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Autor: Friedrich Hofmann
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Titel: Die unterseeischen Kameele
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 4, S. 57–62
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1862
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[57]

Die unterseeischen Kameele.

(Mit Abbildungen.)

Von Wilhelm Bauer, dem Submarine-Ingenieur, dessen unterseeischem Schicksale im Kieler Hafen wir in Nr. 41 des vorigen Jahrgangs der Gartenlaube den Artikel „Ein deutscher Erfinder“ gewidmet haben, legen wir heute unseren Lesern eine seiner wichtigsten Erfindungen selbst vor. Es ist das von ihm erdachte, ausgebildete und erprobte System zur Hebung der in Meeren, Seen und großen Strömen untergegangenen rettungswerthen Schiffe und Güter, und zwar nicht durch die Anwendung mechanischer Mittel vom Niveau des Wassers aus, sondern durch weise Benutzung der Kräfte der Natur.

[58] Ehe wir jedoch auf eine Beschreibung der Operation selbst eingehen, wird es für unsere Leser von Interesse sein, Einiges über den Werth und das Bedürfniß dieser Hebemanier im Vergleich zu den sonst üblichen Hebeweisen zu erfahren und zugleich die wesentlichsten Schwierigkeiten kennen zu lernen, welche bis heute auf diesem Arbeitsfelde zu überwinden waren. Daß es der Mühe lohnt, diesen Zweig der Industrie einer möglichsten Ausbildung zuzuführen, darüber belehren uns die jährlichen Berichte über die Hunderte von Schiffbrüchen, die Tausende von verlorenen Menschenleben und die Millionen von Werthverlusten.[1] Nur ein Blick auf jene Zahlen, und Jedermann muß das Bestreben, von dem Rettbaren möglichst viel wiederzugewinnen, im höchsten Grade gerechtfertigt finden.

In dem Wort „dem Rettbaren“ ruht der Schwerpunkt der Aufgabe. Wir können hier nicht die Tausende von Arten der Verunglückung anführen, wie die Fahrzeuge vom größten Linienschiff bis zu den Nußschalen des Küstenverkehrs von Wellen verschlungen, an Klippen zerschellt, in Nacht und Nebel auf einander geschleudert, von Feuer verzehrt werden etc. Genug, wir wissen: die gesunkenen Schiffe sollen gehoben werden, wir nehmen an, wir kennen die Lagestelle und Tiefe des Schiffes in der See, wir halten darnach und nach dem erforschten Zustande desselben es für „rettbar“, und die Hebung und Bergung soll nun beginnen.

Mancher Leser mag sich denken: „Nun, da geht der Taucher in die Tiefe, befestiget Taue oder Ketten nacheinander an dem Schiff in der Tiefe, und wenn deren genug daran sind, zieht man oben an, bis es oben ankömmt, pumpt es dann aus und fährt nach Hause.“ So geschwind und leicht geht es leider nicht. Man beachte nur die folgenden hauptsächlichsten Schwierigkeiten für die Hebungs-Arbeiten.

Erstens. Das Fahrzeug, welches die Arbeiter und ihre Hülfs-Instrumente an die Lagestelle des versunkenen Schiffes bringt, muß die Kämpfe mit den Stürmen vielleicht ganz nahe an den verhängnißvollen Klippen bestehen, und die nach der bis jetzt üblichen Hebemanier nöthigen Hebeschiffe, welche vertical über dem gesunkenen Schiffe vor Anker gelegt sind, um die Verbandtaue und Ketten zu handhaben, dürfen von Stürmen nicht überrascht werden, wenn nicht alle Verbände gleich beim Beginn heftiger Seebewegung gekappt oder gelöst werden sollen. Erschwert doch schon das regelmäßige Steigen und Fallen der See bei Ebbe und Fluth die Arbeit sehr, weil alle Verbände mit der Zu- oder Abnahme des Wasserstandes angezogen oder nachgelassen werden müssen, um Verwickelungen und Verschlingungen in dem Tau- und Kettenwerke zu vermeiden.

Zweitens. Der Taucher in seinem wasserdichten Anzug und unter einem Helm, der bis auf die Schultern herabreicht, durch dessen Verbindung mit dem überseeischen Schiff und der Luftpumpe er in die Tiefe gelassen wird, wo er durch einen Schlauch die ihm nöthige Luft zugepumpt erhält; ein solcher Taucher ist an sich ein sehr beeinträchtigter kleiner Motor gegenüber einem so massenhaften Körper wie ein Schiff, und ebenso verschwindet seine einzelne Menschenkraft gegenüber dem Gewicht und der Steifigkeit der oft drei- und vierfachen Flaschenzüge, die mit Ketten oder Tauen durchzogen sind; und wenn auch der Taucher einen geeigneten Angriffspunkt für den jeweiligen Verband gefunden hat, so kann er doch erst nach unsäglichen Mühen die Befestigung bewerkstelligen. Der Zeitverlust ist oft so groß, daß er Tage und Wochen der ruhigen See überdauert, bis plötzlich ein einziger Windstoß alle Mühe und Hoffnung vereitelt.

Drittens. Obige Mißstände erkennend, begann man, die Schiffe mittelst Taucherarbeit auf dem Grunde der See möglichst dicht abzuschließen, durch eingesetzte mächtige Centrifugalpumpen das Wasser herauszupumpen und dann Luft von oben durch Schläuche in den Schiffsraum eintreten zu lassen. Diese Hebemanier bewährte sich in Häfen und Flüssen und überhaupt nur bei geringen Tiefen; dagegen drückt bei bedeutenden Tiefen die auf das flache Verdeck wirkende Wassersäule die Tragbalken durch und macht somit auch diese Hebeweise unmöglich. Auch mittelst eiserner Hebekasten, welche an das Schiff befestigt und dann ausgepumpt wurden, versuchte man Schiffe zu heben, und die „hydrostatische Gesellschaft“ in St. Petersburg opferte viel Geld, ehe sie sich überzeugte, daß die See diese eisernen Hebekasten schon vor deren Befestigung gegenseitig zerschelle und daß die Pumpen ein reines Vacuum nicht ermöglichen.

Bis hieher erwähnten wir nur die Schwierigkeiten in dem Wasserbereiche, in welchem Taucher verwendbar sind, d. h. bis etwa 100 Fuß äußerster Tiefe. Was tiefer liegt, war bis jetzt in der See als unrettbar erklärt und aufgegeben, und Tausende von gesunkenen Schiffen mußten selbst in geringeren Tiefen wegen der Mangelhaftigkeit der Operationen in Stücke zerrissen werden, um nur das Material und die Ladung zu retten. Aber es ist bekannt, daß im englischen Canal, in der Ost- und Nordsee, sowie im adriatischen Meer Linienschiffe und Fregatten, sowie eine bedeutende Anzahl von großen Handelsschiffen in Tiefen von 100–300 Fuß liegen und viele Millionen Werth bergen. Auch diese sollen nun gehoben werden.

Bei der seit Jahrhunderten vergeblich angestrebten Lösung der Aufgabe: „Schiffe ohne Zertrümmerung und ohne Erledigung ihrer Fracht aus allen Tiefen bis zu 500 Fuß und mehr zu heben“ – begegnen wir wieder dem deutschen Forschergeist, der, über die vorhandenen Mittel hinweggehend, erkennt, daß submarine Körper auch submarin behandelt werden müssen, d. h. unabhängig von Wind und Wellen, von Ebbe und Fluth und von irgend welcher Verbindung mit überseeischen Schiffen als Lastträgern. So kühn die Aufgabe auch scheint – sie ist gelöst durch Wilhelm Bauer, durch seine „unterseeischen Kameele“ und seine „Taucherkammer“.

Die von dem Erfinder uns zur Weiterverbreitung mitgetheilte, seinem englischen Patente auf diese Erfindung entnommene Illustration (Nr. 1) zeigt uns die Hauptmomente der Anwendung seines Apparats zur unterseeischen Lasthebung. Sie veranschaulicht ein gesunkenes Dampfschiff, welches vom Grunde der See gehoben werden soll. Dies geschieht mittelst großer Ballons von starkem Wasser- und luftdichtem Stoffe, welche an das Schiff befestigt und dann von dem auf der Oberfläche schwimmenden Boote aus mit Luft gefüllt werden. Diese Ballons nennt Bauer seine „unterseeischen Kameele“.

Als Glanzpunkt der Lösung erscheint in Bauer’s Patent seine Taucherkammer. Durch dieselbe wird es möglich, daß vier Mann in derselben ohne Rücksicht auf Tiefe bis 500 Fuß, völlig unabhängig vor- und rückwärts, auf- und abwärts, so wie seitwärts fahren und daher den Gegenstand in der Tiefe genau ausmitteln können, denn das Sonnenlicht oder die Tageshelle wird im Wasser ebenso fortgepflanzt, wie in der Luft, daher nur Flüsse und Brandungswasser eine Trübe zeigen, wie Staubmassen in der Luft. Diese Taucherkammer erhält die Bewohner nicht allein in einfach atmosphärischer Luft für mehrere Stunden, sondern sie bietet ihnen auch eine technische Ausrüstung, mittelst welcher z. B. Bolzen in die Schiffswände eingetrieben, Haken, Querarme, Schließen u. s. w. an den gewählten oder erzeugten Angriffspunkten angebracht und daran die Hebekameele befestigt werden, und dies Alles, ohne daß eine Hand von innen nach außen in die See greift. Wir sehen in der Zeichnung die Taucherkammer rechts am gesunkenen Schiffe einen Querarm zum Schiff herunter bringen und seine leichtläufige telegraphische Communication mit dem Schiff auf dem Niveau.

In Berücksichtigung, daß die Gartenlaube kein polytechnisches Journal ist, müssen wir von den technischen inneren Einrichtungen der Taucherkammer hier absehen. In der ganzen Taucherkammer aber finden wir die glückliche Ausbeute der mannigfachen Erfahrungen, welche Bauer mit seinem in Kiel zuerst versuchten und in Rußland praktisch erprobten Brandtaucher machte; wir finden dasselbe Princip in allen Bewegungen, und nur die Form ist, dem Bedürfniß der raschen Wendbarkeit und größern Widerstandsfähigkeit gegen Druck entsprechend, verändert.

Endlich können wir an unsere oben verlassene Arbeit gehen und das Rettbare bergen. Wir fahren mit Bauer in der Taucherkammer nieder zum Wrak, schlagen die Fenster desselben ein oder die Verschlußdeckel durch, machen uns Angriffspunkte, wo wir solche bedürfen, und bringen nun einen (zusammengelegten) Ballon nach dem andern an dem Schiff an, telegraphiren nach dessen Befestigung „Pumpen“, und der von der Luftpumpe ausgehende Schlauch von entsprechender Festigkeit führt die Luft in den Ballon, welcher unten eine große Oeffnung hat. Der erst leere Sack füllt sich allmählich und bläht sich auf, bis endlich die Luft bei der unteren Oeffnung austritt. Hierauf wird der Schlauch ausgezogen, um beim nächsten [59] Ballon verwendet zu werden u. s. w. Nehmen wir an, daß jeder Ballon 400 Kubikfuß Wasser verdränge, so trägt jeder eine Last von circa 200 Centner, und vertheilen wir auf ein Schiff von 200 Fuß Länge links und rechts je 20 Kameele, so heben diese 40 Stück eine Last von circa 8000 Centner.

Von dem Moment, wo die Last des Schiffes sammt Ladung, so weit es überspecifisch schwer wurde, von den Hebekameelen übernommen ist, beginnt das Hinter- oder Vordertheil sich vom Grund abzuheben, die Adhäsion ist aufgehoben, und endlich steigt das ganze Schiff sammt den Kameelen langsam gegen die Oberfläche der See empor. Weil aber die Luft in den Kameelen zusammengepreßt eingeschlossen ist, die Wassersäulenschwere aber während des Aussteigens fortwährend abnimmt, so dient die untere Oeffnung in den Ballons zum Abfluß der überflüssigen Masse Luft; – diese steigt nun unbelastet voraus und bildet eine sprudelnde Stelle. Da jedes Kameel Gleiches wirkt, so gelangt das Schiff nach wenigen Minuten an das Niveau, wie Fig. 1 (Mitte) zeigt. Ist das Schiff so weit gehoben, so werden die Reserve-Ballons, je zwei verbunden, unter dem nun hohlliegenden Kiel des Schiffs durchgeführt und aufgepumpt. Dies geht jetzt sehr rasch vor sich, weil kein Druck mehr entgegen steht, und so wird denn nach wenigen Stunden Arbeit das Schiff auch horizontal und hoch über das Niveau gehoben. Hier wird es endlich ausgepumpt und sammt Ladung geborgen, d. h. entweder von einem Dampfer in das Schlepp genommen oder nach Umständen reparirt und unter eigenem Segel an den Bestimmungsort gebracht.

Ein wesentlicher Vortheil dieser Bauer’schen selbstregulirenden Hebekameele ist, daß sie gleich Säcken leicht verpackt in einem Schiff transportirt werden können, daß sie im Gebrauch von Wind und Wellen keinen Schaden nehmen, als leicht handlicher Körper vom Taucher an jede Stelle zu führen sind und sich an die Form jedes zu hebenden Körpers anschmiegen.

Dies dürfte genügen, um auch dem Laien einen klaren Einblick in Bauer’s Hebemanier zu eröffnen.

Unser zweites Bild zeigt die Erfindung in ihrer ersten, gerade wegen der hier zu überwindenden Schwierigkeiten für die Richtigkeit der Lösung der großen Aufgabe glänzend zeugenden Anwendung.

Am 11. März 1861 war auf dem Bodensee, auf der Schweizer Seite, der baierische Postdampfer „Ludwig“ durch den Dampfer „Zürich“ in der Dunkelheit und bei starkem Nebel in den Grund gebohrt worden. Bauer übernahm den Auftrag, das 120 Fuß lange Schiff aus einer Tiefe von 65 Fuß zu heben, und zwar unter für ihn sehr ungünstigen Bedingungen. Er hatte nämlich vergeblich gehofft, daß der baierische Staat sich seiner Erfindung annehme, daß er ihm die Mittel zur Herstellung des Apparats biete. Wie warm im baierischen Landtage auch der Abgeordnete Dr. Krumbach dafür gesprochen, wie angelegentlich die Akademie der Wissenschaften in München[2] die Erfindung empfohlen, – es fehlten die Fonds für sie. Die ganze Summe, welche Herrn Bauer, gegen Hinterlegung einer Caution von 1000 Gulden, für die Hebung des Schiffs geboten war, reichte jedoch nicht einmal hin zur Herstellung der Hebekameele, geschweige zur Erbauung seiner Taucherkammer. Statt dieser mußte er den Helmtaucher anwenden, der ihn von Wind und Wetter abhängig machte. An die Stelle seiner Ballons setzte er große Fässer. Diese mußten mit Wasser gefüllt in die Tiefe gezogen und an das Schiff befestigt werden. Um 2500 Centner Tragkraft zu gewinnen, bedurfte es natürlich vieler Fässer, und von den vielen herbeigeschafften zeigten sich nur wenige, trotz der mächtigen Beschläge von Eisen, stark genug für seinen Zweck. Endlich stand ihm, nachdem die nöthige Zahl von Fässern durch die Taucher an das Schiff befestigt war, nicht eine Luftpumpe zu Gebote, sondern mit gewöhnlichen Feuerlöschschlauchspritzen mußte er das Wasser aus den Fässern in der Tiefe heraustreiben, um so mühevoll und mit großem Zeitverlust die einfache Hebekraft zu gewinnen, welche mit seinem Apparate so leicht und rasch herzustellen gewesen wäre.

Die erste Arbeit Bauer’s bestand in der Einübung von Tauchern, für die er einen besondern Anzug erfunden hat, sowie in der Untersuchung des Schiffs. Von acht Tauchern stellten sich, nach langem, mühevollem Unterrichten und Prüfen, nur drei als tauglich und später als sehr tüchtig heraus. – Zur ersten Untersuchung des gesunkenen Schiffes folgen uns unsere Leser einen Augenblick in das nasse Grab so vieler Unglücklichen. In unheimlicher Dämmerung lag das Schiff mit gebrochenem Schlot und mit dem Hintertheil tief eingesunken. Auf dem Verdeck stand ruhig die Ladung, angebundene Thiere, Pferde und Ochsen, schwammen auf dem Schiff und an den Seiten desselben; endlich drang man zu den Cajütenfenstern hinan; ein Blick hinein erfüllte Alle mit Grauen. Da lagen die Armen, die ein schrecklicher Augenblick vom Leben getrennt, auf dem Boden umher, Männer und Frauen, starr und unbewegt, wie in einem großen geschlossenen Sarge. Als aber die Taucher zur andern Seite des Schiffs kamen, erschütterte sie ein entsetzlicher Anblick: ein Frauenantlitz sah mit weitoffenen Augen zum aufgerissenen Cajütensenster heraus, wie noch jetzt nach Hülfe flehend; so war die Unglückliche im Tode erstarrt. – Wie viel solcher Bilder mag das Meer verhüllen, und was werden unsere Taucher noch in der Tiefe entdecken!

Trotz all der kläglichen Aushülfsmittel für seinen Apparat ging Bauer mit seinen Tauchern rüstig an die Arbeit, und bald gelang es ihm, mit 27 Fässern das Schiff aus dem Lehmgrund, in den es tief eingesunken war, heraus zu fördern, die Adhäsion vollständig zu brechen, mit weiteren 10 Fässern hob er das Hintertheil 5 Fuß vom Grunde empor, und am 29. Mai (1861) stand das Schiff bereits so hoch, daß fünf große Tragfässer auf dem Niveau schwammen und der gehobene Dampfer in allen Theilen sichtbar war. Da kam, statt des erwarteten und verheißenen Schleppdampfers, der den so nahe an der Oberfläche schwebenden „Ludwig“ in einen sichern Hafen führen sollte – ein furchtbares Gewitter mit hochbewegter See, die Wellen schlugen die tragenden Fässer an einander, zertrümmerten sie, und der „Ludwig“ sank nach denselben Gesetzen, die ihn gehoben hatten, wieder in die alte Tiefe hinab. Noch zweimal, am 7. und 23. Juni, erfolgte die Hebung, und auch diese beiden Male mißglückte die Bergung des gehobenen Schiffs durch die Verwahrlosung der Schleppfahrzeuge. – Wir bekräftigen dies durch folgendes von dreißig der angesehensten Männer aus den Hunderten von Zuschauern des Hebeactes unterschriebene Zeugniß:

„Dem Wunsche des Herrn Submarine-Ingenieur Wilh. Bauer entsprechend, bestätigen die Unterzeichneten wahrheitsgemäß, daß sie Augenzeugen waren, als Herr W. Bauer aus München das in Folge Zusammenstoßes auf dem Bodensee mit dem Dampfboet „Zürich“ in die Tiefe von 65 Fuß gesunkene Postdampfschiff „Ludwig“ mittelst Fässern, welche an dem gesunkenen Schiffskörper durch Taucher direct befestiget und mittelst Feuerspritzen (an Stelle von Luftpumpen) vom Niveau aus mit Luft gefüllt werden, am 7. Juni 1861 in horizontale Lage bis nahe an die Oberfläche des Wassers hob, sodaß circa 12 Fässer an der Oberfläche des Sees schwammen und die Ladung des Schiffes, sowie einzelne Theile des Schiffskörpers gesehen und behandelt werden konnten.

Sie bestätigen ferner, daß der „Ludwig“ mit den an dem Schiffskörper befestigten circa 50 Tragfässern durch das Dampfschiff „Stadt Lindau“ von der Hebungsstelle circa 800 Schritte gegen das Land bugsirt wurde, somit die Hebung und Transportabilität in anschaulichster Weise sich praktisch bewährte, und nehmen deshalb keinen Anstand zu bezeugen, daß Herr Bauer eine Hebemanier durchführte, welche keinen Zweifel darüber läßt, daß Schiffe jeder Größe ohne Schadennahme durch diesen Hebeproceß sammt Ladung gehoben und geborgen werden können.

Rorschach, 22. August 1861.

(Folgen die Unterschriften.)

Die Echtheit der vorstehenden Unterschriften beurkundet Rorschach, den 30. August 1861.

Der Bezirksamtmann Boppart.“

So steht es in diesem Augenblick noch um diese deutsche Erfindung. Sie muß sich von braven Schweizerbürgern gegen einen deutschen Dampfschifffahrts-Verwaltungsrath bezeugen lassen, daß sie der höchsten Beachtung werth ist. Soll sie wirklich erst in fremde, in die Hände des Auslandes übergehen, um von dorther, z. B. als etwas Englisches und nur darum Gutes, nach Deutschland zurückzukehren? Ist es nothwendig, unsere Landsleute erst an König und Bauer und das Schicksal ihrer Erfindung der Schnellpresse zu erinnern, um ihnen mehr Gerechtigkeit gegen deutsche Erfinder einzuflößen? –

[60]

Der zusammengelegte Ballon.     Schiffhebung mittelst der Taucherkammer und der Hebekameele.     Der mit Luft gefüllte Ballon.
  Gehobenes Schiff.   Taucherkammer am gesunkenen Schiff. 

[61]

Die Hebung des Postdampfers „Ludwig“ im Bodensee.

[62] Und wie gering sind die Ansprüche, welche Wilhelm Bauer an das Vertrauen seiner Landsleute macht! Die Summe von 12,000 Thalern, sage zwölftausend Thalern, würde genügen, um wenigstens die Hebekameele, Luftpumpen, Schläuche, Haken etc. sammt den nöthigen Taucheranzügen zur Hebung von kleineren Seeschiffen aus einer Tiefe bis zu 100 Fuß zu beschaffen. Die Sammlung einer verhältnißmäßig so unbedeutenden Summe sollte in einem Lande, das sich der zweiten Handelsmarine Europa’s rühmt, doch wahrlich keine Schwierigkeit machen. Sie dürfte sogar durch freiwillige Gaben zu ermöglichen sein, denn wenn z. B. nur jeder Leser unserer Gartenlaube sich zur Beisteuer von drei Silbergroschen entschlösse, so wäre diese Summe gedeckt. Sollte sich denn nicht an jedem Orte, wo dieses gelesen wird, ein bereitwilliger Mann finden, der die kleinen Gaben für ein deutsches Ehrenwerk sammelte? Zu diesem Behufe wird sich sofort ein Hauptcomité mit den nöthigen Zweigcomité’s zu bilden haben, bei welchen vor Allem unsere großen Seestädte sich betheiligen werden. Denn ihrem Interesse und namentlich dem der Versicherungs-Gesellschaften gegen Seegefahr dient ja diese Erfindung zunächst; – die unberechenbare Nützlichkeit derselben, und namentlich der Taucherkammer und des Taucherschiffs, für unterseeische Unternehmungen aller Art, Kabellegen, Korallen- und Perlenfischerei, Wasserbauten bis hinauf zur Naturforschung in den bis heute dem Menschenauge noch verborgen gewesenen Tiefen der Meere, dies Alles wird erst aus der praktischen Verwerthung der Erfindung im Dienste der Schifffahrt hervorgehen.

Eine zweite Unterstützung würde ihr von den deutschen Schiffs-Versicherungs-Gesellschaften und Rhedern dadurch gegeben, daß sie Verzeichnisse einsendeten von den in den jüngsten fünf Jahren verlorenen Schiffen und Waaren, von denen ihnen die Lagestelle und die ungefähre Tiefe derselben bekannt ist, mit der Bemerkung, ob das Schiff von Eisen oder Holz, bekupfert oder verzinkt, ob Dampfer oder Segelschiff; ferner ob sie diese Schiffe und Waaren Herrn Bauer für die Dauer von drei Jahren zum Heben überlassen, und zwar gegen die Verpflichtung, daß derselbe von den gehobenen Schiffen eine Abgabe von 20 Procent aus dem Reinerlös des geborgenen Gutswerths nach Abzug der Hebekosten an die betreffenden Eigenthümer entrichte, oder ob sie dieselben ganz frei geben, oder gegen welchen Betrag sie dieselben im unterseeischen Zustande berechnen. Aus einem solchen Verzeichnisse würde die Auswahl für die ersten Hebungsarbeiten zu machen sein, und diese würden dann von selbst das Capital schaffen, das zur Herstellung der Taucherkammer und der stärkeren Kameele und Luftpumpen für die Hebungen der größten Schiffe bis zur Tiefe von 500 Fuß erforderlich ist.

Dieser Apparat würde die Summe von 120,000 Thalern in Anspruch nehmen. Wer aber bedenkt, wie viele Millionen aufgegebenen Guts damit zu retten sind, der wird nicht daran zweifeln, daß schon die erste gelungene Hebung mittels Tauchern und Ballons dieser Erfindung hinlängliches Vertrauen erwerben würde, um in unsern Seestädten die Summe für den vollständigen Apparat flüssig zu machen.

Möge dieser Artikel nicht bloß gelesen werden! Der Erfinder ist jeden Augenblick bereit, in die Tiefe des Meeres zu gehen, in welche ihm seine tüchtigen, von ihm eingeschulten Taucher so kühn und treu folgen werden, wie einst Witt und Thomson in den „Teufel der See“.

Dr. Fr. Hofmann.     

  1. Wir weisen in dieser Hinsicht aus die Zahlenangaben in dem Artikel über die Anlegung von Rettungsstationen an den deutschen Seeküsten, Gartenl. Nr. 51, Jahrg. 1861, hin.
  2. Das Gutachten der Akademie, sowie mehrere andere, namentlich vom Wiener Ingenieurvereine, über die vorliegende Erfindung, sammt Bauer’s englischem Patente können denjenigen, welche für die Sache wirken wollen, in Redaction der Gartenl. vorgelegt oder sollen später, im Fall es für zweckmäßig erachtet wird, durch den Druck veröffentlicht werden.