Sponsel Grünes Gewölbe Band 2/Der Inhalt des Grünen Gewölbes – Übersicht über den II. Band des Tafelwerkes – Dinglingers goldenes Kaffeezeug

Neue Gefässformen Das Grüne Gewölbe: eine Auswahl von Meisterwerken in vier Bänden. Band 2 (1928) von Jean Louis Sponsel
Dinglingers goldenes Kaffeezeug
Tafel 1
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DINGLINGERS GOLDENES KAFFEEZEUG

Der ganz persönliche Kunstgeschmack Augusts des Starken kommt aber am klarsten zum Ausdruck an den Werken, die der berühmte Dresdner Hofgoldschmied Johann Melchior Dinglinger auf seine Bestellung und in den meisten Fällen unter seiner beratenden Mitarbeit für ihn geschaffen hat. Unter den Werken der Goldschmiedekunst, denen das Grüne Gewölbe seinen Weltruhm verdankt, stehen seine Arbeiten in erster Reihe. Der so überaus vielseitige, in allen Kunstfertigkeiten bewanderte Meister, war nicht gerade in erster Linie Silberschmied. Wenn August der Starke aber von ihm auch Arbeiten verlangte, die als Gebrauchsgefäße bisher und sonst stets als spezielle Erzeugnisse der Silberschmiede waren hergestellt worden, so erwartete er von ihm dabei doch etwas anderes, reicheres, prunkvolleres, um für seinen eigenen Bedarf das Kostbarste zu besitzen, das nur mit allen Mitteln der verschiedenartigsten Techniken, über die jener mit seinen beiden Brüdern und mit Gehilfen verfügen konnte, und mit dem kostbarsten Material zu erzielen war.

Das goldene Kaffeegeschirr Augusts des Starken wurde dem Sächsischen Kurfürsten und Polnischen König im Jahr 1701 in Warschau von Dinglinger abgeliefert. Die Summe von 50 000 Talern, die dafür zusammen mit einem Blumenkorb mit Armband, einem Spiegel und einem Schreibzeug als Kaufpreis fällig wurden, waren für August den Starken damals bei Eröffnung seines so unglücklich verlaufenden Feldzuges gegen Karl XII von Schweden sicher keine nebensächliche Summe. Doch verschwenderischster Luxus war ihm Lebensbedürfnis. Oft genug mußten ihm seine Schätze auch nach Polen nachgeschickt werden. Tafel 68–70.

Das „Kaffeezeug“ sollte mit seinen 45 Gefäßen als Schaustück der allseitigen [140] Betrachtung sich darbieten, darum lieferte Dinglinger dazu einen Tisch, dessen vergoldetes Gestell mit Kindern besetzt war und dessen Platte in Lackfarben gemalt als Lapis lazuli erschien. Darauf steht ebenso bemalt ein Holzuntersatz von bewegter Rechtecksform, auf dem silbervergoldete Platten zur Aufstellung der Gefäße in drei Etagen zur Spitze verjüngt aufgebaut sind. Diese Anordnung folgt sicher der überlieferten Art des Aufbaus von Tresors und ihrer Ausstattung mit Prunkgeräten des Grünen Gewölbes. Sie bildet also einen Tresor im kleinen. Die Absicht hierzu wird dadurch bestätigt, daß die beiden unteren Platten nur außen herum zur Aufnahme der Gefäße dienen, sie sind innen offen und gewähren einen Einblick zu dem darunter in dem Holzuntersatz vertieft geschaffenen sechseckigen mit Spiegeln belegten Raum, in dem aus bemalten in Holz geschnitzten Figuren eine chinesische Teegesellschaft sitzt. So mag ein solcher als Vorbild angenommener Tresor auch zugleich Raum zur Tafelmusik dargeboten haben.

Es entsprach durchaus dem Prunksinn Augusts des Starken, daß die zu seinem eigensten Gebrauch bestimmten Tafelgeräte aus Gold bestehen mußten. Doch eine Verzierung solcher Gefäße etwa bloß durch Ziselierung und Gravierung genügte ihm noch keineswegs. Der Glanz des Goldes sollte sich verbinden mit dem Farbenreiz des Emails, dem Funkeln und Blitzen von Diamanten und Farbsteinen. Zu der Flächenverzierung von durchsichtigem Tiefschnittschmelz kam an den goldenen Gefäßen die Emaillierung von Formen und Gestalten in Relief oder en ronde bosse hinzu, eingelegte Platten mit Emailgemälden von Idealbildnissen oder mythologischen Szenen wurden von jener farbigen und glitzernden Verzierung eingefaßt. Auch die silbervergoldeten Platten und Gefäße erhielten, außer der Ziselierung und dem Schmuck von ausgesägtem aufliegenden Bandwerk und Rankenornament, Edelsteinbesatz und Emailschmuck. Dinglinger gibt bei der Aufstellung seiner Rechnung an, das Kaffeezeug sei geschmückt „mit mehr denn 5600 Diamanten, nebst vielen Colerten (Farb-)steinen“. Eine überschäumende Phantasie kann sich an der Verzierung dieser Gefäße nie genug tun, der Zeichner und Modelleur dieser unzählig vielen Formen hat zu ihrer Ausführung die Arbeit des Silberschmieds mit der des Juweliers und des Emailleurs gleichmäßig in Anspruch genommen, die technische Vollendung aller verschiedenen Arbeiten ist nicht zu überbieten; was das alles für Mühe und Fleiß, für Zeit und Geduld gekostet hat, bis es seine endgültige Gestalt bekommen hat, das kann der nicht [141] in einer Goldschmiedewerkstatt Heimische gewiß nicht beurteilen. Sicher lassen sich auch mit geringeren Mitteln Werke vollbringen, die in künstlerischer Hinsicht den höchsten Rang einnehmen, insofern also wird man den Aufwand an Arbeitskraft mehrerer Jahre und nicht weniger Gehilfen, der dazu nötig war, als verschwenderischen Luxus empfinden, aber das Goldschmiedehandwerk ist nun einmal ein Gewerbe des Luxus und es liegt in der Natur seiner Entwicklung, daß es alle seine Techniken bis zu höchstem Raffinement zu entfalten sucht, und in dieser Hinsicht bedeutet die Arbeit Dinglingers einen Gipfelpunkt.

Man wird auch den neuen Formen der Gefäße, mögen sie auch mit Verzierung überladen sein, die Anerkennung zollen müssen, daß sie in ihren harmonischen Verhältnissen, in der graziösen Bewegung ihrer Umrisse mit den besten Erzeugnissen des durch französische Eleganz gemilderten Barockstils der Zeit auf gleicher Stufe stehen, ja daß diese Formen auch heute noch lebendig sind und wieder aufgenommen werden können, sei es im Ganzen oder in einzelnen ihrer Teile oder auch in der darin ausgesprochenen künstlerischen Tendenz. Man wird vielleicht heute eine Kaffee- oder Teekanne nicht gerade auf einen so hohen Fuß setzen, wie es bei der auf der Spitze der Pyramide stehenden Kanne geschah. Innerhalb des ganzen Aufbaues der Gruppe war aber auch dieser Fuß völlig am Platz. Wie dann der Bauch des Gefäßes in gedrückter Kugelform auslädt, um darauf zu einer steilen Kegelzone einzuschwenken und diese dann oben durch einen Wulst abzuschließen, wie der Henkel über die Höhe des Deckels emporgewölbt wird und graziös eingebogen wird, wie die Ausgußröhre den Schwung eines Vogelhalses erhalten hat und ihre Mündung in einem Hahnenkopf findet, das erfreut nicht nur durch den Wohllaut der Linien, sondern es überzeugt zugleich von der Zweckmäßigkeit der Gebrauchsform. Eine nie ermüdende Zierfreude hat dann diese Gefäßform überdeckt mit aufgelegten emaillierten Ranken, andere Zonen wieder durch ausgestochene und mit transluzidem Email ausgefüllte Ranken in ihren Umrissen unverhüllt zur Erscheinung gebracht, dann noch zwischen den Farbenglanz der Ornamente ovale Medaillons mit idealen Frauenbüsten in farbiger Emailmalerei eingefügt, schließlich noch den Henkel und den Hals mit farbigen Schlangenleibern umwunden und auf den Henkel noch ein mit Diamanten besetztes Krokodil gesetzt. Überall wird das Auge in Anspruch genommen zur Betrachtung der Kunstfertigkeit jeder Einzelheit und der [142] Kenner und Liebhaber solcher Feinheiten wird auch immer Neues daran zu bewundern haben. Er vergißt dabei sicher nicht die groteske Maske, die mit Ketten im Maul den Hals des Hahnes gefesselt hält, oder die Juwelier- und Emailarbeit des Deckels, dessen Knopf das Monogramm des Fürsten trägt auf einem Schild, den ein Frosch hält. Wenn man sich dabei erinnert, daß der Frosch als Liebes- und Fruchtbarkeitssymbol verwendet wurde, dann wird man auch erkennen, daß der Hahnenkopf des Ausgusses und die Medaillons mit den Frauenbüsten nicht beliebige gleichgültige Schmuckmotive der zum persönlichen Gebrauch Augusts des Starken bestimmten Kanne sein sollen.

Als nächste Prunkstücke unter der Kanne sind zwei Deckelbecher aufgestellt, deren Form an Renaissancevasen erinnert und durch die an der unteren Zone angebrachten Henkel vermuten läßt, daß die Erinnerung an Marmorvasen dabei nachgewirkt hat. Hier ist die plastische Verzierung auf die untere gewölbte Zone des Bechers verteilt, der eingeschwungene glatte Mantel und die glatte Deckelwölbung nur in der Fläche mit Tiefschnittemail verziert und dem Deckel sind dann plastische Akzente gegeben durch die beiden aufgesetzten Büsten und dazwischen die Faunsmasken. Tafel 70, 2

Dazu kommen dann noch als getriebene Gefäße auf den unteren Etagen je zwei ovale Dosen, die einen kleiner, die anderen größer. Die beiden kleineren goldenen Dosen mit kurzem Fuß auf Tafel 70, 1 (der Holzdeckel der Abbildung nicht zugehörig) als Schalen mit in einer kurzen Gegenschwingung ansteigendem flachen Deckel haben zwei emaillierte Schwäne mit verschlungenen Hälsen als Henkel, dazwischen zwei verschlungene mit Diamanten besetzte Delphine und sind außerdem noch mit Festons aus Edelsteinen besetzt. Gegenüber dieser stark plastischen Verzierung bildet doch den Hauptschmuck der Dose die glatte flachgewölbte Scheibe des Deckels, die mit Emailmalerei bedeckt ist. Die eine der beiden Dosen enthält die Badeszene der Diana mit Aktaeon, die andere die Entlarvung des Achill.

Wir wissen von den beiden Brüdern Dinglingers, die seine Mitarbeiter waren, daß der eine, Georg Friedrich 1666–1720, Emailleur war, der andere, Georg Christoph, 1668 bis nach 1728, Juwelier. Es steht aber nicht sicher fest, ob sie schon an diesem Stück mitgearbeitet haben, doch spricht vieles dafür, denn nachweislich haben die beiden jüngeren Brüder Melchiors schon 1692 und 1693 in des älteren Bruders Werkstatt in Dresden gearbeitet. Darauf hat dann Georg Friedrich 1695 in Biberach geheiratet. Beide Brüder erhielten [143] 1704 vom Hof zu Dresden Bestallungsdekrete als Hofbedienstete; dabei wird gesagt, daß sie wegen der Kriegswirren aus ihrer Heimat nach Dresden gekommen seien, was doch wohl nicht auf einen Zeitraum von zwölf Jahren Bezug haben kann. Wenn sie also schon früher in ihres Bruders Werkstatt mitgearbeitet haben, dann sind sie daraufhin wieder nach Biberach zurückgekehrt. Es ist kein anderer Emailmaler bekannt geworden, der damals in Dresden diese Werke hätte herstellen können, als Georg Friedrich.

Ebenso ist das andere größere Paar vorzüglicher Arbeiten ovaler Dosen, die aber nicht aus Gold, sondern aus vergoldetem Silber hergestellt sind, auf dem ähnlich gebildeten Deckel mit Emailgemälden obenauf geziert. Diese zeigen Landschaften mit Schloßbauten wohl von anderer Hand. Die bauchige Form der Dosen hat an den Schmalseiten zwei in Beschlagwerk herausgeschwungene Henkel, Beschlagwerk ist auch auf die Gefäßwölbung selbst aufgelegt. Es besteht wie der Henkel aus Weißsilber, das also in farbiger Gegenwirkung sich von dem Goldgrund abhebt. Diese Verzierungsart der weißsilbernen Ornamente auf Goldgrund war schon im 17. Jahrhundert beliebt und bildet hier eine Abwechslung in dem vielfachen Zusammenklang der verschiedenen Gefäße. Auch die Bildung des Sockels durch die liegenden weißsilbernen Seehunde, die auf flachem Sockel die Dose tragen, steht in Gegensatz zu der Sockelbildung der goldenen Gefäße, während die Dosenform der der kleineren Dosen noch nahekommt. Tafel 70, 3.

Ebenso wie diese Dosen bestehen auch vier flache Schalen aus vergoldetem Silber. Hier ist eine andere Verzierung gewählt. Die Schalen haben eine hohe flache Rückenlehne erhalten und diese besteht aus Elfenbein. Die Lehne ist von zwei in Elfenbein geschnitzten Figürchen flankiert und von einer Tierfigur gekrönt. Diese Vereinigung zweier so verschiedener Materialien, wie vergoldetes Silber und Elfenbein, ist ja auch schon im 17. Jahrhundert geläufig gewesen. Doch bildet dann das Metall die Fassung des Elfenbeins und die verschiedene Wirkung der beiden Naturstoffe wird als gewollte Kontrastwirkung von Bild und Rahmen empfunden. Hier, wo die Form aus dem einem Material in das andere übergeht, empfand der Künstler das Bedürfnis, beide Naturstoffe von ästhetisch verschieden wirkender Struktur und Oberfläche enger miteinander zu verbinden. So ist die elfenbeinerne Lehne mit Verzierungen aus Gold und Silber sowie Diamanten ausgestattet und damit der metallische Glanz der Schale noch über den [144] matten Glanz der Lehne ausgestreut, aus einem ähnlichen Empfinden veranlaßt, wie die Wandfelder der Wohnräume mit vergoldeten Leisten und Ornamenten belebt wurden. Wir wissen nicht, wer die Figürchen geschnitzt hat. Doch ist die Elfenbeinschnitzerei während des ganzen 17. Jahrhunderts in Dresden heimisch gewesen, eine neue Blüte erlebte sie hier in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts, eingeleitet von den Arbeiten des durch seine Skulpturen am Dresdner Zwinger berühmten Bildhauers Balthasar Permoser. Seine bekannten und zum Teil signierten Arbeiten in Elfenbein haben ja das größere Format des 17. Jahrhunderts, doch werden bei einer der letzten Arbeiten Dinglingers, dem verschollenen „Chemischen Parnaß“, in einer literarischen Quelle des 18. Jahrhunderts die Figuren der vier Elemente Permoser zugewiesen, die sicher das kleinere Format, das dann in den Nippesfigürchen des Grünen Gewölbes vorherrscht, gleichfalls hatten. So ist es also wahrscheinlich, daß auch hier schon Permoser mitgewirkt hat.

Außer diesen an den Rücklehnen der Schalen angebrachten Elfenbeinarbeiten sind an dem Kaffeeservice auf der mittleren Etage lediglich als Verzierung des ganzen Aufbaues die etwas größeren sitzenden Figuren der vier Elemente und zwei Amoretten als Tragfiguren, die jedenfalls auch von demselben Elfenbeinschnitzer hergestellt sind. Auch hier hat Dinglinger gelegentlich die Gewänder in gleicher Weise wie die Schalen verziert.

Außer diesen Schalen gehören noch zu dem Service vier silbervergoldete Kredenzteller, vier goldene emaillierte Löffelchen und vier kleine goldene und mit Email überzogene Büchsen, alle auch mit Diamanten besetzt. Die Kredenzteller sind nicht mit abgebildet, die Löffel liegen auf den Schalen mit Lehne, die Büchsen sind neben den Dosen auf der untersten Platte stehend zu erkennen, sie sind in Form zweihenkliger Vasen sehr elegant aufgebaut.

Solche kleine Gegenstände des Toiletteluxus der Zeit der Galanterie sind neben den Tabatièren die bevorzugten Stücke, an deren Ausstattung besonders die Goldschmiede der Zeit alle ihre Kunstmittel zu höchster Blüte entfalteten. In der abwechslungsreichen Erfindung ihrer Formen und ihrer kostbaren Ausstattung steht Dinglinger mit diesen Werken, von denen an seinen anderen größeren Arbeiten noch mannigfache Beispiele vorhanden sind, an der Spitze der ganzen Entwickelung schon in ihren ersten Anfängen. An dem Kaffeezeug können wir noch dazu rechnen die in Form von Pilgerflaschen aus Kristallglas geschnittenen vier am Fuß und am Hals in Gold [145] mit Diamanten gefaßten Büchsen; ferner die beiden unten auf jeder Breitseite aufgestellten aus Karneol geschnittenen Vasen mit einem Strauß emaillierter und geschnittener Blumen aus Steinen. Mit solchen mehr oder weniger genauen Naturformen knüpft Dinglinger an eine schon zur Renaissancezeit verbreitete Vorliebe deutscher Goldschmiede an, die dabei sogar die Naturformen von Gewächsen und Tieren als Gußmodelle benutzten. Dinglinger sucht hier mehr in den durch Email wiedergegebenen Farben der Natur nahe zu kommen. Am umfangreichsten hat er sich auf diesem Wege betätigt in dem gleichzeitig mit dem Kaffeezeug abgelieferten Blumenkorb, der außer einem Armband noch inmitten der Blumen ein kostbares, wohl als warnendes Symbol gedachtes Juwel enthielt, einen mit Smaragden und Brillanten ausgefaßten Basilisken. Auch für diese Spezialität der Juwelier- und Emailliertechnik bieten die anderen größeren Werke Dinglingers noch mannigfache Beispiele dar.

Unter den Tabatièren des 18. Jahrhunderts bilden eine besondere Gruppe die innen und außen ganz mit weißem Emailgrund überzogenen aus Gold oder Kupfer angefertigten Stücke, (auf denen das Email am festesten aufsaß), die nach Bedarf daneben auch noch mit Edelsteinen besetzt wurden. Auch mit solchen Arbeiten geht Dinglinger der Entwicklung voran. Bei dem Kaffeezeug bieten dafür die ersten Beispiele dieser seiner Kunstweise die sechs goldenen auf kleinen Sockeln aufgestellten Tassen samt den zugehörigen Untertassen. Bei allen sechs ist unten der Rand mit Diamanten ausgefaßt. Zwei dieser Tassen sind außerdem noch mit ebenso emaillierten Deckeln und mit doppelten Henkeln versehen. Deckelknopf und Henkel sind wieder mit Diamanten ausgefaßt. In gleicher Technik sind auch die „vier ganz kleine Bechergen von Gold und geschmelzet“ hergestellt, die er in der Rechnung mit aufführt, die unter dem obersten Aufsatz stehen. Die sechs Tassen sind technisch ganz gleichartig behandelt, doch verschieden in ihrer Verzierungsweise. Die beiden Henkeltassen sind außen auf weißem Emailgrund in Blau, Rot und Gelb, innen in Blau und Rot auf gelbem Grund mit chinesischen Figuren in einzelnen Feldern bemalt, in die der Tassenmantel unter Festons und über Bandwerk durch seltsame Karyatiden mit Ibisköpfen als Blumentopfträgern eingeteilt ist. Mit dieser eigenartigen figuralen Bemalung gibt Dinglinger einer weitverbreiteten Vorliebe der Zeit für exotische Völkerschaften, ihr Aussehen, ihre Tracht, ihre Bauten und Kunstwerke und ihre Sitten und Gewohnheiten, [146] ihre Tiere und Pflanzen bildlichen Ausdruck. Diese Vorliebe war zunächst wohl in weiteren Kreisen Europas geweckt und gefördert worden durch den schon im 17. Jahrhundert von der Ostindischen Kompagnie betriebenen Import von indischen und chinesischen Naturerzeugnissen und Arbeiten des Kunsthandwerks, insbesondere der chinesischen und japanischen Porzellane. Mit dem zunehmenden Besitz dieser Werke steigerte sich auch das Interesse daran, über jene Völker selbst genauere Kenntnisse zu erhalten. Die meist mit Bildern illustrierten Beschreibungen von Reisen in jenen Ländern wurden mit Heißhunger verschlungen und erlebten vielfache Auflagen. Gerade auch August der Starke wurde von dieser exotischen Welt in seinem romantischen Sinn sein Leben lang gefangen genommen, seine leidenschaftliche Vorliebe für asiatisches Porzellan, das damals noch rätselhafte, viel begehrte, fremdartige Kunsterzeugnis, mag ihn zuerst mit dieser Welt bekannt gemacht haben, sein Aufenthalt in Polen, sein Bündnis mit Zar Peter dem Großen von Rußland mögen ihn schon mit manchen fremdartigen Gestalten des ferneren Ostens persönlich in Berührung gebracht haben, seine Phantasie mußte reiche Nahrung erhalten durch die Lektüre jener oft abenteuerlichen Reisebeschreibungen. So kam also die Dekorierung von Gefäßen, die zu seinem eigenen Gebrauch bestimmt waren, seinen Liebhabereien besonders entgegen. Ihre Feinmalerei vermittelte bei Betrachtung aus nächster Nähe von Bild zu Bild immer neue Eindrücke und führte in getreuen Darstellungen in jene durch die Berichte von Missionaren und Reisenden als ein Wunderland glücklichsten Erdendaseins geschilderte Welt. Wir sind in der Lage an der einen dieser beiden Henkeltassen die direkt nach dem Leben gezeichneten ostasiatischen Vorbilder für die einzelnen darauf dargestellten Typen der verschiedenen Stände nachzuweisen. In den Jahren 1655 bis 1657 hatte Johann Neuhof eine Gesandtschaft der Ostindischen Kompagnie als Hofmeister begleitet und dabei in mehr als 150 Zeichnungen Szenen aus dem chinesischen Leben festgehalten. Diese Zeichnungen wurden in Kupferstichen vervielfältigt und durch die Beschreibung verlebendigt in seinem in verschiedenen Ausgaben seit 1665 in holländischer und deutscher, französischer und lateinischer Sprache erschienenen Werk: Die Gesandtschaft der Ost-Indischen Gesellschaft in den Vereinigten Niederländern (an den Tartarischen Chan) und nunmehr auch Sinischen Kayser. (Amstd. 1669).

In der Verzierung dieser Tassen hat Dinglinger die europäische Komposition nach architektonischen Grundsätzen befolgt und für die chinesischen [147] Typen immer nur einzelne Felder freigelassen, in die er dann aus den Zeichnungen Neuhofs stets nur einzelne ausgewählte Figuren hineinstellte. Für die andere Henkeltasse scheint Dinglinger die chinesischen Volkstypen einem anderen Reisewerk entnommen zu haben, ebenso für die vier kleineren emaillierten goldenen Tassen des Kaffeezeugs. Dinglinger ist wohl sicher der erste, der solche Typen in die mit Feinmalereien verzierten europäischen Ziergefäße eingeführt hat. Erst ein Vierteljahrhundert später folgt ihm darin der berühmte Maler der Meißner Porzellanmanufaktur nach. Er erschafft sich aber aus solchen Abbildungswerken eine eigene idyllische Welt, die sich von der chinesischen Wirklichkeit in ein Phantasieland entfernt, und folgt nur darin chinesischen Vorbildern, daß er deren weichen ungegliederten ostasiatischen Gefäßtypen treu bleibt und ohne europäisch architektonisches Gerüst seine Malereien über den ganzen Gefäßmantel ausstreut oder in einzelne Rahmenfelder einordnet. Annähernd in dieser letzteren Dekorationsweise sind aber auch schon die ohne Deckel und Henkel gelassenen vier kleineren goldenen Tassen von Dinglinger mit Emailmalerei überzogen. Eine Auswirkung seiner Kunstweise auf die Meißner Porzellanmalerei, auch schon auf die Wahl chinesischer Motive, ist also sehr wohl möglich.