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neu; schon seit Grimm und Castrén waren einzelne vergleichungen zwischen dem mythenschatz des Kalevalas und dem anderer völker versucht worden. Das von meinem vater gesammelte material gründete sich jedoch auf viel umfassendere und vielseitigere nachforschungen, als man bisher angestellt hatte. Aber die ergebnisse seiner vergleichungen sind im lichte der neuen finnischen und estnischen sammlungen beträchtlich einzuschränken. Die eigentliche bedeutung seiner mühsamen sammelarbeit, wovon zahlreiche annotationen aus der poesie verschiedener völker zeugen, beruht darin, dass dieselbe zeigt, wieviel bei der sichtung einer fülle von möglichen vergleichspunkten an faktischen übereinstimmungen überhaupt bleibt.

Die dritte frage, die seinerzeit die gemüter in spannung hielt, betraf die herkunft des Kalevalas oder, wie man sich damals auszudrücken pflegte, den karelischen ursprung des Kalevalas. In seinem genialen aufsatz: „Wo ist das Kalevala entstanden?“ („Missä Kalevala on syntynyt?“) war A. A. Borenius [Lähteenkorva] 1873 zu dem schluss gelangt, sprachliche und sachliche umstände in den russisch-karelischen liedern bewiesen, dass diese von westen her, aus Finland dorthin gelangt seien. Dieser anschauung verlieh Julius Krohn durch neue nachweise eine weitere stütze. Ausserdem zeigte er, dass die lieder auch auf eine südliche herkunft aus Ingermanland und Estland deuteten. Aber durch diese allgemeinen beweisführungen, gegen die Aug. Ahlqvist noch 1887 ankämpfte, war man nur so weit gekommen, dass das alleinige recht der karelier an unserem liedererbe streitig wurde. Was darin karelisch, was tavastisch, wie man damals sagte, was schliesslich estnisch sei, konnte nur durch eine ins einzelne gehende untersuchung lied für lied festgestellt werden.

Zu dieser detaillierten untersuchung schritt Julius Krohn und dabei fand er seine geographische methode. Er erkannte, dass sich die lieder bei ihrer wanderung von westen nach osten und von süden nach norden in der weise verändert hatten, dass sich die eine fassung aus der anderen in geographischer reihenfolge entwickelte. Auf diesem wege rückwärts gehend, versuchte er für jedes lied die urform und zugleich die heimat zu ermitteln. Zu diesem zweck legte er genaue verzeichnisse von unseren liedersammlungen an, suchte in ihnen

Empfohlene Zitierweise:
Kaarle Krohn, Emil Nestor Setälä, Yrjö Wichmann (Hrsg.): Finnisch-ugrische Forschungen, Band 10. Red. der Zeitschrift; Otto Harrassowitz, Helsingfors; Leipzig 1910, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Finnisch-ugrische_Forschungen_10_036.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)