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graublauem Krimmer verbrämt; ein großes buntseidenes Halstuch; eine lange Weste von gestricheltem oder geblümtem verschiedenfarbigen Tuche (bez. dergl. Seide) mit zwei Reihen blanker, oft sogar vergoldeter Knöpfe; eine Kniehose von weißer Leinwand mit Knöpfen an den Seiten; weiße bez. farbige lange Strümpfe von Wolle (im Winter) oder Baumwolle (im Sommer) in großen Schnallenschuhen von Kalb- oder Rindsleder; ein langer mit weißem Fries gefütterter weißer Leinwandrock (kapa resp. kabat) mit breiten Aermeln und Ausschlägen sowie hohem breiten Kragen, der inwendig gleichwie der innere Rand der beiden vorderen Rockteile bis hinab zum letzten Knopfe mit grünem (westl. von Cottbus) bez. rotem (östl. von Cottbus) Fries besetzt ist.



Die beiden kleinen Museen der Ausstellung waren in hohem Maße durch die Gunst der Besucher ausgezeichnet, sie boten ja auch des Sehenswerten eine ganze Menge dar. Es mußte besonders Erstaunen hervorrufen, wie in kurzer Zeit sowohl aus entfernter liegenden Orten wie aus der nächsten Umgebung eine große Anzahl der für die Kenntnis und Erforschung des Volkstums in Sachsen wichtigsten Gegenstände zusammengebracht werden konnten. Wie häufig konnte man Ausrufe der Freude hören, als die Besucher die Bauernstube aus dem Elbgau, die erzgebirgische, die vogtländische Bauernstube und die altmeißnische Bürgerstube oder die Gewänder betrachteten und sich erinnerten, daß die gleiche Einrichtung und ähnliche Stücke bei den Eltern und Großeltern noch vorhanden seien. Nicht geringeres Interesse erregten die Gegenstände des wendischen Volksmuseums. War doch hier zum ersten Male versucht worden in umfassenderer Weise ein Bild zu geben von der Mannigfaltigkeit der Volkstrachten und der Eigentümlichkeit der Haus- und Wirtschaftsgeräte dieses Stammes. Was in Originalen nicht gezeigt werden konnte, war durch Photographien ersetzt worden.

Blatt 26.

Gegenstände aus dem Sächsischen Volksmuseum. Aus den jetzt wieder ihren Eigentümern zurückgegebenen Ausstellungsstücken konnte nur eine kleine Zahl in unser Werk aufgenommen werden. Darunter sei auf die in dieser und der folgenden Tafel abgebildeten Thonschüsseln zunächst hingewiesen, die zum Teil aus dem vorigen und vorvorigen Jahrhundert stammen und die sowohl in ihrem Figurenschmuck wie im Ornament das naive Form- und Farbengefühl des Volkes unverkennbar aufweisen. Das in solcher Vollständigkeit nur selten vorkommende Stück eines reich ausgestatteten Topfbrettes zeigt verschiedene Arten von Tellern und Schüsseln, die alle zu Anfang unseres Jahrhunderts als Ausstattungsstücke angeschafft wurden. Sie sind in Blau auf weißem Grunde dekoriert und zeigen meist geometrische Bandornamente, daneben Kronen und Fische und das kursächsische Wappen. An den ausgestellten Geräten läßt sich erkennen, wie die großen Stilarten ihren Einfluß bis in die Landbevölkerung erstreckten, wie aber deren Stilistik doch wieder eine Umwandlung erfuhr, und in der Konstruktion, der Schnitzarbeit und der Bemalung eine naive Selbständigkeit sich zu behaupten weiß.

Blatt 27.

Bild 1. Hausgeräte aus dem wendischen Volksmuseum: Oben an der Wand ein Wandschränkchen mit wendischer Volksornamentik vom Jahre 1668 aus der Parochie Crostwitz b. Kloster Marienstern; rechts daneben ein wenig kenntliches Bild, wie es sich wendische Bauernmädchen aus schön ausgeschnittenen Papierstreifen zusammenzusetzen lieben, die sie mit Bibelsprüchen beschrieben haben. Unten links ein Kinderspinnrad (koza) , in der Mitte ein Stuhl, geschnitzt im Jahre 1835 vom Bauer Nepila in Rohne b. Schleife, darauf ein Festrock und daran angelehnt ein Feststock mit langem bunten Seidenband, wie sie bei Festlichkeiten die Männer (besonders der Hochzeitsbitter) zu tragen pflegen, rechts ein geschnitzter Rockenstock (přaslica)mit Spinnrocken, geschnitzt und mit rotem Wachs ausgelegt von einem Bauer. Auf dem Boden vor dem Stuhle: a) eine thönerne Flasche, in der sich die Arbeiter im Sommer Wasser aufs Feld oder in den Wald mitzunehmen pflegen, aus der preuß. Oberlausitz (durch die Oesen wird ein Traggurt gezogen), b) die Totenkeule oder der Totenschlägel (smjertna heja) , die in älterer Zeit überall, jetzt aber nur noch in einigen Dörfern der Heidegegend bei Todesfällen vom Trauerhaus aus nach links von Gehöft zu Gehöft gegeben wird, bis sie wieder (in der Regel sehr rasch!) zum Ausgangspunkt zurückkehrt. An dem Schlägel ist ein Zettel mit dem Namen des Verstorbenen befestigt. Die Totenkeule selbst ist krumm und in der Mitte schräg zerbrochen und dann wieder mit Nägeln an der Bruchstelle zusammengeschlagen (Symbol des Sterbens), während der übliche Gemeindeschlägel (gmejnska heja) zur Ankündigung von Gemeinderatssitzungen u. s. w. aus einem Stück besteht und gerade ist.

Bild 2. Volkstümliche Musikinstrumente aus dem wendischen Volksmuseum: in der Mitte der Dudelsack (kozol) mit Blasebalg (miech) und den beiden Pfeifen (pišciele), nämlich der Bockpfeife mit neun Löchern im Rohr und der Baßpfeife, die gewöhnlich über den Rücken des Sackpfeifers (dudack) herabhängt; über dem Dudelsack gekreuzt zwei Blasinstrumente (tarakawje), die größere tarakawa aus der Muskauer Heide ist der Oboe, die kleinere aus dem Gebiet der katholischen Wenden vom Kloster Marienstern bis Wittichenau (jetzt nicht mehr im Gebrauch) aber mehr der Klarinette ähnlich, beide haben einen mehr oder weniger schrillen Ton und werden zum Dudelsack gespielt; zwischen beiden hängt eine aus Holz gedrehte Hirtenpfeife (pišcialka), wie sie noch vor 30 Jahren sehr beliebt war, jetzt aber schon selten zu finden ist, da das Treiben des Viehes auf die Weide fast ganz aufgehört hat. Mitten auf dem Dudelsack ist das Notenbuch eines wendischen Volksmusikanten (Kral aus Temmritz b. Bautzen) vom Anfang dieses Jahrhunderts und darunter zwei wendische Geigen, eine gewöhnliche größere (husle) und eine kleinere (guslicki); letztere stammt aus der Muskauer Gegend und wird nur bei Festlichkeiten, besonders Hochzeiten, zum Dudelsack gespielt; charakteristische Merkmale beider: nur drei Saiten und der Boden dünn und ganz flach; das Deckbrett der größeren hat drei Schallöffnungen und ist sehr gewölbt: die drei Saiten sind in d a e gestimmt.



Nicht minder getreu, wie in der inneren Einrichtung des Hauses, hat sich die durch unsere Bauernschaft bewahrte volkstümliche Art auch in dem Grundriß und Aufbau und äußeren Schmuck des Hauses, ja in der ganzen Dorfanlage ausgesprochen. Allerdings sind die charakteristischen Haus-, Hof- und Dorfanlagen in unserer Zeit schon seltener geworden. Um so mehr aber ist es notwendig, das noch Vorhandene im Bilde wenigstens festzuhalten, damit hierdurch bei dem zunehmenden Schwinden des ursprünglichen Charakters alter Haus- und Dorfanlagen für die Forschung wichtige Anhaltspunkte gewahrt bleiben. Aber auch in künstlerischer Hinsicht erscheint ein altes Bauernhaus und ein altes Dorf ungleich reizvoller, als die lediglich aus praktischen Gesichtspunkten und ohne Rücksicht auf den örtlichen Zusammenhang zwischen Bauernhaus und seiner Umgebung von in der fernen Stadt ausgebildeten Maurer- und Zimmermeistern heutzutage errichteten halbstädtischen Gebäude.

Es erschien darum bei Herausgabe unseres Volkstrachtenwerkes nicht unangebracht, auch einige Bilder von sächsischen und benachbarten Haus- und Dorfanlagen zu geben, um so den Hinter- und Untergrund zu zeigen, auf dem sich das volkstümliche Leben in unseren Landen entwickelt hat. Hiermit war natürlicher Weise durchaus nicht beabsichtigt, ein erschöpfendes Bild vorzuführen, sondern lediglich wie durch die Volkstrachtenbilder so auch durch die Bauernhäuser anregend zu wirken. Wir verzichten deshalb darauf, zu diesen Tafeln erklärende Bemerkungen zu geben. Vielen wird das vorgeführte Bild schon Manches zu sagen wissen. Denen aber, die mit der Entwicklungsgeschichte des Bauernhauses in den einzelnen Gebieten unseres Vaterlandes vertrauter sind, wird hoffentlich manche unserer Aufnahmen als eine vorläufige Bereicherung ihrer Kenntnisse erscheinen und sie werden wohl mit um so größerem Interesse dem Erscheinen des vorbereiteten Werkes über sächsische Bauernhäuser entgegensehen. Wir lassen also die Bezeichnung der einzelnen Bildertafeln folgen:


Empfohlene Zitierweise:
Hrsg: Ausschuß für das Sächsische Volkstrachtenfest zu Dresden 1896: Karl Schmidt (Volkskundler), Oskar Seyffert (Volkskundler), Jean Louis Sponsel: Sächsische Volkstrachten und Bauernhäuser (1896). Wilhelm Hoffmann, Dresden 1897, Seite VII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:S%C3%A4chsische_Volkstrachten_und_Bauernh%C3%A4user_(1896).pdf/13&oldid=- (Version vom 29.10.2017)