Teurisker (Ptolem. III 8, 3 Τευρίσκοι), ein nur bei Ptolem. a. O. genannter Volksstamm im nördlichen Ungarn. Name jedenfalls mit dem schon in vorkeltischer Zeit zu beiden Seiten der mittleren Donau verbreiteten Worte tauern (= hoher Gebirgszug, Gebirgsübergang) in Zusammenhang (Müllenhoff Deutsche Altertumskunde II 83). über ihre Wohnsitze gibt Ptolem. a. O. Aufschluß: κατἔχουσι δὲ τὴν Δακίαν ἀρκτικώτεροι μὲν ἀρχομένοις ἀπὸ δυσμῶν Ἄναρτοι καὶ Τευρίσκοι καὶ Κοιστοβῶκοι. Da aber Ptolemaios vermutlich auf Grund einer älteren Quelle das vorrömische Dacien im Auge hat, dem gegenüber die gleichnamige römische Provinz an Ausdehnung weit zurückblieb (vgl. Brandis o. Bd. IV S. 1953. Premerstein Klio XII 146), so werden die T. in Oberungarn zu suchen sein; Kiepert FOA XXIV setzt sie nördlich von den Quellen der Theiß an. Diese Annahme paßt auch gut zu Strab. VII 313 μέρος μὲν δή τι τῆς χώρας ταύτης (er spricht von Illyrien) ἠρήμωσαν οἱ Δακοὶ καταπολεμήσαντες Βοίους καὶ Ταυρίσκους ἔθνη Κελτικὰ τὰ ὑπὸ Κριτασίρῳ φάσκοντες εἶναι τὴν χώραν σφετέραν καίπερ ποταμοῦ διείργοντος τοῦ Παθίσου (so statt Παρίσου zu lesen Brandis o. Bd. IV S. 1959) ῥέοντος ἀπὸ τῶν ὀρῶν ἐπὶ τὸν Ἴστρον; aus dieser Stelle, die, nach dem Namen des Critasirus zu schließen, die Verhältnisse um die Mitte des 1. Jhdts. v. Chr. wiedergibt, zeigt sich der Expansionsdrang der Daker nach Südwesten, als dessen Ergebnis Strab. VII 304 Βοιρεβίστας ... Βοίους δὲ καὶ ἄρδην ἠφάνισε τοὺς ὑπὸ Κριτασίρῳ καὶ Ταυρίσκους zu betrachten ist. Taurisker in Oberungarn zu suchen, erlaubt Strab. V 213 τοὺς ... Βοίους ἐξήλασαν (οἱ Ῥώμαῖοι) ἐκ τῶν τόπων, μεταστάντες δ’ εἰς τοὺς περὶ τὸν Ἴστρον τόπους μετὰ Ταυρίσκων ᾤκουν πολεμοῦντες πρὸς Δάκους, ἕως ἀπώλοντο πανεθνεί, und durch den Hinweis V 208 auf τοῖς Ταυρίσκοις τοῖς Νωρικοῖς deutet er an, daß es zu seiner Zeit auch noch andere Taurisker gab (Goos Arch. f. siebenbürg. Gesch. XIII 447, 57). Zippel D. röm. Herrschaft in Illyrien 120 bemerkt sehr richtig zu Strab. VII 304. 313, daß um das J. 60 v. Chr. — für diesen Zeitansatz sprechen sich Niese Ztschr. f. d. dtsch. Altertum XLII 154, nach Brandis a. O. 1959 ,mit gutem Grunde‘, und Kubitschek IOA
[1137] IX 74 aus — weder an eine Unterwerfung der Noriker durch Boier noch an eine politische Vereinigung beider Völker (Strab. VII 313) und schon gar nicht an eine Vernichtung des norischen Reiches durch Daker (Strab. VII 304. 313) gedacht werden könne (vgl. auch Fluss o. Bd. V A S. 8), es scheinen vielmehr die bei Strabon genannten Taurisker mit den T. des Ptolemaios identisch zu sein (so zuletzt Parvan Dacia 157. 158. 169; der Wechsel der Diphthonge au und eu in einem Namen im Altertum ebenso ohne Bedeutung wie heutzutage; auch darüber Fluss o. Bd. V A S. 1).
Über die ursprünglichen Sitze der T. sind wir nicht unterrichtet. Much Deutsche Stammeskunde 55 glaubt, daß ein Teil der mitteldeutschen Teurisker (vgl. o. S. 2) nach Osten gezogen sei. Nach Strab. V 213 muß man sie in den Westkarpathen suchen. Der Zeitpunkt ihrer Ansiedlung daselbst ist nicht feststellbar, da Strabon a. O. die Geschichte eines weit über 100 Jahre langen Zeitraumes in einem Satz zusammenfaßt. Caes. bell. Gall. VI 25, 2. 3 läßt den herzynischen Wald parallel zur Donau bis zu den Grenzen der Daker und Anarten streichen, dann links in einer dem Flusse entgegengesetzten Richtung, also beim Übergang aus der westöstlichen in die nordsüdliche Richtung; daher darf man annehmen, daß die T. wie später zur Zeit der Abfassung der Quelle des Ptolemaios östlich von den Anarten, also um diese Zeit vielleicht im Bereiche der Westkarpathen siedelten (Much bei Hoops Reallex. d. deutsch. Altertumsk. IV 314). Der Vergleich der Strabonstellen VII 304. 313 gestattet möglicherweise auch den Schluß, daß die T. unter dem Drucke der vordrängenden Daker unter Boirebistas (vgl. o. Suppl.-Bd. I S. 263) sich mit den Boiern verbunden hätten (so auch Kubitschek a. O. 73. Schmid 15. Bericht d. röm.-germ. Kommission 213), doch ohne sich unter deren Herrschaft zu stellen (vielleicht so die Verschiedenheit in der Ausdrucksweise Strabons über das Verhältnis zwischen Boiern und Tauriskern VII 313 Βοίους καὶ Ταυρίσκους ἔθνη Κελτικὰ τὰ ὑπὸ Κριτασίρῳ und VII 304 Βοίους ...τοὺς Κριτασίρῳ καὶ Ταυρίσκους zu erklären). Der Ausdruck Strab. VII 304 Βοιρεβίσττας Βοίους δὲ καὶ ἄρδην ἠφάνισε ...καὶ Ταυρίσκους (im übrigen spricht er V 213 nur von der Vernichtung der Boier) ist jedenfalls nicht wörtlich zu nehmen (vgl. Ihm o. Bd. III S. 631. Patsch S.-Ber. Akad. Wien phil.-hist. Cl. 214. Bd. 44, 6); wie sich Reste der Boier, so haben sich auch solche der Taurisker erhalten. Letztere wurden beim Einbruch der Iazygen, der zwischen 20 und 50 n. Chr. erfolgt zu sein scheint (Brandis 1953), ebenso wie die Anarten weiter nach Osten geschoben (Brandis 1960); so erklärt sich die Angabe ihrer Wohnsitze bei Ptolemaios (Contzen Wanderungen d. Kelten 83). Patsch a. O. 45 ist dagegen der Ansicht, daß schon nach der Zurückdrängung der Boier ein in dem strittigen Gebiete bereits siedelnder Stamm ihrer Bundesgenossen, der Taurisker, von Burebista möglicherweise weiter östlich verpflanzt worden sei und so der Name Teurisker in der Reihe der von Ptolem. III 8, 3 angeführten Gaue des nördlichen Dacien eine Erklärung finde. Vgl. auch Mueller zu [1138] Ptolem. III 8, 3. Holder Altcelt. Sprachschatz II 1803.