Wilhelm Bauer’s Erfindungen

Textdaten
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Autor: Friedrich Hofmann
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Titel: Wilhelm Bauer’s Erfindungen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 36, 39, S. 566–568, 621–623
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1862
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Wilhelm Bauer’s Erfindungen,
ihr bisheriges Schicksal und eine Nationalstiftung für deutsche Erfinder.
Was deutschen Erfindern fehlt – Bauer – Die unterseeische Schifffahrt – Robert Fulton – Der Brandtaucher – Unterseeische Corvette und Kanonenboote – Eiscanalbrecher – Rettungsboot – Schwimmende rotirende Batterie – Finanzielles für Volksvertreter – Kabelschneider – Kabelträger und Kabelauslege-Maschine – Bauer’s zweite Lebensaufgabe – Frage.

Darüber ist in Deutschland Niemand mehr in Zweifel, daß unsere Erfinder der Unterstützung und ihre Erfindungen des Schutzes noch sehr ermangeln.

Trotzdem wir in drei Jahren das fünfzigjährige Jubiläum der Wirksamkeit des durchlauchtigsten deutschen Bundestags begehen können, trotz der langen Friedenszeit und der hohen Entwickelung der deutschen Industrie haben wir es noch heute nicht zu einem allgemeinen deutschen Patentgesetze gebracht. Erst in diesen Tagen wird in Frankfurt die Anregung dazu laut, bis man aber dort einen Erfolg erzielt hat, ist noch jeder deutsche Erfinder genöthigt, will er für seine Erfindung den Schutz in ganz Deutschland erwerben, so viele – und meist kostspielige – Patente zu lösen, als es deutsche Vaterländer giebt. – Da nun die wenigsten Erfinder zu den wohlhabenden Leuten gehören, ja, in jeder Beziehung des Wortes, das Bedürfniß die Mutter der meisten Erfindungen ist, so wird es nicht Wunder nehmen, daß unter allen großen Industrieländern verhaltnißmäßig in Deutschland die wenigsten Erfindungen öffentlich als patentirte angezeigt werden, trotzdem von keinem Volke mehr Tüchtiges erfunden worden ist, als von dem deutschen. In dem Verzeichniß der denkwürdigsten Erfindungen aller Zeiten und Nationen sind von den aufzuzählenden 337 Nummern nicht weniger als 160 – also fast die Hälfte – deutschen Ursprunges! Freilich hat von diesen nicht wenige das Ausland erst in’s Leben rufen und ausbeuten müssen.

Noch kläglicher sieht es mit den Mitteln zur Erprobung deutscher Erfindungen aus. Sie ruhen, wo sie überhaupt in einzelnen deutschen Ländern vorhanden sind, meist in der Hand der Gnade und deshalb für die Erfinder in der Hand des Glückes, dessen Eigenschaften bekannt sind. Es besteht weder ein vom dringenden Bedürfniß und vom Gefühl staatsbürgerlicher Ehrenverpflichtung zusammengerufener Verein deutscher Fachmänner für diesen Zweck, noch hat unsere oberste deutsche Behörde es in ihrem diplomatischen, noch unsere oberste Zollvereinsmacht in ihrem volkswirtschaftlichen Pflichtenkreis angezeigt gefunden, hier der Privatthätigkeit vorzugreifen. Das deutsche Capital ist mit der Industrie noch nicht lange genug verbunden, um schon an Wagnisse zu gehen; es sieht alle neuen Erfindungen so lange mißtrauisch an, als sie nicht auf fremde Kosten erprobt sind und ihre Vortheile im Voraus berechnen lassen. So ist der deutsche Erfinder meistens auf sich allein angewiesen, und die Schicksale vieler Familien, deren Häupter das Unglück hatten, unter solchen Verhältnissen „deutsche Erfinder“ zu sein, bezeugen das auf das Traurigste.

Daß Erfindungen ohne Erprobung ein todtes Stück Papier oder ein Modell für den Kinderspielkram bleiben, hat von den neueren deutschen Erfindern lange und bitter genug auch Wilhelm Bauer erfahren, und eben darum ist er es, der den Gedanken an eine Nationalstiftung für deutsche Erfinder schon vor mehreren Jahren faßte, den Plan derselben mir ausführlich mittheilte und auch die Mittel andeutete, die ihre Begründung und ihr Gedeihen sichern.

Da diese Stiftung hinsichtlich ihrer Mittel aber von dem Schicksal seiner eigenen Erfindungen abhängt, und da dieses Schicksal gegenwärtig in die Hand der deutschen Nation gelegt ist, so halte ich es für nothwendig, hier zuerst über die wichtigsten Bauer’schen Erfindungen zu sprechen, daran ein Wort über die bisherige Behandlung derselben anzuknüpfen und mit dieser, als aus ihr hervorgegangen, Bauer’s Idee einer Nationalstiftung für deutsche Erfinder zu verbinden.

Die Erfindung, welche Bauer’s Namen zuerst bekannt machte und aus welcher seine übrigen Erfindungen größten Theils hervorgingen, ist das unterseeische Schiff, oder vielmehr die unterseeische Schifffahrt überhaupt. Alle Versuche vor Bauer, und auch die gleichzeitigen, einen Apparat für den Aufenthalt, die Fortbewegung und die Thätigkeit von Menschen unter dem Wasser herzustellen, haben nicht dahin geführt, eine solche Vorrichtung unabhängig von oben und zu selbstständiger Bewegung fähig zu machen. Auch die ersten Schritte zur unterseeischen Schifffahrt hafteten noch an dem Gedanken einer „beweglichen und lenkbaren Taucherglocke“, und selbst Robert Fulton, Wilh. Bauer’s größter Vorgänger unterm Wasser, scheint mit seinem Taucherboot nicht ganz frei von der Verbindung mit oben gewesen zu sein; wenigstens sind an dem bekannten, nach seinem Plane gebauten Taucherschiff, mittelst dessen Napoleon von St. Helena entführt werden sollte, Luftröhren angebracht, wie Jedermann im Londoner Arsenal, wo es als Curiosum aufbewahrt wird, noch heute sehen kann. Fulton verließ, nach wahrhaft Bauer’schem Mißgeschick, die Submarine, um an das Dampfschiff seinen unsterblichen Namen zu knüpfen. – Die übrigen hyponautischen Versuche vor und nach dem Bauerschen müssen wir hier übergehen; sie finden ihre Stelle später bei einer besondern und illustrirten Darstellung des Taucherschiffs.

Wilhelm Bauer war, wie Robert Fulton, durch den Krieg auf die Submarine geleitet. Wie dieser erst im Dienste Frankreichs die Engländer, dann im Dienste dieser die Franzosen, so wollte Bauer erst im Dienste Deutschlands die Dänen, dann im Interesse Englands den ersten besten ihrer Feinde und schließlich im Dienste Rußlands die Engländer in die Luft sprengen, und dafür war ihm von Letzteren bereits die Aussicht gestellt, an einem ihrer höchsten Maste aufgehängt zu werden. – Bauer besaß von allen Vorarbeiten für seine Erfindung nur geringe Kenntniß, und das war vielleicht gut: er war dadurch frei von dem Festhalten an dem Gegebenen, auf das die Wissenschaft hinwies und das die Praxis erprobt hatte. Er begann ganz von vorn und ganz für sich, und wie einst Columbus, so griff auch er nach dem Ei, um seine Gegner zu überführen. Eine Schüssel Wasser und ein leeres Ei, das war das ganze Erforderniß, um zu beweisen, daß ein hohler Körper unterm Wasser je nach seiner Beschwerung in jeder Höhe selbstständig beharren und folglich auch selbstständig bewegt werden könne, und das Gesetz, welches sich im Wasser der Schüssel bewährte, galt ihm auch für den Ocean. Das Ei hatte die Seele der neuen Schifffahrt geliefert, und der Seehund, welcher vor Bauer’s Augen an Schleswigs Küste in die Ostsee sprang, gab dem ersten Schiffe die Gestalt. (Wir bitten, hierüber Gartenl. Nr. 41, Jahrg. 1861, S. 648 ff. nachzulesen und Jahrg. 1862, Nr. 21, S. 331 f. zu vergleichen.) Mit dem Grundsatz aber, daß sein Taucherschiff luftdicht verschlossen sein müsse, damit die im Raume abgeschlossene Luft dem Druck der Wassersäulenschwere nicht ausgesetzt werde und darum selbst in der größten Tiefe den menschlichen Athmungswerkzeugen für eine gewisse Zeit angemessen bleibe – mit diesem Grundsatze sagte Bauer sich von dem bis dahin herrschenden Principe der Tauchapparate los und betrat seine eigene Bahn.

Mit dem Brandtaucher begann also die unterseeische Schifffahrt, und Rußland bot unserm Bauer die Mittel, sie bis auf den damals möglichen Grad auszubilden. Die Schicksale Bauer’s in Rußland und die Ursachen seines Scheidens aus dem Lande seiner ersten Erfolge erfahren die Leser der Gartenlaube, wenn wir ihnen mit Bauer’s Bildniß seine Lebensbeschreibung mittheilen. Jetzt haben wir es nur mit den Erfindungen zu thun und gehen gleich zur zweiten über.

Eine unterseeische Corvette zu 24 Kanonen, die Bauer in Rußland construirte und im Auftrag des Großfürsten Constantin, seines von ihm stets mit herzlicher Ehrerbietung genannten damaligen Beschützers, im Modell zu 1/12 Mßstb. ausführte, ist eine geniale Verbindung der Triebkraft des Dampfes mit der Sicherheit des unterseeischen und der Zerstörungskraft des oberseeischen Kriegsschiffes. Diese Corvette ist berechnet für eine Besatzung von achtzig Mann, die in einem Luftraume von 28,800 Kubikfuß leben. Ganz dieselbe innere Einrichtung, äußere Form, Bewegkraft und Thätigkeit haben seine unterseeischen Kanonenboote. Diese sind bei einer Länge von 140 Fuß nur 12 Fuß hoch, dagegen 20 Fuß breit. Eine gewöhnliche Hochdruckdampfmaschine bringt sie, und zwar auf dem Wasser, mit der nöthigen Schnelligkeit in die Nähe der feindlichen Schiffe. Hier schließen sich plötzlich alle Oeffnungen, das Schiff sinkt unter das Niveau und wird durch Repulsionskraft stark comprimirter Luft weiter bis in die wirksamste Nähe des Feindes [567] gebracht, worauf es rasch mit dem wallfischartigen breiten Rücken über die Oberfläche sich emporschwingt und seine 64-Pfünder entladet. Die Luken schließen, das Schiff geht wieder in die Tiefe, ladet von Neuem und setzt so seine Angriffe fort, bis die Nothwendigkeit der Lufterneuerung es nöthigt, die sichere Entfernung unter dem Wasser zu gewinnen, wo es wieder auf dem Meere erscheint. Der Gewichtsverlust, den es durch das Verschießen seiner Munition erleidet, wird durch eine entsprechende Masse Wassers ausgeglichen, das in die Reservoirs zu den Pumpen tritt. Es ist keine Frage, daß ein solcher Gegner selbst einem Merrimac und Monitor unheimlich genug sein würde, um für den Küstenschutz Werth zu gewinnen.

Ebenfalls auf Veranlassung des Großfürsten Constantin construirte Bauer in sehr sinniger Weise einen Apparat, um den Schiffen (namentlich von der Newa und dem Petersburger Hafen aus) einen Weg in das Meer durch das Eis früher zu bahnen, als die Natur dies durch das Aufthauen desselben thut. Dieser Eisschneider oder Eiscanalbrecher, oder wie man ihn heißen will, besteht aus zwei auf einem eigens dazu erbauten Dampfboote wirkenden Kreissägen und einer Vorrichtung, durch welche die ausgesägten Eisstücke nicht nur abgebrochen, sondern zugleich zur Seite auf die Eisfläche hinausgeschoben werden. Die Maschine arbeitet sehr schnell und kann fähig gemacht werden, durch das dickste Eis und für die größten Schiffe in kurzer Zeit den nöthigen Canal herzustellen.

Das furchtbare Schicksal der mit der „Austria“ Untergegangenen lenkte Bauer’s Aufmerksamkeit auf die den Schiffen gewöhnlich mitgegebenen Boote, und er fand, daß selbst die sogenannten Lifeboats, Schwimmer und sonstigen Rettungsapparate nur wenig Vertrauen einflößten. Darum stellte er sich die Aufgabe, ein Rettungsboot zu bauen, welches „1) genügenden Raum für zwanzig Menschen biete, 2) Proviant für zwanzig Menschen auf zehn Tage erhalte, 3) wenn auch völlig mit Wasser gefüllt, dennoch weder untergehe noch kentere, 4) auf dem Deck des Schiffes nur für seine Höhe und Länge und 1 Fuß 6 Zoll Dicke Raum wegnehme, 5) beim plötzlichen Gebrauch ohne besondere Sorgfalt und nur nach vorangegangenem Aufschneiden der Bandage zum Behufe des Oeffnens über Bord geworfen werden könne, 6) sowohl leer als beladen unempfindlich gegen Stöße von Schiffen sei, 7) im Nothfall mittelst einer mit der Hand getriebenen Schraube fortbewegt werden könne und 8) Compaß und Steuer untrennbar besitze.“ Das Material dieses Bootes besteht aus einer Substanz, die vor der Hand noch Bauer’s Geheimniß ist; denn wie oft und günstig auch besprochen, blieb doch auch dieses Bauer’sche Werk bis jetzt unausgeführt. –

Auch der Zustand des deutschen Küstenschutzes mußte das Auge des Patrioten auf sich ziehen. Er führte ihn zu einer Erfindung, die abermals nicht aus der Luft, sondern aus eigener ernster Erfahrung im schleswig-holsteinschen Kriege gegriffen ist: zu seinen schwimmenden Revolver-Batterien. Ich habe schon bei der Schilderung des Kampfes zwischen dem Merrimac und Monitor (Nr. 18, S. 286) darauf hingewiesen, daß die deutsche Saumseligkeit oder vielmehr die vielen Vorurtheile, an welchen besonders in militärischen Dingen jeder Besserungsvorschlag, der nicht von stark Epaulettirten ausgeht, anstößt und in der Regel scheitert, es abermals verschuldet, daß eine deutsche Erfindung nicht zu der ihr gebührenden Ehre der ersten praktischen Ausführung und darum allgemeiner Anerkennung gekommen. Die rotirende Batterie, die den Sieg des Monitor entschied, war längst ausführlich in Plan und Beschreibung fertig und bereits der Prüfung deutscher Militärstaaten vorgelegt worden. Sie hatte alle möglichen Beurtheilungen gefunden, von begeisterter Würdigung, kaltem Anschauen über die Achsel bis zu grober Zurückweisung,[1] nur Anwendung fand sie in Deutschland nicht. Als aber der Ruhm des Monitor als einer englisch-schwedisch-amerikanischen Erfindung über den Ocean donnerte, da sandte man von gewisser deutscher Seite eine Commission nach Amerika, um eine Einrichtung zu studiren, die, neben der vollendeten Bauer’schen, die man kurz vorher fast mit Hohn zurückgewiesen, noch im Zustand der Kindheit ist! –

Ueber das Wesen dieser Batterien selbst hier nur wenige Worte. Bauer, der den Werth des Wassers ganz besonders zu schätzen weiß, hat es auch zum Träger seiner Batterien gewählt, daher sie schwimmende sind. Auf dem runden Schwimm- und Tragkörper von Holz erheben sich Krönung und Brustwehr von Erde mit leichter Blechbekleidung. Brustwehr und Traversen decken die Geschütze und Mannschaft vor Horizontal-, Front- und Defilirfeuer; hinter ihrem Kranze liegt, den Kern des Ganzen bildend, das bombenfeste Blockhaus mit einzelnen von einander abgeschlossenen Casematten. Die Munition ist in den Handmagazinen unter der Brustwehr gesichert und durch das Blockhaus vor Rückenfeuer geschützt. Auf dem Blockhaus ist eine Ringbatterie angebracht, welche die mit Kleingewehrfeuer das Terrain beherrschende Infanterie und die Raketengeschütze deckt. Die ganze Batterie wird in dem für sie ausgegrabenen Bassin mittelst Propeller oder Zahngestänge um eine feststehende und von einem starken Roste umgebene Achse bewegt, einem Schafte, auf welchem auf dem Deck des Blockhauses ein fester Standpunkt für den Commandirenden (den Richtmeister) und die Visirröhre bestimmt ist. Von hier aus kann sowohl die Umgegend, die etwaige Annäherung eines Feindes, als auch der Rundgang der Geschütze ruhig beobachtet werden. Das Eigenthümlichste und Interessanteste bei dieser Batterie ist aber das, daß nicht der Kanonier sein Geschütz zu richten und zu entzünden hat, sondern daß dieser wichtigste Theil des Dienstes einzig Sache des Richtmeisters ist. Die Zündung geschieht nämlich durch eine elektrische Batterie, deren Funken der Richtmeister zu dem Punkte hinleitet, wohin er das Feuer und so lange er dies für nöthig hält. Das Feuer kann gegen zwei und drei Objecte im Halbkreis zugleich gerichtet werden. Ueber die großen Vortheile dieser Batterie, das Genauere ihrer Einrichtung, die Stärke ihres Erdwerkes, die Befestigung des Schwimmkörpers in Flußmündungen, Lagunen und Meeren u. dergl. muß ein besonderer Artikel berichten, in welchem wir, unterstützt von einer Illustration, näher in die technischen Einzelheiten eingehen können.

Nur eine Bemerkung, die finanzielles Gewicht hat, können wir unsern Lesern nicht vorenthalten. Bauer thut mit überzeugender Klarheit dar, daß bei einer entsprechenden Vereinigung von seinen Batterien 500 Kanonen mehr leisten, als bei den Festungsbauten und Strandbatterien nach alter Art 2000 in allen Winkeln festgebannte Geschütze. Das ist ein Rechenexempel auch für Volksvertreter. Wer die Summen beachtet, welche ein großer Staat nur für die Waffe der Festungsartillerie verausgabt, und zu der Einsicht kommt, daß Tausende der kostspieligen Geschütze wie verwunschene Einsiedler auf ihrem Flecke stehen und warten müssen, bis sich vielleicht nach Jahrhunderten einmal ein Feind in ihren Schartenwinkel verirrt, der wird einer „Neuerung“ nicht abhold sein, die auch in diesem Punkte eine bedeutende Ersparniß oder wenigstens eine zweckmäßigere Verwendung der Staatsgelder möglich macht.

Zwei andere Erfindungen W. Bauer’s, das Schiffheben mittelst sog. unterseeischer Kameele und die Taucherkammer haben wir unsern Lesern (Nr. Nr. 4 u. Nr. 21 dieses Jahrg.) bereits in Wort und Bild vorgelegt.

Mit den drei nächsten Erfindungen, dem Kabelschneider und hauptsächlich dem Kabelträger und der Kabelauslege-Maschine, kommen wir zur großartigsten Anwendung von Bauer’s unterseeischen Apparaten, die ihren Triumph einst selbst um die Erde zu tragen bestimmt ist. – Da unsere nächste illustrirte Mittheilung über Bauer’s Erfindungen gerade sein „telegraphisches Kabel“ behandelt, so können wir uns hier auf wenige wesentliche Andeutungen über den Kabelschneider beschränken. Wenn nach der bisherigen Weise der Kabellegung, d. h. auf den Grund des Meeres, ein Kabel die Leitungsfähigkeit verlor und man den Fehler untersuchen wollte, so mußte man an einer Stelle das ganze Kabel an das Niveau emporheben oder vielmehr emporzerren, emporreißen, und man brach ihm, nach Bauer’s drastischer Ausdrucksweise, noch ehe es wieder an’s Licht kam, das Rückgrat. Um diesem Uebelstand abzuhelfen, construirte Bauer ein aus zwei Theilen zusammengesetztes Instrument, an deren jedem ein Tau befestigt ist. Dieses Instrument wird an den nöthigen Verbindungsmitteln auf den Meeresboden gelassen und vom Schiffe aus auf ihm hingezogen. [568] Sobald es das Kabel gefunden, macht es (durch einen elektrischen Draht) oben Mittheilung davon; das Kabel hängt dann in einer Scheere; durch einen Zug von oben öffnet sich ein Cylinder, das mit mächtigem Druck hineinstürzende Wasser übt die Kraft aus, welche zum Zerschneiden des Kabels nothwendig ist, und die beiden Hälften können nun, jedes von seinem Theile des Instruments festgehalten, ohne weitere Beschädigung des Kabels vorsichtig an das Niveau gezogen werden.

Zum Schluß dieser Uebersicht seiner Erfindungen können wir nur noch andeuten, daß Bauer auch an eine andere, vor ihm noch ungelöste Aufgabe ging: er glaubt, auch für die Luftschifffahrt das bis jetzt unerreichte beliebige Sinken und Steigen, Verharren und Incliniren des Fahrzeugs gewonnen und dazu auch die rechte Fortbewegungskraft gefunden zu haben. (Man vergleiche hierüber Ludwig Hauffs bereits erwähnte Schrift über „Die unterseeische Schifffahrt, erfunden und ausgeführt von W. Bauer,“ Bamberg, bei Büchner, 1859.) Bauer selbst hat diese Erfindung oft seine zweite Lebensaufgabe genannt. Hoffen und wünschen wir, daß sein Plan gelinge, daß er einst siegreich in den Lüften herrsche, wenn sein Sohn, Wilhelm Bauer der Zweite, die Tiefen der Meere durchfurcht.

Nach dieser Ueberschau einer Reihe durchweg genialer und großartiger Erfindungen, welche wenigstens darthun wird, daß Wilhelm Bauer für jedes Land, das Männer besitzt, welche Großes zu würdigen wissen und vor dem Kühnen nicht zurückschrecken, wirklich ein sehr achtbarer Gewinn ist, stehen wir vor der Frage: was ist bis jetzt für die Ausführung und Ausbreitung seiner Erfindungen geschehen? Was hat insbesondere Deutschland für sie gethan?

Die Beantwortung dieser Fragen in Nr. 39.

[621] Was ist bis jetzt für die Ausführung und Ausbreitung von W. Bauer’s Erfindungen geschehen? Was hat insbesondere Deutschland für sie gethan?

Um vor allen Dingen Bauer vor dem Vorwurf zu schützen, der gegen ihn nur der ungerechteste sein könnte, nämlich dem des Mangels an Patriotismus, weil er seine Erfindungen dem Auslande angeboten und theilweise mitgetheilt habe, sei hier voraus bemerkt, daß Bauer keine seiner Erfindungen dem Auslande angeboten haben würde, wenn in Deutschland sich eine Hand für sie geregt hätte. Nachdem sein Taucherschiff weder in Oesterreich, nach der glänzendsten Anerkennung selbst von Seiten des Kaisers, noch in Preußen, nach gar keiner Beachtung, zur Ausführung kommen und ein dritter Staat mit nur einiger Seemacht in Deutschland nicht gefunden werden konnte – was sollte da Bauer beginnen? Sollte er aus Patriotismus sich unter die Weiden an der Isar setzen und weinen, bis ein großer deutscher Morgen auch für ihn anbreche? Als Mann der That mußte er für seine Erfindungen einen andern Boden suchen, wenn der vaterländische sie zurückstieß. Das haben vor ihm schon viele deutsche Erfinder thun müssen; wir erinnern hier nur an König und Bauer, deren Erfindung der Schnellpresse trotz ihrer englischen Wiege zu den schönsten deutschen Ehren gezählt wird; und das that denn auch Bauer, und zwar ohne irgend einmal im Auslande zu vergessen und vergessen zu lassen, weß Landes Kind er sei. Nach England wurde Bauer von einem deutschen Ehrenmanne an keinen Geringern als den unvergeßlichen Prinzen Albert empfohlen, der die Wichtigkeit der Erfindung sofort erkannte und sich eifrig für deren Ausführung bemühte, und es ist allein die Schuld fremder Selbstsucht, daß nach dritthalbjähriger Arbeit das Gelingen des Unternehmens für Bauer scheiterte. Dagegen spricht es nur für den Werth seiner Erfindung, daß die englischen Herren, denen 10,000 Pfd. St. zur Ausführung desselben anvertraut waren, nach Bauer’s Zeichnungen den Bau des Schiffes auf eigene Faust versuchten. Sie behielten die Erfindung und entließen den Erfinder. Das Werk ihrer Heimtücke aber ging zu Grunde.

Nach dieser Erfahrung stand es Bauer wieder frei, seine Erfindung weiter zu tragen, denn es ist nichts davon bekannt geworden, daß irgendwo ein deutscher Patriotismus sich für ihn bemüht und ihn in’s Vaterland zurückgerufen habe. So ging er denn nach Rußland. Erst dort wurden zum ersten Male ihm selbst die vollständigen Mittel geboten, die deutsche Erfindung in ihrer vollen Lebensfähigkeit zu zeigen, denn 134 unterseeische Fahrten sollten wohl als genügendes Zeugniß für dieselbe passiren. Bauer trat als kaiserl. Submarine-Ingenieur in den russischen Dienst und erhielt neue ehrenvolle Aufträge. Tausend Andere hätten jetzt an seiner Stelle nur die „gute Carriere“ im Auge gehabt; Bauer hatte die Ehre des deutschen Mannes im Auge, und als er diese gefährdet sah, forderte er seinen Abschied und kehrte (1858) in seine Heimath zurück. Dort lebte er abwechselnd in München und Lindau, rastlos an der Ausbildung seiner Erfindungen arbeitend, außerdem reichlich mit den Süßigkeiten bedacht, die „der Prophet im Vaterlande“ zu erwarten hat.

In dieser Zeit lernte ich ihn und sein Schaffen aus Hauff’s Broschüre kennen, und auf’s Tiefste ergriffen von dem Schicksal und den Leistungen dieses „deutschen Erfinders“ trat ich mit ihm in directe Verbindung. Man muß mir diese Bemerkung nicht unbillig auslegen; das Nachfolgende wird sie entschuldigen. Bauer war von der periodischen Presse bis dahin sehr verschiedenartig behandelt worden. Viele der großen deutschen Blätter sahen auf die Sache hoch hinab, behandelten sie als Chimäre, berichteten auch wohl über ähnliche Erfindungen des Auslandes, ohne die deutsche nur zu erwähnen, ja sogar ohne Berichtigungen ihrer einseitigen Correspondenzen aufzunehmen; diejenigen, welche den Gegenstand mit Verständniß und mit Wärme behandelten, konnten gleichwohl für denselben kaum mehr als das gewöhnliche Leser-Interesse erwecken, welchem werkthätige Erfolge fremd sind. Hauff’s vortreffliche Schrift aber war von der Verlagshandlung höchst unpassend mit verklebtem Inhalt, wie ein Geheimmittel, in die Welt geschickt und mit einer abscheulichen Lithographie verunziert worden. Ich sah, daß der Erfindung Presse und Illustration in würdigerer Gestalt zu Hülfe kommen müsse, und dazu hatte ich das Mittel an der Hand in dem von mir damals redigirten Payne’schen Panorama des Wissens und der Gewerbe. Durch die für dieses Werk ausgeführten Stahlstiche zu meinen Artikeln über Bauer’s Erfindungen, namentlich des Taucherschiffs und der schwimmenden Revolver-Batterien, wurden diese zuerst weiteren Kreisen vor Augen gebracht, und darauf gestützt, unternahm nun Bauer eine abermalige Tour mit seiner skizzenreichen Mappe. Die allgemeine Sorge, die damals sich der Schutzlosigkeit unserer Nordküsten zuwandte, ließ uns hoffen, daß jetzt den beiden eben genannten Erfindungen vielleicht in Preußen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werde. Wir hatten uns nicht ganz getäuscht; einer der königlichen Prinzen ertheilte beiden seinen entschiedenen Beifall, aber der Zopf zwischen ein Paar alten Epauletten steifte sich nur um so fester gegen ihn, und so ging Bauer abermals nach England. Dort nahm er ein Patent auf seine Schiffhebung, seine Taucherkammer und sein telegraphisches Kabel, und eben erlebte er dort wegen des letztern des Niederdrückenden die Fülle, als ich ihm eine Berufung nach Oesterreich vermittelte. Aber auch die dort aufgegangene Hoffnung erwies sich schließlich als nichtig, und an bittern Erfahrungen wie an ehrenden Zeugnissen reicher und abermals an Vermögen ärmer, kehrte Bauer im Frühjahre 1861 nach München zurück. Hier nahmen wohl die Akademie der Wissenschaften und die Kammer der Abgeordneten sich des vielgeprüften Mannes an, aber ohne Erfolg, und als endlich, durch fremde Schuld, auch die dreimalige Hebung des Dampfers „Ludwig“ auf dem Bodensee nicht zum verheißenen Ziele geführt hatte, entzog man ihm auch noch die von ihm gestellten 1000 Gulden Caution – das war seine Anerkennung in Deutschland, in der Heimath des großen Patriotismus! Damit schien allerdings für Bauer in [622] Deutschland die letzte Hoffnung für sein Wirken zu Grabe getragen. Er knüpfte bereits mit Nordamerika Verbindungen an, entschlossen, das Vaterland, das ihn verließ, für immer aufzugeben, als die jüngste Wendung zu Gunsten des Erfinders dadurch eintrat, daß die Gartenlaube für ihn zu wirken begann.

Kein anderes Blatt Deutschlands hätte es so, wie die Gartenlaube, vermocht, eine halb verlorene, halb vergessene Angelegenheit in kurzer Zeit, durch zwei von ihr veröffentlichte Aufsätze, zu einer Nationalsache zu erheben, ohne Frage das glänzendste Zeugniß des außerordentlichen Vertrauens, welches dieses Blatt bei seinem großen Leserkreise sich erworben und von dem es weder durch die maßlosen Schmähungen, mit welchen seine Gegner und Neider es bei einer allbekannten Gelegenheit der letzten Zeit überschütteten, noch durch die in schamlosester Weise gegen dasselbe aufgehäuften Lügen, wie die Folgen zeigen, das Geringste verloren hat. Der heilsame Einfluß der Gartenlaube ist in der Bauer’schen Angelegenheit in fast großartiger Weise hervorgetreten, und man darf mir wohl die Freude darüber gönnen, daß ich dazu die Veranlassung gab. Als im Herbst 1861 Ernst Keil mich in nähere Beziehung zu seinem Weltblatte brachte, konnte mir kein Gedanke näher liegen, als der, daß Bauer und sein Werk jetzt für Deutschland erhalten sei. Und so war es. Ernst Keil erfaßte nicht nur den Gegenstand selbst in seiner ganzen Bedeutung, sondern sein erfahrener Rath gab dem neuen öffentlichen Auftreten desselben auch sogleich eine Richtung, die ihn aus dem Bereich des bloßen Unterhaltungs-Interesses auf das praktische Feld brachte. Scheu nach meinem ersten Artikel („Ein deutscher Erfinder“) regte sich ein anderes Leben für die Sache: „ein armer Bergmann zu Halle an der Saale“ eröffnete mit 15 Silbergroschen die Sammlungen für Bauer, „ein Landmann aus dem Oderbruch“ folgte mit 20 Thalern nach, und ein Frankfurter Arbeiterverein war der Dritte im Bunde. So war, nach E. Keil’s Plan, die Theilnahme für den Mann geweckt, und es konnte nun mit besserer Aussicht auf Erfolg für die Sache gewirkt werden. Dazu eignete sich von Bauer’s sämmtlichen Erfindungen am besten seine Schiffhebung mittelst der „unterseeischen Kameele“, und darum schloß ich diesen Artikel gleich mit der Aufforderung zu Beisteuern für diese Erfindung. Der gute Erfolg derselben führte zur Gründung des „Central-Comité’s für W. Bauer’s deutsches Taucherwerk“, in Leipzig. Um dem Unternehmen die weiteste Theilnahme zu gewinnen, schickten wir die besondere Aufforderung des Comité’s (begleitet von einem Separatabdruck meines Artikels über „die unterseeischen Kameele“ und einer „Ansprache W. Bauer’s an seine deutschen Landsleute“) an ein halbes Tausend Redactionen deutscher Zeitungen in und außerhalb Deutschlands und an etwa hundert Gewerbe-, polytechnische und dergl. industrielle Vereine. Während so von allen Seiten die öffentlichen Stimmen auf die Stimmung der Deutschen für Bauer einwirkten, begann Bauer selbst eine Rundreise durch Deutschland, auf welcher er in Nürnberg, Erlangen, Frankfurt a. M., Offenbach, Leipzig, Stettin, Hamburg, Bremen und Berlin durch Vorträge und Experimente möglichste Einsicht in seine Erfindungen zu verbreiten suchte.

Wer den Erfolg dieser Bemühungen im Einzelnen betrachtet, kann weder Hrn. Bauer noch dem Central-Comité es verargen, daß sie nicht, durch eine sofortige Gründung einer Aktiengesellschaft für das Unternehmen, den freudigen Sammeleifer im Volke stören lassen wollten. Es ist wahrhaft ergreifend, in welch herzlicher Weise die Einzelnen wie die Gesellschaften gerade der eigentlichen sogen. Volkskreise ihre Beisteuern erst zusammen und dann an uns brachten, daß es ferner ein großer Theil der gebildeten Jugend ist, die ihr Vaterlandsgefühl durch Gaben bethätigen will, und daß überhaupt aus allen Zuschriften warmes deutsches Leben spricht. Hätten wir doch nur Raum genug in der Gartenlaube, um ein wenig in’s Einzelne eingehen, um Namen nennen zu können, von Personen, von Vereinen, von Ortschaften, die uns mit ganz besonderer Freude erfüllten! Aber es thut’s nicht, wir müssen dies bis zum Schluß der Sammlungen für den Generalbericht aufsparen und einstweilen auf unsere (bis jetzt 20) Quittungen in der Gartenlaube zurückweisen. Hier nur als Notiz, daß Beisteuern außer von Einzelnen eingegangen sind: von 36 Gewerbe-, polytechnischen oder Handwerker-Vereinen, von 7 National-Vereinen, von 16 höheren Bildungsanstalten (Universität Breslau, Kunst-, Handels-, Ackerbauschulen, Realschulen und 9 Gymnasien), von 2 Ingenieur-Vereinen (Wien und Großh. Baden), wozu nun noch die Studirenden des königl. Gewerbe-Instituts zu Berlin kommen; ferner von mehrern Vorschuß-, Bürger-, ökonomischen und Lese-Vereinen, von 3 gewerblichen Fortbildungsvereinen, von Stenographen-, Humboldt- und Schillervereinen und vom Kieler Ruderclub; ferner von 6 Singvereinen (zuletzt und mit großem Erfolg von Fürth), von einem Liebhabertheater (dem dramat. Verein zu Meerane), von 12 Arbeitergruppen (Bäcker in St. Petersburg, Tuchmacher in Lengenfeld, Lohgerber in Rudolstadt, Wasserbauer in Heppens, Thiergartenpersonal in Moritzburg, Süßwasserinatrosen u. s. w.), von 9 Zeitungsredactionen (Vegesacker Wochenschr., Volkszeitung in Berlin, Peiner, Kösliner, Allgauer Zeitung, Zwickauer Wochenblatt, Görlitzer Tageblatt, Voigtl. Anzeiger und Blätter von der Saale), und von den Comité’s in Offenbach, Stettin (630 Thlr.!), Manchester, Constantinopel und Odessa. Das Comité von Bremen hat sich, seiner öffentlichen Aufforderung getreu, vorbehalten, durch seine Sammlung (die Anfang September die Summe von 1700 Thlr. erreicht hatte) dem Werke „den Schlußstein einzusetzen“, und das Comité von Nürnberg verkehrt direct mit Hrn. Bauer, weil es „nicht in’s Schlepptau genommen zu werden brauche“. Ueberall, wohin die Gartenlaube kommt, hat sie die Deutschen für das vaterländische Unternehmen gewonnen, aus Moskau und Algier, Philadelphia und Petersburg, Ofen und Avignon, Werschetz, Riga und Kiew, Manchester und Bath, Constantinopel, Odessa und Narwa sind bereits Gaben da. Die Sammlungen für W. Bauer’s Taucherwerk sind eine Nationalfreude geworden, der man bei jeder Lustbarkeit, die das Herz ungewöhnlich erhebt, gern ein Opfer bringt, und so kommen selbst von Kindtaufen und Hochzeiten die Beisteuern, Kinder schicken ihre kleinen Reichthümer aus der Sparbüchse, und „deutsche Knaben“ gehen (wie in Lübeck) den Aeltern mit gutem Beispiel voran. –

Und das ist nothwendig, denn im Ganzen betrachtet ist, trotz aller nationalfreudigen Gebewilligkeit, der Erfolg der Sammlungen für den Zweck noch lange nicht genügend. Wenn wir 22½ Thaler und 25 Fl. rhn., welche für Hrn. Bauer direct eingingen, von unserer ausschließlich für das deutsche Taucherwerk bestimmten Sammlung abrechnen, so beträgt die Gesammtsumme unserer 20 Quittungen, die rhein. und österr. Gulden mit in Thaler umgewandelt, 3209 Thlr. 22½ Ngr. Zählen wir hierzu die vom Nürnberger Comité an Hrn. Bauer direct abgegebenen ungefähr 640 Thlr., so steigt die ganze bis jetzt für das Unternehmen verwendbar gewesene Summe auf ca. 3850 Thaler, – also noch nicht ganz den dritten Theil der nothwendigen 12,000 Thaler; und selbst wenn wir die 1700 von Bremen und 80 noch von Berlin angekündigte Thaler hinzurechnen, so erreichen wir zwar 5630 Thaler, aber damit noch immer nicht die Hälfte der Bedarfsumme.

Wir achten unsere deutschen Landsleute viel zu hoch, als daß wir einen Augenblick befürchtet hätten, sie würden mit einem so schön begonnenen Werke auf dem halben Wege stehen bleiben; wir sind überzeugt, daß es nur dieser offenen Darlegung bedurfte, um dem Sammeleifer eine neue Ausbreitung zu geben. In diesem Vertrauen auf die Nation hat Wilhelm Bauer ein Wagniß begangen, das wir hier ebenfalls offenherzig darlegen. Als der Sommer dieses Jahres herankam, konnten wir kaum erst über 2000 Thaler verfügen. Bauer befürchtete, daß ihm für die Ausführung der Erfindung ein ganzes Jahr verloren gehe, und dieser Zeitverlust erschien ihm mit Recht um so gefährlicher, je bekannter durch seine vielen Vorträge die Erfindung bis in’s Detail geworden war. Da ihm aber vor Allem daran liegen mußte, noch in diesem Jahre wenigstens den „Ludwig“ zu heben, denn mit diesem hat Bauer (wie er sich ausspricht) im Bodensee ein Recht und ein Stück Ehre liegen, so befand er sich in recht peinlicher Bedrängniß. Da erbot sich ein in ganz Deutschland hochgeachteter Ehrenmann, Bauer einen Credit von 6000 Thlr. zu eröffnen, allerdings aber mit der Erwartung, daß derselbe mit seiner Mannesehre für die Deckung der Schuld einstehe; die Mittel zu dieser Deckung konnten aber keine anderen sein, als die aus der Unterstützung der Nation fließenden. Nur mit Vertrauen auf die feste Dauer der Gabensammlungen bis zur Erreichung der Bedarfsumme von 12,000 Thaler belastet sich also Bauer mit der Schuld von 6000 Thaler. Hierzu gab Nürnberg seine 640 Thlr., und das Central-Comité vervollständigte die Summe bis zu den 8000 Thlr., mit welchen Herr Bauer einstweilen die Herstellung seiner nothwendigsten Apparate bewirkte. Von dieser Schuld Herrn Bauer vor allen Dingen und sobald als möglich zu befreien, das hält das Central-Comité für seine innigste [623] Pflicht und das ist seine nächste Sorge. Ist dadurch für diese Erfindung die Ehre der ersten Ausführung gesichert, so wird nun jeder Patriot gern beitragen, daß die eingegangene Schuld möglichst bald von Bauer’s ohnedies schwer genug gedrückten Schultern genommen und damit endlich auch diese Summe für seinen Lieblingsplan, einer Nationalstiftung für deutsche Erfinder, frei werde.

Die 12,000 Thlr. nämlich, welche zur Erprobung der Erfindung im Großen, wie sich nunmehr berechnen läßt, bis zum letzten Groschen nothwendig sind, werden von Hrn. Bauer nicht als ein Geschenk, sondern als ein Darlehen der Nation betrachtet, das er derselben in folgender Weise zurückerstatten will: „Wenn es dem Central-Comité gelingt, durch freiwillige Beiträge so viel Mittel zu beschaffen, daß Bauer irgend ein gesunkenes Schiff von einiger Größe (hier den „Ludwig“) mittelst seiner Apparate zu heben vermag, so wird, nach dieser praktischen Bewährung, die Vervielfältigung der Hebekameele sowie die Ausführung seiner Taucherkammer für Friedenszwecke durch amortisirbare Actien bewerkstelligt. Die von der deutschen Nation beigesteuerte Summe tritt als Nationalactie in das Recht der Unkündbarkeit, und die darauf fälligen Gewinntheile werden einem zu bildenden Comité zur Erprobung und Unterstützung anderer deutscher Erfindungen übermittelt. Sobald das amortisirbare Actiencapital zurückbezahlt ist, zerfällt der fernere Gewinn in zwei Hälften, von denen die eine Bauer und seine Erben, die andere das Comité der Stiftung erhält.“ Das sind die einfachen Grundzüge von Bauer’s Plan. Man hat in demselben zu viel Philanthropie gefunden: er ist der wahrhafte Ausdruck von Bauer’s Patriotismus, und nachdem er selbst durch eine harte Leidensschule als deutscher Erfinder gegangen, glaubt er seinem Vaterlande einen guten Dienst zu leisten, wenn er die wirklichen Erfindertalente vor der Nothwendigkeit, im Ausland Hülfe suchen und schließlich sich dem Auslande verkaufen zu müssen, nach Möglichkeit bewahrt und somit Deutschland seine besten technischen Kräfte für die Zukunft zu erhalten sucht. Ueber die Pflichten, die Bauer dem Stiftungs-Comité auferlegt, sprechen wir, wenn uns der Generalbericht am Schluß der Sammlung die erfreuliche Veranlassung dazu giebt.

Mögen nun unsere Landsleute durch rasches Aufbringen der an der Gesammt-Bedarfsumme von 12,000 Thlr. jetzt noch fehlenden 6370 Thlr. zunächst die Mittel zur Erprobung der Erfindung im Großen vervollständigen! Sie thun es mit dem Bewußtsein, nicht blos dieser einen, sondern durch dieselbe noch mancher andern wichtigen Erfindung aufgeholfen zu haben. Insbesondere wenden wir uns an die vielen Vereine, Gesellschaften, festlichen Versammlungen und Anstalten aller Art, von denen so manche schon mit gutem Beispiele voranleuchten, ihre Theilnahme auch diesem deutschen Werke zuzuwenden. Die fehlende Summe ist für eine Nation, wie die deutsche, ja so gar bescheiden. Wahren wir uns vor dem Spott des Auslandes! Wissen wir auch, daß die Mehrzahl der Deutschen nicht reich genug zu großen Gaben ist, so glauben wir doch nicht, daß die Mehrzahl der Reichen nicht deutsch genug dazu sei.

An den deutschen Nationalverein, der in den nächsten Tagen abermals in einer General-Versammlung Beschlüsse faßt, richten wir die besondere Bitte, sich auch seines Theils dieser deutschen Sache endlich anzunehmen. Wir bitten nicht um einen Zuschuß zu den 12,000 Thlrn.; diese wird die Nation, vielleicht sogar mit Beihülfe deutscher Regierungen, aufbringen. Es wäre dieses großen Vereins würdig, eine der wichtigsten Erfindungen der Gegenwart, die der ersten deutschen Taucherkammer, zur Ausführung zu bringen: ein Doppelwerk, von großartiger Wirksamkeit im Frieden, und, wenn das Unglück eines Krieges unsere wehrlosen Küstenstädte mit seinen Feuerschlünden bedrohen sollte, der einzige Mahner, der jedem Feinde in’s Meer hinaus zurufen könnte: „Wahre dich vor diesen Wassern! Hier sind Fußangeln und Selbstschüsse gelegt!“
Dr. Friedr. Hofmann.



  1. Jede Erfindung hat ihre Geschichte, aber wenige werden von dem besondern Interesse sein, welche fast jede der Bauer’schen Erfindungen auszeichnet – durch die Persönlichkeiten, welche im Schicksale derselben eine Rolle spielen. Diese Geschichte wird noch geschrieben, und ich glaube das reichste Material dazu zu besitzen. Es steht darin mancher große Herr in nicht besonderem Glanze. Aber gerade das Verhalten der höheren Kreise in dieser Angelegenheit muß mit aller Strenge der Wahrheit hingestellt werden, nicht etwa in irgend welcher unbilligen Absicht, sondern damit man dort vielleicht einsehen lerne, daß jeder Zusammenhang mit einer öffentlichen That Jedermann dem öffentlichen Urtheil unterwerfe, und damit eine solche Lehre künftigen deutschen Erfindern vielleicht zu Gute komme.