Schöne Thaten eines edeln Greisen

Textdaten
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Autor: Anonym
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Titel: Schöne Thaten eines edeln Greisen
Untertitel:
aus: Journal von und für Franken, Band 1, S. 452–456
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1790
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: UB Bielefeld, Commons
Kurzbeschreibung:
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V.
Schöne Thaten eines edeln Greisen.

 Da sich unser Zeitalter dadurch auszeichnet, daß Laulichkeit und falsche Aufklärung an die Stelle der wahren Religion tritt, eine nothwendige Folge aber davon diese ist, daß gute Handlungen und tugendhafte Menschen immer seltnere Erscheinungen in dieser Welt werden: so ist es eine wahre Wonne für den gutdenkenden Mann, wenn er das Glück hat, hie und da noch gute Thaten, von Menschen begangen, zu erfahren.

 Ich kenne einen Edeln im Lande, der auf die allgemeine Wehklage der Armen, die in seinem Wirkungskreis waren, rechnen darf, wenn der Herr über Leben und Tod über ihn gebieten wird. O! dürfte ich ihn nennen, diesen christlichen Staatsmann! Von mehrern edeln Handlungen desselben, die er in der Stille übte, und wovon ich Augenzeuge war, will ich zur Ehre der Menschheit dermahlen nur zwey erzählen.

|  Viele von uns dermahligen Erdenbürgern werden sich mit Wehmuth noch an den kalten Winter im Jahr 1788 erinnern. Wie vielen von uns war nicht in solchem die Sorge: woher nehmen wir Holz, mehr am Herzen, als die, woher nehmen wir Brod? Er war nicht nur eine Last der dürftigen Classe von Menschen, sondern fiel auch denen, die sonst ihr Auskommen hatten, beschwerlich. In diesem Winter kam eines Tags zu einem würdigen Mann in der Stadt, den ich kenne und verehre, ein Postknecht ins Haus, übergab ein Päckchen mit Geld, und erhielt den Empfang desselben in das Postbüchlein eingeschrieben, weil er den Ort, wo es herkam, nicht anzugeben wußte, oder nicht angeben durfte, und weil man in diesem Hause glaubte, daß es nur von einem Freunde zur Besorgung an die Behörde an selbiges addressirt worden seyn möchte, auch andere Geschäffte im Hause es nicht sogleich erlauben wollten, es nur recht anzusehen, vielweniger es gleich zu eröffnen. Es wurde daher in Verwahrung bey Seite gelegt. Nach einiger Zeit und beendigten Geschäfften fiel jenem würdigen Manne das Paket Geld wieder ein; und er erbrach dasselbe unter dem Besprechen mit seiner tugendhaften| Gattin: wohin wohl solches gehören werde.
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 Wie erstaunten aber nicht beyde, als sie eine Rolle mit 100 fl. Geld, aber inwendig auf dem Papier, in das es gewickelt war, mit einer veränderten Hand ohne Namens-Unterschrift, nichts als Worte des ungefähren Inhalts geschrieben fanden: man habe gedacht, daß der Holzartikel in diesem kalten Winter die Bestreitung der übrigen Hausausgaben in einem mit vielen Kindern versehenen Hause, und bey nicht überflüssig zugeschnittener Besoldung beschwerlich machen dürfte; man nehme sich daher die Freyheit einen Beytrag dazu zu thun, mit der Bitte solchen zugleich als ein Zeichen der Zuneigung und Freundschaft anzusehen und zu behalten. Beyde Ehegatten standen und konnten bey allem Hin- und Hersinnen nicht errathen, wer der Edle seyn möchte, der ihnen das große Geschenk, ohne sich genannt zu haben, und also ohne bekannt zu seyn, gemacht haben möchte. Nun ärgerten sie sich erst, daß sie den Postknecht abgehen lassen, ohne das Paket mit Geld vorher eröffnet und ihn ausgefragt zu haben. Der Beschenkte legte sich zwar auf Kundschaft; es gelang ihm aber erst nach einiger Zeit, auf eine Spur zu kommen.| So dunkel sie aber noch war, ging er doch zu dem Edeln, und machte seinen Dank – gerade zu, nein! – mit bloßer Erzählung des Glücks, das ihm durch eine unbekannte Hand, eben zu einer Zeit, wo er die Hülfe am ersten brauchte, widerfahren wäre.

 Die Zähren, die dem Edeln hiebey in den Augen zitterten, das alsbaldige Abbrechen des Discurses, und der geschwinde Uebergang von solchem zu einer andern Beschäfftigung, um jene zu verbergen, ließen ihn schließen, daß er seinen Wohlthäter gefunden habe. Da er aber einsah, daß solcher nicht erkannt seyn wolle, so hielt er inne, und empfahl sich für dießmahl.

 Es hatte Jemand eine Magd, die um so ärmer war, als sie immer kränkelte, und daher, wenn sie aus dem Dienst, in dem sie bloß aus Mitleid behalten wurde, gethan worden wäre, übel daran gewesen seyn würde, weil sie nicht jedem Dienst vorzustehen im Stande war. Diese mag öfters hinter ihrer Herrschaft in das damahls noch gangbare Lottospiel gesetzt haben, um ihr Glück dadurch zu machen. Einsmahls kam es ihrer Herrschaft zu Ohren, daß sie in die bevorstehende Lottoziehung setzen wolle. Diese gestand auch, als sie darüber zu Rede gesetzt wurde, daß sie| auf eine Ambe gesetzt haben würde, wenn es ihr erlaubt worden wäre, weil sie nach ihrem Satz 9 fl. dadurch zu gewinnen geglaubt, und sich vorgenommen habe, solches zu Anschaffung eines Stücklein Betts zu verwenden, auf das sie bedacht sey, damit sie doch habe, worauf sie ihr Haupt hinlege, wenn sie aus ihrem dermahligen ruhigen Dienst müßte.

 Die Lottoziehung ging vorbey, und die beyden Numern, welche die Magd besetzen wollte, kamen in der Reihe heraus. Das durch Abrathen ihrer Herrschaft, welche dergleichen Spiel aus Gründen nicht liebte, verscherzte Glück konnte diese Magd nicht so leicht vergessen; sie klagte es allenthalben. Es kam auch vor die der Armuth geöffneten Ohren obigen Edelns. Dieser machte der Klage derselben ein Ende, daß er ihrer Herrschaft, durch eine vertraute Person, 9 fl mit der Aeusserung für sie zustellen ließ, daß es deßwegen geschehen, weil sie ihrer Herrschaft gefolgt, und ihr Geld nicht auf die Spitze des Verlusts gesetzt habe, und weil er nicht zweifle, daß ihre Herrschaft die in Rüksicht ihrer kränklichen Umstände, schon so viel an ihr gethan, dafür sorgen werde, daß dieses Geld auch von ihr zu der angegebenen Bestimmung werde verwendet werden.