Sächsische Volkstrachten und Bauernhäuser (1896)
[I] Die Liebe zur Heimat, die Pflege und Erhaltung der heimischen christlichen Volkssitte, ist in unserer Zeit, in der so mannigfache zersetzende Einflüsse zur Herrschaft gelangt sind, schon oft als ein wichtiges Mittel angerufen worden, um dem Verfall der Gesellschaft und dem Umsturz Halt zu gebieten. Um dieser heilkräftigen Bewegung auch bei uns in Sachsen Eingang zu verschaffen, dazu mußte ihr ein starker und kräftigwirkender Anstoß gegeben werden. Hierzu fand sich eine günstige Gelegenheit auf der Ausstellung des Sächsischen Handwerks und Kunstgewerbes im Sommer 1896 in Dresden. Die neben dem Ausstellungsparke errichtete altdeutsche Stadt und das lausitzer Dorf boten den schönsten Rahmen für die Abhaltung eines Volkstrachtenfestes in Sachsen. Allerdings ist bei uns in Sachsen, wo der Verkehr und die Industrie so mächtigen Aufschwung gefunden haben, schon gar Vieles von der ererbten Sitte und Tracht geschwunden. Trotzdem aber konnte auch hier wie in anderen Landen der Versuch gewagt werden, das noch Vorhandene zu zeigen. Der volle Erfolg hat die Berechtigung des begonnenen Werkes bestätigt, und dadurch dem Heimatsgefühl und der Pietät für die hergebrachten Sitten neue Nahrung verschafft.
Ein wie prächtiges Bild bot der Festzug mit seinen mannigfachen, bewegten Gruppen! Da war nichts zu verspüren von der feierlichen Stille, in der bei historischen Festzügen die Teilnehmer vorbeiziehen, im Ausdruck ihrer Gefühle beengt von ihren ungewohnten Gewändern und von der Rolle, die sie zu spielen haben. Die Bauern fühlten sich wohl in ihrem Staate und waren stolz darauf, daß ihrem Erscheinen von den Städtern solch liebevolle Aufmerksamkeit zugewandt wurde. Leicht flogen die Scherzworte von den Zugteilnehmern zu den Zuschauern hinüber und wurden mit Lachen und Humor erwidert. So kam es, daß trotz der drohenden Wetterwolken am Himmel die heiterste Laune den Festzug begleitete und auch durch vorübergehende Regenschauer nicht gestört werden konnte. Und als dann der Zug einbog in die „Alte Stadt“ und die Landbewohner auf dem Marktplatze mit seinen malerischen Bauten an Sachsens ehrwürdigem König Albert und dem gesamten Königlichen Hause vorüberziehen konnten, da erreichte die Freude ihren Gipfelpunkt und fand oft in stürmischem Jubel den unbefangensten Ausdruck. Das Staunen und Bewundern der Bauern im Zuge wollte kein Ende nehmen vor den vielen anheimelnden Schönheiten der Alten Stadt und des lausitzer Dorfes, und die Zuschauer wiederum fanden immer wieder neue Gruppen zu bewundern. Und als sie dann ihre heimischen Tänze auf der Dorfwiese vorführten, wie waren da alle, die Vogtländer, die Wenden, die deutschen Lausitzer voll Eifer dabei, und wie übermütig schallte der Juchzer der Tanzenden über die tausendköpfige Menge der Zuschauer. Endlich in den Standquartieren der einzelnen Gruppen, den Wirtshäusern der Alten Stadt und des Dorfes, was für ein fröhliches Treiben entwickelte sich hier bei Musik, Gesang und Tanz. Und wie staute sich die Menge in den Ausstellungshallen, besonders aber in dem Sächsischen und dem wendischen Volksmuseum. Die Mühe und Arbeit, die bei der Einrichtung der beiden Museen und bei den Vorbereitungen zum Volkstrachtenfeste aufgewandt worden waren, sie sahen sich reichlich belohnt bei dem Anblick der freudestrahlenden Gesichter der ländlichen Besucher, wenn diese heimatliche Hausgeräte und Einrichtungen hier als sehenswerte Ausstellungsgegenstände vor Augen hatten. Und was für ein reges Treiben entwickelte sich auf dem Platze hinter dem Dorftheater, wo der Photograph einzelne Gruppen des Festzuges aufzunehmen hatte. Was hatten die Zugführer für Mühe, das unruhige Völkchen beisammen zu halten, damit es ausharrte, bis es auch an die Reihe kam. Wie suchten sich die Wartenden zu entschädigen, durch Scherz- und Stichelreden, die die jedesmal aufzunehmende Gruppe erdulden mußte. Die Scene hatte zahllose Zaungäste herbeigelockt, die nicht wankten und nicht wichen, um an der Freude und dem Humor der Gefeierten des Tages teilnehmen zu können. Da wurde plötzlich dem frohen Wesen, das sich unter freiem Himmel entwickelt hatte, vorübergehend eine Störung bereitet, indem ein tüchtiger Platzregen alle Menschen unter Dach und Fach trieb. Jetzt konnte in den zahlreichen Wirtshäusern der Alten Stadt und des Dorfes kein Apfel zur Erde fallen und die frohe Laune des Tages schien durch die Ungunst des Wetters neue Nahrung empfangen zu haben. Als das Wetter vorüber war, lockte die Freiberger Bergkapelle die Festteilnehmer wieder ins Freie, und in zwanglosen Gruppen folgten sie dem Umzuge über die Brücke nach dem Ausstellungsparke und zurück durch Stadt und Dorf. Am Abend des frohbewegten Tages wollte der Verkehr in dem Ausstellungsgebiet kein Ende nehmen und in jedem Standquartiere konnte man beobachten, wie die Freude an all dem Erlebten den Festgästen die Zunge gelöst hatte und wie von improvisierten Rednerbühnen herab sie ihrer Begeisterung und ihrem Danke beredte Worte liehen. Wahrlich, das Fest war gelungen wie selten eines, und es wird jedem, der daran teil genommen, dauernd in freudiger Erinnerung bleiben!
Um aber die wichtigsten Gruppen des Festzuges im Bilde festzuhalten, ist von dem Ausschusse des Volkstrachtenfestes das vorliegende Lichtdruckwerk herausgegeben worden. Sein Zustandekommen ist neben der Zuvorkommenheit des Verlegers in erster Linie dem geschäftsführenden Ausschusse der Ausstellung des Sächsischen Handwerks und Kunstgewerbes zu Dresden 1896 zu danken, der die Mittel zu dem Feste selbst bewilligte. Die Bilder einzelner Gruppen der Wenden, die aus Mangel an Zeit und günstigem Licht nicht hatten aufgenommen werden können, sind in dankenswerter Weise durch die Firma W. Höffert beigesteuert worden, die Beschreibung der Wendentrachten hatte Herr Dr. Mucke in Freiberg die Güte zu liefern. Die beigegebenen Tafeln mit Bildern von Bauernhäusern sind nach Aufnahmen von Landbauinspektor Schmidt hergestellt und sie werden zur Illustrierung des Charakters der Heimat der einzelnen Stämme gewiß nicht unwesentlich beitragen. Die Zeichnung des Titelblattes rührt von Herrn Maler O. Seyffert her. Wenn nun auch unser Volkstrachtenwerk auf Vollständigkeit und erschöpfenden Inhalt des ganzen Gebietes durchaus keinen Anspruch macht, vielmehr nur als Erinnerungszeichen an jenes herrliche Fest betrachtet sein will, so hoffen wir doch, daß es dem infolge des Festes seit kurzem begründeten Vereine für Sächsische Volkskunde recht viele Freunde und Anhänger zuführen werde. Und dann wird das Werk mittelbar auch der Forschung einen Gewinn bringen, der von seinen Herausgebern und zugleich Veranstaltern des Festes als schönster Lohn ihrer Mühen angesehen werden darf.
[II] Die Altenburger Bauern sind weit und breit bei uns in Deutschland berühmt wegen ihrer eigenartigen Tracht und wegen ihres Bewahrens mancher überkommener Bräuche. Aber gerade die Altenburger bieten ein sprechendes Beispiel dafür, daß auch die Bauerntracht dem Wechsel unterworfen ist, denn es lassen sich kaum Aehnlichkeiten nachweisen zwischen der Tracht, die bei ihnen vor etwa zweihundert Jahren in Geltung war und ihrer heutigen Tracht, die seit dem Anfang unseres Jahrhunderts aufgekommen ist. Die Tage ihrer Herrschaft sind in unserer Zeit auch schon gezählt. Das Anwachsen der Städte, die Ausdehnung der Eisenbahnen, die allgemeine Wehrpflicht und manche andere Einflüsse haben dazu beigetragen, daß die alte Tracht immer mehr verschwindet. In entlegenen Ortschaften wird wohl noch am meisten an ihr festgehalten, viele Bauern gehen zeitweise bürgerlich und zeitweise bäuerisch gekleidet, aber bei festlichen Aufzügen setzt die Bauernschaft ihren Stolz darein, zu Pferd und zu Wagen und zu Fuß ihre absonderliche Tracht zeigen zu können. Darin äußert sich noch, wie auch in ihrer Sprache und in manchen Sitten, ihr Hang am Hergebrachten und ihr Heimatsgefühl. Und das ist um so mehr anzuerkennen, als im Vergleich mit vielen anderen unserer deutschen Bauerntrachten die der Altenburger weder sehr kleidsam noch besonders bequem genannt werden kann.
[1][II] Bild 1. Altenburger Hormetjungfer und Bauernmädchen. Die Altenburger Tracht zeigt mit geringen Ausnahmen dunkle Farben, sie ist besonders bei den Frauen voller Absonderlichkeiten. Während der obere Teil des Körpers den hohen steifen und unbequemen Latz vor der Brust bis hinauf zum Kinn wie einen Schild vorgebunden zeigt, wird der Leib eng umschlossen durch einen auf der Rückseite vielfach gefalteten nur bis zum Knie reichenden Rock. Dieser wird auf der linken Seite vorn durch Haken zusammen gehalten, die bei der Arbeit zum Teil geöffnet werden müssen. Ueber dem Rock liegt eine dunkelfarbige Schürze in breiten Falten, die nur wenig länger ist. Ueber dem Latz liegt ein gesticktes Aermelband und die Schleifen des Halstuches, während wiederum der ganze Rücken durch ein quadratförmiges Tuch bedeckt wird, das von dem trichterförmigen Ende der den Kopf knapp umschließenden „Tute“ herabhängt. An diesen Tüchern sind die Kanten mit zierlicher Stickerei geschmückt. Der Stoff der einzelnen Gewandstücke ist an Festtagen meist von Seide.
[1][II] Bild 2. Altenburgerin und Bauern im Spenzer. Auch die älteren Frauen tragen die gleiche Tracht wie die jungen Mädchen. Ebenso unterscheidet sich nicht die Tracht der jüngeren und älteren Männer. Ueber dem Hemd tragen sie eine Art Weste, die links geheftelt wird, das Brusttuch; die schwarzen bockledernen Hosen sind weit und werden am Knie zusammen gebunden. Die Füße stecken in hohen Schaftstiefeln. Ueber dem Brusttuch bemerkt man, wenn der Bauer hemdärmlich geht, den aus schmalen schwarzen glänzenden Lederstreifen bestehenden Hosenträger. Als Hausrock gilt der kurze „Spenzer“, meist aus olivenbraunem Stoff, mit umsponnenen Knöpfen und kurzen Schößchen. Der Hals wird mit einem schwarzseidenen Tuch umwunden, das vorne in kurzen Schleifen zusammengebunden ist. Merkwürdig erscheint der kleine runde Hut aus Seidenfilz, der den Kopf fest umspannt und dessen vordere schmale Krempe herabgezogen ist, während die hintere nach oben steht.
[1][II] Bild 3. Altenburger Hormetjungfern und Bauernburschen. Die Form des erwähnten Hosenträgers läßt sich an dem Bilde gut erkennen. Sehr interessant ist der Kopfschmuck der Altenburger Bräute und ihrer Begleiterinnen, der Hormetjungfern, der zwar höchst selten nur noch getragen, aber in vielen Familien als Erbstück noch aufbewahrt wird. Das Hormet ist ein cylindrischer kronenartiger Aufbau, der mit Blumen und Metall geschmückt ist, und an dem besonders zwei Reihen lose hängender dünner gepunzter Goldplättchen auffallen. Auch unter dieser Kopfbedeckung wird das Haar ebenso wie unter der „Tute“ verhüllt und ist durch ein Stirnband zusammengebunden, das im Nacken in einer langen Schleife endet, während ähnliche Bänder vom Hormet herab über den Latz hängen.
[2][II] Bild 1. Altenburger Kinder in Festtracht. Sogar die Kinder werden an Festtagen noch in die gleiche Tracht gesteckt, wie sie die Erwachsenen tragen und nehmen sich darin sehr putzig aus.
[2][II] Bild 2. Altenburger Gutsbesitzer und Bauern. Bei festlichen Anlässen, auch wohl zu den berühmten Altenburger Roßmärkten, wo der Skat eine bekannte Rolle spielt, tragen die begüterten Bauern als Festgewand den langen schwarzen Tuchrock, „Kappe“ genannt, während die gleichlangen hellen Röcke, „die Weißen“, fast ganz außer Gebrauch gekommen sind. Zu Pferde nimmt sich der Altenburger Bauer am stattlichsten aus, seine Reitkunst ist bekannt, bei Hochzeits- und Kirmesfesten sieht man auch heute noch gelegentlich einen Zug berittener Bauern mit geschmückten Pferden.
[3][II] Bild 1. Altenburger Bäuerin und Kind in Festtracht. In der Festtracht liebt die Altenburgerin den bis zum Ellbogen bauschigen und dann engen langen Aermel an ihrer Jacke, während die Alltagsjacke, besonders bei den jüngeren, kurze, buntgestreifte Aermel hat.
[3][II] Bild 2. Altenburger Arbeitsfrauen. Sie zeigen zwar die gleiche enge Kopfbedeckung und die kurzen Röcke, doch zugleich auch den Verzicht auf den unbequemen und in der Bewegung hindernden steifen Brustlatz. Bei der Arbeit werden oft zwei umfangreiche Schürzen, die eine von hinten die andere von vorne vorgebunden.
[4][II] Altenburger Hormetjungfern und Kinder. Das Hormet hat zwar im Wesentlichen die gleiche Grundform, doch läßt unser Bild auch im Einzelnen manche Verschiedenheiten erkennen. Es ist übrigens ein ziemlich schwerer Kopfschmuck, der bei festlichen Gelegenheiten bald wieder mit der Tute vertauscht wird.
Im Vogtlande ist die alte Volkstracht ebenso wie im Erzgebirge, im Elbgau und bei den Deutschen der Oberlausitz fast ganz außer Gebrauch gekommen. Zwar hat sich vereinzelt in Ortschaften, die vom Verkehr entfernter liegen, noch das eine oder andere Stück erhalten, aber die Tracht selbst als Ganzes lebt nicht mehr im Bewußtsein des Volkes. Und doch hängen in jenen Landesteilen die Einwohner in allem übrigen fest an ihren Sitten und Bräuchen, sie haben sich noch ihren Sondercharakter rein zu erhalten gewußt. Am auffälligsten zeigt sich dies in den sprachlichen Verschiedenheiten. Auch in ihren Festen hängen die Vogtländer noch an alten Ueberlieferungen. Ihr Hammelkegeln in Elsterberg ist durch den Festzug in Sachsen allgemein bekannt geworden, nicht minder ihr Maientanz und ihre Hutzenstube. Dabei lieben sie es neuerdings, ihre alten Trachten wieder zum Ansehen zu bringen und sie haben davon auch in Dresden eine wohlgelungene Probe gegeben.
[II] Bild 1 und 2. Gruppen vom Hammelkegelfeste aus Elsterberg. Die Männer tragen Kniehosen und helle Strümpfe und Schnallenschuhe, gehen entweder hemdsärmlig oder in buntgestreifter vielknöpfiger Weste. Um den breiten ungestärkten Kragen aus grober Leinwand tragen sie ein lose gebundenes buntes Tuch aus Seide oder Baumwolle. Ueber der Weste wird auch oft eine kurze Jacke getragen und der Kopf entweder mit einer Schirmmütze oder einer Pelzkappe, „dem Bartel“, bedeckt. Das Gesicht ist gewöhnlich glattrasiert. Die jungen Mädchen tragen ein ärmelloses Mieder und darüber ein buntes Brusttuch; vier bis fünf faltenreiche Röcke übereinander geben ihnen ein stattliches Aussehen. Als Kopfputz wird noch am meisten ein dunkles Tuch [III] mit bunten Ecken und mit Fransen verwandt, das über der Stirn zu einer Schleife geschickt zusammengebunden ist.
[6][III] Aeltere Festtrachten aus dem Vogtlande. Bei festlichen Anlässen tragen die älteren Männer langschössige bunte Tuchröcke. Die älteren Frauen tragen meist eine kurze Jacke, den „Spenzer“, der mit Watte gefüttert ist und dessen Aermel oben sehr weit und nach der Hand zu enger sind. Auch tragen sie noch häufig anstatt des Kopftuches die ältere „Buckelhaube“, von der lange bunte Bänder über den Rücken herabhängen, und deren hinteres Mittelstück, „der Haubenfleck“, durch Stickerei hervorgehoben ist.
Unser Erzgebirge weist nur noch in seinen Bergleuten und in seinen Hausierern charakteristische Typen auf. Die Arbeiter an den Bergwerken unterscheiden sich bekanntlich durch zwei Berufsarten, die des Bergmannes, dem die Gewinnung und Zubereitung der Erze obliegt und die des Hüttenmannes, der die Scheidung der Metalle aus den vom Bergmann aufbereiteten Erzen durch den Hütten- namentlich Schmelzprozeß vorzunehmen hat.
[7][III] Bild 1. Die Tracht des Bergmannes ist entweder seine Arbeitstracht oder die Paradetracht. Die Arbeitstracht des Bergmannes hat einen faltigen Grubenkittel aus schwarzer Leinwand, das als Schutz hinten vorgebundene Bergleder und einen niedrigen Filzhut mit Krempe. Vor der Brust hängt die Grubenlampe, an einem Hüftgürtel hängt vorne eine Ledertasche, bergmännisch „Lichttasche“ genannt, sie enthält Feuerzeug, Nägel, Messer und andere kleine notwendige Stücke. – Als Paradetracht tragen die Mannschaften schwarze Kittel, weiße Beinkleider, Bergleder, grünen hohen Schachthut ohne Krempe. Die Beamten tragen die sogenannte Puffjacke mit den Rang kennzeichnenden Abzeichen, weiße Beinkleider, Seitengewehr, Schachthut. Das gemeinschaftliche Abzeichen für alle Bergleute ist die sogenannte Barde.
[7][III] Bild 2. Hüttenleute in Festtracht aus den Muldnerhütten bei Freiberg. Die Tracht aller (Freiberger, Grünthaler, Blaufarbenwerks-) Hüttenleute besteht allgemein in weißem Kittel und weißem Beinkleid. Die Freiberger Hüttenleute tragen einen schwarzen niedrigen Filzhut mit einer Krempe, die an der linken Seite aufgeschlagen ist; ferner eine vorgebundene schwarze Lederschürze. Am Kragen und Vorderärmel tragen sie noch ein rotes Tuchabzeichen. Das Parade-Handwerks- (Gezähe-) Stück besteht bei allen Hüttenleuten aus Forkel, Grähle und Stecheisen, d. i. lange zum Feuerschüren eingerichtete Instrumente. Die Tracht der Hüttenbeamten entspricht derjenigen der bergmännischen Beamten, nur ist die Puffjacke bei den Freibergern grau.
[8][III] Bild 1. Hüttenleute in Festtracht aus den Blaufarbenwerken zu Oberschlema. Sie tragen einen hohen, schwarzen Filzhut ohne Krempe, ähnlich dem bergmännischen Schachthut, ihre Lederschürze hat ultramarineblaue Farbe. Ihr Tuchabzeichen am Kragen und Vorderärmel ist blau.
[8][III] Bild 2. Hüttenleute von dem Kupferhammer zu Grünthal bei Olbernhau. Sie haben gleichfalls einen hohen, schwarzen Filzhut ohne Krempe, ihre Lederschürze ist braun, das Tuchabzeichen rot.
[9]
[III] Bild 1. Hausierende Handelsleute (Kastenleute) aus dem Erzgebirge. Bild 2. Erzgebirgische Spielwaarenhändler. Der Boden des Erzgebirges ist wenig ertragreich, der Bergbau verlangt nicht mehr soviel Arbeitskräfte als in früheren Zeiten. Infolgedessen hat sich im Erzgebirge besonders zahlreich die Klasse der Hausierer eingebürgert, die Erzeugnisse eigenen und fremden Fleißes feilbieten, und die überall volkstümliche, ehrliche und bescheidene, gern gesehene Gäste sind. Erzgebirgische Handelsartikel, Spitzen, Holzwaaren und Kinderspielzeug und sonstige Erzeugnisse der Klein- und Hausindustrie sind in ganz Deutschland durch sie bekannt geworden, auf allen Jahrmärkten sind sie vertreten. Diese Männer und Frauen mit ihren Kästen, Säcken, Körben und Taschen haben meist wetterharte charakteristische Gesichtszüge. Die Kastenleute und Landreisenden aus Jöhstädt, die Bürstenhändler aus Schönheide, die Blechleute aus Eibenstock, die Löffelhändler aus Beiersfeld, die Spielwarenhändler aus Grünhainichen, die Händler aus Satzung, Geyer und Elterlein sind allen Erzgebirgern bekannt; manche von ihnen, wie die Bockauer Arzneihändler mit ihren „Buckelapotheken“ und die Rußbuttenleute sind schon fast völlig ausgestorben.
[10]
[III] Leute in älteren Festtrachten aus dem Meißner Hochlande. Bei den Männern ist die Volkstracht nicht mehr vorhanden. Bei den Frauen hat sich hier und da noch die kurzärmelige Bluse, das bunte Brusttuch und die Bänderhaube in Gebrauch erhalten.
[11][III] Aeltere deutsche Festtrachten aus der Oberlausitz. Bei den Deutschen der Oberlausitz ist eine bestimmte Volkstracht nicht mehr nachzuweisen, doch muß noch zu den Zeiten unserer Väter eine solche stark verbreitet gewesen sein. Mit dem Zunehmen der Industrie und der Ausdehnung der Stadtkultur ist die Volkstracht dort allmählich verschwunden, doch haben sich in dem Besitze der wohlhabenden Familien noch in sehr großer Anzahl ältere Trachten erhalten. Diese wurden zu dem Feste wieder hervorgesucht und manchmal allerdings nicht gerade historisch getreu zusammengestellt. Darum waren aber die Träger der einzelnen Gewänder auf deren Echtheit nicht minder stolz; es waren aber auch darunter einige Prachtstücke, die in kostbarer und kunstvoller Stickerei ihres Gleichen suchten. Am gleichmäßigsten zeigte sich die Tracht der Frauen, trotz mancher Abweichung im Einzelnen. Die schmucken jugendfrohen Mädchengestalten nehmen sich in den von radförmigen Kragen umränderten Hauben, in den wattierten, seidenen Spenzern, in den vielen faltigen Röcken und den feingestickten Schürzen gar anmutig aus. Bei Aufführung der einheimischen Tänze, sowie in Sprache und Gesang offenbarte sich der offene, lebensfrohe Charakter der Deutschen aus der Oberlausitz in schönster Weise. Einzelne noch am Leben erhaltene Gebräuche, wie der Umzug der in Reisig gekleideten Knechte, das Schandreiten auf dem Esel, das Hahnschlagen, wurden im Zuge vorgeführt. Und an die Poesie des Reisens im Postwagen zur Zeit der Messen gemahnten die volkstümlichen Weisen, die vom alten Wagen herab der Postillon erklingen ließ.
Die Wenden haben nicht wie die Altenburger eine einheitliche, sondern eine nach den Gegenden verschiedenartige Volkstracht, die sich, wie auch sonst fast überall, mehr bei den Frauen als bei den Männern zeigt und bisher erhalten hat. Die größte Mannigfaltigkeit der Trachten herrscht besonders in der Niederlausitz, sowie in der angrenzenden Muskauer Standesherrschaft, wo in jeder Gemeinde die Tracht fast noch mehr als die Sprache ihre besonderen Eigentümlichkeiten aufweist, so daß der Kenner z. B. bei größeren Festlichkeiten (Hochzeiten, Kindtaufen u. s. w.) oder bei Jahrmärkten in Cottbus, Spremberg und Muskau sogleich aus der Tracht ersieht und bestimmen kann, aus welchem Kirchspiel die Trägerin herstammt. Die unterscheidenden Hauptmerkmale finden sich in der Art des Kopfputzes, im Schmuck der Brust und in der Menge und Farbe der Bänder an der Kleidung. Und wenn man nur die größeren Unterschiede berücksichtigt, so zerfällt die Volkstracht der Wenden oder vielmehr der Wendinnen in folgende 6 Gruppen:
- a) In der sächsischen Oberlausitz:
- 1. Tracht der katholischen Wenden in den Amtshauptmannschaften Kamenz und Bautzen, sowie in der einzigen zur preußischen Oberlausitz gehörigen katholischen Parochie Wittichenau.
- 2. Tracht der evangelischen Wenden (diese ist leider seit mehr als einer Generation immer mehr im Schwinden begriffen und in einigen westlichen und südlichen Kirchspielen bereits ganz geschwunden).
[IV]
- b) In der preußischen Oberlausitz:
- 3. Tracht der Wenden im Kreise Hoyerswerda, sowie den angrenzenden Gemeinden des Rothenburger Kreises (Klitten, Reichwalde, Creba).
- 4. Tracht der Wenden der Standesherrschaft Muskau.
- c) In der Niederlausitz:
- 5. Tracht der Wenden im Kreise Spremberg, sowie in den westlich angrenzenden Teilen des Kreises Kalau.
- 6. Tracht der Wenden im Kreise Cottbus, sowie in den angrenzenden Teilen der Kreise Guben, Lübben und Kalau, insbesondere im Spreewald.
Zu den kurzen Erläuterungen der wendischen Trachtentafeln (Blatt 14–25) sei im Voraus bemerkt, daß alle die auf den Tafeln enthaltenen und dargestellten Trachten noch heutigen Tages im Gebrauch sind, und daß die verschiedenen Trachten dem Volkscharakter der einzelnen Gegenden entsprechen.
[14][IV] Bild 1. Hochzeitszug der katholischen Wenden (a. d. Par. Radibor b. Bautzen): In der Mitte sitzend Braut und Bräutigam, zu beider Seiten zuerst die beiden Ehrenmütter (sloncy, sg. słonka)[WS 1] und dann die Brautjungfern bez. Ehrenjungfern (družki), dahinter der Hochzeitsbitter (braschka)[WS 2] mit den beiden Brautführern (swataj, sg. swat) rechts und links, Musikanten (hercy) und männliche Hochzeitsgäste. Die Braut trägt die charakteristische schwarzsamtene Brautmütze (borta) mit dem vergoldeten Reifen und dem Brautkranze darauf, um den Hals mehrere Korallen- bez. Perlenschnuren und auf der Brust das Geschmeide aus mehreren Reihen alter Gold- und Silbermünzen. Der Bräutigam hat auf dem Kopf den Dreimaster (jetzt aber gewöhnlich den Cylinder) mit dem Rautenkränzchen daran und in der Hand den geschmückten Feststock. Der Hochzeitsbitter ist kenntlich an dem Kranz und flatternden seidenen Bande an der linken Seite des Dreimasters und dem buntseidenen herabwallenden Tuche auf der rechten Brustseite, die Brautführer bez. Brautdiener dagegen haben ähnliche Kränze und Bänder an der rechten Seite des Hutes und die buntseidenen Tücher auf der linken Brustseite. – Ueber die Tracht der beiden Ehrenmütter vergl. Bl. 15 Nr. 1 und über die der zahlreichen Brautjungfern vergl. Bl. 24 No. 6. – Die übrigen weiblichen und männlichen Hochzeitsgäste sind in Sonntagstracht.
[14][IV] Bild 2. Hochzeitszug der evangelischen Wenden (a. d. Parochien Hochkirch und Göda) in folgender Reihenfolge: 1. Hochzeitsbitter in ähnlicher Tracht wie bei den katholischen Wenden, 2. die beiden kleinen Ehrenjungfern (družcziczki)[WS 3] mit den Blumenkörbchen, 3. Braut und Bräutigam, der hier nur ein Rautenkränzchen nebst Band von grüner Seide an der linken Seite des Hutes und ein Blumensträußchen an der linken Brustseite trägt, 4. die beiden Ehrenmütter (gewöhnlich Taufpatinnen der Braut und des Bräutigams), gefolgt von ihren beiden Männern an Stelle der beiden Brautdiener (swataj), 5. ein Freund (towarisch) des Bräutigams mit der Schleife an der runden Mütze, begleitend die Mutter des Bräutigams, 6. die beiden Brautjungfern in Kleidern von blauer Seide, während die Braut ein schwarzseidenes Kleid trägt, 7. als Ehrenjungfern die unverheirateten Freundinnen der Braut (towarischki). Alle weiblichen Hochzeitsgäste haben ein Blumensträußchen auf der linken Seite angesteckt und die unverheirateten dazu noch einen Kranz von künstlichen Blumen auf dem bloßen Kopfe, die Braut aber einen Rautenkranz. Ueber die Tracht der Ehrenmütter vgl. Blatt 24 Nr. 3.
[14][IV] Bild 3. Maienfestgruppe aus Crostwitz (kath. Wenden): Burschen und Mädchen in Sonntagstracht, im Hintergrunde in der Mitte der Träger des Maienbaumes. Bei den Mädchen ist besonders bemerkenswert das hohe steife schwarze Mieder (schtalt)[WS 4] , das helle Brusttuch, das schwarzseidene Häubchen mit den beiden breiten schwarzen Schleifen rechts und links vom Kopfe nebst zwei gleich breiten langen schwarzen Bändern von der Haube herab über den Rücken, und unter dem Kinn die breite gewöhnlich buntseidene gefaltete Schleife (sekula).[WS 5] Die Burschen tragen gewöhnlich buntseidene Westen und große buntseidene Halstücher.
[15][IV] Bild 1. Kindtaufsgruppe I aus Crostwitz (kath. Wenden): verheiratete Taufzeugen. Die verheirateten weiblichen Taufzeugen (kmotry)[WS 6] sind gekleidet wie die Ehrenmütter bei den Hochzeiten: besonders feingesticktes weißes Brusttuch über der schwarzen gefütterten Frauenjacke (kožuch) mit weiten gefütterten und wattierten Puffärmeln; auf dem Kopfe eine schwarzseidene enganliegende Haube vorn mit breitem schwarzen Rand von geklöppelten Spitzen und hinten mit den beiden breiten schwarzen Schleifen und zwei schwarzseidenen Bändern über den Rücken herab, darunter die charakteristische weiße Frauenhaube (cziepc), die an den Schläfen mit einem schmalen Streifen hervorguckt.
[15][IV] Bild 2. Kindtaufsgruppe II aus Crostwitz (kath. Wenden): ledige Taufzeugen. Die unverheirateten weiblichen Taufzeugen tragen dieselbe Tracht wie die Braut- bez. Ehrenjungfern bei den Hochzeiten (s. Blatt 24 Nr. 6).
Bemerkung zu Bild 1 und 2. Die katholischen Wenden haben bei den Kindtaufen in der Regel nur drei Taufzeugen (Paten), wie früher auch die evangelischen, und zwar bei einem Knaben zwei männliche und eine weibliche und bei einem Mädchen zwei weibliche und einen männlichen. In beiden Gruppen (1 und 2) steht rechts hinter dem männlichen Taufzeugen die Hebamme (in gewöhnlicher Sonntagstracht), die das Kind zur und von der Taufe zu tragen hat.
[16][IV] Landarbeitergruppe aus Crostwitz (kath. Wenden) in Arbeitstracht: Schnitter und Schnitterinnen (erstere mit breiten Strohhüten, letztere mit großem meist weißen Kopftuch zum Schutz gegen die Sonne), Drescher mit dem „Alten“ (aus Stroh geflochten), Frau mit Wasserkannen an dem Krummholz (kwakula); die Frauen sind kenntlich an dem geknöpften, die Mädchen an dem geschnürten Mieder.
[17][IV] Wendengruppe aus Parochie Klitten (preuß. Oberlausitz), besteht aus: a) den Teilnehmern am Klittener Hochzeitszuge (vgl. Bl. 18 Nr. 2), b) der Kindtaufsgruppe (vgl. Bl. 18 Nr. 1), c) den Ostersängerinnen (Bl. 19 Nr. 2) und d) einigen Gästen.
[18][IV] Bild 1. Kindtaufsgruppe aus Jahmen (Par. Klitten) nebst Gästen aus Reichwalde (preuß. Oberlausitz). In der Mitte stehen die beiden unverheirateten Taufpatinnen, gekleidet gleich den Ehrenjungfrauen bei den Hochzeiten (towarischki), mit einem großen Kranz von künstlichen Blumen und Goldflitter auf dem Kopf, einem Panzer von bunten Glasperlen auf der Brust und einigen Perlenschnuren um den Hals; dahinter zwischen beiden die Hebamme (baba); rechts und links von beiden noch zwei andere und zwar verheiratete Taufzeuginnen aus der Parochie Reichwalde, davon die beiden äußersten in der charakteristischen großen weißen Radhaube (křidlata kapa) mit dem Rad um den Hals, die in der sächsischen Oberlausitz sonst nur von den ledigen Taufzeuginnen und Brautjungfern getragen wird; dahinter die zu den beiden Gruppen gehörigen männlichen Taufzeugen in der in jenen Gegenden obligaten Männermütze.
[18][IV] Bild 2. Hochzeitsgruppe aus Parochie Klitten. In der Reihenfolge von rechts nach links: 1. Hochzeitsordner (družba), 2. Bräutigam (nawoženja) und Braut (njewjesta), 3. die beiden Brautjungfern (družki), 4. die beiden Ehrenjungfern des Bräutigams (towariški), 5. die beiden Ehrenmütter (slonki), 6. dahinter die beiden Brautführer (swataj) und die beiden Ehrendiener des Bräutigams (towarišej), die zugleich Führer und Tänzer seiner beiden Ehrenjungfern sind, 7. weitere Hochzeitsgäste. Alle 6 genannten Mannspersonen haben um den niedrigen breiten Cylinder unterschiedliche bunte Bänder, sowie Bräutigam und družba je einen Strauß an der linken, die übrigen aber je zwei an beiden Seiten desselben, sodann haben alle noch einen Strauß auf der linken Brustseite und der družba außerdem über die Brust von der linken Achsel nach der rechten Hüfte die breite von der Braut gestickte und ihm geschenkte Schärpe (twjelco). – Die Braut unterscheidet sich von ihren beiden Brautjungfern besonders durch das große weiße Linnentuch, in welches sie ihren Oberkörper gehüllt hat; als Kopfschmuck tragen alle drei die „borta“ (Mütze von schwarzem Sammet), jedoch die erstere mit dem vergoldeten Brauthaarband (sliebornik) und dem Rautenkranz, die letzteren beiden aber nur mit dem Kranz von künstlichen Blumen und Silberflitter darauf. Die Ehrenjungfern des [V] Bräutigams führen ganz dieselbe Tracht wie die ledigen Taufzeuginnen (vgl. Bild 1). Bei den übrigen weiblichen Hochzeitsgästen jener Parochie ist besonders charakteristisch die weiße Festhaube mit Spitzen zu beiden Seiten des Gesichts nebst der Schleife und dem Bande unter dem Kinn, sowie dem Bande um die Stirn, welches bei den Frauen hell, bei den Mädchen aber bunt sein muß.
[19][V] Bild 1. Gruppe aus dem Hochzeitszug des Hoyerswerdaer Kreises (preuß. Oberlausitz): Brautjungfern (družki) und Brautführer (swataj) bez. Ehrendiener (towarischej). Die Brautjungfern haben dieselbe Tracht wie die unverheirateten Taufzeuginnen: auf dem Kopf die turbanartige Sammetmütze (borta) mit einem Kränzchen, das mit mehreren bunten Schleifen und über den Rücken herabhängenden bunten Bändern hinten am Haar befestigt ist; auf der Brust den großen bunten Perlenpanzer, darüber einige Korallen- bez. Perlenschnuren um den Hals, mit schmalen bunten Bändern hinten zusammengebunden; am Oberarm breite, gestickte, krausenartig ausgebogene, kurze Hemdenärmel von feiner weißer Leinewand, und darunter befestigt über den ganzen Arm bis zum Handgelenk reichend breite bunte Aermel von feinem Wollstoff; über bez. um das Kleid herum eine große weiße feingestickte Schürze (meist eigne Handarbeit der Mädchen) und in der Hand ein weißes gesticktes Taschentuch mit gesticktem ganzen Rufnamen.
[19][V] Bild 2. Ostersängerinnen aus Jahmen (Par. Klitten). Sitte: in der Niederlausitz und der preuß. Oberlausitz, wo noch viel Flachs gebaut und gesponnen wird, bilden die jungen Bauernmädchen jedes Dorfes eine Spinn- und zugleich Singgesellschaft, wozu sie sich eine Vorsängerin (kantorka) wählen; unter deren Leitung singen sie an den gemeinsamen Spinnabenden im Winter ihre altbeliebten Volkslieder, in der Fastenzeit aber meist geistliche Lieder bez. alte Legenden; außerdem ziehen dieselben von Fastnacht bis Ostern, an manchen Orten bis Pfingsten jeden Sonn- und Feiertag nachmittags und besonders in der Osternacht feierlich durchs Dorf einher, dabei ihre geistlichen Lieder (oft in recht volkstümlicher Form) singend. Tracht: gewöhnliche Sonntagstracht, zumeist in gefütterter Winterfrauenjacke. Die Sängerinnen aus Jahmen auf vorliegendem Bild (19, 2) tragen: eine weiße Haube mit Spitzen zu beiden Seiten des Gesichts, heller Schleife und Band unter dem Kinn, buntem schmalen Band um die Stirn, das hinten zusammengeknüpft mit seinen beiden langen Enden über den Rücken herabhängt; buntes Brusttuch im kurzen schwarzen bez. dunkelgrünen Mieder mit blauen bez. grünen Schnüren; große breite nach der Hand zu sich erweiternde Hemdsärmel von geblumter bez. karrierter Leinwand oder Kattun (gewöhnlich doppelte solche Aermel übereinander, die feineren und helleren leinenen über die gröberen und dunkleren baumwollenen gezogen); und endlich eine große bunte geblumte bez. gestreifte Schürze von Leinwand bez. Kattun.
[20][V] Bild 1. Trauernde Weiber aus Par. Klitten. Die Farbe der Trauer bei den Wenden war und ist noch in der ganzen preuß. Oberlausitz und den meisten Gegenden der wendischen Niederlausitz weiß. Auf dem Bilde stehen in der Mitte zwei Frauen in Volltrauer (sie haben den ganzen Körper in das weiße Laken [cělna plachta][WS 7] von feiner Leinwand eingehüllt) und zu beiden Seiten zwei in Halbtrauer (sie haben nur den Oberkörper mit Kopf ins weiße Tuch gehüllt); bei der Halbtrauer wird zumeist wie hier noch ein weißes gekerbtes Bindchen (platk) und bei Volltrauer wurden früher manchen Orts zwei solche Bindchen über die Stirn gebunden. Volltrauer wird angelegt bei nahen Blutsverwandten, Halbtrauer bei entfernteren.
[20][V] Bild 2. Gruppe von Männern und Frauen in Trauer aus Par. Schleife b. Muskau: in der Mitte zwei Frauen in Volltrauer, zu beiden Seiten drei Frauen und ein Mädchen in Halbtrauer; die weißen Laken sind hier von gröberer Leinwand und werden etwas anders umgelegt als auf Bild 1; Röcke und Jacken darunter sind schwarz. Die trauernden Männer sind zu erkennen an dem weißen Halstuch (anstatt des sonst üblichen bunten bez. schwarzen) und an den langen schwarzen Tuchröcken, während dieselben für gewöhnlich an Festtagen lange dunkel- bez. hellblaue Tuchröcke tragen.
[21][V] Bild 1. Ostersängerinnen aus Par. Schleife. Hauptmerkmal: die Tracht sowohl der Männer wie der Weiber im Schleifaer Kirchspiel ist bei allen Personen durchweg uniform, auch sogar in der Farbe wie im Muster. Die Ostersängerinnen hier haben eine wie die andere: blaue mit einer Schleife unter dem Kinn zusammengeknüpfte Hauben, dunkelblaue Brusttücher mit großen weißen Tupfen im kurzen schwarzen mit grünen Bändern geschnürten Mieder, darüber eine dicke schwarze Leinwandjacke mit weißen Schafpelzaufschlägen an den Aermeln, kurze, dicke, grüne (gestreifte) Friesröcke mit gleichlangen breiten gedruckten Schürzen darüber, selbstgestrickte schwarze Strümpfe in niedrigen Lederschuhen mit Schnalle und Schleife und unter dem linken Arm ein großes dunkelblaues weißgestreiftes dickes Kopftuch von Leinwand zum Schutz gegen Regen und Unwetter.
[21][V] Bild 2. Festgruppe aus Sagar b. Muskau (preuß. Oberlausitz): Mädchen in Sonntags- bez. Festtracht (als Taufpatinnen etc.) mit ihren beiden Gruppenführern, teils in Radhaube bez. dickgefütterter schwarzer Frauenjacke mit weißen Schafpelzaufschlägen, teils ohne dieselben (Braut- bez. Festjungfern). Das große gekerbte Rad der weißen Spitzenhaube geht hier rings um den Kopf (nicht um den Hals wie in der sächs. Lausitz), die kurzen Hemdsärmel mit breiten Puffen sind unten um den Oberarm zusammengeschnürt, über das breite, die ganze Brust bedeckende bunte, gefranzte Brusttuch bez. die Brustseite der Jacke hängen verschiedene längere und kürzere Perlenschnuren und bei den Brautjungfern liegen außerdem um den Hals auf schwarzem Bande zwei Perlen- bez. Korallenketten, über die verhältnismäßig langen Röcke sind gleichlange breite, hellgemusterte Schürzen gebunden. Nur die großen Bandschleifen der Haube sind von (buntgeblumter) Seide. Die scheinbar mit bloßem Kopfe dastehenden Mädchen (Braut- bez. Festjungfern) tragen kunstvoll ins Haar geflochtene bunte Bänder um den Hinterkopf mit einem Kränzchen darauf, gladženje genannt.
[22][V] Bild 1. Leinölverkäufer aus dem Dorfe Sellessen (Kreis Spremberg, N.-L.). In der Niederlausitz und der angrenzenden preußischen Oberlausitz, wo der Flachsbau noch im Schwunge ist, wird viel Leinöl (anstatt des Olivenöls) zu den Speisen (bes. Pellkartoffeln, Plinzen) genossen; die Bauern schlagen ihr Oel gewöhnlich selber in der Oelmühle, die ärmeren Dorfbewohner kaufen es von dem hausierenden Oelverkäufer. Der Oelverkäufer (wolejkaŕ) fährt mit dem mit einem Faß voll Oel beladenen Karren von Ort zu Ort und füllt beim Hausieren die große irdene Leinölflasche, die er an Strohseilen auf der Brust trägt.
[22][V] Bild 2. Dorfmusikanten aus der Muskauer Heidegegend: rechts der Dudelsackpfeifer (dudak) mit dem kleineren glatten unbehaarten Dudelsack (miechawa), in der Mitte der Fiedler mit der kleinen Fiedel (guslicki) und links der Bläser mit der modernen Klarinette anstatt der Tarakawa. Als bemerkenswertes Kleidungsstück ist zu nennen: die kurze blaukarierte Leinwandjacke.
[22][V] Bild 3. Wendische Volksmusikanten von Schleife aus dem Wendenhof der Ausstellung des sächsischen Handwerks und Kunstgewerbes zu Dresden: rechts Vater Bohla (= Bogula, Koseform von Boguslaw) mit dem großen behaarten Dudelsack (kozol), der noch den gehörnten Kopf des Ziegenbockes als Zierde trägt, in der Mitte Wobuza (= Jobst) mit der größeren dreisaitigen Geige (gusle) und links Hančko (= Klein-Antonius) mit der flötenähnlichen Tarakawa. Tracht: kurze blaue Tuchröcke mit hellen Knöpfen, weiße kurze Leinwandhosen mit Reihen von Knöpfen an beiden Seiten, lange weiße bez. farbige Strümpfe in großen starken Lederschuhen mit Schnallen.
[23][V] Bild 1. Der Hochzeits- und Schützenkönigszug aus Leipe im Spreewald (N.-L.). Aus dem Hochzeitszuge befinden sich auf dem Bild nur die Braut (njewjesta), sitzend vor dem Mann mit der Schützenscheibe, und ihre beiden Brautjungfern (towarischki), links von ihr die eine sitzend, die andere stehend; alle drei sind kenntlich an dem gleichen Kopfputz, der runden weißen Mütze (hupac) und dem großen runden gekerbten Halskragen von Tüll, der vorn unter dem Kinn mit einer großen, weißseidenen Schleife zusammengebunden ist; die Braut unterscheidet sich von den Brautjungfern nur durch das Brautkränzchen [VI] (wienaschk) hinten an dem Boden der Mütze und die um denselben herumgelegte „Guirlande“ von natürlicher oder künstlicher Myrte, weißen Blumen, Perlen und Flitter, während bei den Brautjungfern außer dem Brautkränzchen auch in der Guirlande die Myrte fehlt und an Stelle der weißen bunte Blumen treten. Die übrigen Mädchen sind in gewöhnlicher Sonntagsfesttracht; das gewöhnliche helle Kopftuch ist in Leipe und Lehde viel einfacher geknüpft als in Burg und den übrigen Orten am östlichen Rande des Spreewalds, die Röcke werden verhältnismäßig lang getragen; die feinen weißen Busentücher und Schürzen, sowie die kurzen feinen Hemdärmel sind in der Regel mit feinen Spitzen besetzt, natürlich bei der Braut und den Brautjungfern viel reicher als bei den übrigen Mädchen; auch sind gewöhnlich bei den drei ersteren die Schürzen schön geblumt (von Damast bez. Batist).
[23][VI] Bild 2. Die Spinnerinnengruppe aus Burg im Spreewald (wendische Spinnstube auf dem Spreewälder Festwagen beim Volkstrachtenfest). Die Mädchen haben die Tracht an, die sie an den langen Winterabenden bei ihrer fleißig-fröhlichen Arbeit in der gemeinsamen Spinnstube zu tragen pflegen („einfachere Sonntagsnachmittagstracht“): auf dem Kopfe das große mehr oder weniger bunte, manchmal auch dunkle, künstlich geschlungene, meist wollene Kopftuch (lapa) mit den beiden breiten, meist mit Franzen besetzten Enden (rogi = Hörner) zu beiden Seiten, kurze Hemdsärmel mit Aufschlägen, breite helle, bunte und auch dunkle Busentücher mit Franzen bez. Spitzen kreuzweise über die Brust gebunden, kurze, meist dunkelfarbige (grüne bez. blaue), früher selbstgewirkte, dicke Friesröcke mit breiten bunten Seidenbändern ringsherum am unteren Rande, bunte getüpfelte oder gestreifte Schürzen von der Länge und fast auch von der Breite des Rockes, endlich an den Füßen lange in der Regel weiße und meist selbstgestrickte wollene Strümpfe in niedrigen Halbschuhen aus Leder, Samt oder Plüsch.
[24][VI] 1. Zwei evangelische Konfirmandinnen aus Jenkwitz (Par. Bautzen) und Kubschütz (Par. Purschwitz) in der sächs. Oberlausitz. Bemerkenswert: kleine Räderhaube mit dem Rad von Tüll um das Gesicht, großes weißes gesticktes Batisttuch vorn kreuzweise über die Brust geschlungen (Kubschütz), schwarzseidenes Kleid mit geschnürten bez. über der Einschnürung gefalteten Puffärmeln nebst schwarzseidener Schürze.
[24][VI] 2. Evangelische Brautjungfern (bez. ledige Taufpatinnen) aus Par. Göda (sächs. O.-L.). Bemerkenswert: große Räderhaube bez. Flügelhaube (křidlata kapa) mit dem Rade bez. der Krause von gekerbtem Tüll um den Hals, feinwollene geblumte Brusttücher, kurze teilweise mit Spitzen unten eingefaßte und zusammengezogene Hemdsärmel mit weiten Puffen, breite weiße gestickte Schürzen mit langen buntgeblumten Seidenbändern darüber.
[24][VI] 3. Evangelische verheiratete Wendin in Festtracht als Ehrenmutter der Braut (slonka) oder als Taufpatin (kmotra) aus Par. Göda (sächs. O.-L.). Bemerkenswert: schwarzseidenes Kleid mit eingeschnürten Puffärmeln (vgl. Nr. 14), während bei den katholischen Wendinnen die Puffärmel keine Einschnürung erleiden, schwarzsamtene Haube mit schwarzen geklöppelten Spitzen vorn (kleprowana kapa) über der mit einem kleinen Rande zu beiden Seiten der Backen hervorlugenden weißen Frauenhaube (cziepc) und mit der hell- bez. buntfarbigen gefalteten Seidenschleife (sekula) unter dem Kinn, großes gesticktes Batisttuch vorn kreuzweise über die Brust geschlungen und große gestickte Batistschürze mit langen schwarzseidenen Bändern darüber.
[24][VI] 4. Katholische Wendinnen in Beichttracht aus Par. Wittichenau (preuß. O.-L.). Bemerkenswert: feines großes weißes Linnentuch über Kopf und Oberkörper geschlagen, sonst schwarze Kleidung, dazu speciell in Par. Wittichenau breite buntkarierte (jedoch dunkelfarbige) Seidenbänder um den Leib mit langen vorn herabhängenden Enden.
[24][VI] 5. Katholische Wendin in Alltagstracht aus der Klostergegend. Bemerkenswert: schwarze enganliegende Haube (über der weißen Frauenhaube) mit den beiden breiten schwarzen Schleifen hinten und den beiden langen Bändern über den Rücken herab (alles aus einem langen schwarzen Bande bestehend, das in seiner Mitte um den Boden der Haube gelegt und am Nacken in die beiden Schleifen (rohi) geknüpft mit den beiden Enden (kóncy) über den Rücken bis zum Gürtel herabreicht), im hohen schwarzen Mieder mit blanken Knöpfen ein meist dunkelfarbiges, wollenes Brusttuch.
[24][VI] 6. Katholische große und kleine Festjungfer aus Par. Wittichenau. Die Tracht der Brautjungfern (družki), ledigen Taufzeuginnen (kmótry) und kleinen Ehrenjungfern (male družki) ist unter den katholischen Wenden überall gleich; im Ganzen feine helle Kleidung: um den Kopf ein hell(rosa)-rotes Seidenband mit den beiden Schleifen und Enden bis an den Gürtel, geknüpft wie in Bild 5, um den Hals vier Perlen- bez. Korallenschnuren mit verschiedengroßen Schleifen am Nacken, über der Brust mehrere Reihen von bunten Perlen und zu unterst auf dem schwarzen geschnürten Sammetmieder ein Geschmeide von mindestens zwei Reihen gehenkelter antiker Gold- und Silbermünzen (je reicher die Familie, desto mehr Münzen), ein Oberhemd von feiner weißer Leinwand, genannt tackawa, mit langen weiten Aermeln, die am Handgelenk verengt und mit einem gestickten blau-weißen Streifen eingefaßt bez. mit Spitzen besetzt sind, über die große feine weiße Schürze ist ein langes breites buntseidenes Band mit zwei Schleifen am Gurt und zwei langen Enden gebunden.
[25][VI] 1. Frau in Festtracht aus dem Kreise Hoyerswerda. Die Hauptmerkmale dieser insbesondere den Ehrenmüttern (zamamy) und verheirateten Taufzeuginnen (kmotry) eigentümlichen Tracht sind: die weiße Spitzenhaube, aus der nur das Gesicht herausguckt, die kurzen breiten an der Achsel tellerartig aufgewulsteten Aermel des Oberhemds (kitelk) und darunter die langen dunkelfarbigen nach dem Handgelenk zu immer breiter werdenden Aermel von Wollstoff, auf dem Mieder der Panzer von größeren und kleineren bunten Glasperlen, sowie vergoldeten Glasherzen und Glaskreuzchen, auf dem farbigen Rock von Wollstoff die breite weiße reichgestickte Schürze und in der Hand das obligate große gestickte Batisttuch (zum Schmuck, nicht zum Gebrauch!).
[25][VI] 2. Hochzeitsordner aus Schleife (preuß. O.-L.). Während der Hochzeitsbitter (braschka)[WS 8] in der sächs. Oberlausitz eine stehende, bei allen Hochzeiten für Entgelt den Dienst eines Ceremonienmeisters leistende Person ist, wird in der preuß. Oberlausitz und in der Niederlausitz zum Amt des Hochzeitsordners (družba) immer ad hoc ein passender Ehemann aus der Verwandtschaft bez. Freundschaft des Brautpaares gewählt. Seine Abzeichen in der Muskauer Gegend sind: zwei schmale bunte Seidenbänder, die zu beiden Seiten des niedrigen breitkrempigen Cylinderhutes herabhängen, eine mehr oder minder kostbare breite gestickte Schärpe (Handarbeit der Braut), ein großes buntgeblumtes Tuch und ein großes Boukett von künstlichen Blumen, beides zusammen an der linken Brustseite des langen blauen bez. schwarzen Tuchrockes befestigt, ein Feststock mit buntseidenem Bande in der Linken; Bänder, Tücher und Schärpe sind allemal Geschenke der Braut.
[25][VI] 3. Wendin in Arbeitstracht aus der sächs. Oberlausitz. Die Tracht ist besonders in den westlichen katholischen Gegenden üblich.
[25][VI] 4. Braut aus Par. Vetschau in der Niederlausitz. Ihre Tracht trifft ganz mit der Bl. 23, Bild 1 beschriebenen Brauttracht von Leipe überein, nur daß man hier das schwarze Mieder mit einem dunkelfarbigen Franzentuch verhüllt und um den Leib ein dunkles Seidenband knüpft und über die geblumte Spitzenschürze herabhängen läßt.
[25][VI] 5. Vater und Tochter in Sonntagstracht aus Werben (Spreewald). Tracht des Vaters: langer Tuchrock (suknja) mit großem Kragen und zwei Reihen von großen Hornknöpfen, ein großes schwarzseidenes Halstuch (rubischko), eine dunkle oder geblumte (oft seidene) Weste (lac) mit großen blanken Knöpfen (bublinki). Tracht der Tochter: auf dem Kopfe das große dunkle geblumte und gefranzte turbanähnlich geschlungene Kopftuch (lapa) von feinem Wollstoff mit drei Zipfeln: die beiden schmäleren, seitwärts handbreit abstehenden heißen rogi (Hörner), der dritte hintere Zipfel fällt breit über den Nacken; ein helles, geblumtes Tuch mit Franzen kreuzweise über das kurze schwarze Mieder geschlungen; kurzer, stark gefalteter dunkler Friesrock mit breitem, buntgestreiftem Seidenbande am unteren Rande ringsherum eingesäumt; eine dunkle, einfarbige Schürze von Merino oder anderen feinen Stoffen von der Länge und beinahe auch Breite des Rockes mit einem gleichfarbigen Bande vorn zur Schleife gebunden mit herabhängenden Enden; weiße Strümpfe in feinen Halbschuhen.
[25][VI] 6. Bauernbursche in Festtracht aus dem Kreise Cottbus (N.-L.). Diese Tracht war vor 50 Jahren noch allgemein üblich, heutzutage ist sie fast ganz abgekommen; ihre Hauptbestandteile sind: die hohe Sackmütze (pudelawa bez. bobrawa) aus grünem Sammet, oben mit einer großen grünen Troddel geziert und unten mit breitem, [VII] graublauem Krimmer verbrämt; ein großes buntseidenes Halstuch; eine lange Weste von gestricheltem oder geblümtem verschiedenfarbigen Tuche (bez. dergl. Seide) mit zwei Reihen blanker, oft sogar vergoldeter Knöpfe; eine Kniehose von weißer Leinwand mit Knöpfen an den Seiten; weiße bez. farbige lange Strümpfe von Wolle (im Winter) oder Baumwolle (im Sommer) in großen Schnallenschuhen von Kalb- oder Rindsleder; ein langer mit weißem Fries gefütterter weißer Leinwandrock (kapa resp. kabat) mit breiten Aermeln und Ausschlägen sowie hohem breiten Kragen, der inwendig gleichwie der innere Rand der beiden vorderen Rockteile bis hinab zum letzten Knopfe mit grünem (westl. von Cottbus) bez. rotem (östl. von Cottbus) Fries besetzt ist.
Die beiden kleinen Museen der Ausstellung waren in hohem Maße durch die Gunst der Besucher ausgezeichnet, sie boten ja auch des Sehenswerten eine ganze Menge dar. Es mußte besonders Erstaunen hervorrufen, wie in kurzer Zeit sowohl aus entfernter liegenden Orten wie aus der nächsten Umgebung eine große Anzahl der für die Kenntnis und Erforschung des Volkstums in Sachsen wichtigsten Gegenstände zusammengebracht werden konnten. Wie häufig konnte man Ausrufe der Freude hören, als die Besucher die Bauernstube aus dem Elbgau, die erzgebirgische, die vogtländische Bauernstube und die altmeißnische Bürgerstube oder die Gewänder betrachteten und sich erinnerten, daß die gleiche Einrichtung und ähnliche Stücke bei den Eltern und Großeltern noch vorhanden seien. Nicht geringeres Interesse erregten die Gegenstände des wendischen Volksmuseums. War doch hier zum ersten Male versucht worden in umfassenderer Weise ein Bild zu geben von der Mannigfaltigkeit der Volkstrachten und der Eigentümlichkeit der Haus- und Wirtschaftsgeräte dieses Stammes. Was in Originalen nicht gezeigt werden konnte, war durch Photographien ersetzt worden.
[VII] Gegenstände aus dem Sächsischen Volksmuseum. Aus den jetzt wieder ihren Eigentümern zurückgegebenen Ausstellungsstücken konnte nur eine kleine Zahl in unser Werk aufgenommen werden. Darunter sei auf die in dieser und der folgenden Tafel abgebildeten Thonschüsseln zunächst hingewiesen, die zum Teil aus dem vorigen und vorvorigen Jahrhundert stammen und die sowohl in ihrem Figurenschmuck wie im Ornament das naive Form- und Farbengefühl des Volkes unverkennbar aufweisen. Das in solcher Vollständigkeit nur selten vorkommende Stück eines reich ausgestatteten Topfbrettes zeigt verschiedene Arten von Tellern und Schüsseln, die alle zu Anfang unseres Jahrhunderts als Ausstattungsstücke angeschafft wurden. Sie sind in Blau auf weißem Grunde dekoriert und zeigen meist geometrische Bandornamente, daneben Kronen und Fische und das kursächsische Wappen. An den ausgestellten Geräten läßt sich erkennen, wie die großen Stilarten ihren Einfluß bis in die Landbevölkerung erstreckten, wie aber deren Stilistik doch wieder eine Umwandlung erfuhr, und in der Konstruktion, der Schnitzarbeit und der Bemalung eine naive Selbständigkeit sich zu behaupten weiß.
[27][VII] Bild 1. Hausgeräte aus dem wendischen Volksmuseum: Oben an der Wand ein Wandschränkchen mit wendischer Volksornamentik vom Jahre 1668 aus der Parochie Crostwitz b. Kloster Marienstern; rechts daneben ein wenig kenntliches Bild, wie es sich wendische Bauernmädchen aus schön ausgeschnittenen Papierstreifen zusammenzusetzen lieben, die sie mit Bibelsprüchen beschrieben haben. Unten links ein Kinderspinnrad (koza) , in der Mitte ein Stuhl, geschnitzt im Jahre 1835 vom Bauer Nepila in Rohne b. Schleife, darauf ein Festrock und daran angelehnt ein Feststock mit langem bunten Seidenband, wie sie bei Festlichkeiten die Männer (besonders der Hochzeitsbitter) zu tragen pflegen, rechts ein geschnitzter Rockenstock (přaslica)mit Spinnrocken, geschnitzt und mit rotem Wachs ausgelegt von einem Bauer. Auf dem Boden vor dem Stuhle: a) eine thönerne Flasche, in der sich die Arbeiter im Sommer Wasser aufs Feld oder in den Wald mitzunehmen pflegen, aus der preuß. Oberlausitz (durch die Oesen wird ein Traggurt gezogen), b) die Totenkeule oder der Totenschlägel (smjertna heja) , die in älterer Zeit überall, jetzt aber nur noch in einigen Dörfern der Heidegegend bei Todesfällen vom Trauerhaus aus nach links von Gehöft zu Gehöft gegeben wird, bis sie wieder (in der Regel sehr rasch!) zum Ausgangspunkt zurückkehrt. An dem Schlägel ist ein Zettel mit dem Namen des Verstorbenen befestigt. Die Totenkeule selbst ist krumm und in der Mitte schräg zerbrochen und dann wieder mit Nägeln an der Bruchstelle zusammengeschlagen (Symbol des Sterbens), während der übliche Gemeindeschlägel (gmejnska heja) zur Ankündigung von Gemeinderatssitzungen u. s. w. aus einem Stück besteht und gerade ist.
[27][VII] Bild 2. Volkstümliche Musikinstrumente aus dem wendischen Volksmuseum: in der Mitte der Dudelsack (kozol) mit Blasebalg (miech) und den beiden Pfeifen (pišciele), nämlich der Bockpfeife mit neun Löchern im Rohr und der Baßpfeife, die gewöhnlich über den Rücken des Sackpfeifers (dudack) herabhängt; über dem Dudelsack gekreuzt zwei Blasinstrumente (tarakawje), die größere tarakawa aus der Muskauer Heide ist der Oboe, die kleinere aus dem Gebiet der katholischen Wenden vom Kloster Marienstern bis Wittichenau (jetzt nicht mehr im Gebrauch) aber mehr der Klarinette ähnlich, beide haben einen mehr oder weniger schrillen Ton und werden zum Dudelsack gespielt; zwischen beiden hängt eine aus Holz gedrehte Hirtenpfeife (pišcialka), wie sie noch vor 30 Jahren sehr beliebt war, jetzt aber schon selten zu finden ist, da das Treiben des Viehes auf die Weide fast ganz aufgehört hat. Mitten auf dem Dudelsack ist das Notenbuch eines wendischen Volksmusikanten (Kral aus Temmritz b. Bautzen) vom Anfang dieses Jahrhunderts und darunter zwei wendische Geigen, eine gewöhnliche größere (husle) und eine kleinere (guslicki); letztere stammt aus der Muskauer Gegend und wird nur bei Festlichkeiten, besonders Hochzeiten, zum Dudelsack gespielt; charakteristische Merkmale beider: nur drei Saiten und der Boden dünn und ganz flach; das Deckbrett der größeren hat drei Schallöffnungen und ist sehr gewölbt: die drei Saiten sind in d a e gestimmt.
Nicht minder getreu, wie in der inneren Einrichtung des Hauses, hat sich die durch unsere Bauernschaft bewahrte volkstümliche Art auch in dem Grundriß und Aufbau und äußeren Schmuck des Hauses, ja in der ganzen Dorfanlage ausgesprochen. Allerdings sind die charakteristischen Haus-, Hof- und Dorfanlagen in unserer Zeit schon seltener geworden. Um so mehr aber ist es notwendig, das noch Vorhandene im Bilde wenigstens festzuhalten, damit hierdurch bei dem zunehmenden Schwinden des ursprünglichen Charakters alter Haus- und Dorfanlagen für die Forschung wichtige Anhaltspunkte gewahrt bleiben. Aber auch in künstlerischer Hinsicht erscheint ein altes Bauernhaus und ein altes Dorf ungleich reizvoller, als die lediglich aus praktischen Gesichtspunkten und ohne Rücksicht auf den örtlichen Zusammenhang zwischen Bauernhaus und seiner Umgebung von in der fernen Stadt ausgebildeten Maurer- und Zimmermeistern heutzutage errichteten halbstädtischen Gebäude.
Es erschien darum bei Herausgabe unseres Volkstrachtenwerkes nicht unangebracht, auch einige Bilder von sächsischen und benachbarten Haus- und Dorfanlagen zu geben, um so den Hinter- und Untergrund zu zeigen, auf dem sich das volkstümliche Leben in unseren Landen entwickelt hat. Hiermit war natürlicher Weise durchaus nicht beabsichtigt, ein erschöpfendes Bild vorzuführen, sondern lediglich wie durch die Volkstrachtenbilder so auch durch die Bauernhäuser anregend zu wirken. Wir verzichten deshalb darauf, zu diesen Tafeln erklärende Bemerkungen zu geben. Vielen wird das vorgeführte Bild schon Manches zu sagen wissen. Denen aber, die mit der Entwicklungsgeschichte des Bauernhauses in den einzelnen Gebieten unseres Vaterlandes vertrauter sind, wird hoffentlich manche unserer Aufnahmen als eine vorläufige Bereicherung ihrer Kenntnisse erscheinen und sie werden wohl mit um so größerem Interesse dem Erscheinen des vorbereiteten Werkes über sächsische Bauernhäuser entgegensehen. Wir lassen also die Bezeichnung der einzelnen Bildertafeln folgen:
[VIII] Blatt 28. Altenburgisches Bauerngehöfte in Nieder-Arnsdorf bei Glauchau, Hof- und Straßen-Ansicht.
Blatt 29. Dorf Gerstenberg (Sachsen-Altenburg), Gesamtansicht. – Wirtschaftshof in Breesen (Sachsen-Altenburg).
Blatt 30. Dorfplatz in Naundorf bei Coswig. – Dorfstraße in Kaditz an der Elbe. – Wohnhaus in Seifhennersdorf (Süd-Lausitz). – Wohnhäuser in Herrnskretschen an der Elbe.
Blatt 31. Bauerngut, Hofansicht, in Niederzwönitz (Erzgebirge). – Dorfstraße in Kühnhaide (Erzgebirge).
Blatt 32. Bauernhaus in Kühnhaide (Erzgebirge). – Bauerngut, Hofansicht, in Kühnhaide (Erzgebirge).
Blatt 33. Wohnhaus in Zwönitz (Erzgebirge). – Bauerngut in Kühnhaide (Hofseite des Wohnhauses). – Wohnhaus in Niederzwönitz (Erzgebirge). – Bauerngut in Niederzwönitz (Erzgebirge).
Blatt 34. Wohnhaus in Oberrittersgrün (Erzgebirge). – Dorfstraße in Sosa (Erzgebirge). – Wohnhaus in Breitenbrunn (Erzgebirge). – Bauerngut in Cranzahl (Erzgebirge).
Blatt 35. Wohnhäuser in Langenbernsdorf bei Werdau. – Bauerngut in Niederlungwitz bei Glauchau. – Bauerngut in Langenbernsdorf bei Werdau. – Wirtschaftsgebäude in Ober-Weischlitz im Vogtlande.
Blatt 36. Wendischer Durchfahrtsschuppen aus Kotten (Ober-Lausitz). – Wendischer Schuppen aus Groß-Düben (Ober-Lausitz).
Blatt 37. Wendisches Gehöfte in Ralbitz (O.-L.). – Wendisches Bauerngut in Trebendorf bei Schleife.
Blatt 38. Wendisches Bauerngut in Kotten (Ober-Lausitz). – Wendische Dorfstraße in Kotten (Ober-Lausitz).
Blatt 39. Wohnhaus in Leipe (Spreewald). – Dorfstraße in Lehde (Spreewald). – Wohnhaus in Langburkersdorf (Ober-Lausitz). – Gutsgehöfte in Piskovitz (Ober-Lausitz.) – Wendisches Gehöfte in Kotten (Oberlausitz).
Blatt 40. Wendisches Wohngebäude in Ralbitz (Ober-Lausitz). Wendisches Gutsgehöfte in Schönau (Ober-Lausitz).
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Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ handschriftlich korrigiert in słóncy und slónka
- ↑ handschriftlich korrigiert in braška
- ↑ handschriftlich korrigiert in družčički
- ↑ handschriftlich korrigiert in schtałt, eigentlich štałt
- ↑ handschriftlich korrigiert in sekla
- ↑ handschriftlich korrigiert in kmótry
- ↑ handschriftlich korrigiert in ćělna plachta, eigentlich ćělna płachta
- ↑ handschriftlich korrigiert in braška