Textdaten
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Autor: Hermann Löns
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Titel: Teckliges, Allzuteckliges
Untertitel:
aus: Der zweckmäßige Meyer. Ein schnurriges Buch, S. 138–144
Herausgeber:
Auflage: 1.–4. Tausend
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1911
Verlag: Sponholtz
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Erscheinungsort: Hannover
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google-USA* = Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
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[138] Teckliges, Allzuteckliges.

Mein Freund Putt Battermann war ein hirschroter, schwarzgestichelter Teckelrüde mit wunderbaren Behängen, einer Schweißhundmaske und einem Aalstrich über den Rücken.

Da er keine O-Beine hatte, sondern gut auf den Läufen stand, zwei Stunden vor dem Rade rennen konnte und jeden Bock zu Stande hetzte, auch einen alten Fuchs schlank würgte und wetterfest wie ein Forstmann war, so war er als Ausstellungshund nicht zu gebrauchen und brachte es nur zu lobenden Erwähnungen.

Infolgedessen steckte er allen diesbezüglichen Ehrgeiz auf und gab sich, wenn er nicht gerade jagte oder der Minne huldigte, mit Philosophie ab. Sein Hauptwerk gedachte er unter dem Titel: „Teckliges, Allzuteckliges“ zu veröffentlichen; aber als er es in der Hauptsache fertig gedacht hatte, bekam er die Stuttgarter Hundekrankheit und eine Revolverkugel erlöste ihn von seinen qualvollen Leiden.

Bevor ich ihn zum letzten Male sah, so mager, so dünn und nur noch Seele, blickte er mich mit seinen treuen braunen Augen voll zärtlicher Hoffnungslosigkeit an und ich las darin die stumme Bitte, ich möchte das Wichtigste aus seinem Buche veröffentlichen. Das will ich nun tun, soweit das möglich ist, denn nicht alle seine Aphorismen hat er mir mitgeteilt. Auf welche Weise er mir seine Aussprüche übermittelte, das muß mein Geheimnis bleiben. So idiotisch war er übrigens nicht, daß er sich eine Art Menschensprache anquälte. Er sprach mit [139] den Augen, der Nase, den Behängen, mit der Rute, mit den Läusen, mit seiner ganzen Person. Und also sprach Putt Battermann:

1. „Je mehr man die Hunde kennen lernt, desto lieber werden einem die Menschen. Es gibt allerlei Hunde, auch solche, die keine sind, zum Beispiel: Windspiele und Barsoys. Sie riechen wie Hunde, sind aber keine, wenigstens jetzt nicht mehr. Einst mögen sie welche gewesen sein; jetzt sind sie rein auf Ornament gezüchtet und haben Seele und Gemüt verloren, genau wie die Bulldoggen, die eigentlich weiter nichts sind, als ein vierbeiniges Zähnefletschen oder eine Art von kynologischer Lokomotive. Die Boxer dagegen sind richtige Hunde, doch sind sie vorne nicht ganz fertig geworden. Wenn ich einen Boxer sehe, habe ich immer das Gefühl, als wolle er mich fragen: Können Sie mir nicht sagen, wo ich eine komplete Schnauze kaufen kann?

2. „Die rätselhaftesten von allen Hunden scheinen mir die Terrier zu sein. Ich meine die Foxterrier, denn die Blackantaner gehören ihrem Wesen nach entschieden zu den Windhunden; kein vernünftiges Wort kann man mit ihnen reden, da sie furchtbar zerstreut und fahrig sind. Die Foxe dagegen sind zwar auch sehr fahrig, doch ist das lediglich Überschuß von Temperament. Zudem sind sie Engländer und tun immer so, als wären sie dumme Jungens, auch wenn sie schon voll erwachsen sind. Dadurch lasse ich mich aber nicht täuschen, denn sie sind sehr zielbewußt, und, vorausgesetzt, daß ihr Herr keiner von den Kröppeln ist, der seinen Hund Tag und Nacht im Stall oder Zwinger läßt, sind sie auch im Stande, bedeutende Mengen von Gemüt, Treue und Dankbarkeit zu entwickeln.

3. „Wie der Hund, so der Herr. Ein gutmütiger, stolzer und tapferer Hund hat stets einen anständigen Herrn. Jeder Hund schafft sich seinen Herrn nach seinem Ebenbilde. Mein Herrchen ging früher zu wenig aus, oder er fuhr Rad, was [140] sich für einen anständigen Menschen nicht paßt. Ich habe ihm das tägliche Ausgehen an- und das Radfahren abgewöhnt. Sobald es drei Uhr ist und er steht nicht vom Schreibtische auf, steige ich von meinem Stuhle und gehe ganz lahm und krumm, als litte ich an trägem Darme, zu ihm hin, und blicke ihn solange an, bis er aufsteht. Hilft das noch nichts, so gehe ich ganz müde zurück und stöhne, als ob mir sehr schlecht wäre. Dann dauert es nicht lange, und er setzt den Hut auf und tut, was ich will.

4. „Um alles in der Welt, kann ich es nicht vertragen, wenn Herrchen mich an die Strippe nimmt. Ich laufe dann voran und ziehe, bis ihm der Arm lahm wird und er mich schnallt. Auf diese Weise habe ich ihm das sehr schnell abgewöhnt. Jagen wir beide aber, und er nimmt mich an den Schweißriemen, so bleibe ich hübsch zurück und laufe nicht vor und ziehe, denn sonst könnte er am Ende falsch werden und mich zu Hause lassen, und das wäre mein Tod. Früher ging er manchmal allein zur Jagd. Wenn er dann nach Hause kam, muckte ich mit ihm, sagte nicht guten Abend, hielt meine Rute still und fraß solange nichts, bis er es mit der Angst bekam und mich mit zur Jagd nahm, und dann war ich sofort gesund. Man muß es nur verstehen, mit den Menschen umzugehen, und man setzt alles bei ihnen durch; denn eigentlich sind sie recht unbegabt.

5. „Das ist ja auch gar kein Wunder, ist doch der wichtigste Sinn, die Nase, ganz bei ihnen verkümmert. Herrchens Nase ist noch nicht so verkümmert, wie die der meisten anderen Menschen. Er braucht nur in einen Fuchsbau hineinzuriechen und er weiß, ob der befahren ist oder nicht. Aber alle Augenblicke erlebt er an einem Menschen eine Täuschung und das kommt nur daher, weil er sich auf seine Augen und Ohren verläßt, und nicht daran denkt, die Leute, mit denen er zu tun hat, gründlich zu beschnüffeln. Ich habe es gehört, wie er darüber sprach, daß ich manche Leute, die er für nett [141] hielt, nicht leiden könne und sie immer ankläffe und anknurre oder sogar anfletsche. Hinterher hieß es dann: „Battermann hat recht gehabt; der Kerl ist ein schlechter Mensch.“ Ja, warum beroch er ihn nicht! Aber wenn man den ganzen Tag Zigarren raucht, gepfefferte Speisen ißt und Bier oder womöglich gar Grog trinkt, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Geruchsnerven entarten.

6. „Sage mir, wie jemand riecht, und ich sage dir, was er wert ist. Das ist mein Hauptlehrsatz. Es gibt Hunde, elegante Hunde, die jede Woche gewaschen und gekämmt werden, die silberne Halsbänder tragen und Ehrenpreise bekommen haben, und dennoch Proleten sind. Da ist ein Tropfen Blut hineingekommen, der den ganzen Adel verdirbt. Und es gibt Fixköter, ruppig, struppig, schlecht gehalten, mangelhaft genährt, voll von Flöhen, womöglich räudig, und sie haben mehr inneren Anstand und ein besseres Auftreten, als irgend so ein Zwergpinsch mit Toykopf oder so wie Krepirle von Zwergspaniel. Auch Doggen oder Kollies, angeblich rasserein, und mit Stammbäumen erster Klasse, können ganz minderwertige, feige oder hinterlistige Lümmel sein. Denn Adel ist oft eine rein persönliche Eigenschaft.

7. „So zum Beispiel hat kein Spitz Adel, und wenn er einen Stammbaum von hier bis dahin hat. Jeder Spitz hat vom fünften Jahre Asthma, und wer Asthma hat, kann unmöglich Anspruch auf Adel haben. Alle Spitze sind fett, faul und feige, oder mager, faul und feige. Ich glaube garnicht, daß es richtige Hunde sind. Ich muß jeden Spitz beißen, gerade als ob er ein Fuchs oder eine Katze wäre. Ich kümmere mich grundsätzlich um keinen Eckstein, an dem sich ein Spitz verewigt hat, und selbst wenn ich noch so zärtlich veranlagt bin, mit Spitzinnen gebe ich mich nicht ab. Ich weiß nicht, woran das liegt, aber ich kann es einfach nicht. Ihr Geruch ist mir zuwider, ihr Haar, ihr Benehmen. Ich habe nichts mit ihnen gemein. Meinem Freunde Heck, einem [142] braunen deutschen Vorstehhunde mit etwas Pointerblut, geht es genau so.

8. „Mit der Liebe ist es überhaupt eine komische Sache. Die Menschen machen ein fürchterliches Hoppheh darum, schießen sich womöglich aus unglücklicher Liebe vor den Kopf oder machen sonst allerlei Dummheiten. Ich stehe darin auf einem ganz anderen Standpunkte. So wie ich essen, trinken, schlafen, laufen und jagen muß, so muß ich zu Zeiten auch lieben. Selbstverständlich ist mir dann eine hübsche Teckelhündin lieber als eine krumme Fixköterin; aber schließlich frißt der Teufel in der Not Fliegen und die Hauptsache ist, daß man die dummen Gedanken aus dem Kopfe bekommt. Denn so ist es: vorher glaubt man, man müsse deswegen eigens nach Frankfurt am Main reisen, und hinterher kommt es einem so vor, als wäre die ganze Aufregung garnicht nötig gewesen.

9. „Das eine ist sicher: ich habe wohl recht heißes Blut, doch hat das, was man Liebe nennt, nur einen ganz episodischen Wert für mich. Mein Leben gehört der Jagd. Darin bin ich genau so, wie Herrchen. Wenn Vollmond ist, kann ich nicht schlafen. Ich schleiche dann in Herrchens Zimmer und sofort fragt er: „Alter Kerl, geht es dir auch so?“ Oft steht er dann auf und geht mit mir in den Stadtwald. Er darf da nicht jagen, aber er erlaubt mir wenigstens, einen Hasen oder ein Reh zu hetzen. Ich weiß ja, daß ich keins von beiden kriege, aber die Hauptsache bei der Jagd ist nicht das Kriegen, sondern das Wollen, nicht das Ziel, sondern der Weg.

10. „Wenn ich am Schweißriemen der roten Fährte nachhänge, oder geschnallt werde und mit hellem Halse hetze, und wenn ich den Bock anspringe und ihn niederziehe und ihm die Strosse durchreiße, dann lacht mein Herz und meine Augen sind blank. Sobald er aber verendet ist, und ich ihn totverbelle, oder gar, wenn Herrchen ihn aufbricht und mich genossen macht, dann wird mir ganz traurig zu Mute und ich [143] rieche den frischen Schweiß nicht mehr gern. Es ist damit genau so, wie mit der Liebe. Vorher stellt man sich ganz albern an, und hinterher wundert man sich, daß man das getan hat. Herrchen geht es mit der Jagd ebenso. Wenn der Bock vor ihm auf der Decke liegt, macht er ein Gesicht, als wolle er sagen: „Schade, daß ich nicht mehr auf ihn waidwerken kann.“ Ich glaube, in der Liebe geht es ihm nicht anders. Das Leben ist mangelhaft, sowohl für die Hunde, wie für die Menschen.

11. „Ein Mensch möchte ich aber auf keinen Fall sein. Was müssen die sich quälen um Wohnung und Nahrung und Kleidung, und um diese blödsinnigen Einrichtungen, die sie Familie und Gesellschaft und Staat nennen. Oft sitzt Herrchen eine Woche lang täglich zehn bis zwölf Stunden am Schreibtisch und läßt die Feder piepen, ißt wenig und viel zu schnell, raucht zu viel, schläft schlecht, und sieht aus, als wenn er die Staupe oder Hundewürmer hat. Aber warum hat er eine so große Wohnung nötig, und anderthalbdutzend Anzüge, und die vielen Stiefel und Schuhe und Hemden und Halsbinden und was sonst noch dazu gehört, will er von Seinesgleichen nicht fortgebissen werden! Ich an seiner Stelle würde in der Jagdbude wohnen, einen einzigen Anzug haben und wenn ich es allein nicht aushalten kann, abends nach dem Dorfe gehen, wo es Mädchen genug gibt. Vor allem sollte er das Denken und Schreiben lassen; dabei kommt nichts vernünftiges heraus. Außerdem ist es eine Arbeit, die sich für einen Mann von Rasse nicht paßt.

12. „Ich bekomme es immer mit der Bellsucht, sehe ich einen Hund einen Wagen ziehen. Es ist mir ebenso eklich, als wenn ich sehe, wie Herrchen da sitzt und kritzelt oder liest. Und dann kommen womöglich Damen und Herrchen, er macht einen krummen Rücken und küßt oder schüttelt ihnen die Hand. Und wofür? Um nix! Na ja, ich wedele ja auch, sehe ich eine hübsche junge Teckelhündin; aber ich habe dann [144] reelle Absichten und benehme mich nicht aus bloßer Höflichkeit so. Aber werde einer aus den Menschen klug! Kommt da neulich ein Kerl, den Herrchen für den Tod nicht ausstehen kann, und er wird freundlich aufgenommen und bekommt Kaffee und Zigarren. Ich verstehe das nicht. Ich in Herrchens Stelle hätte sofort gebissen. Anfangs dachte ich, Herrchen sei falsch. Aber das ist nicht der Fall. Wenn die Menschen vor jemand, der ihnen eklich ist, wedeln, so sagen sie, das ist gesellschaftliche Rücksichtnahme. Blödsinn ist das!“

Also sprach Putt Battermann. Er hat noch viele derartige Aussprüche getan, doch ich nehme Abstand, sie mitzuteilen.

Schon mancher von diesen zwölfen wird Anstoß in besseren Kreisen erregen, weil er tecklig, allzutecklich ist.