven Aufgabe des Gesetzes sprechen kann, das durch seine klare, genaue, möglichst alle Fälle deckende und Kontroversen vermeidende Fassung die Entstehung von Rechtsstreitigkeiten verhindert, so weit diese nicht aus offenem Rechtsbruch entstehen und deshalb auch einfach und rasch zu erledigen sind; richtig ist schliesslich, dass der Gesetzgeber in seinen Vorschriften überall dem „richtigen Recht“ zum Durchbruch verhelfen soll, und sofern dieses wiederum sich mit dem Willen der Allgemeinheit deckt, eine Wechselwirkung zwischen diesem Willen und dem Gesetz eintritt. Unrichtig ist aber, dass in den Fällen, in denen die präventive Macht der Gesetzes versagt hat, sei es, weil das objektive Recht unklar gefasst, sei es, weil das subjektive nicht besonders eigenartig und kompliziert ist, nun auch vom Richterspruch das Gleiche wie vorher vom Gesetz gesagt werden kann. Die einfachste praktische Probe auf die Doktrin der Berechenbarkeit ergibt, dass sie nicht standhält. Die Parteien, die sie im Mund führen, sind zugleich die, an deren Prozessführung die Justiz immer Schaden leidet. Die Rechtskraft des Urteils verlangt Achtung und schliesst die Behauptung der Unrichtigkeit aus, zu der die Partei, die das Ergebnis des Prozesses vorausberechnet hatte und deren Berechnung es nicht entspricht, gerade geneigt ist. Das Ideal des einfachen Rechts- und Wirtschaftszustandes, in dem jeder Gemeindegenosse die Berechtigung und die Rechtswirksamkeit seiner Handlungen sich ebenso selbst zu bemessen vermag wie ihre sittliche oder religiöse Erlaubtheit, liegt in der Entwicklung weit und unwiderbringlich hinter uns. Dafür kann man weder das Gesetz noch die Justiz verantwortlich machen.

11. In besonderem Sinn ist vom Prozessgesetz Klarheit und Verständlichkeit da zu fordern, wo es sich unmittelbar an die ohne Prozessvertreter handelnden Parteien wendet. Das ist in der Prozessordnung in den allgemeinen Vorschriften wie bei der Regelung des amtsgerichtlichen Verfahrens, des Mahnverfahrens, der einstweiligen Verfügungen und der Zwangsvollstreckung vielfach der Fall, ohne dass überall jene Gebote bei der Fassung des Gesetzes beachtet wären. Dem Prozessgesetz ist ganz allgemein der technische Vorwurf zu machen, dass nur in verschwindend wenigen Fällen ausdrückliche Vorschriften über die Folgen eines Verstosses gegen das Gesetz, über die Möglichkeit der Heilung eines solchen Verstosses oder eines Mangels und überhaupt über die zulässigen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe gegeben sind. Wenn es irgend eine Frage gibt, die in der lex scripta statt im ungeschriebenen Recht entschieden werden sollte, so ist es eben die nach der zwingenden oder dispositiven Natur der Vorschriften, die die lex scripta enthält und besonders der Gebote, die sie den Parteien und sonstigen Prozesspersonen gibt, und im Zusammenhang damit die Frage der Heilbarkeit von Mängeln einer Handlung, die unter solcher Vorschrift vorgenommen ist. Es lässt sich sehr viel dafür sagen, dass man Wissenschaft und Praxis, zusammen mit den wirtschaftlichen Kräften und dem Rechtsempfinden des Volks, materielle Rechtssätze in verhältnismässig freiem Spiel ausarbeiten lässt; aber wenn der Gesetzgeber einmal Gebote in der starren Form des [340] Gesetzes erlassen hat, so hat es schlechterdings keinen Sinn, jene rechtsbildenden Faktoren nun sich an den Folgen der Gesetzesverletzung betätigen zu lassen oder ihnen die „Sanktion“ des Gesetzgebergebots zu übertragen. Im Gegenteil hiesse das den Bock zum Gärtner machen. In der deutschen Z.P.O. ist die absolute Nichtigkeit von Prozesshandlungen überhaupt nicht geregelt, und die Bestimmungen des § 295 über die Mängelrüge, des § 567 über die Zulässigkeit der Beschwerde (ebenso der §§ 766 und 793 über Beschwerde in der Zwangsvollstreckung und Vollstreckungsbeschwerde) und über die Nichtigkeitsklage aus § 579 Z. 4 sind wahre Muster unklarer, den Laien ganz unverständlicher und für den Juristen als Kontroversenherde berüchtigter Gesetzesvorschriften. Andererseits wird dieser Mangel des Gesetzes selbst, der bei der Methode der Gesetzgebung unserer Zeit und dem schlechten Stand der legislativen Technik kaum zu beseitigen ist, in etwas dadurch ausgeglichen, dass dem Gericht und dem Gerichtsschreiber für das amtsgerichtliche Verfahren die Rechtsbelehrung der Partei und die Mitwirkung bei der rechtlich wirksamen Formulierung ihres Willens vorgeschrieben und in der Zwangsvollstreckung den ausführenden gerichtlichen Organen die Offizialprüfung der Gläubigeranträge und Aufträge in weitem Mass zur Pflicht gemacht ist.

Ein anderer fühlbarer Mangel der Gesetzestechnik haftet der Z.P.O. seit der Novelle von 1900 an. Während eine gute Prozessordnung jedem Anspruch, gleichviel welchem bürgerlichen Recht er nach Entstehung und weiteren Schicksalen zugehört, wirksamen Schutz gegen Gefährdung und Verletzung durch richterliche Prüfung, Urteil und Vollstreckung gewähren sollte, sind jetzt in der deutschen Z.P.O. eine Reihe von Vorschriften auf Vorschriften des gleichzeitig mit der Novelle in Kraft getretenen B.G.B. so eng zugeschnitten, dass sie bei Ansprüchen, die materiellrechtlich nicht unter der Herrschaft des B.G.B. stehen, unanwendbar sind; da aber die Jurisdiktion der deutschen Gerichte sich nicht im geringsten mit dem Herrschaftsbereich des B.G.B. deckt, vielmehr, insbesondere durch die stete Erweiterung der sog. dispositiven Zuständigkeit in den neueren Prozessgesetzen, grundsätzlich ausländische Rechtsverhältnisse ebenso gut wie inländische vor den deutschen Richter kommen können, so entstehen durch jene, mit dem B.G.B. zusammengewachsenen Vorschriften der inländischen Prozessordnung notwendig Inkongruenzen und Lücken.

Da wo die Prozessordnung technische Ausdrücke in ihren Vorschriften verwendet, die sonst hauptsächlich im materiellen Zivilrecht vorkommen (z. B. Wohnsitz, Auftrag, Anspruch, Gläubiger und Schuldner, Rechtsnachfolge, Veräusserung, Abtretung, guter Glaube, Erbfolge, Verein und Gesellschaft, unbewegliche Sache, Forderung, Berechtigung – um nur einiges zu nennen), da ist der mit dem Ausdruck zu verbindende Begriff in erster Linie aus dem Zusammenhang der Prozessordnungsvorschriften, also nach der prozessualen ratio legis zu bestimmen, und nicht nach dem zufällig im gleichen Staatsgebiete koexistenten Zivilgesetzbuch (Vgl. Rhein. Z. 4 1 fgde.).

Schliesslich ist einer anderen sehr bedenklichen Folge unseres Kodifikationssystems zu gedenken: des zwischen zwei Gesetze Fallens der Grenzmaterien, deren Behandlung dann doch den sonst ganz auf die Anwendung geschriebener Gesetze eingeübten Praktikern überlassen bleiben muss. Aus der langen Reihe solcher zwischen Z.P.O. und B.G.B. durchgefallenen Rechtsfragen nenne ich wenigstens die drei wichtigsten: die der materiellrechtlichen Vertretungsmacht in ihrem Verhältnis zur Parteistellung des Prozesses, die der ganzen Beweislast und die der materiellen Wirkungen des Urteils – denn die Ansätze zu einer Regelung der beiden letzteren Materien im B.G.B. und der Z.P.O. sind zu kümmerlich, um selbst der kräftigsten Analogie-Auslegung einen Halt zu geben.

12. Besondere Aufmerksamkeit wendet man, unter dem Einfluss rechtsvergleichender Darstellungen des angloamerikanischen Rechts gegenüber den europäisch-kontinentalen Systemen, der Erscheinung der Gerichtsregeln zu, die, ein fest redigierter stilus curiae für die Form des Verfahrens, das eigentliche Gesetz entlasten und ihm gegenüber den doppelten Vorteil der Abfassung durch die Sachkundigsten und der leichten Abänderlichkeit und Ergänzungsfähigkeit tragen, während man auf der andern Seite zu ihren Nachteilen eine durch dieses System geweckte übermässige Regulierungslust der Gerichte und die Gefahr des Erstickens der grossen Prozessgrundsätze unter den kleinen Formregeln zählt. Mit der grosseren Dezentralisierung in der Gerichtsverfassung und der feineren Differenzierung der Verfahrensarten nach den Arten der Streitsachen wird die Einführung und Handhabung des Regel-Systems immer schwieriger. (Sehr warm für das Regel-System [341] englischer Art auf Grund amerikanischer Erfahrungen Pound, Rheinische Zeitschrift II 518; als Illustration des englischen Systems mein Englisches Richtertum usw. 1900, S. 61 fgde.).

13. Der deutsche Zivilprozess ist nach der Prozessordnung von 1879 wesentlich mündliches Verfahren mit unbeschränkter Herrschaft der Parteien über den Stoff und hier und da eingeschränkter Prozessführungsgewalt der Parteien, denen der Richter als Urteiler, und nur in gesetzlichen Grenzen als Leiter des Verfahrens gegenübersteht. Die starke Betonung der „Grundsätze“ der Mündlichkeit, des Parteibetriebs, und die fast doktrinäre Durchführung der Dispositionsmaxime im Gesetz ist ebenso wie die Bestrebung, wenigstens den Schein einer Zäsur im „konzentrierten“ Verfahren zu meiden, aus Reaktionen und Reflexbewegungen gegenüber dem eben verlassenen oder, wie man überall meinte, überwundenen gemeinrechtlichen System zu erklären. In der Lebensgeschichte des Prozessgesetzes, das sich übrigens, von den Bestimmungen der Novelle von 1909 abgesehen, für moderne Verhältnisse sehr gut und dauerhaft bewiesen hat, zeigt sich denn auch eine Abspannung in allen jenen Punkten. Man gibt sich damit zufrieden, dass je nach der Landessitte hier die Schriftsätze auf ein Minimum reduziert und innerhalb der mündlichen Verhandlung die Plaidoyers nach französischer Art zur Hauptsache gemacht, dort umgekehrt eine intensive aktenmässige Vorbereitung mit dem entsprechenden Studium des Referenten vor der Verhandlung gefordert, in der Verhandlung selbst aber nur auf die Schriftsätze verwiesen und neu Vorzubringendes auch möglichst verlesen wird – alles nach der gleichen Reichsprozessordnung – ; die Novelle von 1905 hat aber auch eine gesetzliche Bresche in die Mündlichkeit der Verhandlung selbst gelegt, indem sie schriftliche Zulässigkeitsprüfung bei der Revision ermöglichte: die Bedenken, die das a priori weckte, sind in Vergessenheit geraten. Der Parteibetrieb ist wenigstens für das amtsgerichtliche Verfahren und für die Einlegung der Rechtsmittel seit den Novellen von 1909 und 1910 dem Amtsbetrieb gewichen, und man weist mit Recht seitdem darauf hin, dass die Bewährung dieser neuen Prozessgangart notwendig ihre Übertragung auf das Verfahren vor den höheren Gerichten zur Folge haben muss, da nichts dem Geist unserer Gerichtsverfassung und unseres Prozesses ärger zuwiderliefe, als eine Diskreditierung des landgerichtlichen Verfahrens und damit ein allmähliches Absterben der Revision als ordentlichen Rechtsmittels an das einzige Gericht des Reichs. Der straffere Offizialbetrieb wird aber wiederum eine Abschwächung der Dispositionsmaxime im materiellen Prozessrecht mit sich bringen. Es ist gewiss wahr, dass Amtsbetrieb und Offizialmaxime nicht unzertrennlich sind, ja dass sie nicht einmal in logischem Zusammenhang stehen. Aber eine tatsächliche Wechselwirkung ist vorhanden. Auf dem Gebiet der Stoffsammlung für den Prozess, des richterlichen Rechts zu spontaner Beweiserhebung oder auch im Versäumnisverfahren gibt es so viele auf der Grenze zwischen formeller und materieller Prozessleitung stehende Vorschriften, dass eine Stärkung der richterlichen Gewalt in jener Richtung zugleich zur Reform in dieser Richtung drängt. Übrigens hängt für die Ausübung der materiellen Leitung schon nach dem geltenden Recht sehr viel von der Art ab, in der die Praxis vom Fragerecht des Richters nach den §§ 138 Abs. 2 u. 3, 139, 286, 288, 289 Abs. 2 und vor allem von der Befugnis zur Auflegung des richterlichen Eides nach § 475 Z.P.O. Gebrauch macht. Schliesslich denkt man auch über die Frage der Konzentration der Verhandlung heute wesentlich anders als vor dreissig Jahren. Auf der einen Seite haben die Versuche des Gesetzgebers von damals, alle Trennungen des Verfahrens wenigstens zu verschleiern, wo sie nicht ganz zu vernichten wären, vor der wissenschaftlichen Kritik so wenig wie vor dem Bedürfnis der Praxis bestehen können: man hat gefunden, dass auch heute noch die Einlassung des Beklagten ihre gewichtige nnere Bedeutung neben der Klagerhebung hat und selbständige Wirkungen durch sie ausgelöst werden; man hat den vom Gesetz wie eine Ausnahmeerscheinung nebenher geregelten Beweisbeschluss in täglichen Gebrauch genommen, und, soviel man bisher sieht, lässt sich von diesem Herkommen die Praxis auch durch die sehr gut gemeinten Neuerungen des § 501 Z.P.O. nicht abbringen. Vor allem aber wird immer dringender das Verlangen danach laut, dass der mündlichen Verhandlung, wenn sie wirklich den Prozessstoff konzentriert in sich fassen und als Ganzes dem Richter unmittelbar darstellen soll, ein Vorbereitungsstadium vorangegangen sein muss, das, abgesehen von den Fällen, die sich in ihm selbst als streitlos und liquid erledigen, auch im Zivilprozess nicht wesentlich kürzer oder oberflächlicher sein dürfte, als es die Voruntersuchung im Strafprozess ist. Schon ehe die österreichische Prozessordnung [342] den Gedanken teilweise verwirklichte, ist der Vortermin für die deutsche Prozessreform gefordert worden, und neuerdings haben die Untersuchungen des englischen Gerichtswesens wieder dargetan, wie notwendig die gründliche Instruktion des Prozesses vor einem Richter-Gehilfen für das glatte Funktionieren eines Verfahrens mit konzentrierter mündlicher Verhandlung ist. Vor einer Übertragung dieses Vorbereitungsstadiums an einen Einzelrichter dürfte man allerdings dann auch im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zurückschrecken. Hier wie überall wird die resolute Übersetzung von heimlichen Prozessgebräuchen in offenes Gesetzesrecht nur gut wirken können; was jetzt doch in vielen Fällen der Referent des Kollegiums hinter dem Rücken der Prozessordnung tut, das könnte der Instruktionsrichter im mündlichen oder schriftlichen Vorverfahren besser leisten.

14. An zwei Abschnitten der Prozessordnung sind die Novellen zur Z.P.O., die sonst wenig Steine aufeinander Hessen, fast ohne jeden Eingriff vorbeigegangen: am ganzen Beweisrecht und an dem formellen Vollstreckungsrecht. Für das Beweisrecht hat das seinen Grund wohl in der eben schon berührten Herrschaft der Praxis über die Gestaltung des Verfahrens, der gegenüber ein besseres oder schlechteres Gesetz verhältnismässig wenig bedeutet. Sie ist über den öden Schematismus der Beweismittel, dem die Z.P.O. verfallen ist und der sich am übelsten im Urkundenprozess äussert, ohne Schwierigkeit weggekommen; sie arbeitet ganz selbstverständlich mit der Erkenntnis, dass der Sachverständige Gehilfe des Richters und nicht Beweismittel gleich der Urkunde oder dem Augenscheinsobjekt ist; sie weiss durch die Autorität, die sie der Durchführung des Augenscheinsbeweises gibt, das Fehlen jeglichen Zwangsmittels gegen den Besitzer des Objekts im allgemeinen gut zu machen; sie geht an den Schwerfälligkeiten der Urkunden-Beweisführung, wenn die Urkunde sich in den Händen einer Behörde befindet, auf dem Weg der Rechtshilfe-Requisition (G.V.G. § 169) vorbei und gleicht so die sonderbare Verschiedenheit zum Teil aus, die in den §§ 142, 143 einerseits und § 144 andererseits zwischen dem Beweis durch Urkunde und dem Augenscheinsbeweis statuiert ist; sie macht auch vielfach den richterlichen Eid zu dem, was er ist, was er aber nach der Fassung der ihn regelnden Vorschriften der Prozessordnung durchaus nicht zu sein scheint: nämlich zu einem völligen aliud gegenüber dem zugeschobenen Eid und überhaupt den Partei-Beweisen. Machtlos ist sie natürlich gegenüber den Missständen, die sich aus der strafrechtlichen Regelung der Eidesdelikte in ihrem Verhältnis (oder vielmehr ihrem Missverhältnis) zu der Eidespflicht der Zeugen und Parteien im Zivilprozess ergeben.

15. Das Schmerzenskind des deutschen Prozesses ist, trotz mancher Besserungsversuche der letzten Novellen, das Versäumnisverfahren, zusammen mit dem unbeschränkten Recht der Parteien, Vertagung zu erzwingen und den Prozess ruhen zu lassen. An der Erkenntnis des Übels fehlt es wahrhaftig hier nicht. Es ist ein öffentliches Ärgernis, dass die Parteien, die vom Gericht die volle Bereitschaft zum Gehör der anberaumten Sache fordern, ohne jeden Grund, ja ohne jede Nachricht einfach ausbleiben können, um am Tag darauf wieder gebieterisch einen neuen Termin zur nächsten möglichen Zeit zu verlangen; ein Ärgernis, dass die erschienene Partei aus Rücksicht auf ihren säumigen Gegner, aber mit der dazu gehörenden Rücksichtslosigkeit gegenüber der Justiz, dem Gericht sagen kann: ich bin zwar hier, aber ich verhandle nicht, und dadurch das Gericht zwingt, sie nun auch als nicht erschienen zu behandeln. Wie ist dem abzuhelfen? Die Prozessverjährung und die Zurückstellung des nicht ordentlich betriebenen Prozesses hinter die anderen anhängigen Sachen für die fernere Behandlung ist, nach ausländischem Muster empfohlen, bei uns stets abgelehnt worden; bedenklich ist in der Tat, dass insbesondere das zweite von diesen Mitteln eine Reihe überjähriger Prozesse schafft, die doch schliesslich wieder anderen Rechtsstreitigkeiten die öffentliche Zeit der Rechtsschutzstelle wegnehmen und einer straffen Geschäftsleitung bei den Gerichten im Weg sind. Man braucht radikalere Hilfe; sie ist zu finden in der Klagabweisung beim Nichterscheinen oder Nichtverhandeln des Klägers, ohne Rücksicht auf Säumnis des Beklagten, nur mit dem Modus, dass das Gericht eine vom Kläger beantragte Vertagung nach seinem Ermessen statt der Klageabweisung verwilligen könnte, wenn die Partei sachliche Gründe für diesen Antrag bringt (sachlich dabei im Gegensatz insbesondere zum persönlichen Zeitmangel der Partei oder ihres Vertreters gedacht). Schon eine Abweisung durch Prozessurteil würde die Parteien zu schärferem Prozessbetrieb [343] anhalten; sie hätte aber das Bedenkliche, dass besonders bei vorgeschrittenem Prozess, gar in der Rechtsmittelinstanz die geleistete Arbeit verloren ginge und auf die neu angestellte Klage von neuem geleistet werden müsste, sodass auch dieses IMittel zwar da, wo es präventiv wäre, gut wirken könnte; da aber, wo es versagt, das Übel der Zeitvergeudung eher steigern könnte. Deshalb ist Abweisung des säumigen oder nicht verhandelnden Klägers, auch ohne Antrag des Beklagten, durch Sachurteil zu fordern, und dagegen nur der Rechtsbehelf eines formell streng gefassten Einspruchs an das Urteilsgcricht zuzulassen.

16. Das Mass der Urteilswirkung ist natürlich bestimmt durch das Mass der Parteidisposition über den Prozessstoff (subjektive Grenzen) und durch die Beschränkung der Entscheidungsgewalt des Gerichts auf die von der Partei erhobenen Ansprüche (strenge Klagform, Unzulässigkeit der Klageänderung, Inzidentfeststellungsklage, für die Berufungsinstanz §§ 525, 526, 536, 537 Z.P.O. ; objektive Grenzen). Jedoch bricht sich mehr und mehr die Meinung Bahn, dass die Rechtskraftwirkung des Urteils eine öffentlich-rechtlich-prozessuale ist (was mit der Bestimmung ihres Masses durch die Regelung des Prozessrechtsverhältnisses, der Machtverteilung unter die Prozesssubjekte in der Prozessordnung durchaus verträglich ist), die nicht primär nur die Parteien des Prozesses und erst durch eine von ihnen erhobene „Einrede“ auch ein später mit der Sache befasstes Gericht bindet, sondern unmittelbar die Gerichte desgleichen Staats (soweit eine Arbeitsgemeinschaft mit dem Ausland besteht, auch die Gerichte der Konventionsstaaten) angeht und von ihnen kraft Amts beachtet werden muss.

17. Die Zwangsvollstreckung steht durchaus unter dem Zeichen möglichst unmittelbarer, den Schuldner im übrigen schonender Verwirklichung des Gläubigerrechts und verwendet nur im Notfall noch die alten Mittel indirekten Zwangs gegen den Schuldner. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der noch mit Rechtsmitteln und Einspruch angreifbaren Entscheidungen wird immer mehr ausgedehnt. Durchaus sinnwidrig hat aber die Novelle von 1909 auch in den Fällen, in denen der Entscheidung aus prozessualen Gründen gegenüber dem Schuldner die besondere Schärfe einer von Amtswegen auszusprechenden vorläufigen Vollstreckbarkeit gegeben wird, dem Gläubiger eine besondere zivilistische Schadenshaftung beim nachträglichen Umfall seines Titels aufgebürdet (Z.P.O. 717 Abs. 2, mit der einen Ausnahme des § 703 Ziffer 7, die den richtigen Weg andeutet). – Für das Vollstreckungsrecht gilt ganz besonders die früher aufgestellte Forderung an das Gesetz, dass es die Möglichkeiten der Heilung und des Angriffs auf fehlerhafte Handlungen der gerichtlichen Organe und der Partei selbst genau bezeichne.

18. Der Gedanke einer internationalen Urteils- und Vollstreckungsgemeinschaft hat neuerdings manche Förderung erfahren. Die Haager Konvention von 1905 hat gegenüber ihrer Vorläuferin von 1897 vor allem in der Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidungen ohne Geleiturteil einen Fortschritt gebracht, an dem nun weiter zu arbeiten ist. Im allgemeinen ist die Gemeinschaft dann durch die Rechtshilfe-Konferenz in Wien 1909/10 für Deutschland und Österreich-Ungarn nach der rechtlichen wie nach der wirtschaftlichen Seite hin eingehend erörtert und in manchen Punkten warm befürwortet worden; dabei hat sich gezeigt, dass durch solche ins einzelne gehende Verhandlungen zwischen zwei Rechtsgebieten auf Grund genauer Kenntnis ihres positiven Rechts mehr zu erreichen ist, als durch breitere und weniger vom geltenden Recht und seinen notwendigen Verschiedenheiten ausgehende Bestrebungen. An die deutsch-österreichische Fühlung sollte sich binnen kurzem eine deutsch-schweizerische, deutsch-holländische und deutsch-französische anschliessen.

19. Die Justizstatistik (für das Reich nach dem Stand vom 1. Januar 1912, für Bayern mit den Ergebnissen von 1912) zeigt eine ziemlich gleichmässige, der Bevölkerungszunahme annähernd entsprechende Vermehrung der Zahl der Prozesse, der Anwälte, der Richter. Die Richter sind von rund 7000 im Jahr 1883 auf wenig über 10 000, die Anwälte von rund 4100 im Jahr 1880 jetzt auf rund 12 300 gekommen, wobei in den letzten vier Jahren die Zunahme besonders stark war; die Zahl der vermögensrechtlichen Sachen (Mahnsachen, ordentliche Prozesse, Urkundenprozesse) ist von 3 325 652 im Jahr 1881 auf 5 694 690 im Jahr 1911 gestiegen; auch hier ist die Zunahme seit 1905 stetig und in den letzten vier Berichtsjahren besonders stark, [344] im Jahr 1907 zum erstenmal 50% gegen 1881, im Jahr 1911 schon 71,2%. Die Novelle vom Jahr 1909 hat die gewünschten Wirkungen für das Verhältnis der amtsgerichtlichen und landgerichtlichen Zahlen gehabt; auch die Verbesserungen des Mahnverfahrens spiegeln sich in der Statistik wieder: die Mahnsachen hatten von 1881 bis 1908 mit einer Ausnahme absolut abgenommen, sind dann 1909 um 26 016, 1910 um 206 115 und 1911 um 549 404 auf 2 659 982 gestiegen. In Bayern sind 1912 anhängig geworden 284 387 Mahnsachen gegen 237 127 ordentliche Prozesse und Urkundenprozesse, also 54,6% Mahnsachen, während es 1909 nur 46,7% waren. Die Zahl der Revisionen ist durch die letzte Novelle verringert worden, in Bayern von 271 im Jahr 1910 auf 189 im Jahr 1911 und 197 im Jahr 1912. In geringerem Mass ist durch die Verschiebung der sachlichen Zuständigkeit auch die Zahl der Berufungen zum Oberlandesgericht reduziert worden (in Bayern 1909 2738, 1912 2189) ; aber dem steht die Zunahme der Berufungen zum Landgericht gegenüber, die im gleichen Zeitraum in Bayern von 4864 auf 6558 hinaufgeschnellt sind. Die Reichsstatistik zeigt eine erschreckende Zunahme der Berufungen; auf 1000 kontradiktorische Endurteile der Vorinstanz kamen im Jahr 1881 noch 457 Berufungen, im Jahr 1911 aber 750! Auch an dem unerfreulichen Bild der Versäumnisstatistik hat sich nichts geändert; bei den Amtsgerichten waren im Jahr 1911 46%, bei den Kammern für Handelssachen 53%, bei den Zivilkammern der Landgerichte in erster Instanz 70% aller Verhandlungen kontradiktorisch; nur beim Reichsgericht wird die gesunde Prozentziffer von 93 kontradiktorischen Verhandlungen erzielt.

Die Erhebungen über die Prozessdauer, die seit einigen Jahren, unter dem Einfluss des Vergleichs mit der österreichischen Ziviljustiz, besonders gründlich vorgenommen werden, gaben kein ungünstiges Bild. Im Reich haben 93,6% amtsgerichtliche und 76% landgerichtliche Sachen von der Klage bis zum ersten Termin weniger als einen Monat gebraucht; beim Amtsgericht sind 53,4% der durch kontradiktorisches Urteil erledigten Sachen in weniger als 3 Monaten und noch 40,3% in weniger als einem Jahr erledigt worden, bei den Landgerichten brauchten 74,7% dieser Sachen nicht mehr als ein Jahr. Beim Reichsgericht ist durch die Einstellung von Hilfsrichtern Erleichterung gegenüber der Stockung geschaffen worden, die eingetreten war. Dass auch in der höchsten Instanz eine rasche Erledigung möglich ist, wenn die Zahl der Richter ihrem Jurisdiktionsbereich angemessen bleibt, das zeigt wieder die Uebersicht über den Geschäftsgang beim bayerischen Obersten Landesgericht, wo von 26 kontradiktorisch erledigten Sachen keine überjährig wurde, und 21 (80,8%) weniger als 6 Monate zur Erledigung brauchten.